Obdachlosigkeit, soziale Ausgrenzung und rechte Gewalt

„Rechte TäterInnen praktizieren gegen obdachlose Menschen einen Sozialdarwinismus der Tat, der durch einen Sozialdarwinismus des Wortes vorbereitet wird“, heißt es im Klappentext des Buches Obdachlosenhass und Sozialdarwinismus von Lucius Teidelbaum, das sich mit Obdachlosenfeindlichkeit im Kontext „sozialdarwinistischer Zustände“ (S. 15) beschäftigt. Infolge eines „weit verbreiteten Sozialdarwinismus“ käme es heute laut dem Autor zu einer „systematischen Ausgrenzung benachteiligter durch strukturell privilegierte Gruppen“. (S. 41) Mit dem Begriff Sozialdarwinismus meint der Autor in diesem Kontext „die Abwertung von Transferleistungs-Empfänger_innen und sozialen Randgruppen seitens breiter gesellschaftlicher Schichten“. (S.16) Dieser sog. latente Sozialdarwinismus führt in der Regel zu einem manifesten Sozialdarwinismus, der sich von ersterem dadurch unterscheidet, mit einer Aktivität verbunden zu sein wie beispielsweise Beschimpfung, physische Gewalt oder aber auch Repressalien von Seiten der Behörden.

Die offensichtlichste und schlimmste Facette dieser manifesten Ausformung sind offene Gewalt und Morde an Obdachlosen durch Rechtsradikale und Neonazis. Dieses Thema nimmt eine gesonderte Stellung im Buch ein. Obdachlose werden selten als eigene Kategorie gehandelt, wenn es um Opfer rechter Gewalt geht. Oft wird ein offensichtlicher rechtsradikaler/neonazistischer Hintergrund einschlägiger Taten ignoriert, relativiert oder unter den Tisch gekehrt. Gegen diesen Trend wendet sich das Buch mit voller Vehemenz. Bedrückende Schilderungen von Morden an Obdachlosen durch Neonazis sollen diese Opfer rechter Gewalt nicht in Vergessenheit geraten lassen und es verunmöglichen, diese Taten zu entpolitisieren. Wie es im Eingangszitat bereits angedeutet wird, hat dieser Sozialdarwinismus der Tat rechter GewalttäterInnen einen Sozialdarwinismus des Wortes als Basis – und diese Basis ist sehr viel breiter als einschlägige rechte Kreise. Der Autor sieht hier primär die „Ökonomisierung des gesellschaftlichen Lebens“ (S. 19) als Hauptproblem dieses Phänomens, denn die „Bewertung von Menschen nach (wirtschaftlicher) Leistung ist eine grundsätzlich sozialdarwinistische Position“. (S. 19) Diese Zustände sind hier laut Autor Teidelbaum der Grund für eine „Transformation von Ungleichheit in Ungleichwertigkeit“. (S. 22) Diese sog. Ideologie der Ungleichwertigkeit sei wiederum „ein wichtiges Wesensmerkmal der extremen Rechten“ (S. 22), womit sich der Kreis zwischen gesellschaftlich akzeptierter Ausgrenzung von „Randgruppen“ und rechter Gewalt wieder zu schließen beginnt.

Ganz so einfach darf man es sich bei rechter/neonazistischer Gewalt gegen Obdachlose jedoch auch nicht machen. Wie der Autor beschreibt, gibt es durchaus auch so etwas wie rechte Solidarität mit Obdachlosen. Freilich kommen hier nur die „einheimischen“ Obdachlosen in den fragwürdigen Genuss dessen. Rechte Parteien wie die NPD sowie diverse Neonazi-Gruppen distanzierten sich immer wieder öffentlich von Morden an Obdachlose durch klar dem rechten Spektrum zuordenbare TäterInnen. In Frankreich gibt es Suppenküchen Rechtsradikaler für Obdachlose – gekocht wird dort jedoch stets mit Schweinefleisch, um Muslime und Juden auszugrenzen. Dass die Gewalt gegen Obdachlose, von denen der Autor spricht, aber stets sozialdarwinistische, also letztendlich rechte Argumentions- und Legitimationsmuster zugrunde liegen, lässt sich auch dadurch nicht relativieren.

Aus anarchistischer Perspektive ist zudem positiv hervorzuheben, dass der Autor in seinem kurzen Abriss zu historischen Fragen der Obdachlosigkeit auch auf die Vagabund_innen-Bewegung rund um Gregor Gog eingeht. Die 1927 gegründete Bruderschaft der Vagabunden war klar anarchistisch und rüttelte durch Losungen wie „Generalstreik das Leben lang!“ auf. Sie optierte für „ein ganzes Leben“ im „gottverdammte[n] Dasein in der Gosse“ statt auch nur „einen einzigen Tag Bürger [zu] sein!“ (S. 32).

Dieses Buch ist ein wichtiger und einer der wenigen Beiträge, die Ausgrenzung von und Gewalt gegen Obdachlosen unter sozialdarwinistischen Vorzeichen beleuchtet, problematisiert und die konkreten Auswirkungen und Ursachen, die dies hat, benennt. Die relative Kürze der Ausführungen mindert hierbei nicht die Qualität des Inhalts. Der Autor schafft es sogar, historische Fragen unterzubringen, ohne dass es oberflächlich wirkt. Den Fokus auf diese Aspekte sozialer Ausgrenzung und rechter Gewalt zu legen und wie sie interagieren, ist vor allem in Krisenzeiten wie diesen, in denen das soziale Klima stetig rauer wird, äußerst wichtig.

Sebastian Kalicha

Lucius Teidelbaum: Obdachlosenhass und Sozialdarwinismus. Unrast Verlag, Münster 2013. 80 Seiten, 7,80 Euro, ISBN: 978-3-89771-124-2

Zucker, Brot und Peitsche

Zucker II

Nachdem ich euch im letzten Heft gezeigt habe, was Zucker alles mit dem Körper anrichtet, möchte ich mich in diesem Heft mit der Geschichte des Zuckers beschäftigen. Wo kommt Zucker eigentlich her? Wann kam er nach Europa? Wie kam er?

Der Weg nach Europa

Schon immer galt Süßes als etwas Besonderes. Anfangs griff der Mensch nach Honig, um Speisen zu süßen. Er wurde außerdem zur Heilung eingesetzt und bis heute wird daraus Met gewonnen. In unseren Breitengraden war er bis ins Mittelalter die einzige bekannte süße Leckerei.
Die ältesten Belege für Zuckerrohr wurden in Melanesien (Südostasien) gefunden und sind 10.000 Jahre alt. Vor 8.000 Jahren gelangte das Zuckerrohr von dort nach Indien und später Persien, wo die eigentliche Zuckergewinnung entwickelt wurde. In der Antike gelangte Zuckerrohrsaft als Luxusgut ins römische Reich.
Im 4. Jahrhundert v. Chr. brachte Alexander der Große die Neuigkeit vom Zuckerrohrsaft aus Ostindien mit. Er wurde anfangs als „Honig ohne Bienen“ oder „indisches Salz“ beschrieben, bis die Römer die Bezeichnung „Saccharum“ prägten. Da nur winzige Mengen importiert werden konnten, wurde Zucker zu einem Luxusprodukt, das sich nur sehr wenige, sehr reiche Menschen leisten konnten. Erst 600 n. Chr. konnte Zuckerrohrsaft kristallisiert werden. Damit wurde der Zucker haltbar und der Handel über weite Strecken möglich.

Zucker – Ein Handelsgut

Mit dem Islam kam nach dem Ende des persischen Reiches der Zucker und damit die von Sklaven bestellten Zuckerrohrplantagen in den südlichen Mittelmeerraum. Die Araber haben das Wissen der Perser übernommen und verfeinert – Süßigkeiten aller Art wurden nun hergestellt und an den herrschaftlichen Höfen gab es Zucker im Überfluss.
In den Norden gelangten die Süßigkeiten über Spanien. Auch die Kreuzfahrer brachten den „Sukhar“ (arab.) mit. Der Handel begann. Venedig – wichtiger Handelsort für viele Produkte – wurde im 12. Jahrhundert auch wichtigster Umschlagplatz für Zucker. Von dort gelangte er über die Alpen. Anfangs konnte Zucker in Apotheken gekauft werden und galt als Medizin. Im 14. Jahrhundert entstanden dann die ersten Zuckerbäckereien.
Der sächsische Händler Konrad Roth II. (1530-1610), der bei den Welsern eine kaufmännische Ausbildung u.a. im Zuckerhandel bekam, unterhielt in Lissabon eine Faktorei. Er brachte Kupfer, Saflor und Waffen nach Portugal und auf den Rückreisen Zucker nach Sachsen. 1573 ließ er in Augsburg eine der ersten Zuckerraffinerien nördlich der Alpen errichten. (1)
Nach der Vertreibung der Araber von der iberischen Halbinsel durch die Christen kontrollierten bald die Portugiesen und Spanier den Zuckerhandel. Sie unterhielten große Zuckerrohrplantagen, die von afrikanischen Sklaven bewirtschaftet wurden.
1493 brachte Kolumbus das Zuckerrohr in die „Neue Welt“. Das subtropische Klima war ideal für reiche Ernten. Wälder wurden gerodet, Plantagen vergrößert – größer wurde auch in Europa die Lust nach Kaffee, Tee und Kakao und damit die Lust auf Zucker.
Doch auch die Plantagen in Amerika wurden von Sklaven unterhalten. Die amerikanische Urbevölkerung war schnell „aufgebraucht“ – das war der Beginn des transatlantischen Sklavenhandels. 1530 arbeiteten bereits 30.000 afrikanische Sklaven auf San Domingo – hauptsächlich auf Zuckerrohrplantagen. Der Dreieckshandel war in vollem Gange und die europäischen Herrschaftshäuser und Händler schwelgten im Wohlstand. Dass tausende von Menschen in dieser Zeit ihr Leben verloren, ist weit bekannt und muss hier nicht im Detail besprochen werden. Doch neben Tabak, Kaffee, Kakao und Tee ist es auch der Zucker, der diese grausame Geschichte teilt. Neben Spanien und Portugal waren auch die Niederlande, Frankreich, England und Deutschland an dem Handel beteiligt. Heutzutage ist es kaum vorstellbar, welch gewaltige Umsätze damals erzielt wurden, die die Grundlage für die industrielle Revolution in Europa waren.
Im 18. Jahrhundert wurden kritische Stimmen in Europa immer lauter und der Sklavenhandel geriet in Verruf. 1791 kam es zum großen Sklavenaufstand von San Domingo, der am Ende zur Unabhängigkeit von Haiti geführt hat. Auch auf Kuba, danach größtes Anbaugebiet für Zuckerrohr, kam es immer wieder zu Aufständen, bis Kuba 1902 formal selbstständige Republik wurde. (2)

Zucker als Gemeingut

Zucker galt, wie ich schon ausführte, lange als Luxusmittel. Für „normale“ Menschen war Zucker eher Medizin. Er wurde benutzt um Arzneien wie Sirup anzurühren oder Pillen herzustellen. Zuckerprodukte konnten in Apotheken gekauft werden, die mit dem Zuckergeschäft gute Einnahmen machten.
Doch schon im 16. Jahrhundert gab es kritische Stimmen, der Zucker sei schädlich. So beschreibt zum Beispiel ein Besucher 1598 die Zähne der Königin Elisabeth I. als „schwarz, weil sie zu viel Zucker isst“. (3) Allerdings gab es auch zahllose Loblieder auf den süßen, lieblichen Zucker.
Mit der massenhaften Produktion in Amerika fiel der Zuckerpreis im 17. und 18. Jahrhundert und Zucker hielt Einzug in die Alltagsküchen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lag der Pro-Kopf-Jahresverbrauch allerdings erst bei 2 Kilo – es war nach wie vor ein Gewürz für besondere Anlässe und wurde außerdem zum Haltbarmachen verwendet. (4)

Die Entdeckung der Rübe

Mit den Sklavenaufständen stieg der Zuckerpreis wieder und die Suche nach lokalen Alternativen begann. 1747 entdeckte der Chemiker Andreas Sigismund Marggraf (1709-1782) aus Berlin bei seiner systematischen Suche nach zuckerhaltigen Pflanzen, dass er aus der Runkelrübe Kristalle gewinnen konnte, die identisch mit den Zuckerrohrkristallen waren. Seinem Schüler Franz Karl Achard gelang später die Produktion von Zucker. Er ließ 1802 in Schlesien die erste Rübenzuckerfabrik bauen. So wurde Preußen unabhängig vom englischen Zuckerimport.
Auch Frankreich förderte die Produktion von Zucker aus der Rübe. Die politische Lage zwischen England und Frankreich war angespannt: die Briten belieferten die Franzosen nicht mehr mit Zuckerrohr, wodurch die Raffinerien in Frankreich zum Stillstand kamen. Der Zuckerpreis stieg. Napoleon erließ darauf eine Kontinentalsperre für britische Schiffe. Die Zuckervorräte gingen zur Neige und die Menschen wurden unzufrieden. Darauf beschloss Napoleon per Dekret den Anbau der Zuckerrübe und deren Verarbeitung. Durch Steuerfreiheiten in Frankreich aber auch in Deutschland wurde die Zuckerindustrie unterstützt und bald gab es genügend Zuckerrübenfabriken, um die Nachfrage zu stillen.
Nach dem Verbot der Sklaverei in britischen Kolonien 1834 brach der Handel mit dem Rohrzucker endgültig zusammen und der Rübenzucker ist zum „Zucker“ geworden. Auch jetzt wird er selten als Rübenzucker bezeichnet, wohingegen der Rohrzucker als solcher betont wird.

Die Zuckersteuer

Nicht nur Händler und Industrielle, auch der Staat verdiente gut am Zucker. Anfangs wurden Zölle auf den Import von Rohrzucker erhoben und später auch auf den Rübenzucker.
1764 erließ das britische Parlament ein Zuckergesetz („Sugar Act“), das vorrangig die Staatskasse nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) wieder füllen sollte. Es regelte vor allem den Handel von Zuckerrohrmelasse in den Kolonien. Die allgemeine Steuerpolitik des British Empire stieß in den Kolonien auf Widerstand. Höhepunkt der Proteste war die „Boston Tea Party“ am 16. Dezember 1773. Der Tee stand dabei nur symbolisch für viele Handelsgüter – es hätte genauso gut Zucker sein können und damit „Boston Sugar Party“ geheißen. (5)
1841 wurde in Preußen die Zuckersteuer eingeführt, die anfangs nur den Handel, später auch den Verbrauch betraf. Da damals schon Rübenzucker in rauen Mengen hergestellt wurde, kann von einer Luxussteuer keine Rede sein. Sie war eine reine Verbrauchersteuer, die erst 1993 abgeschafft wurde und bis dahin dem Fiskus einiges einbrachte.
Nachdem lange Zeit Rohrzucker nach Europa importiert wurde, galt Zucker im 19. Jahrhundert als Exportgut in Europa. Zucker war endlich zur Massenware geworden und der Kilopreis wurde in Pfennigen berechnet.
1953 wurde dann das erste Zuckerabkommen der Vereinten Nationen beschlossen, das u.a. Quoten regeln und Lagermengen bestimmen sollte. Es folgten darauf verschiedene Abkommen, die stets erweitert, aber auch eingeschränkt wurden. Das jüngste Abkommen wurde am 20. März 1992 mit der Gründung der „Internationalen Zucker-Organisation“ mit Sitz in London beschlossen. (6) Diese Organisation greift nicht regulierend in die Märkte ein, sondern fördert lediglich den Handel und den Konsum von Zucker und soll neue tolle Produkte erforschen, in denen möglichst viel Zucker enthalten ist. Voll gut.

Im nächsten Heft werde ich euch noch einiges zu Nestlé, Ferrero und Co. berichten, welchen Einfluss die Zucker-Lobby auf die Politik hat und wie staatliche Förderung und wissenschaftliche Studien den Verkauf von zuckerhaltigen Produkten ankurbeln.

Übrigens: Falls ihr mal wieder in Kreuzberg seid und noch mehr zur Geschichte von Zucker erfahren wollt, könnt ihr ja mal im Zuckermuseum vorbeischauen (Trebbiner Straße).

mv

(1) www.deutsche-biographie.de/sfz108370.html
(2) Dass die USA noch heute ein Interventionsrecht besitzen (siehe Guantánamo Bay), steht allerdings auf einem anderen Blatt.
(3) Franz Binder/Josef Wahler, Zucker – der süße Verführer (Freiburg 2004) 42.
(4) Zur Erinnerung: zurzeit beträgt er ca. 36 Kilo.
(5) Hans-Ulrich Grimm, Garantiert gesundheitsgefährdend. Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (München 2013) 22.
(6) www.isosugar.org

Die Redaktion … spielt

… mit Kellen, Wölfen und Messern

Seit letztem Monat spiele ich wieder Tischtennis. Draußen, im Park oder gleich auf dem Spielplatz um die Ecke. Ich habe mir dafür eine kleine Tasche zugelegt, mit zwei Kellen und drei Bällen. Einer davon ist orange. Wenn ich jetzt bei Freunden an der Tür klingele und frage, ob sie mit auf den Spielplatz kommen, fühle ich mich wie fünf.

Außerdem spiele ich Okami – ein japanisches Videospiel, in dem ein weißer Wolf die Welt von finsteren Dämonen befreit. „Okami“ auf japanisch bedeutet Wolf, große Gottheit und weißes Papier. Mit mehreren Pinseln bewaffnet zerschneide ich Steine, male Wasser in ausgetrocknete Flüsse, lasse zerstörte Brücken neu entstehen und zeichne Sonnen in schwarze Wolken. Gottesgleich also. So richtig überzeugt von dem Spiel bin ich noch nicht. Die Idee mit den Pinseln statt Waffen hat aber was.

Letztes Jahr habe ich mit Freunden oft Flat Out gespielt – auch ein Videospiel, bei dem der Fahrer aus dem Auto in einem bestimmten Winkel und mit einer bestimmten Geschwindigkeit katapultiert wird, um auf eine Dartscheibe oder ins Tor oder durch Feuerringe zu fliegen. Am Ende liegt der Fahrer immer tot in der Ecke. Auch irgendwie gottesgleich, nur mit dem Unterschied, nicht die Welt zu retten, sondern einfach nur viele Punkte zu ergattern.

Ende letzten Jahres litt ich dann an einer Spiele-Überdosis. Non-Stop Flat Out, Romee, MauMau, Mensch ärgere dich nicht, Trivial Pursuit, Scrabble. Das Problem: Ich kann nicht verlieren und diskutiere bis aufs Messer, wenn ich Ungerechtigkeit wittere. Nicht mit allen. Eigentlich nur mit denen, die mir am nächsten stehen. Und eigentlich völlig sinnlos. Nicht so gut. In Spielen sehe ich dann nur noch Psychokriege, in denen sich jeder behaupten will.

Die Tischtennis-Saison ist aber noch jung. Bis jetzt habe ich mich noch nicht ins Spiel hineingesteigert. Bis jetzt will ich noch nicht immer gewinnen. Bis jetzt geht es noch um den Spaß. Manchmal muss ich mir noch still vorsagen, dass ich doch gewinnen will, um mich zu konzentrieren. Ich frage mich, wie lange es anhält. Gestern habe ich schon meinen Namen auf eine Kelle geschrieben.

tung

dagegen

Das Leben soll ja ein Spiel sein, ein Spiel des Lebens. Auf dieses Spiel hab’ ich aber keinen Bock mehr! Ein Kredit aufnehmen und das Studium beenden? Ich hab’ keinen Bock! Arbeiten und Karriere machen? Ich hab’ keinen Bock! Heiraten und Kinder kriegen? Ich hab’ keinen Bock! Eins ist mir mittlerweile klar geworden – an diesem Spielbrett bin ich falsch. Wird wohl Zeit, mir mein eigenes zu basteln. Ein Brett, wo ich über Los gehe, und alle um mich herum 20.000 Euro einziehen dürfen. Bis dieses Brett steht, dauert es aber noch ein Weilchen. Erstmal die Grundlagen schaffen: altes Brett nehmen und kaputtschlagen!

carlos

mitunter mit Gedanken

Mit sinnvollen wie sinnfreien, hellen wie dunklen und (gesellschaftlich) wertvollen wie auch völlig indiskutablen. Gedankenspiele sind dabei vor allem eines – die freie Entfaltung im Inneren, die Alternative zu realen Handlungszwängen, die Möglichkeit, überhaupt über gesellschaftliche Normen und Grenzen hinauszudenken. Da die Freiheit des einen bekanntlich da aufhört, wo die der anderen beginnt, ist es (fast) nur im Selbst möglich, wahnwitzige Ideen zu entwickeln oder überhaupt die eigene Persönlichkeit so zu entfalten, dass die gesellschaftliche Determination keinen Zombie hinterlässt. Das freie Spiel mit den Gedanken ermöglicht es mir erst woanders und mit anderen spielerisch tätig zu werden. Bei Gesellschaftsspielen, Wettkampfspielen, Wortspielen, sexuellen Spielen oder im Schauspielerischen, ja auch bei Machtspielen.

Ich spiele, also bin ich.

k.mille

… Karten- und Rollenspiele

Vielleicht ein bisschen old school, aber ich steh drauf: am runden Tisch mit Freunden und allerlei Genussmitteln sitzen und mit viel Phantasie in analoge Spielewelten tauchen. Die ansonsten bekämpfte Konkurrenzgesellschaft leb ich hier auch gern mal aus, inklusive Rumpöbeln. Ohne schlechtes Gewissen.

Besonders gut funktioniert das bei Skat-Abenden. Man muss gar kein alter Mann sein, um dort mit viel tamtam aufzutrumpfen, oder bei schlechteren Karten den Skat-Gott ob der Kartenverteilung zu verfluchen. Besser noch den Gegner beschimpfen, wenn er am gewinnen ist. Aber ich will hier kein falsches Bild hinterlassen, denn oftmals spiele ich auch ganz friedfertig – vor allem dann, wenn ich selbst ganz vorne throne.

Eine andere gute Gelegenheit, um sonst beherrschte Emotionen, konträre Haltungen oder ungeahnte Facetten des selbst mal auszuleben, bieten sich in so genannten Krimi-Rollenspielen. Als Abendfüllendes Programm konzipiert, schlüpfen 8-10 Menschen (am besten Freund_innen) in ganz unterschiedliche Rollen und spielen beispielsweise einen Mönch, Magier oder Möchtegern-Popstar. Die Aufgabe besteht nun darin herauszufinden, wer aus der illustren Runde der_die Mörder_in einer fiktiven getöteten Person ist. Zwar sind die Mordgeschichte, diverse Indizien und personelle Verstrickungen durch das story-board vorgegeben, allerdings bleibt noch genügend Spielraum um der Rolle den eigenen Stempel aufzudrücken. Herrlich, mit welcher Genugtuung ich als arroganter Magier über den Pöbel herziehen kann. Noch dazu erfinde ich auch neue Zauber, so dass irgendwann alle hoffentlich vor Furcht erstarren….

Der Phantasie freien Lauf lassen kann man übrigens auch mit dem Dixit-Kartenspiel. Platz drei meiner aktuellen best-of-Liste. Wunderschöne, verspielte und interpretationsoffen gezeichnete Bilder bilden hier die Basis. Die Aufgabe besteht darin eines davon assoziativ mit Worten zu belegen, ohne zu viel dabei zu verraten. Denn bestimmte Karten der Anderen sollten auch irgendwie dazu passen können.

Ja ich steh auf Spiele. Vor allem dann, wenn sie zwischenmenschliche Geselligkeit fördern, Phantasie anregen und mir ermöglichen in fremde Welten zu tauchen oder mich mal richtig gehen zu lassen. Mit vielen analogen Karten-, Brett- und Rollenspiele geht das vortrefflich. Und zu entdecken gibt es da noch jede Menge. Vielleicht ein bisschen old school – aber ich steh drauf.

momo

… mit

Sehr schön, denn wer spielt nicht gern? Brettspiele, Kartenspiele, Wortspiele, Schauspiele etc..

Soweit so gut. Doch ist das schon alles? Was spiele ich? Denn immerhin heißt die Rubrik ja „Die Redaktion spielt“ und mir schwirren bei diesem Begriff so massenhaft Gedanken durch den Kopf. Daher habe ich vor mit dem Begriff spielen zu spielen und zu schauen, was denn eigentlich alles dahinter steckt.

Anfangs denkt man häufig an Kinder, denn die sind ja ständig am Spielen. Dies ist meist ein positives Spielen. Man hat Spaß, kann etwas dabei lernen und verbringt eine schöne Zeit. Mit steigendem Alter spielt man dann immer weniger. Zumindest diese Art von Spielen. Allerdings ist nicht jede Art von Spielen eine rein positive. Menschen spielen auch im Stillen, ohne der anderen Person davon zu berichten. An dieser Stelle wird das Spielen nicht nur einseitig, sondern zum Teil auch manipulierend. Ich will damit nicht sagen, dass dies in jedem Fall bewusst geschieht und immer eine genaue Absicht dahinter steht, aber es kommt durchaus vor. Manchmal spielt man Menschen aber auch etwas vor, um nicht oder weniger verletzbar zu sein bzw. eine andere Person nicht zu verletzen. Ob das nun gut oder schlecht ist – darüber lässt sich streiten. Darum soll es aber an dieser Stelle auch gar nicht gehen. Sehen wir mal eben davon ab und wenden uns wieder der positiven Art von Spielen zu. Ich mag zum Bleistift auch Wortspiele sehr gern. Und auch beim Sex wird des öfteren gespielt, die unschuldigen Rollenspiele der Kindheit wandeln sich so z.B. in eine ganz andere Richtung oder allein der Begriff Sexspielzeug weist darauf hin, dass Sex durchaus einen spielerischen Charakter haben kann und hey, macht ja auch Spaß – sollte es zumindest ;). Manchmal spielt man auch einfach mit Gedanken. Es ist interessant wie weitläufig, dieser Begriff ist, aber wie oft er nur so eindimensional betrachtet wird. Zugegeben, er ist so weitläufig, dass ich irgendwie nicht so recht einen roten Faden zustande bringe. Ich springe von einem Gedanken zum nächsten. Schreibe – verwerfe. Ein Teil sagt mir, dass ich mir doch ohne weiteres ein „Spiel“ raus suchen könnte, um das Ganze einfacher zu gestalten aber ein Anderer fände das schlichtweg viel zu langweilig. Dann lieber ein holpriger Text, der nicht so einfach von der Hand geht und außerdem ist es ja auch per se nichts schlechtes. Es kann durchaus einen positiven Effekt haben einmal feste Schemata zu überwinden und den Gedanken(spielen) freien Lauf zu lassen.

R!

„‚Religion ist Scheiße‘-Rhetorik nervt“

Interview über Christlichen Anarchismus

FA!: Hallo, Sebastian Kalicha. Du hast ja Ende 2013 ein Buch zum Christlichen Anarchismus im Verlag Graswurzelrevolution herausgegeben. Was hat dich motiviert, ein derartiges Buchprojekt in Angriff zu nehmen?

SK: Ich komme aus der nicht-religiös anarchistischen Ecke und verstehe mich gleichzeitig als gewaltfreien Anarchisten. Durch meine Beschäftigung mit verschiedenen Traditionen des gewaltfreien Anarchismus stieß ich relativ früh notgedrungen auch auf Leo Tolstoi, der ja einer der bekanntesten gewaltfreien Anarchisten ist, dies dabei jedoch christlich begründet. Von da aus habe ich mich weiter und intensiver mit christlich-anarchistischen Theorien und Ideen – auch fernab von Tolstoi – beschäftigt und begann mich mehr und mehr dafür zu interessieren; wohlgemerkt ohne selbst gläubig zu sein. Gleichzeitig wurde mir auch schnell bewusst, dass christlich-anarchistische Literatur im deutschsprachigen Raum nur sehr spärlich gesät ist und man, will man sich näher in das Thema einlesen, relativ rasch auf fremdsprachige Bücher und Artikel angewiesen ist. Daher kam die Motivation, einen aktuellen Sammelband zum Thema für eine deutschsprachige LeserInnenschaft zusammenzustellen, um dieses Defizit zu beheben.

FA!: Wer sollte dein Buch lesen, und was kann der_die Leser_in inhaltlich von deinem Buch erwarten und erfahren?

SK: Zuallererst hoffe ich, dass das Buch ein Beitrag ist, um den christlich-anarchistischen Diskurs zu verbreitern und zu intensivieren. Daher hoffe ich, dass der Sammelband für die kleine Gemeinde der christlichen AnarchistInnen im deutschsprachigen Raum von Interesse ist. Desweiteren gibt es eine Reihe progressiver christlicher Strömungen wie die Theologie der Befreiung, Religiöser Sozialismus, die christliche Friedensbewegung, etc., bei denen es bestimmte Überschneidungen zum christlichen Anarchismus gibt. Auch für VertreterInnen dieser Richtungen ist das Buch hoffentlich von Interesse. Es ist aber auch ein Buch, das sich sowohl an eine nicht-religiös anarchistische, als auch an eine nicht anarchistische, christlich-religiöse LeserInnenschaft bzw. an TheologInnen richtet. Bei beiden Lagern stößt man immer wieder auf Ablehnung oder Skepsis wenn der christliche Anarchismus zur Sprache kommt, was ich für bedauernswert halte. Es geht hier darum den christlichen Anarchismus wieder verstärkt ins Gespräch zu bringen, Vorurteile abzubauen, reflexartige Schnellschüsse zu vermeiden und Pauschalurteile durch differenzierte Betrachtungen zu ersetzen. Diese Berührungsängste zwischen Anarchismus und Christentum sind, wenn man sich der Thematik von einer bestimmten Richtung her nähert und die inhaltlichen Schnittmengen analysiert, meiner Ansicht nach unbegründet.
Inhaltlich ist der Sammelband als Einführung in den christlichen Anarchismus konzipiert. Er beinhaltet einen generellen Überblick über christlich-anarchistische Thematiken und eine Diskussion zum Verhältnis von Anarchismus und Christentum, Beiträge, die sich mit einer anarchistischen Lesart und Interpretation der Bibel beschäftigen, Reflexionen zu christlich-anarchistischem Aktivismus sowie Porträts bedeutender christlicher AnarchistInnen. Jacques Ellul, dessen Buch Anarchie et christianisme (Anarchie und Christentum) behandelt wird, ist einer davon. Weiterhin werden Dorothy Day und Ammon Hennacy von der Catholic-Worker-Bewegung vorgestellt. Peter Chelchicky, ein Frühreformator und „Ketzer“ der im Tschechien des 14./15. Jahrhunderts lebte, wird ebenfalls porträtiert und dessen christlich-anarchistische Dimension diskutiert.

FA!: Dieses Sammelwerk verdeutlicht ja vor allem, dass christlicher Glaube und Anarchismus nicht zwangsweise ein Gegensatz sind, sondern, dass es auch Anarchist_innen gab und gibt, die beides miteinander verbinden können. Wo siehst du die Schnittstellen zwischen christlichem Glauben und anarchistischem Denken? Was haben beide gemein?

SK: Ich kann das hier nur ansatzweise und stichwortartig erörtern und es gibt natürlich auch innerhalb der christlich-anarchistischen Bewegung immer wieder unterschiedliche Meinungen und Ansätze. Prägnant auf den Punkt gebracht würde ich sagen: Christliche AnarchistInnen gehen prinzipiell davon aus, dass das, was im Evangelium geschrieben steht und was uns von Leben und Wirken Jesu überliefert ist, unter den politischen Vorzeichen von heute am ehesten mit „Anarchismus“ beschrieben werden kann. Dabei finden wir laut christlichen AnarchistInnen im Evangelium alles, was auch den „klassischen“ Anarchismus ausmacht: eine Kritik und Ablehnung von Klassenstrukturen und unterdrückerischen Herrschaftsformen; eine egalitäre und inklusive Alternative dazu; eine Ablehnung von Gewalt, Zwang und Machtausübung; eine Anprangerung ungerechter und ausbeuterischer ökonomischer Verhältnisse und der Versuch diese zu überwinden. In diesem Sinne ist es nur konsequent und logisch, dass die erste Bewegung, die sich direkt auf all das berufen hat, in der Apostelgeschichte in einer Art beschrieben wird, die uns AnarchistInnen sehr bekannt vorkommen und sympathisch sein müsste: „Und alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte.“ (Apg 2,44-45) Und weiter zur Gütergemeinschaft in dieser sog. Urgemeinde: „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam.“ (Apg 4,32) Viele sehen also in diesem Idealzustand, das in der Bibel als „Reich Gottes“ bezeichnet wird, letztendlich eine Entsprechung zur „Anarchie“ von der die AnarchistInnen reden. In diesem Sinne meinte Nicolai Berdyaev bereits: „Das Reich Gottes ist die Anarchie.“

FA!: Ich habe den Eindruck, dass die theoretischen Ansätze und die (wenigen) Aktivist_innen, die sich als christliche Anarchist_innen verstehen, in der anarchistischen Szene wenig Bedeutung erfahren, mitunter sogar tabuisiert werden. Weil es viele Anarchist_innen gibt, die sagen, dass der Gottesglaube prinzipiell nicht mit der anarchistischen Idee vereinbar ist, fällt es gläubigen Politaktivist_innen entweder schwer sich als anarchistisch denkend zu beschreiben, oder sie verbergen weitestgehend ihren Glauben in ihrer politischen Aktivität. Woher kommt dieser weitverbreitete Gedanke an die Unvereinbarkeit? Und wo siehst du Grenzen zwischen christlichem Glauben und anarchistischem Denken?

SK: Woher dieser weitverbreitete Meinung nach Unvereinbarkeit zwischen Anarchismus und Christentum kommt ist für mich insofern eher schwer verständlich, da selbst in den anarchistischen „Klassikern“ von Kropotkin über Rocker und de Cleyre bis hin zu Bookchin und Woodcock ein sehr differenziertes Bild des Christentums aus anarchistischer Perspektive gezeichnet wird. Da wird natürlich einerseits von den unterdrückerischen und reaktionären Ausformungen dieser Religion (zumeist im Sinne der institutionalisierten Form dieser) geschrieben, die ja unleugbar existierten und auch weiter existieren. Diese Ausformungen werden auch von christlichen AnarchistInnen heftig kritisiert, weshalb es in dieser Frage ohnehin keinen Unterschied zu den nicht-religiösen AnarchistInnen gibt. Gleichzeitig wird aber auch stets betont, dass dies nur eine Seite der Medaille ist und dass es im Christentum, um es mit Kropotkin zu sagen, „ernstzunehmende anarchistische Elemente“ gibt. Es ist wichtig, dies zur Kenntnis zu nehmen. Diese anarchistischen Elemente finden aber leider eher wenig Beachtung und werden gerne im Zuge einer fundamentaloppositionellen Haltung gegenüber Religion schlicht ausgeblendet. Grenzen in dem Sinn wie ich sie verstehe sehe ich daher nicht wirklich. Ich würde sagen, dass es Sinn macht klarzustellen, dass die historischen und ideengeschichtlichen Wurzeln des Christentums und des Anarchismus natürlich andere sind und es von daher falsch wäre zu sagen, Anarchismus und Christentum seien im Grunde genommen das gleiche. Auch die Frage des Glaubens ist letztendlich eine, wo sich klarerweise Unterschiede auftun können. Das rechtfertigt meiner Ansicht nach aber nicht das Aufziehen von undurchlässigen Grenzen oder dergleichen. Wenn gläubige und nicht-gläubige AnarchistInnen in einen Diskurs treten, halte ich es vor allem für wichtig, dass das Ganze polemikfrei und mit gegenseitigem Respekt von statten geht. Reflexartige und polemische „Religion ist Scheiße“-Rhetorik geht mir eher auf die Nerven.

FA!: Was waren für dich persönlich in der Beschäftigung mit dem Thema die beeindruckendsten Erkenntnisse, die du mitgenommen hast?

SK: Als jemand, der klassisch katholisch sozialisiert wurde, ist eines der beeindruckendsten Dinge beim christlichen Anarchismus für mich die anarchistische Lesart und Interpretation der Bibel, die anarchistische Exegese, aber auch historische Fragen zu dieser Zeit, in der sich diese Geschichten, von denen wir in der Bibel lesen, abspielten. Dieser Zugang ist auch hilfreich, das Geschriebene anders einordnen zu können. Aber nicht einmal ein explizit anarchistischer Zugang ist notwendig, um das Offensichtliche feststellen zu können: Das Evangelium ist ein Text, der sich radikal auf die Seite der Marginalisierten, Armen, Ausgestoßenen und Subversiven stellt, die gegen die Mächtigen aufbegehrten und Ungerechtigkeiten anprangerten. Wenn das Ganze dann noch mit anarchistischen Theorien in Verbindung gebracht wird, ist es noch spannender. Das ist es, was den christlichen Anarchismus ausmacht und so beeindruckend für mich macht.

FA!: Was gibt es darüber hinaus für inhaltliche Aspekte beim Christlichen Anarchismus, die wichtig bei der Auseinandersetzung mit dem Thema sind und die nicht vergessen werden sollten?

SK: Ein Aspekt, der mir wichtig und interessant erscheint, ist die Frage zum christlich-anarchistischen Aktivismus. Wie können christliche AnarchistInnen aktiv werden, um gegen Ungerechtigkeiten anzukämpfen angesichts der bekannten Maxime: „Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.“ (Mt 5,39) Vor allem Tolstoi hatte diesen Aspekt stark betont und schrieb viel über Nicht-Widerstand in diesem Sinne. Gleichzeitig gibt es viele christliche AnarchistInnen, die sehr wohl für sich in Anspruch nehmen, aktiven gewaltfreien Widerstand zu leisten, ohne dabei unchristlich zu handeln. Christlich-anarchistische AktivistInnen gehören mitunter zu den mutigsten und radikalsten, die mir je begegnet sind. Die verschiedenen Interpretationen und Diskussionen zu diesem Thema sind sehr spannend.

FA!: Wie war eigentlich die bisherige Resonanz auf das Buch und/oder wie haben die Leute in deinen Lesungen und Veranstaltungen zu dem Thema reagiert?

SK: Die Resonanz war gut. Ich habe Lesungen sowohl in eher nicht-religös anarchistischen, als auch in eher christlich-theologischen Rahmenbedingungen gemacht und von beiden Seiten kamen überwiegend positive Rückmeldungen. Auch die Rezensionen waren gut bislang. Teils hatte ich bei Veranstaltungen auch das Gefühl, dass die anarchistische Szene weit weniger zu einer strikten Anti-Haltung was Religion anlangt tendiert, als ich das zuvor angenommen hatte. Das freut mich natürlich.

FA!: Vielen Dank für das Interview!

momo