Abbas’ Odyssee durch die Ausländerbehörde

„Fiktionsbescheinigung“ & „Terrortest“ – Wunder der deutschen Sicherheitspolitik

„Eigentlich wollte ich nur meine Aufenthaltssgenehmigung verlängern lassen, aber sie haben mir die Genehmigung nicht gegeben. Ich habe nur eine Fiktionsbescheinigung bekommen“ erzählt Abbas auf mein Nachfragen, wie es bei der Ausländerbehörde war. „Eine Fiktionswas…?“ frage ich ihn und mich, ob ihm die kafkaeske, deutsche Bürokratie nicht ein wenig zu Kopf gestiegen ist. Aber Abbas, der seit vier Jahren in Deutschland und mit Hilfe eines Stipendiums des saudi-arabischen Königs in Leipzig studiert, ist besser mit dem deutschen Ausländerrecht vertraut als ich. Tatsächlich handelt es sich bei der Fiktionsbescheinigung um einen offiziellen Oberbegriff des deutschen Ausländerrechts, der noch einmal in fünf unterschiedliche „Erlaubnisfiktionen“ untergliedert ist. Das administrative Oxymoron (1) erhält demnach, wer einen Antrag oder eine Verlängerung auf einen Aufenthaltstitel stellt, über den noch nicht entschieden wurde. Mit der Fiktionsbescheinigung hat es der deutsche Verwaltungsapparat geschafft ein Dokument für den Zeitraum des bürokratischen Wartens zu kreieren. Wer die Bescheinigung hat, darf tatsächlich bleiben, bis die Fiktionsbescheinigung ausläuft – vorausgesetzt er oder sie zahlt 20 Euro. Denn auch das Warten hat seinen Preis. Angestrengt denke ich nach. Wieso wird das Dokument nicht Warte-Brief genannt? Wie kann etwas verlängert werden, das es nur scheinbar gibt? Und wenn ein Dokument, das auf einer hypothetischen Entscheidung beruht verlängert wird, befinden wir uns dann nicht schon im Bereich der Metaphysik? Hat eigentlich schon einmal jemand zu transzendenten Phänomene in bürokratischen Systemen geforscht?

Diese und ähnliche Fragen schießen mir durch den Kopf, als ich Abbas sagen höre: „…aber dann wollten sie diesen Terror-Test mit mir machen.“ Ich starre ihn an und der steinharte, geschmacksarme Kaugummi plumpst auf meinen Unterkiefer. Vor meinem inneren Auge sehe ich Abbas vor einer finster dreinschauenden Beamtin eine Handgranate aus seinem buschigen Haar nehmen und ihr grinsend entgegenstrecken. ‘Das müssen Nachwirkungen der Mohammed-Karikaturen sein,’ denke ich und sage: „Terrortest? Alter, du schaust zu viel US-Fernsehen, von was redest du?“

Abbas meinte den so genannten Gesinnungstest, eine Sicherheitsprüfung, der sich Angehörige von insgesamt 26 Staaten in Deutschland unterziehen müssen, wenn sie eine Aufenthaltsgenehmigung haben oder verlängern lassen wollen (2). Neben diesen Landsmännern und -frauen kommen noch Staatenlose, Personen „mit Reisedokumenten der palästinensischen Autonomiebehörde“ oder mit „ungeklärter Staatsangehörigkeit“, sowie Menschen, gegen die bestimmte Verdachtsmomente vorliegen, hinzu. Mensch beachte hier, dass die Formulierung „bestimmte Verdachtsmomente“  nicht selten als juristische Mehrzweckwaffe gegen allerlei Systemoppositionelle eingesetzt wird. Auf dem Prinzip „bestimmte Verdachtsmomente“ gründen Staatspraxen wie die Rasterfahndung, Vorratsdatenspeicherung und der so genannte Terroristen-Paragraph 129a. Ob also beispielsweise „unsittliches“ Verhalten oder „Handlungen, die das öffentliche Wohlergehen stören“, bereits als „bestimmte Verdachtsmomente“ ausreichen, lässt der Erlass bewusst offen. Je schwammiger, desto variabler einsetzbar.

Das Bundesinnenministerium machte immerhin deutlich, dass es bei dem Erlass nicht darum gehe, „durch die Hintertür zusätzliche Spezialfragen“ in einen anderen Test, nämlich den in den Medien kontrovers diskutierten Einbürgerungstest, einzufügen. Bei dem Einbürgerungstest, müssen ImmigrantInnen, die den deutschen Pass wollen, seit dem 1. September 2008 „deutsche“ Fragen beantworten. Aus einem Gesamtkatalog zum gesellschaftlichen und politischen System der Bundesrepublik werden von insgesamt 310 Fragen 33 herausgegriffen, von denen die Befragten mindestens 17 Fragen richtig ankreuzen müssen. Im Gegensatz zum Einbürgerungstest soll der Gesinnungstest laut Bundesministerium, die Einbürgerung nicht erschweren, sondern sei vielmehr „eine Bereicherung“, da der Bewerber sich auf diese Weise mit den abgefragten Themen auseinandersetze. Ob und was abgefragt wird, liegt in alleiniger Verantwortung der Bundesländer und gilt als Verschluss- bzw. Geheimsache der jeweiligen Landesregierungen. Deutschlandweit führen derzeit zehn Bundesländer, darunter auch Sachsen, den Gesinnungstest durch.

„Haben Sie Kontakt zu Osama bin-Laden?“

Abbas war einer der insgesamt 30.114 Menschen, die sich im Jahr 2008 – das erbrachte eine kleine Anfrage der Partei Die LINKE im Bundestag – einer solchen Befragung unterziehen mussten. Als der 23-jährige routinemäßig sein Studenten-Visum bei der Ausländerbehörde verlängern wollte, wurde er aufgefordert, sich einer „Sicherheitsprüfung“ zu unterziehen. Weshalb er die Prüfung machen müsse, fragte Abbas daraufhin die zuständige Mitarbeiterin der Ausländerbehörde, die 2005 zur freundlichsten Ausländerbehörde Deutschlands gewählt wurde. Es gehe um Sicherheit, so die Angestellte. Abbas entgegnete, dass er hier lediglich Student sei. Man wisse nie, entgegnete die Mitarbeiterin schroff. Daraufhin wurde ihm mitgeteilt, dass er den „Terror-Test“, wie er schließlich von der Beschäftigten der Ausländerbehörde unmissverständlich genannt wurde, unter allen Umständen machen müsse, dass er nach drei Monaten über die Ergebnisse informiert werde und dass er dafür zu einem gesonderten Termin erscheinen müsse. Abbas tat, wie ihm geheißen. An diesem Tag wurde er zu einem separaten Raum geführt, wo ihn ein junger Mitarbeiter erwartete, der ihn fragte, ob er gut Deutsch spreche. Abbas bejahte. Ansonsten hätte die Möglichkeit bestanden einen Dolmetscher mitzubringen – auf eigene Kosten – oder eben einen Bekannten, der gut Deutsch spricht. Obwohl Abbas selbst flüssig Deutsch spricht, verstand auch er nicht alle Formulierungen. Eine Frage blieb für ihn inhaltlich unklar, woraufhin er bei dem jungen Mitarbeiter nachfragte. Dieser verweigerte ihm jegliche Auskunft. Er dürfe diesbezüglich keine Informationen weitergeben. Also füllte Abbas den Test aus, so gut er konnte. Je mehr der gefühlten 200 Fragen er beantwortete, desto lächerlicher erschien ihm der Test. „Sie wollten ernsthaft wissen, ob ich Kontakt zu Osama bin Laden habe,“ erzählt Abbas und lacht ungläubig. Die Fragen hätten sich aber nicht nur auf islamische, sondern auch auf christliche und andere „extremistische“ Gruppen bezogen. Es wurde gefragt, ob er irgendwelche Kontakte zu jenen Gruppen pflege oder sich schon jemals über solche mit anderen Personen unterhalten habe und wenn ja mit wem. „Es gab bei diesen Fragen Gruppen, von denen ich noch nie in meinem Leben gehört habe, das war ganz komisch. Sie wollten auch wissen, ob ich irgendwann in anderen arabischen Ländern, außer in Saudi-Arabien gewesen bin, und weshalb ich dort gewesen bin und mit wem.“

Derartige Fragen machen deutlich, dass der Gesinnungstest ein Instrument des präventiven Sicherheitsapparates ist und ein erneuter Versuch verdachtsunabhängige Kontrollen in der Bevölkerung durchzusetzen. Darauf machten vor allem der Flüchtlingsrat in NRW (Nordrhein-Westfalen) und die Studierendenvertreter (AStA) der Uni Münster aufmerksam, die, nachdem ihnen der Gesinnungstest zugespielt wurde, antidiskriminierende Kampagnen initiierten und den „geheimen Fragenkatalog“ aus NRW in der Münsterschen Studierendenzeitung Semesterspiegel abdruckten (3). Mensch lese und staune: „Haben Sie sich außerhalb Deutschlands jemals an politisch, ideologisch oder religiös motivierten Gewalttätigkeiten beteiligt oder dazu aufgerufen?“ oder „Haben Sie an einer Spezialausbildung (Gebrauch von Sprengstoffen oder Chemikalien, Kampfausbildung, Flugausbildung, Lizenz für Gefahrguttransporte usw.) teilgenommen?“ Ob die Befragten oder ihre Dolmetscher verstehen was mit einer „Lizenz für Gefahrguttransporte“ gemeint ist, bleibt offen. Auf der Hand liegt aber, dass wohl keiner der Befragten so naiv sein dürfte derartige Fragen, sofern er/sie sie inhaltlich begreift, zu bejahen. Erst recht nicht, wenn die Befragten tatsächlich an solchen Spezialausbildungen teilgenommen haben. Anders verhält es sich bei Fragen wie beispielsweise der, ob der Befragte künftig mit deutschen Sicherheitsdiensten zusammenarbeiten wolle. Abgesehen davon, dass sich bei dieser Frage ImmigrantInnen angesprochen fühlen könnten, die sich von der Zusammenarbeit mit der Regierung bestimmte Vorteile erhoffen, wird hier eine andere Sache vollständig ausgeblendet: nämlich dass für deutsche StaatsbürgerInnen, die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten strafbar ist. Die hier zugrunde liegende Logik ist die des nationalen Ausländerrechts: Nicht-Deutschen widerfährt eine grundsätzlich andere Behandlung als Deutschen, die sich als solche ausweisen können.

„Wo ist denn deine Bombe?“

Im Sommer 2008, als in Münster bereits 450 Leute befragt worden waren, reichte der marokkanische Student Mourad Qourtas, der selbst Vorstand der Ausländischen Studierendenvertretung (ASV) ist, Klage gegen den Gesinnungstest ein. Er fühlte sich, nur weil er aus einem bestimmten Land komme, diskriminiert. Ein Präzedenzfall, der zumindest, innerhalb von NRW, für Aufsehen sorgte. Die Rektorin der Uni und der Ausländerbeauftragte wurden von dem Fall unterrichtet und stellten sich hinter den Kläger. Aber es gab nicht nur Unterstützung für Mourad. Von manchen Kommilitonen kamen Sprüche wie: „Wo ist denn deine Bombe?“ Dass Privatpersonen so mit ihm umgehen, daran hätte er sich schon gewöhnt, sagte Mourad damals. Aber dass auch der Staat so agiere, hätte ihn überrascht. Studierende des AStA forderten die Landesregierung schließlich auf, den Gesinnungstest abzuschaffen und die bislang erhobenen Daten unverzüglich zu löschen. Die Landesregierung entgegnete den Forderungen mit dem Verweis auf äußere Zwänge: Der Test werde im Rahmen des Schengen-Abkommens durchgeführt, wonach Menschen aus „Gefährder-Staaten“ bei der Einreise überprüft werden müssen. Die Landesregierung enthüllte aber noch ein viel interessanteres Detail: Die Befragung diene nicht allein der Terrorabwehr, sondern auch dazu, herauszufinden, ob sich in Deutschland lebende Ausländer in „Problemstaaten“ aufgehalten haben. Sei dies der Fall, reiche dieser Umstand aus, jene Personen aus Deutschland auszuweisen. Der Gesinnungstest als neues Mittel zum Abschiebe-Zweck? Tatsächlich werden die TeilnehmerInnen des Tests in der „Belehrung über die Rechtsfolgen“ ausdrücklich darauf hingewiesen, dass falsche oder unvollständige Angaben zur Ausweisung führen können. Dass bejahende Angaben ebenfalls zur Abschiebung führen können, wird in der Belehrung unterschlagen.

Die Aussage der NRW-Landesregierung deckt sich mit solchen von sicherheitspolitischen Think Tanks wie dem Londoner IISS (Internation Institute for Strategic Studies), die sich mit Fragen der Migration beschäftigen und beispielsweise der Ansicht sind, dass der Migrationsdruck die innere Sicherheit und Stabilität von Zielländern stärker gefährde als militärische und terroristische Bedrohungen. Zu dem hier entworfenen Bedrohungsszenario für „gesellschaftliche Sicherheit“, also dem kollektiven Bedürfnis nach Homogenität und kultureller Identität, zählt u.a. auch die Betätigung von MigrantInnen als Drogenkuriere, Transporteure von tropischen Krankheiten und Aktivisten von kriminellen Organisationen.

Tatsächlich erscheint im Zusammenhang mit dem Gesinnungstest das Argument des Migrationsdrucks, der durch Abschiebung gelöst werden soll, logischer als das der Terror-Prävention. Denn Terroristen mit einer Sicherheitsprüfung zu ködern, scheint ein nicht von Erfolg gekröntes Unternehmen zu sein. Wie die Terrorfahndung der deutschen Marine, die im Rahmen der Operation Enduring Freedom am Horn von Afrika mit einer einzigen Fregatte ein Gebiet des Indischen Ozeans vor Terroristen schützen sollen, das achtmal so groß ist wie die Bundesrepublik, ist auch das Einfangen von Terroristen durch die Sicherheitsprüfung eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Mit falschen und vor allem unvollständigen Angaben MigrantInnen abzuschieben, scheint dem gegenüber um einiges einfacher zu sein. Ob es tatsächlich bereits zu Abschiebungen in Folge des Gesinnungstests gekommen ist, gilt es noch herauszufinden.

Der Gesinnungstest erreichte aufgrund der gerichtlichen Auseinandersetzung in NRW schliesslich auch die Bundesebene. Aus einer Anfrage der Partei Die LINKE im Bundestag geht hervor, dass sogar Kinder, „gemäß ihres Entwicklungsstandes“ geprüft werden können. Während das Thema von den deutschen Medien, bis auf wenige Ausnahmen, gekonnt ignoriert wird, gab das Verwaltungsgericht Münster im Oktober 2009 dem Kläger Mourad Qourtas Recht. Die Begründung: Der Fragebogen sei wegen einer Formalie in seiner jetzigen Form rechtswidrig. Auf dem Test fehle der Hinweis auf die Rechtsgrundlage. „Dem Kläger wurde nicht erklärt, warum er diesen Fragebogen ausfüllen soll“, erläutert der Gerichtssprecher Michael Labrenz das Urteil. Die Behörden seien nun aufgrund des Urteils angehalten, die erhobenen Daten zu vernichten – sofern dies von den Betroffenen beantragt würde. Ein formaler Fehler, und nicht der Inhalt, waren für das Gericht ausschlaggebend. Bis auf Weiteres dürfen die Testbögen in NRW nicht mehr eingesetzt werden. Wird aber die notwendige Klausel nachträglich in die Prüfung eingebaut, kann der Gesinnungstest in die zweite Runde gehen. Im Jahr 2008, als Mourad geklagt hat, mussten sich allein in NRW 13.374 Personen einem solchen Gesinnungstest unterziehen. Trotzdem konnte die Landesregierung in Folge nicht nachweisen, dass sie mit Hilfe des Erlasses so genannte Terrorverdächtige aufgespürt hat. Verdächtig macht sich bei derartigen Instrumentarien darum vor allem die Regierung, die hier ohne Kontrolle des Parlaments und unter Ausschluss der Öffentlichkeit derartige Maßnahmen beschliessen und durchführen kann.

„We are the media“

Eigenen Berechnungen des Faltblattes „Migranten in Leipzig 2009“ (4), bei dem LeipzigerInnen mit Migrationhintergrund u.a. nach Ländern aufgeschlüsselt aufgelistet werden, handelt es sich um insgesamt 3.293 Menschen, die sich dem Gesinnungstest in Leipzig unterziehen müssen. Laut der offiziellen „Ausländerstatistik“, wäre das jeder 14. Mensch mit Migrationshintergrund. Das Beispiel von Mourad Qourtas hat deutlich gemacht, dass das Generalverdacht-Instrumentarium zum Einsatz kommt – solange nicht dagegen geklagt wird. Möglichkeiten dazu, haben alle Betroffenen. Studierende können sich über ihre Studierendenvertretung (z.B. RAS – Referat Ausländischer Studierender der Universität Leipzig) einen Rechtshilfeschein besorgen, mit dem sie eine kostenlose Rechtsberatung in Anspruch nehmen können. Der RAS schreibt auf der Homepage des StudentInnenrats ausdrücklich, dass er es sich zum Ziel gesetzt hat „die Interessen der ausländischen Studierenden gegenüber den jeweiligen Stellen, Ämtern und Behörden zu vertreten“ (5). Nicht-StudentInnen können sich bei der Roten Hilfe melden, wo Rechtsfonds für Menschen eingerichtet sind, die sich den Rechtsbeistand nicht leisten können.

Aber es gibt auch andere Alternativen. Massenboykotts der Betroffenen beispielsweise, eine Option, die allerdings hohes Organisationsvermögen voraussetzt. Eine andere Möglichkeit wäre es, eine Petition zu schalten. Dass diese von 50.000 Menschen in den ersten drei Wochen unterzeichnet wird – eine Voraussetzung dafür, dass der so genannte Petent im Parlament angehört wird – ist nur möglich, wenn ausreichend viele Menschen über den Test informiert werden. Die Medien haben ihre Möglichkeit eine kritische Öffentlichkeit durch Information zu schaffen, bislang versäumt oder zumindest nicht einmal hinreichend ausgeschöpft. Stattdessen werden in der Mehrzahl der Texte, die MigrantInnen behandeln, weiterhin munter islamische Themen aufgegriffen, die in der Regel mit Terror-Themen verknüpft werden. Eine Medien-Strategie, die sich in der post-9/11-Ära bewahrt hat und starke Ressentiments gegenüber Muslimen in der Bevölkerung ausgelöst hat. „We the media“ titelte Dan Gillmor 2004 sein Buch über Graswurzel-Journalismus. In diesem Sinne sollten wir uns nicht auf die Informationsverbreitung massentauglicher Medien verlassen, sondern unsere eigenen Kanäle anzapfen, wichtige Informationen wie diese zu streuen. Aktiv werden müssen aber in erster Linie die Betroffenen selbst. Was wir tun können? Sie ermutigen und sie über ihre Rechte aufklären.

Fünf Monate, nachdem Abbas den Gesinnungstest abgelegt hatte, führte ihn sein Weg erneut zur Ausländerbehörde. Diesmal musste er seine Fiktionsbescheinigung verlängern lassen, die an diesem Tag auslief. Doch die Behörde sah sich nicht befugt die Verlängerung der Fiktionsbescheinigung auszustellen. Die Ergebnisse der Sicherheitsprüfung lägen noch nicht vor, so ein Mitarbeiter. Erst wenn die Ergebnisse es erlauben, könne eine Verlängerung ausgestellt werden. Abbas verwies darauf, dass die Mitarbeiterin der Ausländerbehörde ihm damals gesagt habe, dass die Ergebnisse bereits nach drei Monaten einträfen, was nicht geschehen sei. Das sei bedauerlich, teilte mensch ihm mit, doch ändere nichts an der Tatsache, dass er seine Fiktionsbescheinigung nicht verlängern lassen könne. Abbas solle wiederkommen, wenn sie auslaufe. „Gibt es denn noch eine Bescheinigung, die den Bescheid der Fiktionsbescheinigung weiter in die Länge zögert? So etwas wie eine Hyperfiktionsbescheinigung?“ frage ich Abbas, als er mir von seiner Odyssee erzählt und muss unweigerlich grinsen. „Schau sie dir mal an,“ sagt Abbas und streckt mir die Fiktionsbescheinigung hin, als wäre sie die Antwort auf meine Frage. Dann ergänzt er: „Sie sieht genauso aus wie ein Abschiebe-Papier. Genauso. Nur, dass beim Abschiebe-Papier ein roter Strich quer durch das Dokument geht“. Ein roter Strich, der dem Warten ein jähes Ende setzt. Ein roter Strich auf einem Papier, der entscheidet wie ein Mensch zu leben hat. Ein roter Strich, der auf wundersame Weise die Verbindungslinie zwischen „Fiktionsbescheinigung“ und „Terrortest“ sein könnte.

(Klara Fall)

 

(1) Ein Oxymoron  (griechisch oxys, „scharf(sinnig)“, und moros, „dumm“) ist eine rhetorische Figur bei der eine Formulierung aus zwei gegensätzlichen, einander (scheinbar) widersprechenden oder sich gegenseitig ausschließenden Begriffen gebildet wird. Das Wort „Oxymoron“ selbst ist bereits ein Oxymoron. Der innere Widerspruch eines Oxymorons ist gewollt und dient der pointierten Darstellung eines doppelbödigen, mehrdeutigen oder vielschichtigen Inhalts, indem das Sowohl-als-auch des Sachverhaltes begrifflich widergespiegelt wird.

(2) Dazu zählen alle Menschen aus Afghanistan, Algerien, Bahrein, Indonesien, Irak, Iran, Jemen, Jordanien, Katar, Kolumbien, Kuwait, Libanon, Libyen, Marokko, Nordkorea, Oman, Pakistan, Philippinen, Saudi-Arabien, Somalia, Sudan, Surinam, Syrien, Tunesien und den Vereinigten Arabischen Emirate.

(3) Der gesamte Gesinnungstest kann mensch auf folgender Seite herunterladen: semesterspiegel.uni-muenster.de/index.php?option=com_content&view=article&id=60:ssp-383-erschienen&catid=36:pdfs

(4) Das Faltblatt der Stadt Leipzig gibt es zum download unter : www.leipzig.de/imperia/md/content/18_auslaenderbeauftragter/statistik/lz_fb_migranten.pdf

(5) Referat Ausländischer Studierender der Universität Leipzig: www.stura.uni-leipzig.de/1322.html

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