Albrecht Pallutke – Folge 2

Immer Ärger mit Olympia

Das regnet ja immer noch… Jetzt mach ich aber mal das Fenster zu – is ja arschkalt hier in der Küche. Dachte ja, daß langsam mal Frühling wird. Wie soll man denn da in Ruhe nachdenken…

Tja Herr Pallutke, Könn´ wer ma´ wieder nich schlafen? Is ja auch kein Wunder nach so nem Tag und der ganzen Aufregung. Na ja, was solls. Solange das hier nicht zur Gewohnheit wird. Aber ich sollte mir wirklich nicht so viel Sorgen machen. Der Junge ist schließlich alt genug und es ist auf alle Fälle gut, wenn er sich seine Gedanken macht. Es ist halt bloß… Nee, also so was macht man einfach nicht. Das gehört sich nicht. Auch wenn man so nen Dummejungenstreich nicht unbedingt als Raub oder so bezeichnen kann.

Aber der Reihe nach. Rita und ich sitzen gestern in der Küche. Was willste auch machen bei dem Wetter? Den ganzen Winter freut man sich auf den Mai und dann so´n Reinfall! Müssig rumsitzen is nich so mein Ding. Tagsüber in die Kneipe auch nicht – das fehlte noch. Natürlich – klar helf ich Rita beim Gemüseschnippeln. Frauensache – so´n Quatsch. Das Unangenehme ist eher der ganze Text, den ich mir dabei anhören muß, von wegen „Albrecht haste noch ma´überlegt wegen heiraten?…nach der langen Zeit…“. Bei dem Thema bin ich echt überfordert. Ich sage immer, jetzt sind wir fast 20 Jahre zusammen, ohne diesen blöden Firlefanz, da brauchen wir das für die restlichen 40 Jahre – die wir hoffentlich noch zusammen sind – auch nicht mehr. Naja, da gibt’s halt schon Momente, wo ich doch lieber im Elly´s Bier Pub sitzen würde – und wenn´s nur bei ner Cola wäre.

Natürlich sind wir nicht verheiratet. Heutzutage ist das ja ganz normal – damals haben wirs einfach glattweg vergessen. Mußte ja alles ganz fix gehen, als Rita damals von Köthen nach Leipzig kam. Wegen der Liebe und so. Wohnste erst mal bei mir, hab ich damals gesagt und den Kleinen bringste auch gleich mit, wenn du das Sorgerecht erst mal hast. Später haben wir uns dann noch ´ne größere Wohnung hier in Stötteritz gesucht, weil das auch näher am Garten ist und seitdem sind die Jahre nur so verflogen.

Plötzlich flog die Tür auf. Olaf platzte rein – total durchnässt und modderbespritzt. War mir aber nur recht in dem Moment, weil Rita erst mal wieder weg vom Thema war. Ich war auch schon dabei mich in Richtung Wohnzimmer zu trollen, als ich gerade noch so mitkriege, warum der Junge so strahlt und was er da triumphierend in die Luft reckt. Mhm, denk ich, so was haste zum letzten Mal beim Betriebssportfest gesehen. Schon ne Weile her. (Albrecht, du mußt mal wieder was für die Linie tun – wenn nur das Wetter bald mal besser wird). Aber was will der Bengel mit nem Staffelstab?

Nachdem ich erst mal Interesse gezeigt habe, kann er sich dann auch kaum mehr halten und es platzt förmlich aus ihm heraus: „Ja, ihr kennt doch diese Bekloppten, die jetzt diesen Dauerstaffellauf für Olympia machen. Das hat mittlerweile Ausmaße angenommen, kann ich euch sagen! Wir dachten, kann ja nicht schaden, da auch mal ´n kritisches Zeichen dagegen zu setzen, oder so.. Na, jedenfalls haben wir uns heute in ner relativ günstigen Ecke auf die Lauer gelegt und „Schwups!“ war´n wir mit dem Stab auf und davon.“

Klang auf den ersten Hör ja ganz witzig die Geschichte, vor allem wie die Jungs beim Wegrennen den bestohlenen Läufer noch als engstirnigen Lokalpatrioten und Event-Ossi beschimpft haben und der dann völlig überraschend loszubayern anfing: „Joah, Kruuzefix! Ihr Sauu-Buam – ihr dreckarden! Doah bin i extra hia von Räingschburg* umme käma, um die deitsche Olympia-B´werbung zu untastütz´n und eh amoal woas für´n Osten zu dan und etz so a Dreck!“ Natürlich musste ich mir das Lachen verkneifen, weil ich mir diese Szene nur allzu deutlich vorstellen konnte. Gleichzeitig hab ich mir aber auch Vorwürfe gemacht, weil ich immer mit meiner Meinung so herumposaune, eben halt auch wenn der Junge mit dabeisitzt. Auf der anderen Seite – wir sind zwar immer noch im Osten, aber langsam sollten wir uns mal dran gewöhnen, daß auch wir jetzt Meinungsfreiheit haben. Gerade bei den Älteren sind noch viele dran gewöhnt, sich alles vorsetzen zu lassen. Wie zum Beispiel diesen Olympiakram. Und dann aber kräftig auf „die da oben“ schimpfen, wenns wieder schief geht – als ob sie keinen eigenen Kopf zum Denken und Handeln hätten. Nee, man kann dem Jungen und seinen Freunden im Grunde keinen Vorwurf machen.

Naja, zum Glück ist der ganze Wahnsinn jetzt vorbei. Was das noch geworden wäre. Von Tag zu Tag verrückter haben die sich aufgeführt, wegen ihrem blöden Olympiakäse. Dazu noch ne Anti-Olympia-Demo und dann natürlich die entsprechende Menschenkette gegen die Olympiagegner… Gar nicht auszudenken, wenn am 18. Mai wirklich Leipzig die Kandidatur gekriegt hätte.

Was? Nee, nee mir is nich zu kalt – ich komm ja schon, Rita. Na ja, mir friert schon ganz schön der Arsch – ich geh mal lieber wieder ins Bett…

lydia

* Regensburg

Früh um 5 in Stötteritz

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