Alles UNO! … oder was?

Nun findet statt, wogegen Millionen von Menschen weltweit protestierten und protestieren: die Invasion des Irak durch die Streitkräfte der USA und mit ihr verbündeter Staaten. Unter den KriegsgegnerInnen hierzulande wird der Ruf nach der UNO laut.

Gruppen wie attac blockieren US-Stützpunkte und die Bundesregierung wird aufgefordert, den US-Streitkräften die Überflug rechte zu entziehen und die Bundeswehrsoldaten aus den AWACS-Maschinen zurückzuziehen. Warum der Ruf nach der UNO? Ist sie tatsächlich der Garant für ein friedliches Zusammenleben.

Die USA sind der einzige Staat in dieser Welt, der Kraft seiner wirtschaftlichen und militärischen Stärke in der Lage ist, Willen der „Weltgemeinschaft“ gegen irgendein anderes Land Krieg zu führen. Das, was manchen am derzeitigen Krieg im Irak erschrecken mag, ist der Umstand, dass die USA eben jenes tun. Mehr noch: nach dem Anschlag vom 11. September hat der Präsident der USA einen neuen Krieg ausgerufen, der die Welt neu und demokratisch ordnen soll. Diese Politik wirft nicht nur die Frage auf, welches Land denn das Nächste sei, sondern führt auch zur Angst darüber, dass dieser Krieg mit unabsehbaren Folgen eskalieren könnte. Viele KriegsgegnerInnen sind durchaus der Meinung, dass man etwas gegen die irakische Regierung tun müsste. In der Hoffnung auf eine Art Weltstaat, dessen Ansätze in der UNO lägen, richtet sich der Protest gegen den Alleingang der Vereinigten Staaten.

Auf der anderen Seite ist vielen Menschen bewusst, dass Demokratie als Ziel hauptsächlich der Rechtfertigung des Krieges dient. Es geht in Wirklichkeit um etwas Anderes. Das irakische Öl spielt dabei eine Rolle und die allgemeine weltweite Krise. Im (Welt-)Staat wird oft eine Institution gesehen, die ökonomische Interessen demokratisch im Zaum hält und verschiedene Interessen im Gemeinsinn ausgleicht.

Die UNO und insbesondere der UN-Sicherheitsrat ist selbst Schauplatz eines Kampfes. Im Kalten Krieg war es der Platz an dem die fünf konkurrierenden Atom-und Vetomächte USA, SU, Großbritannien, Frankreich und China offiziell miteinander sprachen und ein Teil des Kalten Kriegsschauplatzes selbst. Aber lieber einmal mehr geredet, und sei es noch so großer Mist, als einmal Atombomben geworfen. Nach Ende des Kalten Krieges sind es vor allem die militärisch weniger potenten Staaten der zweiten Reihe, die in den internationalen Organisationen wie der UNO ein Mittel sehen, ihre Interessen gegen den derzeit vorherrschenden Staat – die Vereinigten Staaten – zu behaupten. Ganz vorn in der zweiten Reihe steht die Bundesrepublik. Neben Frankreich, Russland und China. Die Bundesrepublik ist dabei noch am wenigsten in der Lage eigenständig militärisch offensiv zu werden. Die Bundeswehr ist noch auf einen Krieg in Mitteleuropa ausgelegt und nicht auf weltweite ,,Krisenreaktion“. Zu viele Panzer, zu wenige weitreichende Transport- und Kommunikationsmittel. Die Europäische Union versetzt deren Staaten nicht nur in die Lage, gemeinsam gegen die Vereinigten Staaten konkurrenzfähig zu sein, sondern auch die aus dieser Not geborene Staatengemeinschaft als diplomatisches und politisches Pfund zu gebrauchen. Das Gemeinschaftliche der EU wird gegen den Alleingang der USA gesetzt.

Klar, sind weder die französische noch die Bundesrepublik in der Lage einen Krieg gegen den Irak zu führen. Zumindest nicht mit Aussicht auf Erfolg. Die Bundesrepublik versucht der USA vor allem diplomatisch die Flügel zu stutzen und benutzt dabei die Politik der staatlichen Gemeinschaftlichkeit. Beispiele dafür sind nicht nur die UNO, sondern auch der internationale Gerichtshof oder das Kyoto-Protokoll zur Reduzierung der Treibhausgase [1].

Der Krieg gegen den Irak ist nicht nur Resultat des Anspruches der Vereinigten Staaten auf weltweite Vorherrschaft, sondern auch des Kampfes der Bundesrepublik gegen diese Vorherrschaft und für die Stärkung der eigenen Rolle im Weltgeschehen. Das die Methode der Bundesrepublik nicht die der Vereinigten Staaten ist, liegt vorrangig in den verschiedenen Möglichkeiten beider Staaten. Das Anliegen der Politik der Bundesrepublik in der UNO war vordergründig nicht eine Verhinderung des Irakkrieges, vielmehr eine Schwächung der Position der Vereinigten Staaten. Der Krieg gegen den Irak sollte insofern verhindert werden, als das er den Einfluss der Bundesrepublik auf den Irak zurückdrängt und den der Vereinigten Staaten stärkt. Dennoch ist Schröders Politik aufgegangen. Zur Bundestagswahl hat er mit seinem ,,Nein zum Krieg gegen den Irak“ noch wie ein Rufer in der Wüste dagestanden und bekam von allen Seiten vorgehalten er würde „Deutschland weltpolitisch isolieren“. Inzwischen zeigt sich, dass sein Angriff auf die „Weltmacht USA“ Früchte trägt und eher die US-Administration als die Bundesregierung politisch isoliert dasteht. Vor dem Beginn der Invasion entstand eine Situation, in der die US-Regierung gezwungen war, sich entweder Kraft ihrer Stärke über den UN-Sicherheitsrat hinwegzusetzen, oder vor der UNO – sprich Bundesrepublik, Frankreich und Russland – zurückzutreten und den Krieg abzublasen. Diese drei Staaten sicherten bisher ihren Einfluss im Irak eher durch Geschäftsbeziehungen, weniger durch militärische Gewalt.

Der Ruf nach der UNO ist eine Stärkung der Politik der Bundesregierung und kein Weg zum Frieden. Die Frage ob die Welt mit einer Vorherrschaft eines Staates besser bedient sei oder mit mehreren Staaten, die sich in gegenseitiger Konkurrenz die Waage halten, ist nicht die Frage zwischen Krieg und Frieden. Wenn die weltweiten Proteste ein Ausdruck davon sind, die Entscheidung über Art und Weise des weltweiten Zusammenlebens den Staatsmännern aus der Hand zunehmen, so bedeutet der Ruf nach der UNO die Frage von Krieg und Frieden eben jenen Staatsmännern wieder in die Hand zu geben. Der Protest gegen einen einzelnen Staat – die USA – ist eine Parteinahme für einen anderen Staat – die Bundesrepublik.

Mit der Auseinandersetzung auf dem diplomatischen Parkett, geht das Ausheben von nationalen Gräben einher. Auffällig ist, das mit Beginn der Invasion die wichtigsten Regierungen zunächst Unterstützung für ihre Politik hatten: in den USA, in GB, Frankreich und der BRD. Das die Stimmung in den USA und GB umgeschlagen ist, mag auch damit zusammenhängen, dass die Soldaten die im Irak kämpfen gerade Freunde und Verwandte derjenigen sind, die gegen den Krieg sind. Neben den „zivilen“ Opfern des Krieges sind es auch die eigenen gefallenen Freunde und Verwandten, die Motiv für die Ablehnung des Krieges ist. Es sind eben nicht die Staatsmänner, die in den Krieg ziehen. Es ist in der überwiegenden Mehrheit das Proletariat das im Krieg sowohl als Soldat als auch als Zivilbevölkerung stirbt Eine Armee von Namenlosen, bloße Statisten auf der Bühne der Weltpolitik Auf einen toten Hussein kommen tausende tote Namenlose. Das Proletariat verliert jeden Krieg. Nationen, Staaten oder was auch immer, mögen Kriege gewinnen können.

Jede Parteinahme für eine Nation – welche ist gleichgültig – führt früher oder später zu Befürwortung für Mord und Krieg. Es ist verhängnisvoll, Kampf gegen den Krieg als Politik gegen die USA zu verstehen. Es ist dazu gekommen, dass die Vereinigten Staaten im Quasi-Alleingang den Irak angreifen und dieser Angriff vielerorts als nationaler Akt – als Angriff der bornierten Amerikaner auf die arabische Nation – gesehen wird und nicht als Resultat der (welt)gesellschaftlichen Entwicklung, die auch die ökonomische Krise und die Konkurrenz der Staaten um ihren Einfluss umfasst. Der Protest in einigen arabischen Staaten richtet sich gegen die „amerikanische Invasion“ und die eigene Regierung, die die Politik der Vereinigten Staaten stillschweigend stützt, gleichermaßen. Was ist, wenn die Auseinandersetzungen eskalieren und zum Beispiel die iranische oder saudiarabische Regierung stürzt und eine fundamentalistische Regierung entsteht? Oder der Konflikt zwischen Syrien und den Vereinigten Staaten eskaliert? Die USA werfen Syrien Waffenlieferungen an den Irak vor. Wenn ein weiterer arabischer Staat in den Krieg gezogen wird, könnte das zu weiteren Kriegserklärungen arabischer Staaten an die USA und an Israel führen. Wie verhält sich dann die EU? Wie Russland und China?

Der „Feind“ ist nicht die andere Nation. Nicht die Araber/Moslems, Juden, Deutschen oder Amerikaner. Das arabische Nationalgefühl ist ein Spiegelbild des amerikanischen, deutschen, französischen, jüdischen/israelischen etc. pp. Das jeweilige Nationalgefühl ist eine konkrete Erscheinungsform ein und derselben Sache. Nicht eine bestimmte Nation ist das Problem, sondern Nationen an sich. Denn mögen die Staatsmänner, Generäle oder Wirtschaftsbosse auch die Verantwortung tragen, die Folgen trägt in jedem Fall das Proletariat. Wenn in Basra nach der Bombardierung eines Kraftwerkes tausende Namenlose keine Wasser hatten, so hatte Saddam Hussein bestimmt welches.

Was dabei an öffentlichen Diskussionen produziert wird ist grauenerregend. US-Außenminister Powell spricht vom „old europe“, was von den Grünen positiv aufgegriffen wird. Ja genau: der Irakkrieg findet im Spannungsfeld EU-USA statt Aber was soll toll daran sein, dabei „mitzuspielen“? Es wird (z.B. Deutschlandfunk) von der „eurasischen Friedensachse“ gesprochen. Alle meine Erinnerungen an politische „Achsen“ in der Geschichte, sind mit Millionen Toten verbunden. Währenddessen wird erstaunlich Kritisches über die USA produziert Über Methoden des CIA, über Euthanasie und was sonst noch für Schweinereien. Ist ja nett, dass man so etwas mal erfährt, aber geht es dabei nicht darum das „Ansehen der USA“ zu beschädigen? Dem Handeln der US-Regierung wird so auf breiterer Basis die Legitimation entzogen. Dies geschieht freilich nicht deshalb, weil Staaten als solches infrage gestellt werden soll, sondern um das Handeln einer anderen Regierung – der Bundesregierung – zu legitimieren. Solche Berichte, Meldungen und Reportagen jetzt zu bringen, bedeutet ideologisches, nationales Grabenausheben. Auch der Devotionalienhandel fängt an zu blühen. Während hier CDs mit religiösem Singsang vertrieben werden, um für die Soldaten und Kampferfolg zu beten, werden dort Regenbogen-Friedensfahnen angeboten. Die unterschiedlichen Positionen die die Bundesrepublik und die Vereinigten Staaten in dieser Auseinandersetzung einnehmen, spiegelt sich auch in der Presse wieder. In der Bundesrepublik vermittelt die Presse den Eindruck besonders kritisch und demokratisch über den Irakkrieg zu berichten, während auf der anderen Seite auf eine regierungsfreundliche Presse geachtet wird.

Wenn der Protest gegen den Irakkrieg ein Protest gegen Krieg überhaupt sein soll, dann muss er sich auch gegen die Politik der „eigenen“ Regierung richten. Denn der Irakkrieg ist, wie jeder andere Krieg, an dem die Bundesrepublik beteiligt war, nicht die Tat einer einzelnen durchgesetzten Macht, sondern ein Ergebnis der Konkurrenz um die Vorherrschaft in der Welt, sei es mit ökonomischen, militärischen oder mit diplomatischen Mitteln. Wobei die Diplomatie sich letztlich auf das Militär stützt und eine starke Armee nicht ohne die entsprechende Wirtschaftskraft zu haben ist. Nach den Erfahrungen im Vorfeld und zu Beginn des Irakkrieges, hat die Bundesregierung angekündigt, dass „im Angesicht der gewachsenen Aufgaben der Bundeswehr“ der Militäretat mittelfristig erhöht werden soll. Im übrigen hat man inzwischen auch das Galileo-Projekt, die europäische Variante zum GPS-System, weiter vorangetrieben. Wenn das System einmal funktioniert, können die europäischen Staaten z.B. satellitengesteuerte Waffen einsetzen oder auf der ganzen Welt Kampftruppen einsetzen ohne auf die GPS-Satelliten der USA angewiesen zu sein.

Die Kriegsgefahr liegt nicht bei einem einzelnen Staat. Jede Parteinahme oder Antiparteinahme für eine Nation, Religion oder was sonst, ist letztlich eine Parteinahme für irgendeinen Staat und für irgendeine Kapitalfraktion. Keine Parteinahme verringert eine Kriegsgefahr, im Gegenteil. Sie führt nur dazu, das man um einer guten Sache Willen andere Menschen ermordet. Als Vertreter oder im Namen der einen Nation/Religion den Vertreter einer anderen Nation/Religion. Wenn man einen Christen fragt, was er denn für sich unter „Christ sein“ versteht, so wird man sehr unterschiedliche Antworten erhalten. Je nachdem, an wen man gerät. Einige Antworten weiden einander widersprechen. Dasselbe wird bei Muslimen oder Juden passieren. Es sind nicht „die Juden“, die den Antisemitismus provozieren, es sind die Antisemiten, die „die Juden" schaffen, die sagen, wie „die Juden“ seien, was im „jüdischen“ läge. Es sind Antisemiten, die sagen, wie „die Moslems“ sein, was im „muslimischen“ läge.

Bleibt die Frage, wer denn die Diktatur im Irak beseitigen soll. Wie heißt es so schön? „Es rettet uns kein höheres Wesen. Kein Gott, kein Kanzler noch General. Uns aus dem Elend zu erlösen können wir nur selbst tun.“ Aber unser Blick ist eben nicht auf die Menschen im Irak und auf die Proletarier weltweit gerichtet. Wir schauen auf Präsidenten, Kanzler, Generäle. Dies sind für uns die Handelnden. Der Rest ist in den Augen des mediengewöhnten Menschen nichts als Masse. Opfer. Passiv. Hilfsbedürftig. Und wir sind selbst ein Teil dieser Masse. Es sind die Gedanken von Präsidenten, Kanzlern und Generäle, die wir jeden Tag aufgetischt bekommen, ihre Politik, ihre Strategie, ihre Notwendigkeiten, ihre Moral. In ihren Augen sind wir nur Fähnchen auf einer Landkarte, Prozentzahlen bei einer Wahl, eine Rechengröße. Und darin unterscheiden sich die Leute im Irak in nichts von den Leuten in Tschetschenien, der Bundesrepublik, den Vereinigten Staaten oder irgendwo in Afrika. Die Proleten der Welt sind Fähnchen in den Augen derselben Leute.

Kein Krieg. Kein Gott. Kein Vaterland.

v.sc.d

(1) durch die 68er Bewegung entstand in der Bundesrepublik frühzeitig „Ökokapital“ das sich über die Produktion von „Umweltschutz“waren vermehrt.

Krieg

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