Leipziger AsylbewerberInnen sollen ins Containerlager
Leipzigs heimbewohnende Asylbewerber_innen müssen bald umziehen. Aus der Stadt an deren Rand, von Stein und Beton in Blech, von wenig Raum auf noch weniger Raum. Genauer gesagt werden es wohl wieder sch… ähh, schöne Wohncontainer, 24qm zum Wohnen und Schlafen für jeweils 4 Personen. Die Stadt Leipzig beschloss am 16.07.09 den Bau einer Sammelunterkunft in „Systembauweise“ (so der Euphemismus) am selben Ort, an dem sich schon in den Jahren 2000 bis 2006 ein Containerlager für Asylsuchende befand. In der Wodanstrasse des fernen Leipziger Nordostens, weit ab vom pulsierenden Leben der Stadt, zwischen Gewerbegebiet und der Autobahn; fern von Wohngebieten, Supermärkten, Schulen und sonstigem gesellschaftlichen Leben. Ein Platz, der für schmarotzende und potenziell kriminelle Ausländer nach Meinung vieler Deutscher am ehesten geeignet ist, wenn man sie schon nicht dahin loswird, wo sie doch eigentlich hingehören.
Begründet wird die Zwangsumsiedlung vor allem mit den seit Jahren rückläufigen „Asylbewerber-Zuweisungszahlen“ (1) und diesen entsprechend sinkt auch die Zahl der in Heimen unterzubringenden Asylbewerber_innen in Leipzig. Zum 15.04.09 waren dies nur noch 284 Personen in den beiden Leipziger Heimen – dagegen 485 dezentrale Unterbringungen (Familien sind schon länger aus „humanitären wie auch wirtschaftlichen Gründen“ in normalen Wohnungen untergebracht). Diese schon länger erfolgreiche Praxis sollte zeigen, dass es nur ein kleiner Schritt zu einer angemessenen Unterbringung aller Asylsuchenden in Leipzig wäre. Um diesen Spielraum zu eröffnen, bedürfte es allerdings zuerst einmal einer Antragstellung der Stadt an das Land Sachsen; die allerdings bisher nicht erfolgte, woran der nicht vorhandene politische Wille klar erkennbar ist. Offizielles Hauptargument für die Zusammenlegung der Heime in der Lilienstein- und Torgauer Straße ist dann auch die Unwirtschaftlichkeit durch diese sehr geringe Auslastung – nur noch gut die Hälfte der Plätze sind belegt und so „ergibt sich für die Unterbringung der heimuntergebrachten Asylbewerber ein durchschnittlicher Kostenaufwand von 3.095 €/Jahr. Unter Einbeziehung der weiteren Leistungsansprüche der Asylbewerber (Leistungen für Verpflegung, Hygiene, Bekleidung sowie Taschengeld und Krankenhilfekosten) wird die vom Freistaat gewährte Pauschale in Höhe von 4.500 € je Asylbewerber und Jahr deutlich überschritten.“ (2) Und das geht ja mal gar nicht!
So gab es Überlegungen, das im Grünauer Wohngebiet liegende Heim Liliensteinstraße zu schließen und die dort Untergebrachten in die Torgauer Straße zu verfrachten. Dies sollte zunächst gar nicht an der Kostenfrage scheitern: Angeblich müsse das Gebäude zwar aufwendig für über eine Mio. Euro saniert werden, was jedoch mit einer schrittweisen Sanierung „haushaltsneutral“ im Rahmen der Asylbewerberpauschale geschehen könne. Allerdings meldete pünktlich zum Auslaufen des Betreibervertrages des Heims Torgauer Straße zum 30.09.09 das Dezernat Wirtschaft und Arbeit unmittelbaren Bedarf an – ein Investor wolle die Gewerbefläche zur Erweiterung ansässiger Firmen und zur Ansiedlung anderer Firmen nutzen, womit selbstredend die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen gesichert würde. Zusätzlich erhofft sich die Stadt von der Veräußerung etwa 500.000 Euro. Daß sich dem Fetisch und Allheilsbringer Arbeit alles unterzuordnen hat, wird in der Vorlage der Stadt schön auf den Punkt gebracht: „Da die Schaffung von Arbeitsplätzen oberste Priorität für die Stadt Leipzig hat, ist die diesbezügliche Verwendung der Flächen nötig.“
Für die Errichtung des abgelegenen Containerlagers und gegen eine Zusammenlegung in die Liliensteinstraße werden hingegen Gründe herangezogen, die andere nicht ganz zu Unrecht kritisieren: „ Die in dem Heim Torgauer Straße vorhandenen vielfältigen sozialen Problemlagen in ein Wohngebiet zu verlagern, ist keine Handlungsoption. Die Abgegrenztheit des Heimes […] bietet bessere Umgangsmöglichkeiten mit diesem Problem.“ (3) Die oftmals durch Heimunterbringung erst produzierten Probleme sollen als Begründung für noch mehr Ausgrenzung und Desintegration herhalten, so die parlamentarische Logik. Dass die Stadtoberen die Wurzeln dieser Probleme eher woanders vermuten – nämlich in der Herkunft der Asylbewerber_innen – ist offensichtlich (rassistisch).
Der größte Hammer der Begründung der Stadt Leipzig ist aber folgender:
„Die Erfahrungen der Stadt Leipzig mit der Containerunterkunft im Zeitraum 2000 – 2006 waren sowohl hinsichtlich der Wohnqualität als auch bezüglich des Betreiberkonzeptes positiv.“
Ganz vergessen haben sie wohl die Vorkommnisse im früheren Containerbaulager in der Wodanstraße – die Überlastung der zuständigen Psychologen, die Drogenprobleme und Gewalt der Asylbewerber_innen untereinander und schließlich sogar geradezu revolteähnliche Zustände, bei denen fast komplette Einrichtungen aus den Fenstern flogen. Diese Verhältnisse und offenen „Unmutsbekundungen“ führten zur Schließung des umstrittenen Lagers, welches nun auf den verscharrten Erkenntnissen seiner selbst wieder errichtet werden soll.
Der Umzug ist beschlossen, das Gelände in der Torgauer Straße Gerüchten zufolge sogar schon verkauft und zumindest der Auszug so kaum noch zu verhindern. Da halfen leider auch die 877 Unterschriften nicht, die dem Leipziger OBM Burkhart Jung am 7. Juli bei einer offenen Bürgersprechstunde überreicht wurden. Konfrontiert mit unbequemen Fragen schwafelte der dort nur, daß er auch schon 2003 gesagt hätte, daß Asylbewerber sich in Leipzig zu Hause fühlen sollen. Um im nächsten Satz zur Kenntnis zu geben, daß er den Beschluss zur Errichtung des abgelegenen Containerlagers mit all seinen bekannten Nachteilen für alternativlos hält.
Ob der Umzug so reibungslos verlaufen wird, wie die Planer_innen sich das denken, oder ob Aktionen wie das „Asyl im Asyl“ (4) populärer werden, wird die Zukunft zeigen.
(bop)
*Auch lesenswert im Zusammenhang: „Einblicke ins Lagerleben“ FA! #25
*Internet-Petition gegen die Containerunterkunft: www.ipetitions.com/petition/containerunterkunft/
(1) Der Stadt Leipzig vom Land Sachsen (und dem wiederum vom Bundesministerium des Innern) zugewiesenen Asylbewerber_innen. Die Rückläufigkeit der Zahlen liegt zuallererst an der restriktiven Asylpolitik Deutschland und Europas, bspw. durch die sog. Dublin-II-Verordnung. (siehe auch FA! #32 „Endlich Bargeld“)
(2) Vorlage der Stadt Leipzig zur Unterbringung von Asylbewerbern: linke-bueros.de/linxx_dokumente/1245068655.pdf
(3) ebenda
(4) wie mehrere Familien ob ihrer desolaten Unterbringungssituation kürzlich in einer Grimmaer Kirche (siehe S.14)