Archiv der Kategorie: Feierabend! #37

Editorial FA! #37

Vergnügliche Geselligkeit … Ja, der Anarchisten (und AnarchistINNEN!) Zier ist auch bei Feierabend! #37 wieder die Maxime. Neben allerlei sozialem Pläsier prägten auch Perspektivdebatten und Vertriebsfragen die letzte Feierabend!-Zeit. Aber groß verändern wird sich wohl auf absehbare Zeit nichts. Oder doch, denn unser Titelbild ist gleichzeitig Hommage an den Fahnenschnipselsammelwettstreit „DreiFarbenGold“ (xxxx goldgelbe Streifen!) der WM 2006 als auch ein schüchterner Aufruf an die antinationalistischen Massen, auch zu dieser Weltmeisterschaft ein schwarz-rotes Fahnenmeer in Leipzig entstehen zu lassen. In diesem Sinne: Gut Schnitt!

Apropos Meer. Für das aktuelle Heft waren wir wieder ordentlich fischen im grenzenlosen Meer der Informationen. Schaut selbst, was und dabei neben rauchigen Nebelschwaden (S. 22f), komischen Fiktionsbescheinigungen (S. 10ff), windigen Freihandelsabkommen (S. 14ff), fetten Geschichten aus Connewitz (S. 8f), erwerbslosen TheatermacherInnen (S.1ff) und sympathischen Polit-Aktivistinnen (S. 19ff) noch so ins Netz gegangen ist.

Eure Feierabend!-Redax

P.S. Übrigens: Die Libelle, unsere Verkaufstelle des Monats, feiert am 12.06. in ihren siebten Geburtstag rein. Schaut vorbei!

Tod in Athen

Zu den Protesten in Griechenland

Griechenland befindet sich im „Kriegszustand“: Regierungschef Giorgos Papandreou greift zu drastischen Worten, um die Situation zu beschreiben. Trotz Generalstreik und landesweiter Proteste hatte das Parlament im März ein hartes Sparprogramm verordnet, um den drohenden Staatsbankrott zu verhindern.  Auch auf gesamteuropäischer Ebene sieht man die Entwicklung Griechenlands mit Sorge. Ein Bankrott könnte den Euro weiter an Wert verlieren lassen und damit auch die anderen EU-Staaten noch weiter ins Schlamassel ziehen. Auch aus handfestem Eigeninteresse heraus sagten EU und  Internationaler Währungsfonds (IWF) also für die nächsten drei Jahre weitere Kredite von 110 Mrd. Euro zu.

Als Gegenleistung forderten sie weitere Sparmaßnahmen, die am  6. Mai vom griechischen Parlament beschlossen wurden. Die Mehrwertsteuer wurde damit zum zweiten Mal in diesem Jahr erhöht, ebenso die Steuern auf Tabak, Spirituosen und Benzin. Die Gehälter der Staatsbediensteten dagegen werden nach der letzten Kürzung im März nochmals um 8% gesenkt. Auch beim Gesundheits- und Bildungswesen wird gekürzt, zudem wurde eine Anhebung des Rentenalters beschlossen. 30 Mrd. Euro sollen so in den nächsten drei Jahren eingespart werden.

Dass so ein Kahlschlag-Programm Proteste hervorruft, ist klar. In Athen waren am Vortag der Parlamentssitzung gut 200.000 Demonstrant_innen auf der Straße. Den ganzen Tag über kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Auch in anderen Städten gab es Demonstrationen, Besetzungen öffentlicher Gebäude und Angriffe auf Banken und Konzern-Niederlassungen. In Athen hatte dies tragische Folgen: Drei im Obergeschoss eingeschlossene Angestellte starben, nachdem eine Bank aus einer Demonstration heraus mit Molotow-Cocktails angegriffen und in Brand gesetzt worden war.

Viele Medien sahen hier erneut das Klischee des anarchistischen Bombenlegers bestätigt. Die öffentliche Stellungnahme der griechischen Gewerkschaft der Bankangestellten zu den Ereignissen(1) legt aber eine differenziertere Sichtweise nahe. Darin wurde nicht nur die sofortige Bestrafung der (nach wie vor unbekannten) Täter_innen gefordert, sondern auch für den 6. Mai zum Streik aufgerufen und auf die Mitverantwortung von Politik, Polizei und der Führungsetage der Bank hingewiesen. So war laut einem Kollegen der drei Verunglückten schon länger über die Schließung der Bankfiliale diskutiert worden, die direkt an der Demoroute lag und damit ein wahrscheinliches Ziel von Angriffen darstellte. Am Tag der Demonstration hätten die Angestellten mehrmals  gebeten, das Gebäude verlassen zu dürfen. Mit der Drohung sofortiger Entlassung hätte der Filialleiter sie aber gezwungen zu bleiben – obwohl die Bank weder über Notausgänge noch Sprinkleranlagen verfügte.

Das sollte nicht unter den Tisch fallen, stellt aber nur die eine Seite dar – die Bedingung dafür, dass das unverantwortliche Handeln einiger Aktivist_innen zu diesen Folgen führen konnte. Und so wenig deren Handeln entschuldigt werden kann, so wenig sollte die Sache mit dem Verweis auf individuelles Fehlverhalten ad acta gelegt werden. Der 5. Mai hat die problematischen Seiten der von den griechischen Autonomen geübten Form der Militanz offen zu Tage treten lassen.
Die tragischen Ereignisse könnten aber auch einen „heilsamen Schock“ darstellen. Anzeichen dafür gibt es – etwa eine von griechischen Anarchist_innen veröffentlichte Stellungnahme(2), in der eine ernsthafte Debatte über die eigenen Aktionsformen gefordert wird: „Die anarchistische/antiautoritäre Bewegung Griechenlands befindet sich momentan in einem Zustand der totalen Starre. Denn die gegebenen Umstände zwingen uns zu harter, schmerzhafter Selbstkritik. Neben dem schrecklichen Umstand, dass Menschen getötet wurden, die (…) vermutlich an unserer Seite demonstriert hätten, wären sie nicht zur Arbeit gezwungen worden, müssen wir uns mit Demonstranten auseinandersetzen, die das Leben anderer gefährden.“ Es sei an der Zeit, „die Kultur der Gewalt zu hinterfragen, die sich in den letzten Jahren in Griechenland etabliert hat“. Der Aufstand vom Dezember 2008 (3) sei „nicht deshalb in die Geschichte eingegangen, weil tausende Menschen Steine und Brandsätze geworfen haben, sondern hauptsächlich wegen seines sozial-politischen Charakters (…) Gewalt ist für uns kein Selbstzweck und wir werden es nicht zulassen, dass Gewalt die politische Dimension unserer Aktionen überdeckt. Wir sind weder Mörder noch Heilige. Wir sind Teil einer sozialen Bewegung, mit all unseren Stärken und Schwächen.“ Dem ist voll und ganz zuzustimmen. Und auch wenn Regierung und Medien derzeit versuchen, die Bewegung insgesamt zu diskreditieren, bleibt nur zu hoffen, dass die Proteste weitergehen.

(justus)

 

(1) In englischer Übersetzung zu finden unter www.reddit.com/r/Anarchism/comments/c0s6f/statement_of_the_greek_banks_workers_union_otoe/

(2) www.fau.org/artikel/art_100505-225607

(3) Nachdem ein Jugendlicher von der Polizei erschossen worden war, kam es landesweit zu Straßenschlachten mit der Polizei, Streiks und Besetzungen.

„Nach den Sternen greifen“

13.-16. Mai 2010 BUKO 33 in Tübingen

Seit 1977 trifft sich die Bundeskoordination Internationalismus (BUKO: übrigens bis 2002 Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen genannt) einmal im Jahr, um herrschaftskritische und emanzipatorische Politik und Aktionen zusammenzuführen und weiterzudenken.

Dieses Jahr zog es ca. 400 Kapitalismuskritiker_innen in die Universitäts- und Tierversuchsstadt Tübingen,  genauer in das soziokulturelle Zentrum Sudhaus, wo Workshops und Veranstaltungen rund um die Themenschwerpunkte EU und Commons/Gemeingüter stattfanden, aber auch vieles mehr: Erstmalig bot JuLe (Junge-Leute-Programm) für Neueinsteiger_innen thematische Einführungen an; das Freie Radio Wüste Welle begleitete den Kongress vor Ort durch musikalische Unterhaltung sowie inhaltliche Berichterstattung; die mobile Mitmach-Küche Le Sabot sorgte sich morgens, mittags, abends um den großen und kleinen Hunger; ein Raum mit Bücher- und Infoständen, Kaffee und Kuchen lud zur Information und Vernetzung ein und die Kinderbetreuung ermöglichte Manchem mehr die Teilhabe.

Neben den zwei Panels (s. unten) gab es auch inhaltlichen Raum für „Diversitäten“– ein Schlagwort, das u.a. Themen wie Widerstand in Honduras, Islamismus, Klimagerechtigkeit sowie Menschenrechte in Kolumbien umfasste. Die inhaltliche Breite „sorgte für Abwechslung“ und stärkte die internationalistische Perspektive des Kongresses. Die Verbindung von Theorie und Praxis wurde jedoch nicht nur im Kreis oder vor einem Podium sitzend diskutiert, sondern auch in direkten Aktionen erprobt. So mobilisierte die Gruppe ZAK die BUKO am Samstag in die Tübinger Innenstadt, um mit der Aktion „TüBus umsonst! Nulltarif im Stadtverkehr!“ temporär ein Common zu schaffen und zugleich ein Signal für eine neue Klima- und Sozialpolitik zu setzen. Sonntag Vormittag wurde es dann noch aktiver: Tübingens Studentenverbindungen veranstalteten öffentlich ein Frühstück mit den „Alten Herren“, das queerig-kreativ massiv gestört werden konnte. Bekannt für seine Säbelrassler und Schmissbacken haben wir Tübingen aber auch von Seiten einer erstaunlich großen linksradikalen Szene kennengelernt. Wichtige Vereine wie die IMI (Informationsstelle Militarisierung), interessante linke Gruppen im Spannungsfeld von Anarchismus und Kommunismus sowie selbstorganisierte Projekte bringen reichlich Farbe in das verschlafen wirkende Städtchen. Und das schon sehr lange, denn die Geschichte der Hausbesetzer_innen reicht bis in die 1970er Jahre zurück.

Was extrem genervt hat, war das miese Wetter – kalt, dunkel, nass. Ansonsten kann es nur ein überschwenglich positives Fazit geben: Der Kongress hat Spaß gemacht, Ideen gebracht, geistig inspiriert, zu Vernetzung und Austausch animiert und neue Kraft gegeben, um mit Schwung in den alltäglichen Kampf gegen Staat und Kapital zurückzukehren. Sicherlich auch deshalb, weil die totale Ablehnung kapitalistischer Lösungen ein breiter Konsens war und somit intensivere Diskussionen ermöglichte. Jetzt kann die Weltrevolution auch am 22. April 2011 beginnen!

(momo & droff)

Commons

Der Begriff der Commons/Gemeingüter/Allmende wird wohl in Zukunft häufiger zu hören sein. Auf der BUKO33 wurde dieser u.a. gefüllt mit Inhalten wie Landprivatisierung, politische Kommunen, Freie Software, Ernährungsautonomie, bedürfnisorientierte Produktion und solidarische Gesellschaftsgestaltung. Letztendlich machte dieses breite linkspolitische Feld die Antwort auf die übergeordnete Frage nicht leicht: Was taugt dieser Begriff für eine emanzipatorische Politik?

Der Leitspruch „Es gibt keine Gemeingüter ohne gemeinsames Tun.“ verweist auf eine zentrale Idee des Commons-Konzeptes: weg vom Privateigentum und kapitalistischer Verwertung, hin zur kollektiven Nutzung und einem Prozess der gemeinsamen Aushandlung von Umgangsregeln mit der jeweiligen Ressource. Gemeingüter bezeichnen nicht nur eine soziale Praxis, auch einen Diskurs. Es geht bspw. um Zugang zu Bildung oder Verteilung endlicher Ressourcen und ist somit was, das Jede_n betrifft. Wem gehört die Welt und wie kann eine bessere Welt eigentlich aussehen? Die Commons-Debatte ist ein Erfahrungsaustausch und Verständigungsprozeß und hat das Potenzial kritische Theorien und emanzipatorische Praxen zusammenzubringen. Bleibt zu hoffen, dass die notwendige Staatskritik im Diskurs auch noch mitgedacht wird.

Europäische Union

Schwerpunkte dieses Panels war die Wirtschafts- und Sicherheitspolitik der EU, denn trotz interner Uneinigkeit sind sie bereits eine globale Großmacht: So „verteidigt“ sich die Festung Europa mit Militärschiffen (unter Frontex-Regime) gegen mittellose Migrant_innen in Schlauchbooten und schirmt sich weiträumig durch Abschiebeknäste bereits auf dem afrikanischem Kontinent ab. Weiter wird der EAD (Europäische Auswärtige Dienst) am 6. Juni zum neuen außenpolitischem Richtschwert legitimiert,  das militärische, sicherheits- und entwicklungspolitische Ansätze zusammenführt und somit die künftige Entwicklungshilfe an europäische Militärinteressen bindet. Auch entscheidet der Westen über die Definition sog. „failed states“ und sichert sich (zivil flankiert) seine Pfründe. Und wo nicht militärisch durchzusetzen, werden die für Europa spannenden Ressourcen und der Zugang zu Märkten und geistigem Eigentum via Freihandelsabkommen abgepresst (siehe auch S.14ff) und Entwicklungshilfegelder an eine vollständige Wirtschaftsliberalisierung gekoppelt. Vielfältig nutzt die EU ihre Machtposition global aus, was von den Betroffenen als Neokolonialismus bezeichnet wird. Die Referentin Madjiguéne Cissé aus Senegal brachte die Beziehungen zwischen der EU und Afrika 125 Jahre nach der Berlin-Afrika-Konferenz praktisch auf den Punkt: „Als ich sagte, dass ich nach Europa gehe, meinten meine Freunde zu mir: Nimm ihnen ihre Waffen mit zurück und bring uns die geklauten Fische wieder“.

Der (Alb-)Traum von Freiheit

Über das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und den Ländern Mittelamerikas

„Wer sagt: ‚hier herrscht Freiheit’, der lügt, denn Freiheit herrscht nicht.“, schrieb einst Erich Fried. Ob er damals bereits ahnte, wie sehr diese Worte einmal auf die europäische Außenpolitik zutreffen würden? – Wohl kaum. Dennoch hätte er nicht treffender beschreiben können, was hinter den Kulissen in Brüssel fortlaufend und flächendeckend verhandelt wird: Verträge, die Freiheit versprechen – aber nur Abhängigkeit halten können. So verhält es sich auch mit dem so genannten „Assoziierungsabkommen“ zwischen der EU und den zentralamerikanischen Staaten Nicaragua, Honduras, El Salvador, Guatemala, Costa Rica und Panama, das mit seiner Unterzeichnung am 18.Mai 2010 auf dem Iboamerika-Gipfel in Madrid die Entwicklung der Länder maßgeblich verändern wird.

Vogelfreiheit

Doch was verbirgt sich hinter diesem harmlos klingenden „Assoziierungsabkommen“, das aus den drei Säulen „Handel“, „politischer Dialog“ und „Kooperation“ besteht? Im Grunde nicht viel mehr als ein klassischer Freihandelsvertrag – also die Regelung, dass für verabredete Produkte die Zölle und Steuern gesenkt und somit dem anderen Markt zugänglich gemacht werden – mit dem kleinen Zusatz, dass die EU gerne in den politischen Angelegenheiten der betreffenden Staaten mitmischen will und sich dafür auch bereit erklärt weiterhin Gelder in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren. Während die Regierungen mit EU-Entwicklungshilfegeldern von bis zu einer Milliarde Euro bis 2013 und der Steigerung ihres BIP durch höhere Exportquoten gelockt werden, hat dieses Abkommen im Bereich Freihandel für die einfache Bevölkerung vor allem negative Auswirkungen: Die zentrale Einkommensquelle der meisten Mittelamerika­ner_in­nen ist immer noch die Landwirtschaft und Textilindustrie, da sich eigenständige, komplexer verarbeitende Industrien, wenn überhaupt vorhanden, oftmals erst im Aufbau befinden. Durch den Freihan­dels­ver­­trag nun sollen die lateinamerikanischen Märkte für EU-Güter wie Milchprodukte und Schweinefleisch, sowie für jegliche Industrieprodukte und Dienstleistungen geöffnet werden. Im Gegenzug sollen zentralamerikanische Güter wie Bananen, Zucker, Kaffee, Rum und Kleidung zu bestimmten Quoten auf dem europäischen Markt zugelassen werden.

Interessant ist diese Marktöffnung für die wenigen dort ansässigen exportorientier­ten Großunternehmen – wie Chicita, Dole oder die Kleidungsmittelzulieferbetriebe in den bereits etablierten Freien Produk­tions­­zo­nen(1) – die oftmals in US-amerika­nischer oder zunehmend asiatischer Hand liegen. Die einheimischen kleinen und mittelständischen Bauern und Firmen jedoch, die für den lokalen Markt arbeiten, können dem Wettbewerb unter Welt­markt­bedingungen nicht Stand halten und werden verdrängt. Denn da die EU die eigene Landwirtschaft finanziell unterstützt (eine europäische Kuh wird durchschnittlich mit 2,50 Euro täglich subventioniert), wird der einheimische Markt mit billigen EU-Artikeln überschwemmt. Diesen Preiskrieg können die Kleinproduzenten – die ohnehin am untersten Preislimit produzieren – gar nicht gewinnen. Des Weiteren kann auch die „zarte“ mittel­amerikanische Wirt­schaft kaum einer hoch­spezialisierten verarbeitenden europäischen Industrie oder dem bereits etabliertem Dienstleistungssystem Stand halten. Die Folgen der Marktöffnung sind weitreichend: Viele Bauern, die für den einheimischen Markt produziert haben, verlieren wahrscheinlich ihren Absatzmarkt durch die Konkurrenzprodukte und müssen entweder doch noch billiger produzieren oder ihr Land verkaufen. Folge davon wäre nicht nur weitere Verarmung, steigende Landflucht und Migration, sondern auch eine allgemeine Nahrungsmit­tel­ver­knap­pung, die zu globalen Preissteigerungen und Nahrungsmittelkrisen – wie bspw. in Haiti 2009 – führen kann. Im industriellen Sektor führt die Marktöffnung vor allem dazu, dass auf europäische Güter zurückgegriffen wird, anstatt den Aufbau eigener Industrien zu fördern. Dadurch werden die mittelamerikani­schen Staaten auch weiterhin auf ihre Funktion als billige Rohstofflieferanten festgelegt. So steigt insgesamt nur die Abhängigkeit von Importprodukten aus den Industrienatio­nen, was wiederum deren Einfluss auf die zentralamerikani­sche Politik und Wirtschaft vergrößert. Statt zu Entwicklung und Wohlstand, führt Freihandel zwischen wirtschaftlich so ungleichen Partnern wie der EU und den zentralamerikanischen Ländern also zu recht einseitigen Profitaussichten und Abhängigkeiten.

Narrenfreiheit

Obgleich die negativen Folgen solcherlei Freihandelsverträge spätestens seit DR-CAFTA (2) allgemein bekannt sind, schafft es die EU, sich mit ihrem Assozi­ierungs­ab­kom­men positiv von diesem US-amerikanischen Freihandelsvertrag abzugrenzen. Die ganz bewusst gewählte Rhetorik von „Diplomatie statt Konfrontation“, „Einhaltung des geltenden Rechts“, „Entwicklungsorientierung statt Sicher­heits­po­li­tik“ soll auf das positive Selbstbild – ein „Europa der Rechte und Werte“ zu sein – verweisen. So wird der Blick auf die Vereinbarungen in den Säulen „Kooperation“ und „politischer Dialog“ gelenkt, anstatt auf die am stärksten ausgeprägte „Handels-Säule“, die sogar viel schwerwiegendere Folgen als DR-CAFTA bereithält. Denn mit dem Abkommen wird nicht nur der zollfreie Handel, sondern z.B. auch die Patentie­rung „Geistigen Eigentums“ geregelt. Das bedeutet, dass bspw. Arzneimittel, die aus seltenen tropischen Pflanzen bestehen, zukünftig von europäischen Pharmakonzernen patentiert werden können und die lokale Bevölkerung – die mitunter die Heilwirkung seit Jahrhunderten traditionell nutzt – für den Zugriff dann zahlen müsste. Und auch die betreffende Regierung im Mittelamerika dürfte dann, sofern sie technisch überhaupt in der Lage wäre, keine billigen Generika von den Pflanzen in ihrem Land herstellen.

Auch schreibt das Assoziierungsabkommen die „Freiheit von Investitionen“ europäischer Unternehmen in Mittelamerika fest, die nicht durch staatliches Handeln (bspw. in Form von Subventio­nie­­rungen einheimischer Unternehmen oder der Verstaatlichung bestimmter Industrien oder öffentlichen Güter, wie Wasser) eingeschränkt werden darf. Hinzu kommt noch die Pflicht, bei öffentlichen Ausschreibungen europäische Konzerne einzubeziehen und das Recht jener Konzerne, vor einem Streitschlichtungsgericht ganze Staaten auf gefährdete Investitionen verklagen zu können. Solch eine Klage auf Schadensersatz für „zu erwartende Gewinne“ wäre etwa dann möglich, wenn eine der mittelamerikanischen Regierungen es unterlassen würde, einen bestimmten Sektor zu privatisieren, oder sie teurer produzierenden einheimischen Unternehmen den Vorzug bei öffentlichen Investitionen gibt (von Subventionen ganz zu schweigen) (3).

Insgesamt betrachtet, verschaffen sich europäische Konzerne im Rahmen des Assoziierungsabkommens also den umfangreichen Zugang zu mittelamerikani­schen Märkten, natürlichen Ressourcen, wie der biologischen Vielfalt und Rohstoffen sowie staatlichen Ausschreibungen Zudem wird der einstige „Hinterhof der USA“ langfristig umorientiert und kann für die EU auch geopolitisch von Nutzen sein.

Handlungsfreiheit

Bei so negativen Aussichten ist klar, dass sich trotz des immer noch vorhandenen positiven Images der EU auch Protest in Mittelamerika regt. Auch wenn der Widerstand vergleichsweise geringer als bei DR-CAFTA bleibt (auch weil auf anderen Ebenen viele Kooperationen mit europäischen Ländern bestehen), gibt es seitens der Zivilbevölkerung, NGOs und Gewerkschaften Kampagnen gegen das Abkommen. Mehr als 70 soziale und regie­rungs­unabhängige Organisationen haben bspw. in San Jose eine Erklärung verabschiedet, die sich entschieden gegen diesen Vertrag wendet. Allerdings stoßen solcherlei Proteste auf wenig Gehör bei den zentralamerikanischen Regierungen und der EU-Kommission, denn diese verhandeln lieber hinter geschlossenen Türen und nur unter Beteiligung von Unternehmensverbänden. Die Einbeziehung von zivilgesellschaftlichen zentralameri­ka­nischen Akteuren wurde bereits kurz nach Verhandlungsbeginn 2007 wieder eingestellt. Und auch hierzulande werden die Vertragsverhandlungen der EU und ihre Inhalte der Bevölkerung nicht mal transparent gemacht. So ist auch kaum bekannt, dass zeitgleich zu den Verhandlungen mit zentralamerikanischen Staaten auch Abkommen mit unzähligen Ländern in Afrika, Lateinamerika und Asien ge­schlos­sen wurden und werden. Je nach wirtschaftlicher Entwicklung und geografischer Nähe heißen diese schlicht „Frei­han­dels­verträge“, „Assoziierungsabkom­men“, „Wirtschafts- und Partnerschaftsabkommen“ oder „Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen“ (4). Dies entspricht insgesamt der Lissabon-Strategie, die zum Ziel hat, die EU bis 2010 zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ zu machen. Wie verbissen an dieser Zielstellung festgehalten wird, verdeutlicht auch die schnelle Einbeziehung der Putschregierung in Honduras in die Verhandlungen zum zentralamerikanischen Abkommen. Dort kam es im Sommer 2009 in Kooperation mit der nationalen Oligarchie zu einem Militärputsch gegen den Präsidenten Zelaya, der sich vorher gegen die Privatisierung des wichtigsten Hafens und der Wasser- sowie Stromversorgung gestellt hatte. Trotz massiver Unruhen und Proteste seitens der Bevölkerung und einer mehr als zweifelhaften „Wahl“ des von den Putschisten eingesetzten Präsidenten Lobo, nahm dieser die Regierungsgeschäfte im Januar 2010 auf. Den anhaltenden Menschenrechtsverlet­zungen und der bisher von den meisten Re­gierungen verweigerten rechtmäßigen An­erkennung dieser Regierung zum Trotz, nahm die Europäische Kommission bereits im Februar die Verhandlungen mit Honduras wieder auf, um das Abkommen wie ge­plant im Mai 2010 unterzeichnen zu können. Hier wird besonders deutlich, dass das Interesse der Europäischen Kommission weniger in der postulierten Förderung weltweiter demokratischer Werte liegt, sondern sich vielmehr am Nutzen der eigenen Wirtschaftsverbände orientiert.

Herrschaftsfreiheit

Die Folgen des Abkommens sind bekannt, die EU-Rhetorik ist durchschaubar und Proteste seitens der Bevölkerung, der NGOs und Gewerkschaften sind ebenfalls zu vernehmen. Warum sind die zentral­amerikanischen Regierungen dennoch be­reit, diesen Vertrag nach der Unterzeichnung im Mai 2010 in den eigenen Parlamenten ratifizieren zu lassen? Zum einen liegt das sicher an den Zusagen über weitere Gelder zur Entwicklungshilfe, die für jene Länder dringend notwendig sind und sich deshalb als Erpressungsmittel eignen, um die Wirtschaftsliberalisierung zu erzwingen. Zudem wurde der von Nicaragua in die Verhandlungen eingebrachte und geforderte „Kompensationsfond“, der die negativen Folgen der so ungleichen Handelspartnerschaft abfedern soll, aufgegriffen und unverbindlich in Aussicht gestellt – so dass diesbezüglich auch Wind in den Segeln fehlt. Die zentralamerika­nischen Regierungen selbst besitzen nicht viel Verhandlungsmacht, sind auf ein wachsendes BIP angewiesen, versprechen sich nationale Vorteile, wirtschaften zum Teil in die eigene Tasche und sind oftmals auch nur die Ausführenden der Interessen ihrer ansässigen exportorientierten Großunternehmen. Diese versprechen sich von der Markterweiterung einen Wachs­tumszuwachs und wurden in den Verhandlungen auch tatsächlich gegen die relativ schwach organisierte Gruppe der Kleinproduzenten ausgespielt. So wird bspw. der Niedergang der einheimischen Milchproduktion für einen erhöhten Bananenexport billigend in Kauf genommen. Für die EU ist vor allem ein Handelsabkommen mit Costa Rica, Panama und Guatemala interessant, da dort der Außenhandel bereits am Größten ist. El Salvador und Nicaragua müssen mitmachen, um sich nicht wirtschaftlich zu isolieren. Und Honduras ist schon allein deshalb an einer Ratifizierung interessiert, weil damit die Putschregierung offiziell anerkannt werden würde.

Unter diesen Vorraussetzungen ist kaum erwartbar, dass das Assoziierungsabkommen von der mittelamerikanischen Bevölkerung noch gestoppt werden kann. Aufklärung, Bewusstwerdung und Zeichen der Solidarität hierzulande sind dennoch wichtig, um den heuchlerischen Image-Lack der EU zum Abplatzen zu verhelfen. Die Freiheit und Entwicklung von der die EU hier spricht, dient einseitig dem großen Kapital, denn sie ist die Freiheit von Regulierungen, die auf Kosten der wirtschaftlich Schwächeren geht. Dennoch lohnt sich der Kampf um Freiheit – wenn wir wie Fried eine Freiheit meinen, die nicht beherrscht wird, sondern den Raum zur selbstbestimmten Entfaltung öffnet.

(momo)

(1) Abkommen, die den zoll- und steuerfreien Handel regulieren gibt es schon lange in Zentralamerika. Insbesondere im Bereich der Textilindustrie wurden seit den 90er Jahren verstärkt sog. Freie Produktionszonen eingerichtet, also Gebiete in denen mehrere ausländische Investoren Zulieferbetriebe für mitunter bekannte Marken gründen und dort ausschließlich für den Export produzieren lassen. Diese Zonen zeichnen sich in der Praxis vor allem durch unzumutbare Arbeitsbedingungen und Arbeitsrechtsverletzungen aus. Durch die Steuerbefreiung bleibt auch – abgesehen von den niedrigen Löhnen für viele Arbeiter_innen – kein Gewinn im Land.

(2) DR-CAFTA ist ein 2004 in Kraft getretenes Freihandelsabkommen zwischen den USA und den Staaten Costa Rica, Nicaragua, Honduras, El Salvador und der Dominikanischen Republik. Der Protest gegen das Abkommen war im Vorfeld groß und die Befürchtung, dass es der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung mehr schadet als hilft und nicht zur Armutsbekämpfung beiträgt, hat sich in der Praxis bereits bestätigt.

(3) Dass dieses Szenario kein utopisches Hirngespinst bleiben wird, belegt ein aktuelles Beispiel: UNION FENOSA, ein spanischer Energiekonzern, der im Zuge der vom IWF erzwungenen Privatisierung im Jahr 2000 das nicaraguanische Stromnetz kaufte und der Bevölkerung dann stetige Preissteigerungen und (über Monate hinweg) tagelange Stromabschaltungen zumutete, verklagt nun auch noch Nicaragua auf 55 Mio US$ Schadensersatz, für verloren gegangene Gewinne seit 2004. Denn letztendlich hatte sich die Bevölkerung zusammen mit der einheimischen Industrie gewehrt und auf die Wiederverstaatlichung gedrängt. Das geplante Assoziierungsabkommen hätte wahrscheinlich nicht nur zur Folge, dass der Konzern den Schadensersatz bekommt, sondern auch, dass die Wiederverstaatlichung der Stromversorgung langfristig unmöglich gemacht wird (www.stop-assoziierung.de/fenosa.shtml).

(4) Strategisch ausgetüftelt ist die Art der Abkommen für die jeweilige Region: Während Freihandelsabkommen mit wirtschaftlich z.T. entwickelteren Staaten, wie bspw. Kolumbien, Peru, Indien und die ASEAN-Staaten geschlossen werden, werden „Assoziierungsabkommen“ eher dann verabredet, wenn neben der Handelskomponente auch Vereinbarungen zur Entwicklungszusammenarbeit notwendig sind. So war Panama in diesem Abkommen lediglich Beobachter, als es um diese Punkte ging, stieg aber bei den Handelsverabredungen als vollwertiger Partner ein. zahlreiche „Wirtschafts- und Partnerschaftsabkommen“ hingegen werden Afrika vereinbart und beinhalten neben der Handelskomponente noch Aspekte nachhaltiger Entwicklung. Spezielle „Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen“ wurden mit den Staaten an den EU-Außengrenzen abgeschlossen (z.B. Bosnien Herzegowina, Serbien und Albanien), weil diese strategisch und wirtschaftlich von besonderer Bedeutung sind.

Mietshaus in der Zange der Immobilienhaie

JedeR kennt es: Läden machen dicht, der Hundeplatz verschwindet zugunsten lackierter Vierräder, Mieten steigen, Altbekannte ziehen weg: ein Stadtgebiet wird schick gemacht. Für uns selbst bedeutet das oft: Umziehen und günstige Wohnungen finden. Dabei wollen wir doch gar nicht weg! Wir haben unser Haus lieb gewonnen und die äußeren Umstände sind vorerst egal. Jedoch passiert unweigerlich, was niemand wahrhaben möchte: Der Hauseigentümer verkauft unseren Wohnraum und es droht die Modernisierung…

Dieser Text dokumentiert, subjektiv aus der Erfahrung einer beteiligten Person, die Vorgehensweise der BewohnerInnen eines alternativen Mietshauses in der Zange der Immobilienhaie und soll Menschen in gleichartigen Situationen eine Hilfestellung sein. Es ist Absicht, dass in diesem Beitrag die Adresse unseres ehemaligen Hauses und die beteiligten GegenspielerInnen nicht namentlich erwähnt werden.

Was tun?

Diese Frage stellt sich unvermeidlich. Während die einen BewohnerInnen Paroli bieten und auf keinen Fall das Haus verlassen wollen, spekulieren die anderen auf einen finanziellen Ausgleich für den Auszug. Diese wohnen gerne zusammen und wollen das auch weiterhin während jene recht froh sind, endlich einen Grund für die Auflösung ihrer WG gefunden zu haben. Die verschiedenen Grüppchen kommen allerdings nicht drumherum, sich zusammenzusetzen und auszuloten, wie sie mit der neuen Situation umgehen. Die kleinste gemeinsame Gruppe sollte die Wohnung/WG sein, während es bei uns vier WGs in einem Haus waren, die sich (zum Glück nicht zum ersten Mal) an einen Tisch setzten. Nach vielen nervenaufreibenden Diskussionen entwickelte sich ein Minimalkonsens, der intern einen frühstmöglichen Auszugstermin festsetzte und uns somit ein knappes Jahr Aufschub gab. Außerdem sollte ein Auszug alles andere als kostengünstig für unsere neuen HerrscherInnen werden. Die Basis für ein gemeinsames Handeln war damit, wenn auch längst nicht unumstritten, wieder umgestoßen und dennoch wiederhergestellt, geschaffen.

Voraussetzungen

Es war nun Zeit, über die Öffentlichkeit unserer Lage nachzudenken. Einen ideellen Kampf zu führen, wie etwa die BewohnerInnen der Liebigstraße 14 in Berlin just in diesem Jahr oder 2005 in der Yorckstraße 59 in Berlin, streifte zwar unsere Gedanken. Solch ein Kampf stellte der Durchsetzbarkeit unserer Forderungen jedoch ein Bein. Zudem war nur ein Teil unserer BewohnerInnen bewusst mit linken Häuserkampfpositionen solidarisch. Eine Entscheidung für diese Richtung hätte also BewohnerInnen auf eine Spur geführt, mit der sie sich nicht identifizieren könnten. Trotzdem hängten wir Transparente mit unbeugsamen Sprüchen aus den Fenstern, die jedoch vom Bauunternehmen inklusive der eigenen Schilder in Windeseile abgerissen wurden. Dieses Unternehmen ist in Leipzig bekannt durch den Gewinn von Preisen für die Sanierung von Altbauten und legte deshalb wenig Wert auf schlechte Publicity. Wir hatten enorm günstige Ausgangsbedingungen, um unsere Forderungen umzusetzen: Alle vier Wohngemeinschaften hatten gültige unbefristete Mietverträge, die die neuen Eigentümer wissentlich mit einkauften, wahrscheinlich mit dem Kalkül „ach, Studierende, 500€ pro Nase und gegessen“. Unabdingbar war, dass wir nach außen, in diesem Moment also gegenüber den Eigentümern und Bauarbeitern, eine Fassade bewahrten, die suggerierte: Wir Bleiben Hier! Basta! Von unserem Konsens durfte nichts bekannt werden.

Etwas nachlässig waren wir mit Rechtsschutzversicherungen (RSV). Diese sind dazu da, kostenlosen Rechtsbeistand durch einE AnwältIn zu gewährleisten, allerdings erst 3 Monate nach Vertragsabschluss. Ein besserer Tipp ist sicherlich der Eintritt in den Mieterschutzbund, bzw. Mieterverein. Der kostet bei weitem nicht so viel wie eine RSV und bietet auch ohne Beitritt kostenlose Hilfe bei mietrechtlichen Fragen. Bei Beitritt in den Mieterbund hat man auch ein RSV, für die die selben Voraussetzungen gelten wie für eine normale. Solltest du also noch in einer vergleichbaren Situation mieten, kann der Tipp hier nur lauten, zügig eine RSV abzuschließen, da die MieterInnen als letztes von einem Eigentümerwechsel erfahren. Das soll keine Werbung sein: Der Beitritt beim Mieterverein kostet dich eine Kippenschachtel im Monat und stabilisiert in brenzligen Zeiten dein Rückgrat.

Die Erfahrungen von FreundInnen und Bekannten sind nicht zu unterschätzen. Fast jedeR hat einen guten Tipp parat, manche radikal, andere trickreich, aber stets willkommen.

PartnerInnen & Probleme

 

Wir organisierten uns im wöchentlichen Plenum in irgendeiner Wohnung und versuchten, die wichtigsten Fragen zu klären. So wurde der Kontakt zu einem Mietrechtsanwalt unseres Vertrauens aufgebaut. Die Kosten übernahmen wir gemeinsam. Kündigungsschreiben und Modernisierungsschreiben der EigentümerInnen, Alteigentümer und Bauunternehmen gaben sich die Hand und mussten von uns bearbeitet werden. Aber ab einem gewissen Punkt konnten auch wir fast schon routinemäßig unsere Wut in einige Schreiben kanalisieren. So wurde die Haustür von uns selbst wieder eingebaut und die Kosten dafür mit der nächsten Monatsmiete verrechnet. Ankündigungen dafür müssen auch geschickt werden. Mietminderungsschreiben aufgrund von Einrüstung, leckem Dach oder Baulärm auf dem Nachbargrundstück oder eine zu hoch überwiesene Miete, die revidiert wurde, nervten unsere Peiniger sicherlich maßlos. Die Kunst dabei war der Spagat zwischen der Durchsetzung dessen, was uns gesetzlich zustand und der damit verbundenen Gefahr, den neuen Eigentümern einen triftigen Kündigungsgrund zu liefern. Dabei halfen uns Anwalt und Mieterverein. Laut Anwalt hätten selbst unsere für zwei Tage aufgehängten Transparente als Kündigungsgrund gereicht. Jede Miete musste pünktlich bezahlt werden, was uns oft genug vor Probleme stellte, war doch mit dem Alteigentümer alles so lax und locker gewesen. Manchmal wurde ein Krisenplenum von einem Tag auf den anderen einberufen, wenn etwas Dringendes passierte. Für die schnelle Kommunikation richteten wir einen E-Mail-Verteiler ein.

Während der Auseinandersetzungen mit den beauftragten Unternehmen der EigentümerInnen (denn letztere machen sich nicht gern selbst die Hände schmutzig) mussten wir einige fiese Sachen hinnehmen: zum Beispiel wurde unser schöner Hinterhof mit Baggern verwüstet und unpassierbar gemacht, das Abstellen des Wassers und „Russen“ wurden angedroht, die Haustür verschwand kurzerhand, das Dach wurde ohne Ankündigung abgedeckt oder ganz simpel Fahrradventile geklaut. Besonders hässlich war auch ein Steinwurf in einen Schornstein, der ein bewohntes Zimmer vollkommen in Ruß hüllte. Die Aufregung um solche Schikanen war groß, trotzdem müssen sie mit einem dicken Fell ertragen werden. Durch Solidarität konnten wir die notwendige Ruhe dennoch bewahren.

Unsere rechtliche Ahnungslosigkeit und die für uns erheblichen Kosten des Rechtsbeistandes ermöglichten unseren GegnerInnen einen Spielraum zum Austesten der Grenzen und Wut abbauen. Wir hatten jedoch viel Glück, an unsere Ohren sind seitdem weitaus schlimmere Sachen gelangt: So wurde widerspenstigen MieterInnen in einer ähnlichen Situation während ihrer Abwesenheit das komplette Inventar ausgeräumt. Von den dafür Verantwortlichen weiß im Nachhinein selbstverständlich niemand mehr davon.

Das ist einer der Gründe, alles akribisch zu dokumentieren, was um eineN herum passiert, selbst wenn es schon fünf mal geschrieben steht. Fotos von zu dokumentierenden Orten sollten immer eine Zeugin oder einen Zeugen mit aktueller Tageszeitung beinhalten. Kommt es wirklich zu einem Gerichtsverfahren, kann das nur helfen, um sich selbst zu erinnern und um zumindest Etwas in der Hand zu haben.

Natürlich waren wir nicht vor Problemen untereinander gefeit. Es krachte mitunter ordentlich und alles drohte auseinander zu bröckeln. Die Aussicht auf die ungewisse Zukunft und der Zorn über den Verlust unseres jahrelangen Rückzugpunktes schweißte uns trotz allem fest zusammen.

Um es vorwegzunehmen und wie sicherlich der Einen oder dem Anderen bereits bekannt sein dürfte: Wir wohnen nicht mehr in unserem schönen Haus. Eine Neuauflage unseres süßen Sommerfestes steht in nicht feststellbarer Ferne.

Nach dem Abschluss des Vertrages mit den EigentümerInnen mussten wir zu einem festgesetzten Zeitpunkt ausziehen. Eine große Portion Glück begleitete uns und half, das alles in etwa so über die Bühne ging, wie wir es gewollt hatten. Anfang des Jahres sind wir mit all dem, was wir greifen konnten, ausgezogen und verbrachten mit diesem ungewöhnlichen Akt etwa drei volle Wochen.

 

Die Gruppe jener, die weiterhin zusammenleben wollte, hat sich mittlerweile erfolgreich um ein Ersatzobjekt bemüht. Diese Gruppe besteht aus der Hälfte der ehemaligen BewohnerInnen und schafft nun nicht nur für sich eine dauerhaft günstige Mietstruktur in Leipzig, mit Hilfe der schmerzhaften Finanzspritze des Vergangenen. Der Vertragsabschluss kam kurz vor dem Erscheines dieser Feierabend!-Nummer zustande. Es wäre müßig, über die restlichen ehemaligen BewohnerInnen zu schreiben, ist doch der Kontakt bis auf Einzelne so gut wie eingeschlafen. Diese Stelle sei genutzt, um diese Menschen zu grüßen und zu drücken. Ohne euch hätte es nicht geklappt.

(rsb)

Schafft ein, zwei, viele Erwerbslosentheater!

Stichworte wie „Hartz IV“, „1-Euro-Job“ oder „zweiter Arbeitsmarkt“ dürften bei den meisten Leuten eher negative Assoziationen hervorrufen. Nicht ohne Grund denkt mensch da an Erwerbslose, die zum Laubharken in öffentlichen Grünanlagen abgestellt werden, wilde Plakatierflächen säubern dürfen oder bspw. unter dem Namen Bürgerdienst LE (siehe FA!#24) in Uniformen gesteckt und als Aushilfspolizisten auf Streife geschickt werden. Aber zumindest in Teilen der Institution ARGE scheint man mittlerweile erkannt zu haben, dass reine Beschäftigungstherapie wenig zur angestrebten Wiedereingliederung der Erwerbslosen in den ersten Arbeitsmarkt beiträgt. Sogar Kunst kann im Rahmen von AGH-Maßnahmen (1) entstehen – Theater zum Beispiel. Solche Ausnahmen von der schlechten Regel sind weniger ungewöhnlich, als es scheinen mag. Allein in Leipzig laufen derzeit fünf von der Arbeitsagentur unterstützte Theaterprojekte, an denen gut 80 Erwerbslose teilnehmen.

Who is who?

Klären wir erst mal die großen W-Fragen: Wer macht hier wo was, warum und wozu? Die eine Seite bilden dabei die einzelnen Projekte und deren Träger. Da wäre z.B. der Eutritzscher Geyserhaus e.V. (als freier Träger im Kinder- und Jugendbereich auch für die Betreuung von anderen ARGE-Maßnahmen zuständig), dessen Theaterprojekt Faule Haut nun schon im dritten Jahr läuft. Ebenfalls in der dritten Runde befindet sich derzeit das Projekt Theater am Kanal der Agricola-Institut GmbH. Schon die vierte Maßnahme führt, in Kooperation mit der VILLA-Betriebsgesellschaft mbH, die Theatergruppe DramaVision (siehe FA! 33) durch. Im selben Haus probt und arbeitet zeitgleich auch die Figurentheatergruppe Xp3rim3nt 1 1/4. Als weiterer Träger ist in diesem Jahr der Mischhaus e.V. dazugekommen, dessen Kunst- und Sozialwerkstatt gezielt auf die Interessenlage der Arbeitsagentur (und die entsprechenden Geldmittel) hin konzipiert wurde.

Das Wer und Wo wäre damit geklärt – widmen wir uns also der Frage nach dem Warum und Wozu, nach Motiven und Zielen der beteiligten Instanzen, allen voran der Arbeitsagentur als zentralem Akteur. Diese hat beim Erwerbslosentheater nun nicht einfach ihre kulturelle Ader entdeckt. Die aus solchen „kreativen“ Maßnahmen folgende Imageverbesserung nimmt das Amt als Bonus allerdings gerne mit – auch daraus dürfte sich die vor allem in der Chefetage der Leipziger ARGE gepflegte theaterfreundliche Haltung erklären. Dem steht bei den  Arbeitsvermittler_innen das Interesse zur Seite, die eigenen „Klienten“ nicht unnötig zu dequalifizieren – die Theatermaßnahmen dienen dazu, die eigene Angebotsvielfalt zu erhöhen und auch solchen Erwerbslosen Beschäftigung anbieten zu können, die künstlerisch höher gebildet und/oder kreativ veranlagt sind, denen man einförmiges Unkrautzupfen folglich nicht zumuten will.

In erster Linie verfolgt das Amt also auch hier das übliche Ziel, die Erwerbslosen in den Arbeitsmarkt zu reintegrieren. So sollen die Teilnehmer_innen wieder an Verbindlichkeiten wie pünktliches Erscheinen und Entschuldigung im Krankheitsfall gewöhnt werden. Auch werden Verwaltungs- und sozialpädagogische Betreuungsaufgaben an die Projektträger ausgelagert, was eine erhebliche Entlastung für die ARGE darstellt. Über die geforderte Teilnehmerbeurteilung werden zudem persönliche Daten der Erwerbslosen (vorhandene Qualifizierungen, Begabungen und allgemeine Arbeitseinstellung) für das Amt erhoben, die von diesem selbst nicht erschlossen werden könnten. Die theaterpädagogische Betreuung soll den Zielvorgaben der ARGE nach u.a. dazu dienen, Selbstbewusstsein und Auftreten der Erwerbslosen und damit ihre Chancen bei Bewerbungsgesprächen zu verbessern.

Die künstlerischen Inhalten, die produzierten Stücke selbst sind für die meisten Bürokrat_innen dagegen nur als Mittel zum Zweck interessant. Positiver Nebeneffekt dieser Ignoranz ist immerhin, dass den diversen Theaterprojekten in ihrer kreativen Tätigkeit weitgehend freie Hand gelassen wird und so auch sehr kritische Äußerungen zur Realität der Institution ARGE auf die Bühne kommen.

Für die Träger dagegen sind die Theaterprojekte nicht nur eine Möglichkeit, sich in der öffentlichen Wahrnehmung zu profilieren, sondern sich auch der ARGE als verlässliche Partner anzudienen. Eben das ist für viele Einrichtungen überlebenswichtig, bekommen sie dadurch doch nicht nur praktisch kostenlose Arbeitskräfte, sondern auch zusätzliche finanzielle Mittel vom Amt. Ohne solche Unterstützung müssten einige soziokulturelle Zentren in Leipzig schlicht dichtmachen.

Dabei können die verschiedenen Einrichtungen auf ganz verschiedenem Wege zum Theater kommen. Im Fall der Gruppe DramaVision ging die Initiative von dem Dramaturgen und Theaterpädagogen Matthias Schluttig aus, der schließlich in der VILLA einen geeigneten Träger fand, um 2005 das erste Erwerbslosentheater in Leipzig auf die Bühne zu bringen. Dagegen entstand beim Agricola-Institut die Idee eines eigenen Theaterprojekts daraus, dass im Rahmen des Aus- und Weiterbildungsbetriebes auch Bühnenkulissen gebaut wurden. Hier suchte man sich also einen Theaterpädagogen, um quasi ein passendes Stück zu den Kulissen zu inszenieren. Diesen verschiedenen Ausgangspunkten entsprechen auch in ihrer künstlerischen Qualität sehr unterschiedliche Ergebnisse.

Blick von unten

Die beteiligten Erwerbslosen sollen dabei nicht vergessen werden. Die jeweiligen Gruppen sind anfänglich meist kaum mehr als ein bunter Haufen von Anfänger_innen, Laien mit Theatererfahrung und (ehemaligen) Profis, von irgendwie am Theatermachen Interessierten oder auch gänzlich Uninteressierten, die nur aufgrund des von ARGE-Vermittler_innen ausgeübten Drucks oder des zusätzlichen Verdienstes dabei sind.

Das sind nicht gerade günstige Startbedingungen für einen produktiven gruppendynamischen Prozess, wie ihn Theaterarbeit im besten Fall darstellt. Künstlerischer Anspruch (sofern vorhanden) und institutioneller Rahmen gehen also nicht reibungslos zusammen. Denn die Schwierigkeiten der Theaterarbeit mit Laien potenzieren sich natürlich, wenn mensch nicht nur unausgebildete, sondern auch unmotivierte Schauspieler_innen zu vorzeigbaren Leistungen bringen soll. Mangelnde Motivation macht es auch schwierig Kontinuität aufzubauen, und darunter leidet wiederum die Qualität. Nicht umsonst verzeichnet z.B. das Theaterprojekt des Agricola-Instituts eine Abbrecherquote von knapp 50%. Und so verständlich das Bedürfnis ist, die ARGE-Vorgaben zu erfüllen um die finanzielle Förderung nicht zu gefährden, so unsinnig ist es andererseits, wenn etwa der Hauptdarsteller eines Stücks wegen wiederholten Zuspätkommens gekündigt wird (wie beim Theater des Mischhaus e.V. einen Tag vor der Premiere geschehen) – immerhin wird damit auch die bereits investierte Arbeit zunichte gemacht.

Anders bei DramaVision, wo ein zum Großteil aus Teilnehmer_innen früherer Projekte gebildetes stabiles Ensemble entstanden ist. Motivierte Mitwirkende, die zudem schon über Theatererfahrung verfügen, ermöglichen weitgehend selbständige Arbeit an mehreren Stücken gleichzeitig, ein Umstand, der diese Gruppe auch künstlerisch auszeichnet. Es wäre den Leiter_innen der einzelnen Erwerbslosen-Theaterprojekte also generell größerer Mut bei der Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber der Arbeitsagentur anzuraten – dies würde auch der Qualität der eigenen Arbeit nur dienlich sein.

Dabei sind sie natürlich auf das (längst nicht selbstverständliche) Wohlwollen der jeweiligen Sachbearbeiter_innen angewiesen. Dabei können gerade die „unkonventionellen“ Theaterprojekte einen realen Zugewinn an Selbstbewusstsein und Kompetenzen, Erfahrungen und persönlicher Reife bedeuten, also womöglich auch im Sinne der ARGE mehr erreichen als bloße Beschäftigungstherapie. Mehr noch: Eine gute Theaterarbeit kann Lernprozesse anstoßen, die nicht nur dafür taugen, die eigene Haut möglichst gewinnträchtig zu Markte zu tragen. Theater und lebendiges, überzeugendes Schauspiel braucht schließlich mehr als das widerspruchslose Erledigen von Vorgaben – es erfordert die Auseinandersetzung mit sich selbst, das Einbringen und Austauschen eigener Erfahrungen, Kommunikation und vielfältige Aushandlungsprozesse zwischen den Teilnehmer_innen. Auch um solche Lernprozesse zu ermöglichen, wäre es nötig sich nicht umstandslos den Vorgaben der ARGE zu beugen, sondern solche Theatermaßnahmen als (wenn auch prekäre) Freiräume zu begreifen, die nach ihren eigenen (von allen Beteiligten mitbestimmten) Regeln funktionieren. Das setzt natürlich voraus, dass es Trägern und Projektleiter_innen um mehr geht als nur den Zugriff auf staatliche Finanzmittel.

Anschauen!

Trotz aller Reibungsverluste, die zwischen Kunst und institutionellem Rahmen auftreten, ist es beachtlich, was das Leipziger Erwerbslosentheater in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Es ist eben die besondere Möglichkeit des Theaters, Öffentlichkeit herstellen, Geschichten erzählen zu können, ein Publikum zu berühren. Vielleicht ist dies einer der letzten Orte, wo ein politisches Theater, das diesen Namen verdient, noch stattfinden kann. Ein Theater, das soziale Wirklichkeit nicht nur abbildet, sondern ein stückweit auch real verändert, das nach Innen Freiräume zur Selbstentfaltung schafft und nach Außen zur Selbstermächtigung anregt.

Es dürfte also lohnen, sich das bunte Programm der Ensemble im Sommer mal genauer anzuschauen – umso mehr, da die Zukunft der Erwerbslosentheater eher ungewiss aussieht. Der Etat der Bundesagentur für Arbeit weist riesige Löcher auf und die schwarz-gelbe Regierung plant massive Einschnitte gerade bei Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. Ob wir also gerade den letzten großen Sommer des Leipziger Erwerbslosentheaters erleben, bleibt abzuwarten. Bis dahin lautet die Parole: Erwerbende und Erwerbslose aller Länder, auf ins Theater!

(justus & clov)

 

(1)  AGH heißt aus dem Amtsdeutsch übersetzt „Arbeitsgelegenheit“. Die AGH MAE (Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung), volkstümlich auch „Ein-Euro-Job“ genannt, ist dabei die unterste Stufe in der Pyramide staatlich gestützter Teil- und Vollzeitjobs, deren höchste Stufe die AGH Entgelt darstellt, bei der 1400,- Euro brutto monatlich verdient werden können.

Abbas’ Odyssee durch die Ausländerbehörde

„Fiktionsbescheinigung“ & „Terrortest“ – Wunder der deutschen Sicherheitspolitik

„Eigentlich wollte ich nur meine Aufenthaltssgenehmigung verlängern lassen, aber sie haben mir die Genehmigung nicht gegeben. Ich habe nur eine Fiktionsbescheinigung bekommen“ erzählt Abbas auf mein Nachfragen, wie es bei der Ausländerbehörde war. „Eine Fiktionswas…?“ frage ich ihn und mich, ob ihm die kafkaeske, deutsche Bürokratie nicht ein wenig zu Kopf gestiegen ist. Aber Abbas, der seit vier Jahren in Deutschland und mit Hilfe eines Stipendiums des saudi-arabischen Königs in Leipzig studiert, ist besser mit dem deutschen Ausländerrecht vertraut als ich. Tatsächlich handelt es sich bei der Fiktionsbescheinigung um einen offiziellen Oberbegriff des deutschen Ausländerrechts, der noch einmal in fünf unterschiedliche „Erlaubnisfiktionen“ untergliedert ist. Das administrative Oxymoron (1) erhält demnach, wer einen Antrag oder eine Verlängerung auf einen Aufenthaltstitel stellt, über den noch nicht entschieden wurde. Mit der Fiktionsbescheinigung hat es der deutsche Verwaltungsapparat geschafft ein Dokument für den Zeitraum des bürokratischen Wartens zu kreieren. Wer die Bescheinigung hat, darf tatsächlich bleiben, bis die Fiktionsbescheinigung ausläuft – vorausgesetzt er oder sie zahlt 20 Euro. Denn auch das Warten hat seinen Preis. Angestrengt denke ich nach. Wieso wird das Dokument nicht Warte-Brief genannt? Wie kann etwas verlängert werden, das es nur scheinbar gibt? Und wenn ein Dokument, das auf einer hypothetischen Entscheidung beruht verlängert wird, befinden wir uns dann nicht schon im Bereich der Metaphysik? Hat eigentlich schon einmal jemand zu transzendenten Phänomene in bürokratischen Systemen geforscht?

Diese und ähnliche Fragen schießen mir durch den Kopf, als ich Abbas sagen höre: „…aber dann wollten sie diesen Terror-Test mit mir machen.“ Ich starre ihn an und der steinharte, geschmacksarme Kaugummi plumpst auf meinen Unterkiefer. Vor meinem inneren Auge sehe ich Abbas vor einer finster dreinschauenden Beamtin eine Handgranate aus seinem buschigen Haar nehmen und ihr grinsend entgegenstrecken. ‘Das müssen Nachwirkungen der Mohammed-Karikaturen sein,’ denke ich und sage: „Terrortest? Alter, du schaust zu viel US-Fernsehen, von was redest du?“

Abbas meinte den so genannten Gesinnungstest, eine Sicherheitsprüfung, der sich Angehörige von insgesamt 26 Staaten in Deutschland unterziehen müssen, wenn sie eine Aufenthaltsgenehmigung haben oder verlängern lassen wollen (2). Neben diesen Landsmännern und -frauen kommen noch Staatenlose, Personen „mit Reisedokumenten der palästinensischen Autonomiebehörde“ oder mit „ungeklärter Staatsangehörigkeit“, sowie Menschen, gegen die bestimmte Verdachtsmomente vorliegen, hinzu. Mensch beachte hier, dass die Formulierung „bestimmte Verdachtsmomente“  nicht selten als juristische Mehrzweckwaffe gegen allerlei Systemoppositionelle eingesetzt wird. Auf dem Prinzip „bestimmte Verdachtsmomente“ gründen Staatspraxen wie die Rasterfahndung, Vorratsdatenspeicherung und der so genannte Terroristen-Paragraph 129a. Ob also beispielsweise „unsittliches“ Verhalten oder „Handlungen, die das öffentliche Wohlergehen stören“, bereits als „bestimmte Verdachtsmomente“ ausreichen, lässt der Erlass bewusst offen. Je schwammiger, desto variabler einsetzbar.

Das Bundesinnenministerium machte immerhin deutlich, dass es bei dem Erlass nicht darum gehe, „durch die Hintertür zusätzliche Spezialfragen“ in einen anderen Test, nämlich den in den Medien kontrovers diskutierten Einbürgerungstest, einzufügen. Bei dem Einbürgerungstest, müssen ImmigrantInnen, die den deutschen Pass wollen, seit dem 1. September 2008 „deutsche“ Fragen beantworten. Aus einem Gesamtkatalog zum gesellschaftlichen und politischen System der Bundesrepublik werden von insgesamt 310 Fragen 33 herausgegriffen, von denen die Befragten mindestens 17 Fragen richtig ankreuzen müssen. Im Gegensatz zum Einbürgerungstest soll der Gesinnungstest laut Bundesministerium, die Einbürgerung nicht erschweren, sondern sei vielmehr „eine Bereicherung“, da der Bewerber sich auf diese Weise mit den abgefragten Themen auseinandersetze. Ob und was abgefragt wird, liegt in alleiniger Verantwortung der Bundesländer und gilt als Verschluss- bzw. Geheimsache der jeweiligen Landesregierungen. Deutschlandweit führen derzeit zehn Bundesländer, darunter auch Sachsen, den Gesinnungstest durch.

„Haben Sie Kontakt zu Osama bin-Laden?“

Abbas war einer der insgesamt 30.114 Menschen, die sich im Jahr 2008 – das erbrachte eine kleine Anfrage der Partei Die LINKE im Bundestag – einer solchen Befragung unterziehen mussten. Als der 23-jährige routinemäßig sein Studenten-Visum bei der Ausländerbehörde verlängern wollte, wurde er aufgefordert, sich einer „Sicherheitsprüfung“ zu unterziehen. Weshalb er die Prüfung machen müsse, fragte Abbas daraufhin die zuständige Mitarbeiterin der Ausländerbehörde, die 2005 zur freundlichsten Ausländerbehörde Deutschlands gewählt wurde. Es gehe um Sicherheit, so die Angestellte. Abbas entgegnete, dass er hier lediglich Student sei. Man wisse nie, entgegnete die Mitarbeiterin schroff. Daraufhin wurde ihm mitgeteilt, dass er den „Terror-Test“, wie er schließlich von der Beschäftigten der Ausländerbehörde unmissverständlich genannt wurde, unter allen Umständen machen müsse, dass er nach drei Monaten über die Ergebnisse informiert werde und dass er dafür zu einem gesonderten Termin erscheinen müsse. Abbas tat, wie ihm geheißen. An diesem Tag wurde er zu einem separaten Raum geführt, wo ihn ein junger Mitarbeiter erwartete, der ihn fragte, ob er gut Deutsch spreche. Abbas bejahte. Ansonsten hätte die Möglichkeit bestanden einen Dolmetscher mitzubringen – auf eigene Kosten – oder eben einen Bekannten, der gut Deutsch spricht. Obwohl Abbas selbst flüssig Deutsch spricht, verstand auch er nicht alle Formulierungen. Eine Frage blieb für ihn inhaltlich unklar, woraufhin er bei dem jungen Mitarbeiter nachfragte. Dieser verweigerte ihm jegliche Auskunft. Er dürfe diesbezüglich keine Informationen weitergeben. Also füllte Abbas den Test aus, so gut er konnte. Je mehr der gefühlten 200 Fragen er beantwortete, desto lächerlicher erschien ihm der Test. „Sie wollten ernsthaft wissen, ob ich Kontakt zu Osama bin Laden habe,“ erzählt Abbas und lacht ungläubig. Die Fragen hätten sich aber nicht nur auf islamische, sondern auch auf christliche und andere „extremistische“ Gruppen bezogen. Es wurde gefragt, ob er irgendwelche Kontakte zu jenen Gruppen pflege oder sich schon jemals über solche mit anderen Personen unterhalten habe und wenn ja mit wem. „Es gab bei diesen Fragen Gruppen, von denen ich noch nie in meinem Leben gehört habe, das war ganz komisch. Sie wollten auch wissen, ob ich irgendwann in anderen arabischen Ländern, außer in Saudi-Arabien gewesen bin, und weshalb ich dort gewesen bin und mit wem.“

Derartige Fragen machen deutlich, dass der Gesinnungstest ein Instrument des präventiven Sicherheitsapparates ist und ein erneuter Versuch verdachtsunabhängige Kontrollen in der Bevölkerung durchzusetzen. Darauf machten vor allem der Flüchtlingsrat in NRW (Nordrhein-Westfalen) und die Studierendenvertreter (AStA) der Uni Münster aufmerksam, die, nachdem ihnen der Gesinnungstest zugespielt wurde, antidiskriminierende Kampagnen initiierten und den „geheimen Fragenkatalog“ aus NRW in der Münsterschen Studierendenzeitung Semesterspiegel abdruckten (3). Mensch lese und staune: „Haben Sie sich außerhalb Deutschlands jemals an politisch, ideologisch oder religiös motivierten Gewalttätigkeiten beteiligt oder dazu aufgerufen?“ oder „Haben Sie an einer Spezialausbildung (Gebrauch von Sprengstoffen oder Chemikalien, Kampfausbildung, Flugausbildung, Lizenz für Gefahrguttransporte usw.) teilgenommen?“ Ob die Befragten oder ihre Dolmetscher verstehen was mit einer „Lizenz für Gefahrguttransporte“ gemeint ist, bleibt offen. Auf der Hand liegt aber, dass wohl keiner der Befragten so naiv sein dürfte derartige Fragen, sofern er/sie sie inhaltlich begreift, zu bejahen. Erst recht nicht, wenn die Befragten tatsächlich an solchen Spezialausbildungen teilgenommen haben. Anders verhält es sich bei Fragen wie beispielsweise der, ob der Befragte künftig mit deutschen Sicherheitsdiensten zusammenarbeiten wolle. Abgesehen davon, dass sich bei dieser Frage ImmigrantInnen angesprochen fühlen könnten, die sich von der Zusammenarbeit mit der Regierung bestimmte Vorteile erhoffen, wird hier eine andere Sache vollständig ausgeblendet: nämlich dass für deutsche StaatsbürgerInnen, die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten strafbar ist. Die hier zugrunde liegende Logik ist die des nationalen Ausländerrechts: Nicht-Deutschen widerfährt eine grundsätzlich andere Behandlung als Deutschen, die sich als solche ausweisen können.

„Wo ist denn deine Bombe?“

Im Sommer 2008, als in Münster bereits 450 Leute befragt worden waren, reichte der marokkanische Student Mourad Qourtas, der selbst Vorstand der Ausländischen Studierendenvertretung (ASV) ist, Klage gegen den Gesinnungstest ein. Er fühlte sich, nur weil er aus einem bestimmten Land komme, diskriminiert. Ein Präzedenzfall, der zumindest, innerhalb von NRW, für Aufsehen sorgte. Die Rektorin der Uni und der Ausländerbeauftragte wurden von dem Fall unterrichtet und stellten sich hinter den Kläger. Aber es gab nicht nur Unterstützung für Mourad. Von manchen Kommilitonen kamen Sprüche wie: „Wo ist denn deine Bombe?“ Dass Privatpersonen so mit ihm umgehen, daran hätte er sich schon gewöhnt, sagte Mourad damals. Aber dass auch der Staat so agiere, hätte ihn überrascht. Studierende des AStA forderten die Landesregierung schließlich auf, den Gesinnungstest abzuschaffen und die bislang erhobenen Daten unverzüglich zu löschen. Die Landesregierung entgegnete den Forderungen mit dem Verweis auf äußere Zwänge: Der Test werde im Rahmen des Schengen-Abkommens durchgeführt, wonach Menschen aus „Gefährder-Staaten“ bei der Einreise überprüft werden müssen. Die Landesregierung enthüllte aber noch ein viel interessanteres Detail: Die Befragung diene nicht allein der Terrorabwehr, sondern auch dazu, herauszufinden, ob sich in Deutschland lebende Ausländer in „Problemstaaten“ aufgehalten haben. Sei dies der Fall, reiche dieser Umstand aus, jene Personen aus Deutschland auszuweisen. Der Gesinnungstest als neues Mittel zum Abschiebe-Zweck? Tatsächlich werden die TeilnehmerInnen des Tests in der „Belehrung über die Rechtsfolgen“ ausdrücklich darauf hingewiesen, dass falsche oder unvollständige Angaben zur Ausweisung führen können. Dass bejahende Angaben ebenfalls zur Abschiebung führen können, wird in der Belehrung unterschlagen.

Die Aussage der NRW-Landesregierung deckt sich mit solchen von sicherheitspolitischen Think Tanks wie dem Londoner IISS (Internation Institute for Strategic Studies), die sich mit Fragen der Migration beschäftigen und beispielsweise der Ansicht sind, dass der Migrationsdruck die innere Sicherheit und Stabilität von Zielländern stärker gefährde als militärische und terroristische Bedrohungen. Zu dem hier entworfenen Bedrohungsszenario für „gesellschaftliche Sicherheit“, also dem kollektiven Bedürfnis nach Homogenität und kultureller Identität, zählt u.a. auch die Betätigung von MigrantInnen als Drogenkuriere, Transporteure von tropischen Krankheiten und Aktivisten von kriminellen Organisationen.

Tatsächlich erscheint im Zusammenhang mit dem Gesinnungstest das Argument des Migrationsdrucks, der durch Abschiebung gelöst werden soll, logischer als das der Terror-Prävention. Denn Terroristen mit einer Sicherheitsprüfung zu ködern, scheint ein nicht von Erfolg gekröntes Unternehmen zu sein. Wie die Terrorfahndung der deutschen Marine, die im Rahmen der Operation Enduring Freedom am Horn von Afrika mit einer einzigen Fregatte ein Gebiet des Indischen Ozeans vor Terroristen schützen sollen, das achtmal so groß ist wie die Bundesrepublik, ist auch das Einfangen von Terroristen durch die Sicherheitsprüfung eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Mit falschen und vor allem unvollständigen Angaben MigrantInnen abzuschieben, scheint dem gegenüber um einiges einfacher zu sein. Ob es tatsächlich bereits zu Abschiebungen in Folge des Gesinnungstests gekommen ist, gilt es noch herauszufinden.

Der Gesinnungstest erreichte aufgrund der gerichtlichen Auseinandersetzung in NRW schliesslich auch die Bundesebene. Aus einer Anfrage der Partei Die LINKE im Bundestag geht hervor, dass sogar Kinder, „gemäß ihres Entwicklungsstandes“ geprüft werden können. Während das Thema von den deutschen Medien, bis auf wenige Ausnahmen, gekonnt ignoriert wird, gab das Verwaltungsgericht Münster im Oktober 2009 dem Kläger Mourad Qourtas Recht. Die Begründung: Der Fragebogen sei wegen einer Formalie in seiner jetzigen Form rechtswidrig. Auf dem Test fehle der Hinweis auf die Rechtsgrundlage. „Dem Kläger wurde nicht erklärt, warum er diesen Fragebogen ausfüllen soll“, erläutert der Gerichtssprecher Michael Labrenz das Urteil. Die Behörden seien nun aufgrund des Urteils angehalten, die erhobenen Daten zu vernichten – sofern dies von den Betroffenen beantragt würde. Ein formaler Fehler, und nicht der Inhalt, waren für das Gericht ausschlaggebend. Bis auf Weiteres dürfen die Testbögen in NRW nicht mehr eingesetzt werden. Wird aber die notwendige Klausel nachträglich in die Prüfung eingebaut, kann der Gesinnungstest in die zweite Runde gehen. Im Jahr 2008, als Mourad geklagt hat, mussten sich allein in NRW 13.374 Personen einem solchen Gesinnungstest unterziehen. Trotzdem konnte die Landesregierung in Folge nicht nachweisen, dass sie mit Hilfe des Erlasses so genannte Terrorverdächtige aufgespürt hat. Verdächtig macht sich bei derartigen Instrumentarien darum vor allem die Regierung, die hier ohne Kontrolle des Parlaments und unter Ausschluss der Öffentlichkeit derartige Maßnahmen beschliessen und durchführen kann.

„We are the media“

Eigenen Berechnungen des Faltblattes „Migranten in Leipzig 2009“ (4), bei dem LeipzigerInnen mit Migrationhintergrund u.a. nach Ländern aufgeschlüsselt aufgelistet werden, handelt es sich um insgesamt 3.293 Menschen, die sich dem Gesinnungstest in Leipzig unterziehen müssen. Laut der offiziellen „Ausländerstatistik“, wäre das jeder 14. Mensch mit Migrationshintergrund. Das Beispiel von Mourad Qourtas hat deutlich gemacht, dass das Generalverdacht-Instrumentarium zum Einsatz kommt – solange nicht dagegen geklagt wird. Möglichkeiten dazu, haben alle Betroffenen. Studierende können sich über ihre Studierendenvertretung (z.B. RAS – Referat Ausländischer Studierender der Universität Leipzig) einen Rechtshilfeschein besorgen, mit dem sie eine kostenlose Rechtsberatung in Anspruch nehmen können. Der RAS schreibt auf der Homepage des StudentInnenrats ausdrücklich, dass er es sich zum Ziel gesetzt hat „die Interessen der ausländischen Studierenden gegenüber den jeweiligen Stellen, Ämtern und Behörden zu vertreten“ (5). Nicht-StudentInnen können sich bei der Roten Hilfe melden, wo Rechtsfonds für Menschen eingerichtet sind, die sich den Rechtsbeistand nicht leisten können.

Aber es gibt auch andere Alternativen. Massenboykotts der Betroffenen beispielsweise, eine Option, die allerdings hohes Organisationsvermögen voraussetzt. Eine andere Möglichkeit wäre es, eine Petition zu schalten. Dass diese von 50.000 Menschen in den ersten drei Wochen unterzeichnet wird – eine Voraussetzung dafür, dass der so genannte Petent im Parlament angehört wird – ist nur möglich, wenn ausreichend viele Menschen über den Test informiert werden. Die Medien haben ihre Möglichkeit eine kritische Öffentlichkeit durch Information zu schaffen, bislang versäumt oder zumindest nicht einmal hinreichend ausgeschöpft. Stattdessen werden in der Mehrzahl der Texte, die MigrantInnen behandeln, weiterhin munter islamische Themen aufgegriffen, die in der Regel mit Terror-Themen verknüpft werden. Eine Medien-Strategie, die sich in der post-9/11-Ära bewahrt hat und starke Ressentiments gegenüber Muslimen in der Bevölkerung ausgelöst hat. „We the media“ titelte Dan Gillmor 2004 sein Buch über Graswurzel-Journalismus. In diesem Sinne sollten wir uns nicht auf die Informationsverbreitung massentauglicher Medien verlassen, sondern unsere eigenen Kanäle anzapfen, wichtige Informationen wie diese zu streuen. Aktiv werden müssen aber in erster Linie die Betroffenen selbst. Was wir tun können? Sie ermutigen und sie über ihre Rechte aufklären.

Fünf Monate, nachdem Abbas den Gesinnungstest abgelegt hatte, führte ihn sein Weg erneut zur Ausländerbehörde. Diesmal musste er seine Fiktionsbescheinigung verlängern lassen, die an diesem Tag auslief. Doch die Behörde sah sich nicht befugt die Verlängerung der Fiktionsbescheinigung auszustellen. Die Ergebnisse der Sicherheitsprüfung lägen noch nicht vor, so ein Mitarbeiter. Erst wenn die Ergebnisse es erlauben, könne eine Verlängerung ausgestellt werden. Abbas verwies darauf, dass die Mitarbeiterin der Ausländerbehörde ihm damals gesagt habe, dass die Ergebnisse bereits nach drei Monaten einträfen, was nicht geschehen sei. Das sei bedauerlich, teilte mensch ihm mit, doch ändere nichts an der Tatsache, dass er seine Fiktionsbescheinigung nicht verlängern lassen könne. Abbas solle wiederkommen, wenn sie auslaufe. „Gibt es denn noch eine Bescheinigung, die den Bescheid der Fiktionsbescheinigung weiter in die Länge zögert? So etwas wie eine Hyperfiktionsbescheinigung?“ frage ich Abbas, als er mir von seiner Odyssee erzählt und muss unweigerlich grinsen. „Schau sie dir mal an,“ sagt Abbas und streckt mir die Fiktionsbescheinigung hin, als wäre sie die Antwort auf meine Frage. Dann ergänzt er: „Sie sieht genauso aus wie ein Abschiebe-Papier. Genauso. Nur, dass beim Abschiebe-Papier ein roter Strich quer durch das Dokument geht“. Ein roter Strich, der dem Warten ein jähes Ende setzt. Ein roter Strich auf einem Papier, der entscheidet wie ein Mensch zu leben hat. Ein roter Strich, der auf wundersame Weise die Verbindungslinie zwischen „Fiktionsbescheinigung“ und „Terrortest“ sein könnte.

(Klara Fall)

 

(1) Ein Oxymoron  (griechisch oxys, „scharf(sinnig)“, und moros, „dumm“) ist eine rhetorische Figur bei der eine Formulierung aus zwei gegensätzlichen, einander (scheinbar) widersprechenden oder sich gegenseitig ausschließenden Begriffen gebildet wird. Das Wort „Oxymoron“ selbst ist bereits ein Oxymoron. Der innere Widerspruch eines Oxymorons ist gewollt und dient der pointierten Darstellung eines doppelbödigen, mehrdeutigen oder vielschichtigen Inhalts, indem das Sowohl-als-auch des Sachverhaltes begrifflich widergespiegelt wird.

(2) Dazu zählen alle Menschen aus Afghanistan, Algerien, Bahrein, Indonesien, Irak, Iran, Jemen, Jordanien, Katar, Kolumbien, Kuwait, Libanon, Libyen, Marokko, Nordkorea, Oman, Pakistan, Philippinen, Saudi-Arabien, Somalia, Sudan, Surinam, Syrien, Tunesien und den Vereinigten Arabischen Emirate.

(3) Der gesamte Gesinnungstest kann mensch auf folgender Seite herunterladen: semesterspiegel.uni-muenster.de/index.php?option=com_content&view=article&id=60:ssp-383-erschienen&catid=36:pdfs

(4) Das Faltblatt der Stadt Leipzig gibt es zum download unter : www.leipzig.de/imperia/md/content/18_auslaenderbeauftragter/statistik/lz_fb_migranten.pdf

(5) Referat Ausländischer Studierender der Universität Leipzig: www.stura.uni-leipzig.de/1322.html