Archiv der Kategorie: Feierabend! #04

Sabotage! Sabotage!

Sabotage (frz. saboter „mit einem Holz­schuh niedertreten“), die Vereitelung ei­nes Zieles durch böswillige geheime Ge­genwirkung oder passiven Widerstand so­wie die vorsätzliche Beschädigung oder Zerstörung von Maschinen, Arbeitsmit­teln, Waren u.a. aus Anlass eines Arbeits­kampfes oder zu politischen Zwecken. (Lexikonerklärung)

Darum geht es. „Sabota­ge, ArbeiterInnen aus den USA erzählen ihre Versi­on des alltäglichen Klas­senkampfs.“ ist der Titel eines Buches, das im Sisina, Satz Druck Verlag schon 1993 erschien, als Herausgeber fungiert Martin Sprouse und übersetzt haben das ganze Wildcat und FreundInnen. Sprouse ließ sich Ende der 80er von Arbeitern und Ar­beiterinnen aus allen Wirtschaftsbereichen persönliche Erlebnisse von Sabotageakt­ionen erzählen. 125 dieser unterschied­lichsten Anekdoten sind in diesem Buch (nach den Wirtschaftssektoren geordnet) veröffentlicht. Die erzählten Geschichten sind Geschehnisse, die zwischen Ende der 60er bis zum Interviewzeitraum passier­ten – Und was das für Geschichten sind!

Randall, der Daten für eine Versiche­rungsfirma eingibt, läßt offene Rechnun­gen verschwinden, sortiert und beschrif­tet Akten falsch, da ihm die „armen Schlu­cker" leid tun, die ihre Policen nicht be­zahlen können. Ein Feuer wäre das beste, meint er, leider ist die Sprinkleranlage in Ordnung… Ein Bibliothekar spielt mit Kollegen das Spiel, die Kartei der Biblio­thek mit nicht existierenden Büchern und Zeitschriften zu füllen, deren Titel absurd oder kritisch sind. Der Tankwart Keith beklaut seine Chefin, weil sie eine „rassis­tische Ziege“ ist, oder hängt an Tagen, die die Kasse brummen lassen, einfach das „Geschlossen“-Schild raus. Äußerlich ist er ein „Mustertankstellenwart“, freundlich und zuverlässig. Drei Packer beginnen, weil sie ihre Arbeit zu anstrengend finden, plötzlich die fertig abgepackte Ware der Fabrik zu zerstören und ignorieren den tobenden Vorarbeiter komplett. Ein Fisch-Eindoser, der in einer Konservenfabrik in Alaska arbeitet, nutzt den Umstand, dass die ganze Maschinerie eine Viertelstunde stillsteht, wenn man nur einen Konserven­deckel falsch herum auflegt, weidlich aus… Er erzählt dazu: „Die ganze Sache war so entfremdend, dass ich alles rechtfertigen konnte, was ich dage­gen tat. Es war wohl eine der elendesten Erfahrungen meines Le­bens, und das, was ich machte, half, es ein wenig erträglicher zu machen.“

Menschen machen manchmal Dinge kaputt, um ein Gefühl des Einflusses und der Kontrolle über ihre Umgebung zu bewahren. Mit konventionellen und gewaltlosen Mitteln gelingt ihnen das nicht. Sabotage drückt symbolisch ihre Unabhängigkeit von der Firmenleitung aus.“

(Journal of Business Ethics)

So unter­schiedlich die Ge­schichten auch sind, die dieses Buch ver­sammelt, diese Begrü­ndung könn­te man fast jedem Sabo­tageakt geben. Es geht hier nicht um gro­ße Schadenssummen bis hin zum Bank­rott, es ist das Aufbegehren gegen die ei­gene Arbeit. Die Spannweite des weit gefassten Sabotagebegriffs von Sprouse reicht von eigenmächtiger Pausenverlänge­rung („Kippe auf dem Klo“) über Dieb­stahl und Chaosstiften bis zur wirklichen Pleite der Firma.

So antwortete Sprouse auch auf die Frage eines Radioreporters, was er als „Experte“ vorschlagen würde, um das „Problem der Sabotage“ zu lösen, Sabotage sei kein Pro­blem, sondern eine „notwendige und an­gemessene Reaktion“ auf Arbeit. „Und da sie kein Problem ist, gibt es keine Lösung.“ Im Vorwort zur deutschen Ausgabe wird richtig darauf hingewiesen, dass Sabotage meist lediglich „ein Akt der Rebellion ge­gen die Arbeit“ ist, die Weiterentwicklung in kollektive Kämpfe aber nicht erfolgen muss. Damit wird auch der Mythos um die Sabotage kritisch beleuchtet.

Was mir die Lektüre dieses Buches sehr angenehm machte, ist die Tatsache, dass hinter der Fassade, des scheinbar gut lau­fenden Betriebes, doch Leute stehen, die ihre Selbstachtung (meist) individuell zu verteidigen wis­sen – übrigens berichten Saboteure, die in einer Gruppe handeln, dass sie mehr „Spaß“ hätten als bei Einzelaktio­nen. Na also, nie­mand braucht ein schlechtes Gewissen zu haben, weil alle anderen ja angeblich Spaß an ihrer Arbeit haben.

Auf vielen Seiten des Buches ergänzen üb­rigens am Rand Zi­tate aus Management-Untersuchungen, aus linken Ge­werkschaftskreisen, und radikaler Pro­paganda zu Sabotage und renitenten Ar­beitern, das Lesevergnügen.

Ihr wisst, was zu tun ist: Lesen und Kämp­fen, Kämpfen und Lesen, und sich ansonsten die Sonne auf den Bauch schei­nen lassen!

kao