Archiv der Kategorie: Feierabend! #50

BUKO goes Leipzig!

Der BUKO-Kongress ist der jährlich stattfindende Kongress der Bundes­koordination Internationalismus. Diese fokussiert eine emanzipatorische Politik, will eine radikale Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse schaffen und thematisiert internationalistische soziale Bewegungen. Mehr Infos zur BUKO findet ihr auf: www.buko.info.

Der BUKO-Kongress fand bisher in verschiedenen Städten statt und wird in Zusammenarbeit einer lokalen Vorbereitungsgruppe, dem BUKO-Büro und einem bundesweiten Vorbereitungsnetzwerk ausgetragen und von verschiedensten Gruppen und Personen thematisch gestaltet und besetzt.

Dieses Jahr wird der BUKO-Kongress vom 29. Mai bis 1. Juni in Leipzig stattfinden. Als lokale Vorbereitungsgruppe suchen wir gerade nach geeigneten und kostenminimal nutzbaren Räumen, bereiten die thematische Ausrichtung vor, finden Wege und Möglichkeiten der Finanzierung und Versorgung und treffen weitere infrastrukturelle Vorbereitungen.

Schwerpunktthemen sind die Kämpfe für ein Recht auf Stadt und umkämpfte Stadtentwicklung und das Thema Migration und Rassismus sowie deren sozio-ökologische Herausforderungen. Besonderer Fokus liegt dabei auf einer feministischen Perspektive, unter der die Themen erschlossen werden sollen. Die internationalistische Perspektive und internationale Beteiligung und Besetzung des Kongress ist uns nicht minder wichtig. Dies soll sich in den Themen der Inputs, Vorträge und Diskussionen und der Besetzung durch Redner*innen widerspiegeln. Außerdem wollen wir nicht nur theoretische Analysen der Themen anbieten, der Kongress soll vor allem eine aktionistische und praxisorientierte Perspektive schaffen.

Recht auf Stadt (RaS)

Anlass für die Schwerpunktsetzung ist die aktuelle globale Relevanz der Kämpfe um Stadt und Wohnraum – seien es Kämpfe gegen Zwangsräumungen in Spanien, gegen Verdrängungen in Rio oder gegen den neoliberalen Umbau von Istanbul. Daneben wollen wir einladen, sich über den Stand der RaS-Bewegung in Deutschland auszutauschen. Und last but not least wollen wir die Debatte in Leipzig voranbringen – einer Stadt, die auf der einen Seite gerade „das neue Berlin“ werden soll und zu „Hypezig” umgeschrieben wird, da sie tatsächlich noch zahlreiche Freiräume bietet, auf der anderen Seite aber zusammen mit Dortmund Armutshauptstadt der Republik ist. Wir wollen Anstoß liefern für lokale wie globale Vernetzung und eine kraftvolle Bewegung, die ein Recht auf Stadt einfordert.

Folgen der kapitalistischen Verwertung sind Verdrängung, Ausschluss und Zwangs­­­räumungen, die soziale Frage stellt sich vermehrt als Wohn- und Raumfrage.

Wie können wir die Vergesellschaftung von Wohnraum auf die Agenda setzen und den utopischen Überschuss eines Rechts auf die Stadt erkunden? Wie können Marginalisierte neben „weißen“ Mittelschichten in den Stadtinitiativen zu Wort kommen? Wie rücken wir die kapitalistische Verwer­tung der Städte statt die Zuziehenden bzw. die Kreativen und Künst­­ler*innen in den Fokus der Kritik?

Auch die Selbstorganisation von Geflüchteten gegen Isolierung und zentrale Unterbringung sind Kämpfe um ein Recht auf Stadt. In der Ethnisierung städtischer Räume oder Racial Profiling zeigt sich die rassistische Dimension der Stadtentwicklung und -kontrolle. Doch wie können Verbindungen in der politischen Praxis hergestellt werden? Kann die Brücke zu sozial-ökologischen Fragen über die Rekommunalisierung städtischer Energieversorgung geschlagen werden? Wie sieht eine feministische Perspektive auf Wohnen als Teil der Reproduktionssphäre oder den exklusiven Zugang zu städtischen Ressourcen und Infrastruktur aus?

Migration & Rassismus

Die Relevanz einer Diskussion und Analyse der Themen Migration und Rassismus erschließt sich für uns aus der derzeitigen Veränderung antirassistischer und migrantischer Kämpfe einerseits, sowie aus dem Wandel rassistischer Diskurse und Mobilisierungen in Politik und Öffentlichkeit als auch massiver repressiver Grenzpolitik andererseits. Wichtiger Ausgangspunkt ist für uns die Auseinandersetzung mit unserer eigenen Positionierung, unseren Verstrickungen und Handlungsmöglichkeiten.

Nicht nur in der BRD gewinnen widerständige Proteste von Geflüchteten und Mi­grant*innen zunehmend an Präsenz und öffentlicher Wahrnehmung. All diese Kämp­fe und tägliche grenzüberschreitende Migration zeigen deutlich, dass das überholte Bild der „Festung Europa” und damit verbundene koloniale Kontinuitäten grundsätzlich in Frage gestellt werden müssen.
Gleichzeitig rücken Asylpolitik und Geflüchtete in den Fokus rassistischer Diskurse in Öffentlichkeit und Medien. Mobilisierungen gegen und Angriffe auf Asyllager nehmen zu und zeigen die ge­fährlichen Auswirkungen eines rassistischen Normalzustands in der BRD.

Die staatliche Regulierung von Migration folgt einer kapitalistischen Logik, welche den öffentlichen und politischen Diskurs maßgeblich beeinflusst.

Wir fragen uns, wie antirassistische Kämpfe unter diesen gesellschaftlichen Bedingungen aussehen können und welche Perspektiven es für sie gibt. Wie hängen die Proteste und Streiks gegen die schikanöse Behandlung Asylsuchender durch den UNHCR in Tunesien mit den Protesten Geflüchteter im Zentrum Europas zusammen? Wie können die Ursachen für Migration und Flucht mit postkolonialen und feministischen Perspektiven und vor dem Hintergrund einer kapitalistischen Krise analysiert werden? Welche Rolle spielt dabei der Zugriff auf Ressourcen für die Aufrechterhaltung eines Lebensstandards, den sich nicht alle leisten können? Wie sehen Grenzkämpfe und Strategien der Migration an den Grenzen Europas aus und wie können wir uns vernetzen, um diese zu unterstützen? Wie kann eine Unterstützung migrantischer Proteste durch „Weiße“ deutscher Staatsbürgerschaft aussehen?

Anspruch & Beteiligungsmöglichkeiten

Wir wollen auf dem BUKO einen Raum für Austausch und Vernetzung unterschiedlicher Aktivist*innen und Interessierten schaffen. Dieser kann von einem inhaltlichen Austausch, Workshops und Diskussionen bis hin zu direkten Interventionen und Aktionen in der Stadt reichen. Wir wollen, dass der Kongress in der Stadt Leipzig Präsenz zeigt, und hier sowohl Spuren hinterlässt als auch Aufmerksamkeit schafft.

Um ein möglichst vielfältiges Programm sowie noch weitere Anregungen und Perspektiven in das Programm zu integrieren, würden wir uns über (inter­nationale) Beteiligung, Unter­stützung und Anregungen freuen!

Wenn ihr den BUKO 36 also mitgestalten und unterstützen wollt, meldet euch unter:
buko_leipzig@buko.info und kommt zu unseren Vorbereitungstreffen.

Die Leipziger Vorbereitungsgruppe für den BUKO 36

BUKO braucht Kohle
Natürlich braucht die BUKO auch finanzielle Unterstützung, um die Organisation des Kongresses zu stemmen. Neben Soli-Parties und Gelder von Stiftungen sind wir auch auf eure Spenden angewiesen.
Wir freuen uns daher über jede Spende an folgendes Konto:

Verein zur Förderung entwicklungspädagogischer Zusammenarbeit
Ev. Darlehnsgenossenschaft eG Kiel
BLZ 210 602 37
Knt.: 234 389
Gläubigeridentifaktionsnummer für SEPA-Lastschriften: DE25ZZZ00000022314
Bei Überweisungen aus dem Ausland:
IBAN DE 64 2106 0237 0000 2343 89
BIC bzw. SWIFT GENODEF1EDG

Spenden sind steuerlich absetzbar. Bis 100 EUR gilt der Einzahlungsbeleg als Quittung gegenüber dem Finanzamt.

Zucker I – Die unscheinbare Droge

Zucker kennt jede_r. Doch was ist Zucker genau? Brauchen wir Zucker? Und wenn ja, in welcher Form? Wann wird Zucker schädlich? Wo kommt Zucker eigentlich her? Wer steht eigentlich hinter den tollen Schokoriegeln? In drei Artikeln widme ich mich dem Thema Zucker. Im ersten Beitrag versuche ich euch zu erklären, was Zucker alles mit dem Körper anrichtet, dass es eben eine Droge ist.

Der Zuckerverbrauch in den Industrienationen ist in den letzten 100 Jahren enorm angestiegen. Damit einher gingen die sogenannten Zivilisationskrankheiten, die auch auf den erhöhten Zuckerkonsum zurückzuführen sind. Sie sollen sogar rund 80% aller Krankheiten ausmachen. (1) Der Jahresverbrauch pro Kopf in Deutschland lag um das Jahr 1800 bei ca. 2kg, heute liegt er bei 45kg. Das liegt nicht daran, dass die Menschen heutzutage nur Süßigkeiten essen. Ganze 75% des konsumierten Zuckers stammen aus industriell gefertigter Nahrung, aus Fertiggerichten, Hustenbonbons, Ketchup, eingelegten Gurken, Müsli und ähnlichen Produkten.

Was ist das Problem?

Es beginnt meist am Frühstückstisch: Toastbrot mit Marmelade oder Schokocreme, gezuckertes Müsli, Cornflakes, Kakao. Auch die Mahlzeiten zwischendurch bestehen meist aus Schokoriegeln, Fruchtjoghurts oder „gesunden“ Müsliriegeln. Zum Mittag- und Abendessen gibt es dann oft Fertiggerichte, Wurst/Wurstersatz oder Vokü-Essen. Zucker ist dabei allgegenwärtig. Selbst beim Verzicht auf Süßigkeiten ist es kaum möglich, Zucker zu vermeiden.

„Warum sollten wir denn überhaupt auf Zucker verzichten?“, fragt ihr euch nun wahrscheinlich. „Schmeckt doch geil.“ Um das zu erklären, hier kurz einen Exkurs zu den verschiedenen Zuckerarten:

Es gibt drei Arten von Zucker. Zum einem den isolierten Zucker, der mit raffiniertem Zucker gleichgesetzt werden kann, zum anderen natürlichen Zucker. Das sind Zuckersorten, die in Lebensmitteln gebunden sind. Eine dritte Art ist der Blutzucker, der aus Kohlenhydraten gewonnen wird und für die Energieversorgung des Körpers sehr wichtig ist.

Zucker zählt zu den Kohlenhydraten, und diese entstehen im Laufe der Photosynthese in einer Pflanze. Es gibt Einfachzucker (Monosaccharid) wie Traubenzucker oder Fruchtzucker. Dann gibt es Zweifachzucker (Disaccharide), dazu zählt Haushaltszucker, aber auch Malz- oder Milchzucker. Und es gibt Vielfachzucker (Polysaccharide) wie Stärke, ebenso Zellulose, Hauptbestandteil von pflanzlichen Zellwänden, die vom Körper aber nur bedingt aufgenommen werden kann.

Der natürliche Zucker kommt in nahezu allen Pflanzen vor und liefert dem Körper wichtige Energie. Beim Industriezucker dagegen ist das nicht der Fall – aber warum? Warum ist Zucker in isolierter Form so viel schlechter für den Körper als in natürlicher Form?

Raffinierter Zucker ist ein Endprodukt eines industriellen Prozesses, der eine chemische Reinheit von 99,9% aufweist: reine Saccharose. Ohne die sekundären Pflanzenstoffe kann der Zucker jedoch nicht vom Körper verwertet werden. Es ist eine sogenannte „leere Kalorie“.

Was passiert genau im Körper? Als erstes gelangt der Zucker in den Mund und schon kleine Kinder wissen heutzutage, was das bedeutet: Karies. Der Zucker zerstört den Zahnschmelz und der_die Zahnarzt_ärztin freut sich.

Isoliert gelangt der Zucker schon nach wenigen Minuten in den Darm und verändert dort die Darmflora und damit die Verträglichkeit und Bekömmlichkeit anderer Lebensmittel wie Vollkorn und Rohkost. Die rasante Fahrt des Zuckers im Körper führt außerdem zu einem erhöhten Kalzium-Bedarf, da Kalzium zu schnell aus dem Körper ausgeschieden und daher von diesem schlecht aufgenommen wird. Das Ergebnis: schlechte Zähne und Knochen, Osteoporose, Wachstumsstörungen bei Kindern.

Neben dem Kalzium-Bedarf steigt auch der Vitamin-B-Bedarf: Vitamin B1 ist für Stoffwechselprozesse nötig, ohne B-Vitamine kann Zucker nicht abgebaut werden. Wer also viel Zucker isst, verbraucht viel Vitamin B. Zwei Drittel der Leute in Deutschland haben einen Vitamin-B-Mangel. Das führt zu Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und depressiver Stimmung.

Aber macht Zucker nicht vor allem glücklich? Es geht doch voll schnell ins Blut und verschafft ein urst geiles Gefühl!

Das stimmt. Doch auch hier ist die Geschwindigkeit wieder das Problem. Sobald Zucker im Blut ankommt, wird Insulin produziert. Insulin-Überschuss führt im Gehirn zur Bildung von Serotonin, ein sogenanntes Glückshormon. Wir fühlen uns gelassen oder auch euphorisch. Voll super, wenn da nicht das Bestreben des Körpers wäre, den Zucker wieder aus dem Blut rauszubekommen, denn hohe Blutzuckerschwankungen sind nervig, eine ständige Balance hingegen beruhigend. Wir haben im Blut ca. 2 Teelöffel Zucker. Wenn wir nun ein Stück Schokolade essen (ca. 7 Teelöffel Zucker), wird massig Insulin zum Abbau in den Blutkreislauf gepumpt, jedoch in einer Art Notreaktion viel zu viel, was den Blutzuckerspiegel unter seinen Normalwert senkt. Das Ergebnis: Heißhunger, meist auf Süßes. Etwas absurd: der Körper hungert, obwohl er ständig etwas zu Essen bekommt und äußerlich alles andere als untergewichtig aussieht. Dieser ständige Hunger ist ein Signal, dass dem Körper nötige Stoffe (Vitamine, Mineralien, Spurenelemente) fehlen.

Das überlastet irgendwann die Bauchspeicheldrüse, und Diabetes ist die Folge. Außerdem wird der nicht benötigte Zucker in Fett abgelagert, und Insulin im Blut verhindert den Abbau von Fettreserven. Nicht jedes Pfund zu viel macht gleich krank, aber starkes Übergewicht über einen längeren Zeitraum bringt weitere unschöne Begleiterscheinungen mit sich, wie Bluthochdruck, Schlafapnoe (Atemstillstand im Schlaf, der länger als 10 Sekunden anhält), Gelenkprobleme, Herzrhythmusstörungen und auch Herzinfarkte.

Auch wenn es vielleicht den Anschein hat, dass man mit Zucker stets gut drauf ist, ist leider das Gegenteil der Fall. Ständiger Zuckerkonsum hält den Blutzuckerspiegel die meiste Zeit unter dem Normalwert, unterbrochen von ein paar Hochs. Auch dafür gibt es ein tolles Fremdwort: Hypoglykämie. Folgen sind abnorme Müdigkeit sowie verlängerte Reaktionszeiten. Auch Sehstörungen, Vergesslichkeit und depressive Gefühle können Symptome sein. Außerdem kann es zu Muskelkrämpfen, Herzklopfen und Schweißausbrüchen kom­men.

Ein weiteres Symptom ist suchtartiges Verlangen nach ungesunden Nahrungsmitteln, d.h. nach Lebensmitteln, die Zucker enthalten: Süßigkeiten, Produkte aus Auszugsmehlen und mit isolierter Stärke. Sie lösen im Gehirn suchtartige Reaktionen aus, die mit Alkohol oder Nikotin vergleichbar sind. Sie ist von allen Süchten die, die am meisten ausgeprägt ist, da sie bereits im Babyalter beginnt. Alles Quatsch? Dann mach den Versuch und verzichte auf Zucker jeglicher Art. Keine Mate mehr, kein Kuchen, keine Schokolade, keine hellen Nudeln, kein Ketchup, keine Pizza, kein Toastbrot… Mal gucken, wie lange das klappt…

Doch was sind die Alternativen?

Aber was ist eigentlich mit Süßstoffen und so? Süßstoffe sind synthetisch hergestellte chemische oder natürliche Verbindungen, die keine Kalorien haben, keine Zahnschäden verursachen und den Blutzuckerspiegel nicht beeinflussen, sondern einfach wieder ausgeschieden werden. Als Tabletten oder auch in flüssiger Form sind sie vor allem für Leute gut, die Diabetes haben. Sie stehen im Verdacht, krebserregend zu sein (vor allem Aspartam), bis jetzt ist jedoch nix bewiesen. Wenn du kein Diabetes hast, kann es passieren, dass trotzdem Insulin bei Süßstoffen produziert wird. Die Produktion wird jedoch nicht vom erhöhten Blutzuckerspiegel ausgelöst, der ja nicht erhöht ist, sondern vom Gehirn, das bei dem Geschmack nach Süßem schon die Insulinproduktion anregt. (2) Außerdem bleibt die Lust nach Süßem. Laut einer Studie der Yale University kann man sogar davon ausgehen, dass die Lust nach Süßem durch Süßstoff gesteigert wird, da das Signal ans Gehirn von Süßem im Körper kommt, jedoch die Kalorie ausbleibt und somit verstärkt nach Nahrung gefordert wird. (3) Ein weiteres Problem ist, dass Süßstoffe nicht von Kläranlagen herausgefiltert werden können und so ins Trinkwasser gelangen.

Neben Süßstoffen gibt es noch Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit (meist aus Maisstärke), Xylit (meist aus Birkenholzspänen) oder Mannit (aus Glukose). Sie wirken stark abführend und sollten nur bedingt konsumiert werden. Sie werden verzögert ins Blut aufgenommen und bewirken daher einen langsamen Anstieg des Blutzuckerspiegels. Allerdings werden sie durch diese Trägheit nicht komplett aufgenommen und gelangen so auch in die unteren Darmabschnitte, wo sie Wasser binden. Dadurch vergrößert sich das Volumen und die Darmtätigkeit wird angeregt. Durchfall und damit Wasserverlust sind die Folge. Zuckeraustauschstoffe finden sich oft in Produkten, die als „gesund“ und „zuckerfrei“ deklariert sind.

Eine gute und gesunde Alternative ist Honig. Nun kann man sich darüber streiten, ob es fair ist, dass wir den guten Honig essen und die Bienen nur den ollen Industriezucker bekommen. Beim Honigkauf sollte daher darauf geachtet werden, wo er herkommt und wie die Bienen behandelt wurden.

Weitere Alternativen sind Früchte. Entweder frische Früchte wie Bananen oder Äpfel oder Trockenfrüchte, die in Wasser eingelegt und püriert als Süßungsmittel dienen können. Datteln eignen sich besonders gut. (Trockenfrüchte sollten ungeschwefelt und ohne Zuckerzusatz sein!) Außerdem gibt es diverse Dicksäfte (Agave, Apfel, Birne, Ahorn) und Vollrohrzucker, die allerdings allesamt nur sparsam verwendet werden sollten.

Und dann gibt es da noch die „Wunderpflanze“ Stevia. Diese kommt aus Südamerika, ihre Blätter besitzen sehr starke Süßungskraft. Es gibt Stevia vor allem in Pulver- und in Tropfenform, also als reines Steviosid. Dies entspricht nicht der natürlichen Süße, sondern ist wiederum ein Auszugsprodukt. Wenn mit Stevia gesüßt wird, sollten stets die gesamten Blätter genommen werden. Für Tee eignet es sich gut, zum Backen eher weniger. Eine Überdosierung ist schnell möglich, da die Blätter nicht alle gleich stark süßen. Steviapflanzen kann man sich auch selbst auf die Fensterbank stellen. Sie sind ziemlich unempfindlich und leicht zu pflegen.

Ihr müsst jetzt natürlich nicht gänzlich auf Schokolade verzichten! Eine Droge bleibt eine Droge: Die Dosis macht das Gift.

Im nächsten Heft werde ich euch etwas über die Geschichte von Zucker berichten. Wie kam er nach Europa? Wer hat ihn angebaut und verarbeitet? Wer hat daran verdient?

(mv)

 

(1) Franz Binder & Josef Wahler: Zucker – der süße Verführer (2011).

(2) Willy J. Malaisse et al.: Effects of Artificial Sweeteners on Insulin Release and Cationic Fluxes in Rat Pancreatic Islets. In: Cellular Signalling Vol. 10, No. 10, 1998, S. 627–733.

(3) Qing Yang: Gain weight by “going diet?” Artificial sweeteners and the neurobiology of sugar cravings. In: Yale J Biol Med. 2010 June; 83(2), S. 101–108.

Wider die Konsumgesellschaft – aber wie?

Die Konsumgesellschaft, als Kehrseite der kapitalistischen Produktion, ist von linker, emanzipatorischer Seite immer wieder kritisiert worden – sei es nun theoretisch aus einer generellen Kapitalismuskritik heraus, oder ganz konkret aufgrund ihrer zahlreichen und unleugbaren negativen Auswirkungen wie Umweltzerstörung, Ressourcenverschwendung, Menschenrechtsverletzungen, Armut, sozialer Ausgrenzung, etc. Peter Marwitz versucht in Überdruss im Überfluss. Vom Ende der Konsumgesellschaft einen knappen Überblick über die Probleme der Konsumgesellschaft zu bieten sowie mögliche Auswege aus dem Status quo zu diskutieren.

Begrüßenswert ist die vom Autor gleich zu Beginn getätigte Klarstellung, dass Konsumkritik „nur ein Teil einer grundsätzlichen Systemkritik sein kann“ und „veränderte Konsummuster“ nicht das „Allheilmittel“ sein könnten (S. 6). Im ersten Teil des Buches, das sich der Kritik des Bestehenden widmet, erfährt man viel über „grundlegende Probleme“ der Konsumgesellschaft. Konzernkritik wird behandelt, TheoretikerInnen der Konsumkritik werden vorgestellt und der Einfluss von Werbung diskutiert. Dass in dem kleinformatigen Büchlein von nicht mal 80 Seiten die Schilderungen teilweise sehr holzschnittartig daher kommen, ist ein Problem, dass sich schnell einmal bemerkbar macht. Wobei der inhaltliche Gehalt des Geschriebenen durchaus schwankt, trotz betonter Knappheit in den Ausführungen. So findet man teilweise sehr informative und pointierte Einblicke zu diversen Aspekten des Konsums. Andere Stellen sind dagegen erstaunlich oberflächlich, die gebotenen Argumente wenig stichhaltig. Stellenweise wirken sie wie bloße persönliche Meinungen, wie verschriftlichtes Brainstorming: „Shopping und Konsum hält uns von anderen, mitreißenden Aktivitäten ab“. (S. 29)

Der zweite Teil des Buches widmet sich Gegenstrategien und Auswegen. Auch hier ist die Grundintention sehr sympathisch. Marwitz betont, dass „die Probleme der Konsumgesellschaft nicht auf einer rein persönlichen Basis zu lösen sind“ (S. 65). Erstaunlich ist dann jedoch, dass man im gesamten Kapitel fast nur etwas über derartig individualisiertes Ausbrechen aus dem Kreislauf des Konsumismus erfährt. So z.B. eher allgemein über ethischen/politischen Konsum, etwas konkreter über Reparaturcafés, Vegetarismus und Veganismus, über Flohmärkte, Upcycling und Kleidertauschpartys ebenso wie über Tauschringe, Car-Sharing, Couchsurfing, Leihen, Containern etc. Bei seinem oben genannten, völlig richtigen Anspruch verwundert es, dass der Autor auf dieser individualisierten Ebene hängen bleibt. Phänomene wie Solidarische Ökonomie, Commons, Open Source, Parecon (Participatory economics) bleiben ebenso unerwähnt wie andere Ansätze, die individuelles Handeln mit einem fundamentalen Wandel in wirtschaftlichen, politischen und sozialen Belangen verknüpfen wollen. Und wenn der Autor die Macht des politischen/ethischen Konsums diskutiert, dann fällt auf, dass das wohl bekannteste und wirksamste Mittel des/der widerständischen KonsumentIn ebenfalls nicht substantiell behandelt wird: der Boykott.

Eine weitere Frage die sich stellt und in dem Buch glücklicherweise auch behandelt wird, ist, ob das positive Pendant zu Konsumkritik, der ethische/kritische/politische Konsum, als „erster Schritt in die richtige Richtung“ verstanden wird (also als notwendige und, ja, durchaus wichtige Symptombekämpfung, ohne aber die Grundlage des Problems aus den Augen zu verlieren), oder bloß tendenziell einkommensstarken Teilen der Bevölkerung dazu dient, sich vom schlechten Gewissen (so es da ist) freizukaufen und somit ein Phänomen der westlichen Wohlstandsgesellschaft und einer reichen „Oberschicht“ bleibt – eine Goodwill-Aktion der Wohlhabenden sozusagen, die sich mit der Hoffnung auf einen möglichen „Trickle-down-Effekt“ verknüpft. Wenn Konsumkritik und kritischer Konsum nicht mit einer generellen Kapitalismuskritik einhergehen, ist das Ganze, zumindest aus anarchistischer Perspektive betrachtet, nur begrenzt hilfreich (sicherlich aber nicht sinnlos!). Prinzipiell ist dem Autor aber zuzustimmen, wenn er schreibt: „[S]elbst wenn es kein ‚richtiges Einkaufen im falschen Wirtschaftssystem‘ gibt […], so gibt es dennoch ein ‚falsches Einkaufen‘.“ (S. 49)

An tiefgreifenden und umfassenden Lösungs- und Handlungsvorschlägen mangelt es diesem Buch etwas. Es kann aber auf einer individuellen Ebene durchaus die nötige Sensibilität für das Thema verstärken und die persönliche Kreativität anregen, wie man dem „Hamsterrad“ entkommen kann. Und die Hoffnung stirbt zuletzt, dass politischer/ethischer Konsum dem gedankenlosen Konsumismus im Kapitalismus die Stirn bieten und zu einem echten Wandel beitragen kann. Auch dafür ist Überdruss im Überfluss durchaus hilfreich.

(Sebastian Kalicha)

Peter Marwitz: Überdruss im Überfluss. Vom Ende der Konsumgesellschaft. Unrast Verlag, Münster 2013. 76 Seiten, 7,80 Euro, ISBN 978-3-89771-125-9.

Das Vokü-Rezept

Ich zog bei Nacht durch die Gassen zu meiner Lieblingsmülltonne, um Essbares für die nächste Vokü zu holen und dann das: die halbe Mülltonne war voller Möhren und Zwiebeln, darunter lagen jede Menge Spirellipakete, die alle leicht angerissen waren. Was mach ich nur damit? Schöne Grüße, Max“

Lieber Max,

mit ein paar weiteren Zutaten kannst du daraus ein wunderbares Drei-Gänge-Vokü-Menü für eine Menge von ca. 25 Personen zaubern! Hier die Idee:

Gang 1: Zwiebelsuppe mit Croutons

Zutaten:

3kg Zwiebeln

6L Gemüsebrühe

6 Knoblauchzehen

20-30 Scheiben Brot

Salz und Pfeffer

Kokosfett oder Margarine

Zubereitung:

Zwiebeln schälen und in feine Ringe schneiden. Fett in einem Topf zerlaufen lassen, Zwiebeln dazu und bei mittlerer Hitze mit etwas Salz glasig dünsten lassen. Knoblauch schälen, fein hacken, dazu geben und kurz mitdünsten. Mit Gemüsebrühe aufgießen, aufkochen und ca. 20min köcheln lassen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Brot in Würfel schneiden und in Pfanne mit Fett kurz anbraten, zu der Suppe reichen. Fertig.

Gang 2: Nudelauflauf

Zutaten:

3kg Spirelli

1kg Zwiebeln

1kg Möhren

500g Tomaten (im Winter

auch Dosentomaten)

400g Räuchertofu

6 Knoblauchzehen

6 TL Majoran

12 TL Oregano

Mehl

Hefeflocken

Sojamilch

Salz und Pfeffer

Kokosfett oder Margarine

Zubereitung:

Nudeln bissfest kochen. Möhren raspeln. Zwiebeln schälen, in feine Ringe schneiden und in Kokosfett oder Margarine dünsten. Räuchertofu fein würfeln, dazu geben. Knoblauch schälen, fein hacken, dazu geben. Geraspelte Möhren hinzugeben und ca. 10min bei schwacher Hitze dünsten. Kräuter hinzu, mit Salz und Pfeffer abschmecken. Mit Nudeln und gestückelten Tomaten mischen und in Auflaufformen verteilen.

250g Margarine zergehen lassen, mit Mehl mischen bis die gesamte Margarine vom Mehl durchzogen ist. Nach und nach mit Sojamilch aufgießen, bis eine sämige Soße entsteht. Mit Hefeflocken, Salz und Pfeffer kräftig würzen, evtl. einen Schuss Zitrone ran. Soße über die Nudeln geben. Auflauf für 20min bei 170° backen. Bei zwei Aufläufen übereinander im Herd, ein paar Minuten länger drin lassen und die Aufläufe nach der Hälfte der Zeit austauschen. Fertig.

Gang 3: Möhrenkuchen

Zutaten:

1kg Möhren

1kg Mehl

500g gemahlene Haselnüsse

2 Pk. Backpulver

ca. 1l Sojamilch

500g Margarine (raumwarm)

250g Datteln

Zubereitung:

Datteln 30-45min in Wasser einweichen, so dass sie genau bedeckt sind. Datteln pürieren, dass eine geschmeidige Masse entsteht. Möhren raspeln. Mehl mit Backpulver mischen. Margarine, Dattelmus und Haselnüsse dazu geben. Mit Sojamilch nach und nach zu einem Teig rühren. Teig auf zwei Blechen verteilen und für 40-45min bei 170° in den Ofen. Fertig.

Achtung, liebe Leser_innen! Auch ihr seid hiermit eingeladen, an dieser Rubrik mitzuwirken. Wendet euch mit eurer Liste von Zutaten an feierabendle@riseup.net, und lasst euch überraschen, wie sich daraus eine leckere Mahlzeit zubereiten lässt.

et cetera

Die perfekte Welt

Man stelle sich vor, wir lebten in der perfekten Welt.

Alles ist so, wie mensch es sich wünscht.

Aber es gibt keine erstrebenswerten Ziele mehr.

Ist das wirklich ein wünschenswerter Zustand?

Wir schreiben das Jahr 2345 – eine perfekte Zahl, nicht wahr?

Aufgrund ausgefeilter, technisch-soziologischer Rafinessen kann jeder Mensch so leben, wie er es sich wünscht.

Nein, das ist keine Glanzleistung des Kapitalismus…

Wie genau das funktioniert will und kann ich hier nicht verraten. Schließlich handelt es sich um einen Bericht aus der Zukunft!

Umfragen hatten ergeben, dass die perfekte Welt für jeden Menschen anders aussieht.

Detailiertere Befragungen ergaben sogar so große Unterschiede, dass sie nicht auf einem,

vielleicht nicht einmal auf 10 Planeten realisierbar wären.

Allein der Fakt, dass es für jede Menschengruppe – und jeder Mensch ist mindesten einer zuordbar – wiederum Menschen gibt, die deren vollkommene Auslöschung wünschten, schien das Projekt zum Scheitern zu bringen.

Doch – und jetzt verrate ich ein Detail – die Möglichkeit, Menschen zu täuschen, erwies sich hier als sehr hilfreich, wenn auch ethisch-moralische Bedenken aufkamen.

Man mag mir vorwerfen, ich hätte noch nicht beschrieben, wie die Welt – die perfekte Welt – im Jahre 2345 denn nun aussieht.

Nun, die Erde ist immer noch eine „Kugel“, es leben viele verschiedene und ähnliche Menschengruppen auf ihr – also die, die leben wollen, denn die Selbstmordsekten konnten z.T. finale Erfolge „feiern“.

Es wissen aber nicht (mehr) alle voneinander…

Mehr kann ich nicht sagen. Den Rest musst du selber wissen bzw. herausfinden.

Wie?

Stelle dir die Frage: „Wie sähe die Welt aus, wäre sie für mich perfekt?“

(n.o.)

Die emanzipierte Frau und ihr Prostitutionsdilemma

Bezahlten Sex verbieten?

Die medial geführte Schlacht der Feministinnen Ende letzten Jahres hat viele Gemüter erregt. Meines auch. Beherzt wurde dort um den legalen Status der Prostitution in Deutschland gestritten. Alle Beteiligten haben die Menschenwürde der Sexarbeiterinnen zum Ziel. Während die Einen diese durch die Bestrafung von Freiern erreichen wollen, kämpfen die Anderen für mehr Rechte der Prostituierten in ihrem Gewerbe. Diese Wege stehen sich nicht nur diametral gegenüber, sondern sind auch beide von tiefen Gräben gekennzeichnet, die das Ziel mitunter versperren.

Ein Königsweg scheint außer Sichtweite – das macht jedoch eine Bestandsaufnahme der Argumentationslinien um so spannender. Mit dem Anspruch einer differenzierten Betrachtung und dem Wunschziel, einem eigenen Standpunkt dadurch näher zu kommen, will ich die inhaltlichen Kontroversen samt Schlussfolgerungen hier nun skizzieren.

Anfang November wurde die Debatte um die Legalität von Prostitution durch einen populären Appell der EMMA (1) neu entflammt. Darin wird die seit 2002 in Deutschland legalisierte Prostitution in Frage gestellt und unter anderem die Bestrafung von Freiern gefordert. Über 10.000 Menschen und zahlreiche Prominente unterzeichneten bisher den Appell. Unter ihnen viele Politiker_innen (v.a. aus der CDU), Wissenschaftler_innen und Künstler_innen wie Heiner Geißler, Margot Käßmann, Reinhard Mey, Katja Riemann und Tatort-Kommissarin Maria Furtwängler.

Seither geistert das Thema durch Talkshows und Printmedien. Darin streiten ehemalige Zwangs- und Edelprostituierte zusammen mit ihren jeweiligen feministischen Stellvertreterinnen sowie Bordellbesitzern und Polizisten darüber, ob dieses Gesetz nun Prostituierte in ihren Rechten stärke oder zur Ausweitung von Ausbeutungsverhältnissen zwischen den Geschlechtern beitrage (2).

Die Kontroverse

An einem Pol stehen meist die freiwilligen Prostituierten zusammen mit Gegner_innen des Verbotes und Vereinen wie Doña Carmen e.V. und der deutschen Aids-Hilfe. Sie sehen durch die Legalisierung der Sexarbeit die Selbstbestimmung und Emanzipation dieser Frauen gestärkt, da sie nun nicht mehr kriminalisiert werden, unbezahlte Dienstleistungen einklagen können und auch Anspruch auf Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung haben. Am anderen Pol stehen eher diejenigen Frauen, die Erfahrungen mit Zwangsprostitution und Menschenhandel haben, zusammen mit Alice Schwarzer, den besagten Prominenten und anderen Legalisierungs-Gegner_innen. Sie kritisieren meist die patriarchale Degradierung der Frau als käufliches, frei verfügbares Objekt. Zudem berichten sie von einer starken Zunahme der Zwangsprostitution, sowie von miesen Arbeitsbedingungen und Preisdumping im florierenden Geschäft mit stetig wachsender Konkurrenz. Zwar gibt es auch ein Gesetz gegen Zwangsprostitution, allerdings ist diese meist schwer nachweis- und ermittelbar. Und zwischen diesen Polen stehen vor allem jene Frauen im Dunkeln, um die beherzt gestritten wird. Gestritten darum, zu welcher Seite sie mehrheitlich zu rechnen sind, ob sie von der Legalisierung eher profitieren oder nicht. Verlässliche Zahlen und Statistiken gibt es nicht in dem Geschäft – trotzdem werden immer wieder welche in den Raum geworfen, um den eigenen Standpunkt zu untermauern. Während Alice Schwarzer z.B. 90% der Prostituierten als Zwangsprostituierte sieht, werden von Anderen bspw. in der taz Polizeistatistiken zitiert, die einen Rückgang dieser Straftaten verzeichnen (3). Auch die Frage, wann Zwang anfängt und ob man noch von freiwilliger Prostitution sprechen kann, wenn sich eine Frau aus Armutsgründen und mangelnden Alternativen zum Verkauf ihres Körpers „frei“ entscheidet, steht zur Debatte.

Ebenso strittig sind Folgen und Wirkung der Legalisierung an sich. Hat sie wirklich zu einer Steigerung von Armuts- und Zwangsprostitution geführt, oder erscheint dies nur so, weil die Bordelle und ihre Mitarbeiterinnen nun ein viel offensichtlicherer Teil des öffentlichen Lebens sind? Sollte man Menschenhandel nicht strikt vom Sexgewerbe unterscheiden und separate Strategien verfolgen oder geht das gar nicht, weil beides einander bedingt? Und warum nutzen bisher so wenige Frauen überhaupt die Möglichkeiten der Legalisierung, z.B. im Rahmen der Sozialversicherungen? Macht das bestehende Legalisierungs-Gesetz da noch Sinn, oder müsste es nur konsequenter umgesetzt werden? Schließlich wird generell kontrovers diskutiert, ob die Illegalisierung in Form der Bestrafung der Freier überhaupt ein sinnvoller Weg sei, um die Rechte der Frauen zu stärken. Während die einen dadurch lediglich eine Verlagerung ins Hinterzimmer befürchten, welche noch miesere Arbeitsbedingungen und weniger Menschenwürde impliziert, erhoffen sich die Anderen davon einen generellen Rückgang von Prostitution und damit einen Rückgang des Zwanges den eigenen Körper zu verkaufen.

Die Kontroverse wird vor allem dadurch brisant, dass sich die beiden Positionspole im Ziel einig sind: Sie alle wollen im Grunde eine Stärkung der Menschenwürde, Selbstbestimmung und Rechte der Frauen sowie eine Verminderung der Gewalt gegen selbige. Demzufolge befürworten beide Parteien auch Präventionsarbeit, Ausstiegshilfen und Maßnahmen gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel.

Zwei Wege – ein Ziel?

Die Debatte um die Legalität von Prostitution wird voraussichtlich weitergehen. Denn auch die neue Bundesregierung will sich (wieder) damit beschäftigen und gegebenenfalls die bestehende Gesetzgebung überarbeiten. Gerade weil das Ziel unstrittig ist, die bisher vorgeschlagenen Wege dahin jedoch widersprüchlich nebeneinander stehen, fällt es mir schwer für eine der beiden Positionen zu streiten.

Im Grunde kann die Debatte auch als eine zwischen Idealismus und Realismus interpretiert werden – auch wenn die widerstreitenden Parteien dies so nicht bezeichnen würden. Auf der idealistischen Seite steht die Utopie der gleichberechtigten, emanzipierten Frau in einer Gesellschaft ohne sexuelle Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse. Dazu gehört ein moralisches Umdenken jener Männer, die sich Sex kaufen, statt auf Augenhöhe und gleichberechtigt die sexuellen Bedürfnisse mit dem Gegenüber auszuhandeln. Die EMMA und ihre Appell-Unterstützer_innen denken, dass wir dieser Utopie durch Verbot und Kriminalisierung näher kommen. Weil legalisierte Prostitution patriarchale Machtverhältnisse systemisch manifestiert. Und weil der ein oder andere Mann durch ein Verbot vor dem Weg ins Bordell dann sein Handeln hinterfragen würde. Auf der anderen „realistischen“ Seite steht ganz pragmatisch die aktuelle Verbesserung der Arbeitssituation der freiwillig Prostituierten, deren gefühlte Würde durch den legalisierten Status ihrer Tätigkeit steigt, sie die Missstände besser einklagen können und die nun auch Anspruch auf soziale Sicherung haben. Am Ende dieses Weges steht die selbstbestimmte Frau, die über die Art der Verwertung ihres Körpers selbst bestimmt. Während die Idealist_innen den Realist_innen vor allem vorwerfen, die Zwangsprostituierten aus ihrem Kampf um mehr Rechte auszuklammern bzw. das System des Menschenhandels damit zu fördern, wird ihnen umgekehrt vorgeworfen die Prostituierten pauschal als Opfer zu behandeln und ihr Recht auf Selbstbestimmung beim Verbotsdiskurs zu missachten.

Dritter Weg in Sicht?

Was lässt sich daraus für die anarchistische Sichtweise folgern? Verbote sind nicht zielführend, da sie einerseits v.a. die Sexarbeiterinnen benachteiligen und andererseits nicht dazu führen, dass Prostitution aufhört zu existieren. Sie verschwindet nur von der Oberfläche. Kleine, durch die Legalisierung manifestierte Verbesserungen für einen Teil der Prostituierten, möglicherweise auf Kosten von Anderen (der wachsenden Anzahl von Zwangsprostituierten) erscheinen hingegen auch nicht sinnvoll.

Vielleicht aber hilft die Frage weiter, inwiefern bezahlter freiwilliger Sex an sich als ein patriarchales Herrschaftsverhältnis zu betrachten ist. Auch wenn nur Wenige in der Debatte diesen Aspekt betrachten, ist ohne Zweifel klar: das Prostitutionssystem ist ein Herrschaftssystem. Und zwar ein kapitalistisches. Während der eine das Geld hat und bestimmt, ist die andere gezwungen sich dieses durch den Verkauf ihres Körpers zu beschaffen. Im Vergleich zu anderen Tätigkeiten sind jedoch die Ausbeutungsstrukturen im Sexgewerbe offensichtlicher. Oder um es mit der GWR-Journalistin Kerstin Wilhelms auszudrücken: „Prostitution ist damit die Radikalisierung und Ausstellung der ansonsten verschleierten Ausbeutungsverhältnisse im Kapitalismus“ (5). Gäbe es also ohne Kapitalismus auch keine Prostitution? Sicherlich weitaus weniger, weil die Notwendigkeit wegfiele sich das Überleben dadurch zu sichern. Denn selbst wenn einige Frauen diesen Beruf gerne ergriffen haben, so ist es dennoch eine Tätigkeit zum Zwecke des Geldverdienens. Befriedigend muss das Geschäft nur für den Kunden sein. Trotzdem greift die Formel „Kapitalismus abschaffen, dann löst sich auch das Prostitutionsproblem“ zu kurz – auch wenn sie an einen Teil der Wurzel geht. Abgesehen davon, dass sie uns wenig hilft, um die aktuelle Problemsituation zu bewältigen.

Zum Anderen ist noch der patriarchale Aspekt der Debatte zu betrachten. Hier kann – je nach Perspektive – erst einmal herzhaft gestritten werden: Dominiert der Mann die Frau bei der Bezahlung von Sex verbunden mit der Erfüllung seiner Bedürfnisse, oder ist er eigentlich „die arme Sau“, die es sich anders nicht besorgen kann? Und wäre das Problem beseitigt, wenn einfach mehr Frauen zu Bordellkundinnen würden? Welches Frauenbild wird durch die Legalisierung derzeit kolportiert: wird die Frau zum Sexualobjekt degradiert und manifestiert oder muss sie nicht vielmehr dadurch in ihrer Selbstbestimmtheit und Emanzipation endlich ernst genommen werden? Während sich an der Oberfläche widersprüchliche Perspektiven zeigen, verweist die untergründig mitschwingende patriarchale Sex-Kultur jedoch auf einen anderen Wurzelteil des Übels: Eine Frau kann nur dann zum Sexualobjekt degradiert werden, wenn Sex nicht als zweisame Erfüllung definiert wird, sondern auch als einseitige Befriedigung verstanden, gutgeheißen und verlangt wird. Das zumindest ist mit dem Bild vom „triebgesteuerten Mann“ auch kulturell tradiert. So lange also in den Köpfen diese Einbahnstraße existiert, so lange werden sich auch Menschen prostituieren (müssen) – ob als Sexarbeiterin oder als Ehefrau.

Was bleibt nun nach einer Betrachtung der verschiedenen Argumente auf der Suche nach dem richtigen Weg für mehr Menschenwürde der Sexarbeiterinnen? Mal wieder eine Landung bei der großen Utopie: weg vom Kapitalismus einhergehend mit einem Kulturwandel hin zur geteilten sexuellen Befriedigung. Damit wäre das patriarchale Herrschaftssystem Prostitution abgeschafft, ohne dass es eines Verbotsgesetzes bedarf. Zwangsprostituierte gäbe es dann auch nicht mehr und alle hätten Spaß am Sex. Nur leider geht auch das an der Debatte vorbei. Den Rahmen weiter aufzuspannen, erweitert vielleicht den Horizont der Zusammenhänge, hilft den Betroffenen aber auch nicht viel weiter im Hier und Jetzt. Den Weg vom Ziel her zu denken, hieße für mehr Menschenwürde zu argumentieren und den Befreiungskampf der Frauen, die ihren Körper derzeit verkaufen (müssen), zu unterstützen. Wie, wissen sie wohl selbst am besten.

An diesem Punkt angelangt, muss ich selbstkritisch eingestehen, dass ich auf der Suche nach Antworten aus dem real existierenden Problem nicht weiterkomme. Ihr vielleicht? Dann schreibt doch dem Feierabend! Und wir führen die Debatte weiter.

momo

(1) EMMA ist ein Frauenmagazin mit feministischen Anspruch, für das Alice Schwarzer seit 1977 als Chefredakteuren und Verlegerin zuständig ist.
(2) Zwar sind in der Prostitution nicht nur Frauen, sondern auch Männer und Transgender tätig, allerdings ist dieser Teil sehr gering im Vergleich zu den Frauen. Da die Debatte selbst aber v.a. von Feministinnen geführt wird und diese (leider) lediglich aus diesem Blickwinkel argumentieren, wird auch im Folgenden die Prostitution von Frauen im Fokus stehen.
(3) www.taz.de/Debatte-Paedophilie-und-Prostitution/!122003/;
www.taz.de/Sozialwissenschaftlerin-ueber-Prostitution/!127156/;
www.emma.de/unterzeichnen-der-appell-gegen-prostitution-311923;
www.emma.de/artikel/wo-wird-das-gewissen-abgestellt-311632
(4) Graswurzelrevolution 384 (Dez. 2013, S.8) Andere, die auch auf den kapitalistischen Zusammenhang hingewiesen haben: fuckermothers.wordpress.com/2013/12/11/sex-kriege-ein-re-post-eigentlich-hab-ich-keine-lust-auf-die-debatte/#more-3926;
antjeschrupp.com/2013/10/31/funf-thesen-zum-thema-prostitution/;
www.akweb.de/ak_s/ak589/46.htm;

Nebenwidersprüche

Die Redaktion … fühlt

INNEN sein. innen SEIN

Wenn ich an fühlen denke, steckt da für mich meine ganze Welt drin. Ich finde, Gefühle sind etwas ganz wunderbares. Ich ziehe das Fühlen dem Denken vor. Denken strengt mich an, denn das impliziert bei mir, dass ich auch Taten folgen lassen muss. Im Fühlen aber bin ich weich und fließend. Und mit allem was ist oder nicht ist, was dem Fühlen folgt oder nicht folgt, bin ich milde und gnädig zu mir, denn es ist ja mein Gefühl. Mein tiefes Inneres – und da drinnen in mir ist alles erlaubt und alles herzlich willkommen.

Wenn ich an Fühlen denke, denke ich auch daran, mit mir im Kontakt zu sein, mit dem zu sein, was für mich zählt. Und ich denke an Wachsen. Insbesondere in den Momenten, in denen Gefühle wie Schmerz, Enttäuschung, Trauer, Ungeduld oder Wut da sind, versuche ich (mal mehr mal weniger, aber dafür immer besser) diese bewusst wahrzunehmen. Sie wahrzunehmen, indem ich sie einfach nur benenne. Und zwar ohne sie gleich zu bewerten oder, was mein Kopf sehr oft versucht, sie zu kategorisieren und den Ursprung erklärbar machen zu wollen. Und das bedeutet für mich, meine Gefühle weder festhalten zu wollen – also mich in meinem Schmerz baden, noch, sie wegzudrücken und zu ignorieren im Sinne davon, dass es ja wenn ich es mal ganz objektiv und nüchtern betrachte, schon gar nicht so schlimm ist. Bei dieser Art von Innenschau, zumindest zu den Zeitpunkten, wo mir das gelingt, spüre ich, dass daraus Entwicklungsschritte erwachsen. Im Rückblick zumindest fühlt es sich so an, Dinge zu mir genommen zu haben und zwar so wie sie waren – weder verharmlosend noch dramatisierend. Und damit fühlt es sich an, dass ich selbst die Verantwortung für mein Leben übernehme. Ich projiziere und leugne nicht und will auch nicht festhalten, was doch gerade so schön ist. Vielmehr stelle ich mich dem, was genau im Hier und Jetzt, in diesem Moment in mir ist und wachse daran, dringe in tiefe Schichten meines Selbst vor und erlebe dabei ganz bizarrerweise auch, dass ich mehr bin als meine Gefühle.

Und indem ich meinen Gefühlen so unbewertet in die Augen blicke, sie versuche einfach nur wahrzunehmen, schärft sich in mir die Gewissheit, dass ich so wie ich bin, mit all diesen meinen Gefühlen, genau richtig bin und das alles in mir sein darf. Das da drinnen, in meinem Fühlen, eine Welt – und zwar meine ganze Welt – liegt. Und der Welt da draußen, darf ich mich und meine Themen, mein Innenleben zumuten, ich darf meinen Raum haben. Das wiederum lässt mich eigenverantwortlich in meine Kraft kommen und Situationen nehmen wie sie sind. Und indem ich das tue, im besten Falle natürlich mit liebevollem Blick auf mich selbst, komme ich irgendwann ganz bei mir an und sehe immer klarer, wozu mich das Leben ruft. Ich wachse in die Person hinein, die ich bin.

Mein Blick wird frei von dem, was ich nicht habe, und geht zu dem, was ich alles habe. Er lässt mich erkennen, das ganz egal welcher Schmerz da auch war, ich alles mitbekommen habe, was ich brauche. So wachse ich in die Tiefe und stoße auf das wertvollste, das ich habe – meine Liebe.

mona d

…dieses und jenes

Gefühle sind ja ihrem Wesen nach unbeständig, unklar und fließend. Doch im Moment fühle ich mich tatsächlich verunsichert, oder besser: irritiert. Es flimmert in meinem Blick, immer mehr, je länger ich auf die Buchstaben hinstarre. Ich schließe mein eines Auge. Mit dem anderen peile ich über die Nasenspitze weg, zögere kurz, ehe ich dem Monitor links und rechts ein paar hinter die nicht vorhandenen Ohren gebe. Jetzt geht es besser, ich atme auf. Nur ein technischer Defekt, mit meinen Augen ist alles okay. Da kann ich ja weiter über Gefühle schreiben…

Männlich sozialisierte Wesen wie ich haben damit ja so ihre Probleme. Am einfachsten wäre es wohl, ich würde die Frage nach meinem Innenleben so beantworten wie Nelson, der hässliche Junge bei den Simpsons – mit einem mürrischen Achselzucken und den Worten: „In mir sind Gedärme.“ Das stimmt natürlich, technisch gesehen, ist eben nur ein wenig unterkomplex. Ich könnte auch heucheln und behaupten, dass ich gerade unheimlichen Zorn in mir fühle. Ja, Zorn! Einen rechtschaffenen Zorn natürlich, gegen Kapitalisten und Kriegshetzer, sowieso gegen Neonazis und die allgemeine Gesamtscheiße.

Aber wenn ich ehrlich bin, dann bin ich gerade mal überhaupt nicht zornig. Viel eher schon ist es ein leichter Weltschmerz, ein sanftes Gefühl von ennui (um es mal so schön frankophil bzw. frankophon zu formulieren), das mich da von innen her anrührt. Nein, ich bin nicht traurig – das Gefühl ist eigentlich ganz angenehm. Ein Gefühl von Herbst und milder, in Eichenholz gereifter Melancholie, wie sie mich regelmäßig befällt, wenn ich so rumsitze und darüber nachdenke, dass ich nun schon gut dreißig Jahre meiner Lebenszeit ziemlich zweckfrei verplempert habe. Ganz angenehm soweit. Ich sollte wohl noch mehr Schnaps trinken und mich mehr mit meinen Gefühlen beschäftigen, um auch die verbleibende Lebenszeit noch gut über die Runden zu bringen.

justus

Was fühlen…

…und wann?

Ich nehme einfach die jetzige Situation.

Ich schreibe einen Artikel für den Feierabend! und fühle Angst.

Wird der Artikel gefallen? Oder wird er zerrissen?

Er wird sicher zerrissen, antworte ich mir. Ich kann das doch nicht richtig. Mit Sicherheit bin ich nicht gut genug.

Schluss jetzt! Mach halt. Keine Angst, das wird schon, schließlich ist ja auch keiner perfekt und selbst wenn etwas geändert werden muss – passt schon. Aber doch bleiben die Zweifel und die machen es nur noch viel schwerer. Ich mache es mir quasi selber schwer. Jedes Wort wird mehrmals unter die Lupe genommen, bis es passen könnte und immer noch, bei all der „Sicherheit“ die ich langsam bekomme. Im Hinterkopf bleibt sie, diese Unbestimmte Versagensangst. Es bleibt nur dagegen anzukämpfen. Einfach schreiben. Reinhängen, denken.

Langsam wird es besser. Ich sehe was ich geschafft habe und werde ruhiger. Lese und lese dennoch immer wieder alles durch. Vielleicht ist es das, was mir die Sicherheit gibt. Ich kann es vielleicht ja doch und mach mich nur klein. Also nochmal, sage ich mir – reiß dich zusammen!

Aber die Anderen werden bestimmt viel tollere Texte haben, da kann ich ganz klar nicht mithalten.

Das Gerüst beginnt wieder zu brechen, doch nicht ganz. Immer wieder muss ich mich selber beruhigen und es funktioniert. Er ist fast fertig, der Artikel. Es wird leichter. Innere Euphorie beginnt aufzukeimen. Ich habe den Kampf mit mir gewonnen.

…Es folgt der Moment des Absendens und die Kritik der restlichen Redaktion. Der Puls steigt – was wird passieren? Die Gedanken überschlagen sich nun wieder. Aber sei es drum.Ich habe es gemacht, habe meinen Arsch hoch bekommen und geschrieben.

Und da ist es doch wie bei allem. Wir müssen es probieren, denn wenn wir das nicht machen, dann wird die Angst nie überwunden, dann bleiben wir stehen und entwickeln uns nie weiter. Also Mut zum Streit mit sich selber.

R!

Gefühlsexpertin?

Eigentlich halte ich mich ja voll für die Gefühlsexpertin: ich nehme sie bei mir und Anderen oft wahr, kann sie einordnen, reflektieren, analysieren und über Ursachen und Wirkungen philosophieren. Ständig umgeben von meinen Gefühlen, die zwischen Bergen und Tälern des Lebens wandern, machen sie mir das Leben mal leicht, mal schwer. Unbemerkt bleiben sie nur, wenn sie auf gerader Strecke laufen. Das gibt dann zwar meinem rationalen Ich mehr Raum, ist aber eigentlich auch ziemlich langweilig.

So und jetzt zum „eigentlich“ – denn eigentlich mach ich mir da auch ganz schön viel vor, mich selbst als Gefühlsexpertin zu sehen: Denn ich sehe meist nur, was ich sehen will – Negatives blende ich auch gern mal aus, wenns nicht passt oder rede es mir schön. Reflexion wird schnell zur Grübelei und die Analyse von Ursache und Wirkung verhindert vor allem eines: sie einfach mal anzugehen. Mal spontan so zu handeln, wie das Gefühl signalisiert. Nicht darauf zu achten, ob es jetzt in den Kontext passt, oder irgendwen verletzt, oder mich in komisches Licht stellt, oder die Situation ungünstig beeinflusst. Gefühle fühlen ist das eine – danach zu handeln etwas anderes. Gerade diese zweite Kunst ist noch mein Lernfeld. Aber es geht voran 🙂

momo

GEFÜHLE…

Echt jetzt? Muss ich wirklich über GEFÜHLE schreiben. Blöder B…m… Na ja, besser als über GEFÜHLE sprechen zu müssen. Da das hier ein politisches Heft ist, könnte ich ja mal erkunden, was mich da so umtreibt. Wie wäre es mit Empörung über gewisse soziale und politische Verhältnisse? Empört bin ich über die weit verbreitete Sinnfreiheit medialer Berichterstattung. Aktuelles Beispiel: Skiunfälle. Tragisch ja, aber muss das zwei Wochen lang auf Titelseiten prangen, nur weil es dem Schumi passiert ist?

Erschüttert war ich in letzter Zeit auch angesichts der rassistischen Ressentiments, die mal wieder verstärkt in der Mitte der Gesellschaft aufschwappen und sich in der aktuellen Diskussion um Flüchtlinge und Asylsuchende in Leipzig und Umland manifestieren.

Und einfach angepisst hat mich neulich ein Gespräch mit jemanden, der sich hauptberuflich als Sohn bezeichnete und dessen großes Lebensziel es ist, eine Menge Geld zu haben und sich ein schickes Auto zu kaufen, weil das ja schon irgendwie cool wäre. Idiot.

Aber wohin führt die Erkundung solcher GEFÜHLE? Im schlimmsten Fall lediglich zu einer Diskussion über diese GEFÜHLE. Mit etwas Glück aber auch zum Erkennen von Missständen und zum Drang, etwas daran zu ändern: Die sinnfreie Berichterstattung lese ich einfach nicht mehr und mache stattdessen meine eigene Zeitung. Den Alltagsrassismus akzeptiere ich nicht und gehe auf die Strasse oder werde aktiv in Initiativen, die versuchen das Leben der Asylsuchenden in den Unterkünften zu verbessern. Kapitalistische Lackaffen argumentiere ich nieder und verbreite den Gedanken von sozialem und bewusstem Konsum.

Was zu sagen bleibt: Gefühlt ist schon halb gekämpft. Also los rein ins erste Haus… Geschichte wird gemacht, es geht voran, es geht voran.

wanst

FußballFANS & SPIELER gegen Homophobie

Das Coming Out von Thomas Hitzelsperger ist in aller Munde. Was fällt mir so ein, wenn ich an Thomas Hitzelsperger denke? Ein guter Fußballer, der den Höhepunkt seiner Karriere 2007 mit dem VFB Stuttgart erlebte, als dieser Deutscher Meister wurde. Ein Spieler der mir durch sein Engagement gegen Rechtsextremismus sehr sympathisch war, bis er einen Vertrag bei dem vielleicht widerlichsten Verein überhaupt unterschrieb: Lazio Rom. Soviel zur Person. Aber was bewirkt sein Coming Out? Unbestritten ist es ein positiver Schritt in die richtige Richtung, allerdings wird er das Grundproblem sicher nicht beheben. Der Deutsche Fußballbund (DFB) engagiert sich glücklicherweise sehr stark gegen Homophobie. Das Grundübel liegt allerdings innerhalb der Fanszenen und in den Mannschaften selber. Werden Profis durch die Positionierung des DFB zumindest vorsichtiger in ihrer Wortwahl, so lassen sich „Amateurmannschaften“ und Fanszenen vom Verband kaum beeinflussen. Es ist ein Unding, dass homosexuelle Spieler_innen Angst haben müssen, sich zu outen, wegen Dingen, die sich außerhalb der medialen Öffentlichkeit abspielen, dummen Sprüchen in der Kabine oder weil sie im Stadion als „Schwuchtel“ beschimpft werden. Es ist lächerlich die Qualität eines Spielers anhand seiner Sexualität bestimmen zu wollen! Auch Homosexuelle können körperlichen Sport betreiben. Was für uns als Fans und Spieler_innen bedeuten muss: Homophobie ist Scheiße, immer und überall!

(Klaus Canzely)