Archiv der Kategorie: Feierabend! #53

Indiens unwidersprochene Widersprüche

Impressionen einer Reise

Wenn eine eine Reise tut, dann kann sie was erzählen… Doch was lässt sich aus gut drei Monaten Delhi-Erfahrung, gekoppelt mit ein paar Reiseeindrücken aus dem nördlichen Indien, berichten? Ich war zu lange da, um lediglich Eindrücke zu beschreiben – ganz abgesehen davon, dass diese Gefahr laufen zu langweilen und Oberflächenklischees zu bedienen. Allerdings war ich auch zu kurz da, um mit viel Hintergrundwissen analytisch über die indische Gesellschaft zu resümieren. Vor allem aber habe ich heute mehr Fragen als Antworten im Kopf. Die zum Alltag gewordenen Eindrücke und Wahrnehmungen mischen sich wild mit unausgegorenen Analysen und meiner ganz subjektiven Brille. Aber deshalb schweigen? Nein – denn mein Blick über den Tellerrand, kann auch für euch an der Welt interessierte Menschen interessant sein, kann zum Nachdenken über Kapitalismus und Kaste, Tradition und Moderne, transkulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede, subjektive Wahrnehmung und objektive Realität anregen. Das ist es auch, was diesen Text vielleicht lesenswert macht – egal ob ihr Indien und Delhi schon mal selbst erlebt habt oder nur vom Hörensagen kennt.

Die Arm-Reich-Bandbreite

Was mich vor allem an der indischen Gesellschaft bewegt und mir ins Auge sticht, ist die Spanne zwischen armen und reichen Menschen. Denn sie scheint mit europäischen Verhältnissen verglichen sowohl offensichtlicher, als auch größer zu sein. Auf den Hauptstraßen in Delhi hat man die seltene Gelegenheit, alles auf einmal beobachten zu können. Denn da drängelt sich der dicke, große und sauber glänzende Schlitten (natürlich mit getönten Scheiben) zwischen verbeulten kleineren Autos, abgeranzten uralten Linienbussen, unzähligen Auto-Rikschas, Motorrädern und manch mutigem Fahrradfahrer hupend seinen Weg frei. Das Ende der Kette bilden dort wohl die Straßenhändler und verstümmelte Bettler oder Kinder, die an den Ampeln umher laufen, um Kleingeld zu schnorren.

Ansonsten wird die Arm-Reich-Bandbreite nur sichtbar, wenn man unterschiedliche Stadtviertel besucht – denn die Menschen leben hier eher segregiert, v.a. anhand der Tätigkeitsart und dem entsprechendem Einkommen. Die Wohngegenden unterscheiden sich v.a. durch den Grad der Sauberkeit, Architektur und Größe der Häuser, Breite der Straße, Höhe der Mauern, Anzahl der Autos im Hof, Menge an postierten Wachpersonal sowie der Anzahl an Menschen, die auf einen Schlag sichtbar sind. Vis a vis betrachtet, bilden v.a. der Kleidungsstil, die Schmuckdichte und die Dominanz im Auftreten im öffentlichen Raum gute Indikatoren für die Dicke des Portemonnaies und den Status der Menschen. Und im Haus drin ist es neben der Inneneinrichtung v.a. die Anzahl der Hausangestellten, die darüber Aufschluss geben.

So weit so gut. Klingt gar nicht so besonders und anders als bei uns, sagt ihr vielleicht. Mag sein, sofern wir die riesige Menge an Menschen, die in extremer Armut leben müssen, hier ausklammern. Und dementsprechende Gegenmaßnahmen wie hohe Mauern und Wachpersonal bei den extrem Gutverdienenden.

Wieso, weshalb, warum?

Dennoch habe ich das Gefühl, dass diese Gegensätze hier offener ausgelebt werden und sichtbarer sind. Auch und vielleicht weil sie unwidersprochener nebeneinander stehen können? Denn außerhalb der Universitätskreise höre ich nichts von sozialen Kämpfen. Sehe keine Demos auf den Straßen. Zudem habe ich erfahren, dass sich nur Wenige bspw. in Gewerkschaften organisieren. Woran liegt also die scheinbar geringe Bereitschaft gegen diese soziale Ungleichheit aktiv zu werden?

Liegt das nur am Fehlen eines großen klassischen „Industrieproletariats“ zugunsten eines riesigen informellen Sektors voller Einzelkämpfer? Oder gibt es keinen Glauben an mögliche Veränderungen durch aktives und gemeinsames Handeln einer Zivilgesellschaft? Inwiefern ist eine solche bisher überhaupt gewachsen (jenseits parteipolitischer Seilschaften)? Oder ist die gesellschaftliche Fragmentierung und das Reproduzieren von extremer Ungleichheit eine Nachwirkung des immer noch eine Rolle spielenden Kastensystems? Oder der ebenso sehr ausgeprägten Clan-Identitäten aufgrund von Regions- und Familienzugehörigkeiten? Oder liegt es am inzwischen verinnerlichten kapitalistischen Versprechen, dass jeder den materiellen Aufstieg schaffen kann, wenn er nur hart genug dafür arbeitet?

Arbeit ist das ganze Leben

Ohne Zweifel, die Leute hier arbeiten ziemlich viel und vor allem lang – in jeder Gesellschaftsschicht. Alle Geschäfte und Straßenstände in meinem Viertel haben täglich von 8 oder 9 Uhr morgens (so genau weiß ich Langschläferin das leider gar nicht….) bis 22 Uhr geöffnet – und das sieben Tage die Woche. Es stehen auch immer die selben Leute hinterm Ladentisch. Eine Autorikscha kannst du rund um die Uhr ziemlich leicht finden, denn oftmals ist sie zeitgleich auch Schlafplatz ihrer Fahrer. Und selbst die ärmsten Omas versuchen bspw. durch Süßigkeitenverkauf vor der Haustür ganztägig zum Familieneinkommen durch Kleinstbeträge beizutragen (siehe Bild). Aus einem spannenden Buch von Rana Dasgupta (1) habe ich gelernt, dass auch in der aufstrebenden Mittelklasse der Arbeitsplatz zum Familienersatz und neuen Zuhause geworden ist. Was lange Arbeitszeiten und eine sehr hohe Identifikation mit dem Beruf und dem dazugehörigen Status impliziert. Nicht zuletzt seien auch noch die vielen Hausangestellten erwähnt, die ab mittlerem Einkommen eigentlich in allen Haushalten zu finden sind und das Putzen, Kochen, Waschen, Abräumen usw. übernehmen. Je nach Status und Einkommen in unterschiedlicher Anzahl. Oftmals leben diese auch dauerhaft bei ihren Arbeitgebern und sind dementsprechend auch rund um die Uhr verfügbar.

Kurzum, die Arbeit und Erwerbstätigkeit definiert hier das Leben der Menschen in besonderem Maße – und die Menschen definieren sich selbst über diese. Auch eine Auswirkung des Kastensystems, in dem die Menschen nach ihrer Tätigkeit unterteilt wurden? Oder liegt es eher an den wirtschaftlichen Veränderungen, die mit der Marktöffnung Anfang der 90er begannen und derzeit das Land in einen extremen Wirtschaftsboom versetzen? Oder doch einfach an den existenziellen materiellen Notwendigkeiten der Bevölkerung, die bei uns dank (marodem) Sozialnetz zumindest nicht so extrem sind? Aber was treibt die Leute aus höheren Schichten an, ihr ganzes Lebensglück über ihre Erwerbsarbeit und dementsprechende Luxusgüter und Status zu definieren?

 

Arrangierte Ehen

Eine Erklärung könnte die starke Bindung an und traditionelle Identifikation über Clan-/Kasten-Familienzugehörigkeit sein, die sich meist über das Tätigkeitsfeld definiert. Generell spielt die familiäre Bindung in Indien eine große Rolle, meist leben verschiedene Generationen unter einem Dach und Söhne treten oft in die beruflichen Fußstapfen ihrer Väter.

Eine weitere Erklärung könnte ich in der (zeitgleichen) Flucht vor der eigenen Familie finden. Aber stopp, da muss ich aufpassen, nicht mit meiner eurozentristischen Brille den Leuten was unterzujubeln, was sie vielleicht gar nicht fühlen. Und dennoch ist folgendes wichtig, um die indische Familie besser zu verstehen: Die allermeisten Ehen werden noch immer durch die Familie initiiert und arrangiert. Und die allermeisten werden auch verheiratet während ihrer 20er. Oftmals lernen sich die zukünftigen Paare bei zu diesem Zweck veranstalteten Familienzusammenkünften zum ersten Mal kennen. Unterschiede gibt es jedoch in der Art, wie viel Mitspracherecht die zu verheiratenden Menschen selbst haben. Und wie viele potentielle Partner_innen sie sich angeschaut haben. Und wie lange sie vorher miteinander Zeit verbringen dürfen, bis es entschieden wird. Was aber nicht heißt, in dieser Zeit miteinander leben zu dürfen.

Insgesamt fühlen sich die Eltern dafür verantwortlich, ihr Kind unter die Haube zu bringen, machen Vorschläge (ggf. unterstützt durch unzählige Kuppelbörsen), arrangieren Treffen und achten v.a. darauf, dass möglichst Status-/Clan-/Kasten-/Einkommensgleich geheiratet wird. Neben dem Materiellen spielen auch Äußerlichkeiten – wie die Helle der Hautfarbe – nicht selten eine sehr wichtige Rolle. Ich bekam die Gelegenheit für zwei Tage bei einer indischen Hochzeit eingeladen zu sein und allen Ritualen beizuwohnen (meine helle Hautfarbe machte mich dort quasi zum erwünschten Ehrengast (2)). Generell zählen Hochzeiten zu den größten Feierlichkeiten in einem indischen Menschenleben und werden dementsprechend groß und lang zelebriert und treiben (insbesondere die Familie der zu verheiratenden Frau) nicht selten an die Grenzen des Ruins. Die bei dieser Hochzeit zu verheiratende Frau aus einer auf dem Land lebenden Jat-community hatte ihren Zukünftigen zweimal zusammen mit den Eltern getroffen – weiterer Kontakt war unerwünscht. Spannend und befremdlich zugleich waren auch die etlichen (streng ein­gehaltenen) Ri­tuale und Zeremonien – die al­le irgendwie mit dem Ge­ben und Neh­men von Geld ver­bunden waren. Das öffentliche Küssen hingegen ist in Indien verboten – selbst auf der eigenen Hochzeit. Während also die Frau bis auf wenige Auftritte den Haupttag der Hochzeit abgeschirmt im Zimmer verbrachte, feierten mehr als 1000 Gäste auf einem riesigen Gelände – bis der Bräutigam auf einer Kutsche gegen 22 Uhr mit seiner Familie in die Feststätte geritten kam. Danach schrumpfte die Gemeinschaft auf ca. 100 Familienangehörige, die gegen Null Uhr der hinduistischen Trauungszeremonie beiwohnen durften. Der Bräutigam saß davor und danach v.a. mit den männlichen Familienmitgliedern beider Familien zusammen, um Geld und Juwelen in diversen Ritualen entgegenzunehmen – inklusive Mitgift. Am Ende gegen 4 Uhr nachts fuhr das Brautpaar dann mit dem Auto in die Heimat des Ehemannes. Ein tränenreiches Abschiednehmen, denn damit verschwindet auch die Tochter aus dem Elternhaus zur Familie des Mannes. Zwar ist sie dort nicht zwangsweise zur Hausfrau und Mutter verdammt – zunehmend mehr Frauen bleiben auch nach ihrer Hochzeit erwerbstätig (oder sind schlichtweg aufgrund ihrer Armut gezwungen zu arbeiten), aber bleiben dennoch hierarchisch dem Mann und auch dessen Eltern untergeordnet.

Interessanterweise erfährt diese Tradition wenig hörbaren Widerstand von jungen Menschen – obwohl sie alle von der Liebesheirat träu­men, was auch in vielen Bolly­wood-Filmen kolpor­tiert wird. Einige Leute (eher jun­ge Bildungselite) berichten auch von einem gesellschaftlichen Wandel hin zu reinen Love-marriages. Andere erzählen, dass die Liebe dann mit der Zeit gewachsen ist, und dass sie dementsprechend eine Mischung aus love-marriage und arranged-marriage haben (3). Warum lassen sich eigentlich so viele darauf ein? Ist es der Wunsch nach Familie und Sicherheit? Die geringeren Möglichkeiten, jenseits familiärer Beobachtung vorher mit dem anderen Geschlecht Zeit zu verbringen und herum zu experimentieren? Oder die starke familiäre Bindung, verbunden mit finanziellen Abhängigkeiten, der man sich nicht zu widersetzen traut? Oder wird einfach auf das Schicksal und die Weisheit der familiären Entscheidung vertraut? Heißt das aber dann nicht auch, dass die jungen Leute ebenso implizit dem Identitätsdenken gemixt mit religiösen Schicksalsvorstellungen folgen? Oder rebellieren sie nicht (lautstark), weil sie es einfach nicht anders kennen? Und weil ein Ausbruch mit gesellschaftlicher Missachtung und Diskreditierung bestraft werden würde? Auch Scheidungen sind leider gesellschaftlich verpönt. Zwar sind diese prinzipiell legal, dennoch haftet danach – vor allem an der Frau und der dazugehörigen Familie – ein großer Makel. Demzufolge ist der familiäre Druck oftmals sehr groß, und viele nehmen lieber ihre Ehe als unglückliches Schicksal an, als sich zu trennen. Flucht aus dem tristen Liebesschicksal könnte dann entweder eine geheime Liebschaft sein (ich habe mehrfach vernommen, dass das sehr stark verbreitet ist, aber eben streng geheim) – oder eben die Erfüllung durch Arbeit und kollegiales Miteinander.

Aber vielleicht ist solch eine Kausalkette zwischen Arbeit und Familie auch nur ein Konstrukt meiner westlich geprägten Weltsicht? In jedem Falle ist sie weder monokausal noch pauschal zu ziehen – denn für die allermeisten Menschen in Indien ist der permanente Verkauf der Arbeitskraft schlichtweg notwendig, um sich und die Familie ernähren zu können.

Kapitalismus trifft Kaste

Zusammenfassend ist also das, was mir hier in Delhi ins Auge sticht, einerseits die stark ausgeprägte Bindung zur eigenen Familie und die Identifizierung mit einer bestimmten community oder Gesellschaftsschicht/Kaste. Und andererseits die Auswüchse eines kapitalistischen Systems ohne soziales Auffangnetz.

Ersteres führt allerdings auch zu Abgrenzung und Misstrauen gegenüber Inder_innen, die nicht zur Familie oder gleichen Berufsgruppe/ Gemeinschaft/ Kaste gehören. Egal ob arm oder reich. Wie oft ich gehört habe, dass ich keinem vertrauen soll, weil 70-90% der Inder böse/ schlecht/ hinterhältig seien…Stimmt aber nicht – so viel kann ich mit Sicherheit sagen! Derlei Misstrauen aber könnte ein tatsächlicher Grund sein, dass größere soziale Bewegungen schwer organisierbar sind.

Das stark ausgeprägte kapitalistische Wirtschaftssystem hingegen beeinflusst nicht nur den (Arbeits-)Alltag, sondern auch die formulierten Bedürfnisse – die abgesehen von der Liebesheirat ziemlich materialistisch sind, insbesondere bei der jungen Generation. Da ist es irgendwie extrem wichtig, welche Marke die Kleidung hat, dass das Handy ein Smartphone ist und dass man sich irgendwann mal einen Mercedes Benz leisten kann. Genährt wird die Sehnsucht nach dem materiellen Glücksgefühl wohl durch die allgegenwärtige Werbung (vorzugsweise mit weißen Models), riesige Shopping-Malls und einen Präsidenten, der zu den Apologeten des indischen Aufschwungs durch Wirtschaftswachstum gehört.

Vielleicht ist das, was ich hier wahrnehme aber gar nicht so ungewöhnlich und vielleicht ist es auch gar nicht so viel anders als bei der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Vielleicht fällt es mir nur deshalb so auf, weil ich selbst zu Hause meine Zeit meist in einer kleinen Blase voller toleranter Idealist_innen verbringe… Anyway, es fällt mir hier auf. Und Rana Dasgupta bestärkt das, wenn er die aktuelle Delhi-Gesellschaft als materialistisch und egoistisch (außerhalb der Familie) beschreibt.

Aber stopp, das so stehenzulassen und mit meinen Eindrücken zu bestätigen, widerstrebt mir total. Und es stimmt so auch nicht. Denn die Diversität der Menschen ist überall auf der Welt so groß wie hierzulande, und ich habe auch ziemlich idealistische (bettelarme) Künstler_innen kennengelernt, für die Geld zwar ein tägliches Thema ist (aus der Notwendigkeit heraus), die aber dennoch ihr Lebensglück in der Zwischenmenschlichkeit suchen und große Idealist_innen sind. So bleibt am Ende also die Einsicht, dass die Gesellschaft in Indien sich von unserer strukturell zwar an einigen Punkten stark unterscheidet, und sie auch prägt, die Menschen als solche hingegen doch überall gleich und zugleich ganz unterschiedlich sind. Und wenn man ihnen mit offenem Herzen begegnet, dann sind sie ebenso offen herzlich.

Zugleich steht das, was die indische Gesellschaft meines Erachtens nach strukturell so prägt – die gruppenspezifische (traditionelle) Identität und der (moderne) Kapitalismus – an vielen Stellen auch konträr zueinander und trägt sicher maßgeblich zu Konflikten in Familien und Lebensplanung bei. Beispielsweise, wenn junge Frauen sich aus der traditionellen Abhängigkeit und Hierarchie zur Ehemannfamilie durch eigene Berufstätigkeit befreien wollen. Oder wenn die Verfolgung des kapitalistischen Traumes, dass jede_r reich werden könne, mit der Haltung kollidiert einen beruflichen Weg einzuschlagen, den schon die Ahnen beschritten haben. All diese Konflikte und noch viel mehr davon gibt es auch. Zugleich ist die Gesellschaft auch in stetiger Bewegung und Veränderung.

Leider stoße ich hier wieder an die Grenzen meines Tellerrandblickes. Nicht nur, weil ich zu kurz da war, um wirklich tiefgründig all die vielen Zusammenhänge zu verstehen und noch immer zu wenig Hintergrundwissen habe. Sondern auch, weil ich immer von meinem Teller aus auf das Außen blicke, ich eine ganz andere Sozialisation erfahren habe und dementsprechend das, was ich wahrnehme, immer eine Konstruktion der Wirklichkeit aus meiner Sicht bleibt. Eine objektivere Wirklichkeit darzustellen, ist (wenn nicht von vornherein als methodologisch unmöglich abgelehnt) hier nicht leistbar. Dennoch war dieser Artikel nicht umsonst (auch wenn eine grundlegende Unzufriedenheit mindestens bei mir bleibt). Denn durch ihn konnte ich all die verschiedenen Eindrücke mal sortieren, reflektieren, mit meiner Sozialisation in Beziehung setzen. Auch wenn sich dabei mehr Fragen als Antworten auftun, bringen sie mich weiter. Und dem Verständnis anderer Welten näher. Ich hoffe euch geht es auch ein wenig so. Egal ob Indien, Ghana oder Nicaragua: Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben – nicht nur mit dem faszinierenden Außen, sondern auch mit sich selbst.

momo

(1) Rana Dasgupta (2014): „Capital“. Darin porträtiert er anhand zahlreicher Interviews die Menschen in Delhi quer durch alle Schichten im 21.Jahrhundert.

(2) Eine Form der „positiven Diskriminierung“, die mir hier begegnet ist und sicherlich auf das von den Briten implementierte Kastensystem zurückzuführen ist. Denn die Zuordnung dieser bemaß sich auch an der Helle der Hautfarbe.

(3) Ich denke auch, dass die weitestgehende Alternativlosigkeit zum besiegelten Eheleben einen großen Einfluss auf die positive (liebenswertes suchende) innere Einstellung gegenüber dem Partner hat und die Bereitschaft dafür die eigenen Grenzen weit zu dehnen. Demgegenüber bringt uns hierzulande die stärker gelebte Individualität und Autonomie viel mehr dazu solche Bünde in Frage zu stellen, wenn das Gefühl der Liebe schwindet.

Anarchismus zwischen den Stühlen

Errico Malatestas anarchistische Interventionen

Als „hochangesehener Querkopf der anarchistischen Bewegung“ wird Errico Malatesta im Klappentext des neuen, von Philippe Kellermann zusammengestellten, eingeleiteten und informativ kommentierten, Malatesta-Sammelbands„Anarchistische Interventionen“ bezeichnet. Die Bezeichnung trifft es recht gut, wie in diesem Buch, das repräsentative Artikel aus Malatestas Gesamtwerk von 1892 bis 1931 versammelt, deutlich wird.

Warum aber ein Querkopf? Generell wird Malatesta als von Bakunin beeinflusst und zunehmend dem anarchokommunistischen Spektrum nahestehend beschrieben. Ein Querkopf war er u.a. deshalb, weil er sich dennoch nie wirklich einer einzigen anarchistischen Richtung in die Arme warf, sondern sich eher immer zwischen vielen anarchistischen Stühlen bewegte. Er bezog sich auf Unterstützenswertes aus unterschiedlichen Traditionen, kritisierte aber ebenso unaufhörlich diese oder jene Szene, wenn ihm etwas zuwiderlief.

Ein gutes Beispiel ist hier die Frage der Organisation und des (Anarcho-)Syndikalismus. Für Malatesta waren zwei Dinge klar: der Anarchismus muss einerseits eine Massenbewegung und andererseits in der ArbeiterInnenklasse verankert sein. Er trat dafür ein, dass sich AnarchistInnen organisieren sollten und kritisierte anarchistische Tendenzen, die jeden Grad an Organisa­tion als autoritär und anarchismusfeindlich abtaten. Nun mag man bei solchen Vorlieben davon ausgehen, dass sich Malatesta vor allem in anarchosyndikalistischen oder plattformistisch-anarchokommunistischen Zusammenhängen wohl gefühlt hätte. Hat er auch. Dennoch trat er immer wieder als Kritiker beider Strömungen auf. Die (Anarcho-)SyndikalistInnen seiner Zeit kritisierte er dafür, dass sie sich selbst genügten, bei der Organisation und ihrem Engagement entlang gewerkschaftlicher Belangen (die für ihn potentiell reformistisch und nicht revolutionär waren) stehen blieben. Dies allein war ihm zu wenig und er forderte explizit anarchistische Organisation, die dann wiederum die Gewerkschaften beeinflussen sollten. „Klingt nach Plattformismus“(*), möchte man meinen. Doch dieser 1926 von russischen ExilanarchistInnen – unter ihnen Machno und Arschinoff – formulierte Organisationsentwurf, für den er durchaus gewisse Sympathien hatte, war ihm dann doch zu rigide und er befürchtete, wie viele andere AnarchistInnen seiner Zeit, eine „Bolschewisierung“ des Anarchismus.

Ein großer Verdienst Malatestas war seine Rolle als standhafter Kritiker der AnarchistInnen rund um Kropotkin, die sich während des Ersten Weltkriegs zu einer Pro-Kriegshaltung (auf Seiten der Entente) hinreißen ließen. Die beiden Texte „Anarchisten haben ihre Prinzipien vergessen“ (1914) und „Anarchisten als Regierungsbefürworter“ (1916) vermitteln einen guten Eindruck von diesem damals wütenden Grabenkampf in der anarchistischen Bewegung – auch wenn die Pro-Kriegsfraktion glücklicherweise eindeutig in der Minderheit war. Zum unvermeidbaren Zerwürfnis mit Kropotkin kam es dennoch. Eine schmerzliche Erfahrung für Malatesta.

Auch bezüglich der Gewaltfrage, die sich hieran anknüpft, lohnt es sich, bei Malatesta näher hinzusehen. Hier erscheint er zeitweise recht widersprüchlich. Einerseits wird man beim Lesen des Sammelbandes mit dem Gewaltkritiker Malatesta konfrontiert, der auf die schädlichen und antiemanzipatorischen Dynamiken von Gewaltanwendung hinweist, andererseits pochte er aber gleichzeitig beständig auf nichts weniger als den bewaffneten Aufstand der ArbeiterInnenklasse, auf eine Revolution, die auf ein militärisches Kräftemessen mit dem Staat hinausläuft. Dabei war er aber wiederum ein Gegner individueller Attentate und (terroristischer) Gewalttaten – der sog. „Propaganda der Tat“. Man sieht, der Mann lässt sich nicht so einfach in eine Schublade stecken.

Die Tatsache, dass Malatesta eben jener „anarchistische Querkopf“ war, macht das Lesen dieses Sammelbandes so spannend, weil man ständig damit beschäftigt ist, seine eigenen Standpunkte einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Er setzt sich nicht einfach in ein gemachtes anarchistisches Nest, sondern wägt ab, prüft, reflektiert, stellt Fragen und gibt auch Antworten – die man dann selbst wiederum überdenken kann. Malatesta ist auch heute noch ein Anarchist, dessen Ideen nicht in die Mottenkiste, sondern wieder und immer wieder kritisch diskutiert gehören. „Anarchistische Interventionen“ ist eine ausgezeichnete Basis für diese Diskussion.

Sebastian Kalicha

Errico Malatesta: „Anarchistische Interventionen. Ausgewählte Schriften ( 1892 – 1931)“. Herausgegeben von Philippe Kellermann. Unrast Verlag, Münster 2014, 244 Seiten, 14,80 Euro. ISBN: 978-3-89771-921-7

(*) Plattformismus bezeichnet einen 1926 von russischen ExilanarchistInnen formulierten Organisationsentwurf. Er strebt gut durchorganisierte anarchistische Gruppen an, die auf einer gemeinsamen und verbindlichen politischen, anarchokommunistischen Basis aufbauen.

Wo es keine Dilettanten und Laien gibt…

Anarcho-Poetry“ is for everyone

Bei dem Titel des kleinen, mir hier vorliegenden Gedichtbandes – „Hoch lebe sie die Anarchie!“ von Ralf Burnicki mit Zeichnungen von Findus – ist mensch versucht zu denken „Reim dich oder ich fress dich“. In der Tat: Der Titel lässt Schlimmstes befürchten.

Aber diese Sorge kann den Leser_innen gleich wieder genommen werden. Die Dichtung Ralf Burnickis besteht nicht in vierzeiligen Versen, die sich am Ende reimen. Im Gegenteil, der Dichter bewegt sich auf dem schmalen Grad zwischen Prosa und Poesie. Man könnte die einzelnen Gedichte tatsächlich für Kurzgeschichten halten, wenn sie denn einen Plot hätten, also eine Geschichte erzählen würden.

Es ist letztlich schwer zu beurteilen, ob sie das tun oder nicht. Sie haben zwar meistens keinen Plot, aber durchaus einen roten – oder vielmehr: schwarz-roten – Faden. Was Burnicki erzählt, hat durchaus immer ein Leitmotiv, das aber ganz woanders enden kann als erwartet. Es sind tatsächlich die Wörter, die Begriffe, die seine Dichtung zusammenhalten. Und die sind dann doch von ganz anderer Qualität als der Titel: Da fallen Mittage von den Chefetagen wie Steine, ziehen Fragen ins Sperrgebiet und die Eintagswut stirbt in Nachtlokalen. Burnickis Sprachempfindsamkeit zeigt sich schlicht immer wieder in ungewöhnlichen Wortkombinationen, die alltagssprachlich keinen Sinn ergeben, deren Sinn die Leser_innen aber trotzdem sofort erfassen können: Der Nicht-Sinn ist in dem veränderten Kontext der Dichtung völlig logisch.

Damit ist der Inhalt des Gedichtsbandes recht abstrakt und dem Zeichner Findus fällt die nicht ganz einfache Aufgabe zu, diese abstrakten Inhalte real zu zeichnen. Das ist wohl kaum anders lösbar, als Findus es gemacht hat: Er hat sich einzelne Zeilen, einzelne Sinnzusammenhänge, aus den Gedichten genommen und sie illustriert – meist sehr flächig in schwarz und weiß, im Stile von Stencils etwa. Einige dieser Motive wird man sicherlich irgendwann an Haus- und Fabrikwänden wiederfinden.

Hintangestellt an das Gedichtbändchen ist der literaturtheoretische Beitrag „Allgemeine Kriterien einer anarchistischen Ästhetik am Beispiel von ‚Anarcho-Poetry’ und: Wozu überhaupt ‚Anarcho-Poetry’?“ Aber auch ohne diesen Bei­trag gelesen zu haben, lassen die Gedichte für sich be­reits eine Re­flexion zu. Denn letztlich: Jede Kunst versucht immer – sehen wir von dezidierter Propaganda, etwa aus dem rechtsextremen Spektrum ab – ohne gesellschaftliche Konventionen auszukommen oder über diese hinauszugelangen. In einem bestimmten Sinne sind Literatur, Gemälde, Fotografie immer „anarchistisch“. Theodor W. Adorno hat 1965 in seinem Beitrag „Engagement!“„autonome“ und „engagierte“ Kunst differenziert und der autonomen Kunst den Vorrang eingeräumt – auch in dem Sinne, dass diese politisch mehr bewirke. Ein Beispiel: Die Absurdität des kapitalistischen Gesellschaftssystems wird in Franz Kafkas „Der Process“ oder „Das Schloss“ deutlicher als in vielen Stücken Bertold Brechts. Und „Autonomie“ ist ein schöner literarischer Anspruch, wenn die Ästhetik anarchistisch sein soll.

In dem Sinne verstehe ich die „Anarcho-Poetry“ Burnickis durchaus ganz autonom als eine, die sich von künstlerischen, aber auch politischen Zwängen frei macht, sich aber spezifisch „Anarcho“ nennen kann, weil der Autor seine Wortspiele auf dem Wissenshintergrund des anarchistisch engagierten Menschen macht: Barrikaden, schwarze Fahnen, Demonstrationen und Revolutionen kann können künstlerisch aneinander gereiht werden, ohne in plumpe Parolen zu verfallen. „Hoch lebe sie, die Anarchie!“ ist dann ein augenzwinkender Titel.

Ralf Burnicki sieht das dann aber doch anders, wie der genannte Schlussaufsatz zeigt. Im Sinne des politischen Anarchismus fordert er gemeinsam mit Michael Halfbrodt einen Zweck-Mittel-Zusammenhang, eine politische Inhaltlichkeit („Entlarvung herrschaftlicher Bedingungen“, „Lob der Herrschaftslosigkeit“) und die Einbettung in ein anarchistisches Umfeld. Ganz der Idee verpflichtet, ist dies aber natürlich kein Regelkatalog, sondern „Anarcho-Poetry“ kann immer vorschlagsweise so sein. Am sympathischsten ist in diesem Zusammenhang die soziale Komponente, die für die anarchistisch geprägte DIY-Kultur immer auch schon in anderen Bereichen (Punk und HipHop, Fanzines) relevant war: Literat_innen sind keine Expert_innen für Literatur, die mehr oder weniger können als andere, sondern jede_r kann „Anarcho-Poet_in“ sein.

Übrigens kann dann auch jede_r Literaturkritiker_in oder -rezensent_in sein und braucht dafür kein Germanistik-Studium und muss weder Adorno, noch Brecht oder Kafka gelesen haben. Mensch kann das einfach gut finden. Interpretieren mussten wir ja alle schon genug in der Schule, und ob das richtig oder falsch war, war in gewisser Weise immer eine willkürliche Entscheidung der Lehrer_innen. Abschließend daher die durchaus anarchistische Empfehlung: Einfach mal lesen – und anschauen! – und genießen.

Teodor Webin

Ralf Burnicki & Findus: „Hoch lebe sie die Anarchie! Anarcho-Poetry.“ Verlag Edition AV, Lich 2014. ISBN 978-3868411027, 45 Seiten, 9,80 €.

Die Redaktion … sucht

… Balance zwischen der inneren und äußeren Zeit

Es ist ein ewiges Dilemma: Bin ich mit mir allein, fühl ich mich ganz fix unendlich einsam. Bin ich hingegen unter Menschen, fehlt es mir schnell an innerer Ruhe für mich und meinen Kram. Mit, in und durch Gemeinschaft empfinde ich Freude, sie ist für mich Lebenselixier und Quelle des Glücks. Zeitgleich ist die (reflexive) Zeit mit mir selbst unendlich wichtig, um zu verstehen was ich warum fühle und brauche, welcher Weg für mich richtig ist. Ohne Selbst kein Kompass – ohne die Anderen keine Landschaft.

Meistens vermiss ich gerade das, was ich nicht habe. Meistens fühle ich (abwechselnd) ein Ungleichgewicht zwischen der Zeit, die mir für mich selbst bleibt und der Zeit, die ich mit Anderen bin. Am allermeisten aber schimpfe ich auf die fehlende Zeit an sich. Suche sie dann in meinem Kalender – um sie im Anschluss gleich wieder zu verplanen.

Denn es gibt noch eine dritte Kategorie an Zeit, die meine Zeit frisst: die Arbeitszeit. Intuitiv schlage ich sie wohl der Selbst-Zeit zu, aber da gehört sie im Grunde gar nicht hin. Denn auch wenn ich mich als Schreibtischtäterin im homeoffice schnell einsam fühle, komme ich leider kaum in den Genuss von Selbstreflexion und innerer Ruhe.

Zusammenfassend könnte man also sagen, dass ich Zeit suche, die mir ermöglicht eine Balance zwischen meinem Innen und Außen herzustellen? Ja, das stimmt. Und ich glaube, ich bin damit nicht allein auf dieser Welt. Das aber ist kein Grund zur Verzweiflung, denn das Erbauliche an diesem Problem ist, dass bis zum Tode die Zeit in berechenbaren Intervallen immer wieder zur Verfügung steht. Sie also nicht verschwunden ist. Jedes Jahr kaufe ich einen neuen leeren Kalender. Jedes Jahr wird er von mir selbst gefüllt. Ich hab es also in der Hand. Ich kann sie also finden, die Balance zwischen innerer und äußerer Zeit. Und du kannst das auch.

momo

 

…Hoffnung!

Wer braucht sie nicht? Schon Kant meinte, der Schlaf, das Lachen und die Hoffnung helfen, das Leben erträglicher zu machen. Zugegeben, würde er heute noch leben, müsste er noch ein paar Dinge wie Bier, Facebook und Katzenbilder auf seine Liste setzen. Nur worauf soll man heute noch hoffen? An Gott, Nachleben und Paradies glaub ich auch eh nicht. Und selbst wenn es stimmte, wäre es doch ziemlich langweilig oder anstrengend. Eine Ewigkeit im Garten Eden? Habe eigentlich nur noch zwei Seasons von Battlestar Galactica, die ich schauen wollte. Und Dutzende von Jungfrauen finde ich dann auch irgendwie anstrengend. Fühle mich da auch, um ehrlich zu sein, nicht potent genug dafür. Wie machen diese Märtyrer das nur? Ich würde mir da ziemlich den Kopf drüber zerbrechen. Lasse ich mal lieber die Finger von.

Hoffnung im Diesseits zu finden ist aber auch irgendwie knifflig. Unterm Kühlschrank und zwischen den Sofakissen hab ich schon nachgeschaut. Und die Weltrevolution wird auch nicht mehr viel wahrscheinlicher. Oder dass Hollywood-Filme mal gut werden. Liebe klingt eigentlich ganz gut! Die altmodische, ohne Peitschen, Fesseln und Buttplugs und so (muss übrigens noch 50 Shades of Grey sehen). Ist aber auch ein wenig unfair. Ich würde auch nicht wollen, dass jemand von mir sein komplettes Seelenheil erwartet. Aber vielleicht geh ich da ja auch ganz falsch ran. Hoffnung darf man nicht nur suchen und erwarten, sondern muss sie selber in die Welt bringen.

Finde das ist eine gute Idee!! Fange ich aber erst morgen damit an. Wollte mir heute noch ein paar hundert Bilder auf LolCats.com anschauen.

alphard

 

…Hausschuhe und Glück

Suchen, suchen. Was suche ich? Ganz klar: meine Hausschuhe. Fast täglich. Sie liegen immer woanders. Manchmal suche ich auch das Glück. Nur das kleine versteht sich. Nach dem Sinn des Lebens suche ich noch nicht. Das kommt sicher noch. Zurzeit habe ich einfach zu viel zu tun dafür. Ab und zu suche ich schöne Orte. Orte, die ich noch nicht kenne, die geheimnisvoll sind, unberührt oder zumindest ziemlich lange nicht mehr berührt wurden. Alte leerstehende Häuser, verlassene Fabrikgelände, stillgelegte Bahnhöfe. Vielleicht suche ich dort auch manchmal nach dem Sinn. Vielleicht nicht gleich des ganzen Lebens.

mv

 

… mein geklautes Fahrrad

Ich teile wirklich gerne und versuche auch, mich nicht zu sehr an materiellen Besitz zu binden. Aber mein Fahrrad ist mein Fahrrad ist mein Fahrrad. Denn wir teilen Geschichte. Meine mittlerweile verstorbene Oma hatte damit in den 1960igern auf dem Dorf einen fast tragischen Unfall, bevor zwei weitere Generationen mit ihm über Leipzigs Pflaster rollten. Meine Mutti noch zu DDR-Zeiten und ich seit über 10 Jahren. Aber nun ist es weg. Gestohlen, wahrscheinlich im Suff und dann lieblos irgendwo abgestellt.

Schon einmal hätte ich meinen Diamantengel fast verloren. Damals hatten besoffene Hoolschränke den grünen Liebling in den Kanal geworfen. Eine gute Woche lang klagte ich überall mein Leid, bis an einem feuchttraurigen Abend die Idee erwuchs, meinen zweirädrigen besten Freund wieder raus zu angeln. Nach Ortungsversuchen mit Lautsprechermagneten in 5 Meter Tiefe (missglückt: waren nur Kronkorken dran), besorgte ich Schlauchboot, Eisenhaken, Seil und Freunde. Und wer hätte es gedacht … eine Stunde später hatten wir den kleinen Schatz tatsächlich am Haken.

Nun sind schon einige Wochen ohne ein Lebenszeichen vergangen. Aber ich suche weiter. Denn du, mein geliebtes grünes Diamant-Damenrad, hast es einfach nicht verdient, durch besoffener Diebe Hände deiner Geschichte und deines Fahrers beraubt, achtlos in einem fremden Hinterhof zu Tode zu rosten.

wanst

Das VoKü-Rezept (FA! #53)

Hallo!

Irgendwer hat hier einen Riesen-Sack braune Linsen angeschleppt und uns gehen langsam die Ideen aus, was wir alles, außer Linsensuppe, noch machen könnten. Wäre super, wenn du uns helfen könntest!

Schöne Grüße, Susi“

 

Liebe Susi,

Linsensuppe kann ja auch immer unterschiedlich sein, aber sicher gibt es auch noch andere Gerichte, die ihr daraus zaubern könnt. Spannend wird es ja beim Nachtisch.

Hier die Vokü-Idee (für ca. 25 Personen):

 

Gang 1: Linsensalat

Zutaten:

1,5kg Linsen

5 Äpfel

5 Zwiebeln

20-25 saure Gurken

Apfelessig

Salz

 

Zubereitung:

Linsen in doppelter Menge Wasser kochen, auskühlen lassen. Äpfel, Zwiebeln und Gurken in ganz kleine Stücke schneiden und mit den Linsen vermischen. Alles mit Salz und Apfelessig abschmecken. Fertig.

 

Gang 2: Reis mit Linsenbratlingen und Soja-Joghurt

Zutaten:

2kg Reis

3kg Linsen

2kg Möhren, geraspelt

10 EL Senf

4 EL frischer Ingwer, gerieben

Paniermehl

Salz

Pfeffer

Kokosfett oder Margarine

1,5kg Soja-Joghurt

2 grüne Gurken

Rosenblütenblätter

 

Zubereitung:

Linsen über Nacht in Wasser einweichen. Abgießen, pürieren. Möhren, Senf, Ingwer, Salz und Pfeffer dazu. Masse mit Paniermehl andicken, kann aber ruhig ein bisschen feucht bleiben. Reis kochen. Bratlinge formen und anbraten. Gurken raspeln, mit Soja-Joghurt und Rosenblütenblättern mischen und mit Salz abschmecken. Alles zusammen servieren. Fertig.

 

Gang 3: Linsen-Pudding

Zutaten:

2kg Linsen, gemahlen

4l Apfelsaft

4 EL Vanille-Pulver

Kokosraspeln

Agavendicksaft

 

Zubereitung:

Linsenmehl und Vanille-Pulver mischen, in Apfelsaft aufkochen, ständig rühren, bis es breiig ist. Falls es zu dick wird, noch Apfelsaft nachgeben. Mit Kokosraspeln und Agavendicksaft abschmecken. Fertig.