Die Leipziger LebensmittelretterInnen stellen sich vor

Samstag 16:45 Uhr. Treffpunkt am Seiteneingang eines Wochenmarktes in Leipzig. Eine kleine Gruppe überwiegend jüngerer Menschen trifft sich hier, um Lebensmittel zu retten. Deutschlandweit werden jährlich bis zu elf Millionen Tonnen weggeworfen, ein Großteil davon bereits vor dem Verkauf.

Für die FoodsaverInnen geht es darum, dieser Verschwendung etwas entgegen­zusetzen und denjenigen, die das in Wirtschaft und Politik zu verantworten haben, die Gefolgschaft zu verweigern. Wer weggeworfene Lebensmittel rettet und sich darüber versorgt, muss schließlich kein Geld mehr dafür aufwenden. Auch der ökologische Gedanke spielt eine Rolle – wie kann es sein, dass wir Lebensmittel rund um den Globus transportieren, um sie dann direkt in die Tonne zu werfen? Und das, während immer noch ein Fünftel der Weltbevölkerung Hunger leidet und die Ressourcen schwinden?! Manche LebensmittelretterInnen ernähren sich vegan oder vegetarisch und sind über die Ablehnung industrieller Tierhaltung zum Lebensmittelretten gekommen. Es gibt viele gute Gründe, zum/zur FoodsaverIn zu werden – einig sind sich die Aktivist­Innen vor allem darin, dass es besser ist, für eine enkeltaugliche Gesellschaft etwas Konkretes zu tun, als nur darüber zu reden. Das Verwerten und Teilen anstelle des Wegwerfens und Konsumierens ist dabei aus Sicht der FoodsaverInnen eine grundlegende Notwendigkeit.

Für mich ist heute der erste Einsatz. Der Leipziger Wochenmarkt ist aber auch für meine MitstreiterInnen neues Terrain. Zunächst geht es darum, kooperative Händler zu finden. In Zweiergrüppchen werden die Stände abgegrast. So schreite auch ich zielstrebig zu einem Obst- und Gemüsehändler und spreche ihn freundlich, aber selbstbewusst an, um ihm das Konzept zu erklären. Kein leichtes Unterfangen im geschäftigen Treiben, denn der Mann hat keine Zeit.

Statt meinen Vortrag anzuhören, zeigt er auf Türme aus Holzkisten, die am Rand und hinter seinem Stand stehen. Mandarinen, To­ma­ten, Gur­ken, Kohlrabi und Weintrauben in Mengen, für die meine Fahrradtaschen kaum ausreichen dürften. Manche ein wenig matschig, andere mit Schimmel – Sortierung ist nötig. Und die Bereitschaft, sich dabei die Hände schmutzig zu machen.

Die Idee, Lebensmittel in größeren Mengen vor dem Müll zu retten, geht auf den Film Taste the Waste” des Regisseurs Valentin Turn zurück, der 2011 in die deutschen Kinos kam und einige Aufmerksamkeit erregte. Was zuvor nur in privatem Rahmen erprobt wurde, wenn Einzelne zum Containern” aufbrachen, bekommt seither durch die FoodsaverInnen eine professionelle Dimension.

Auch das Buch Leben ohne Geld” des Konsumverweigeres Raphael Fellmer hat das Problem in die Öffentlichkeit gebracht. Die zunächst parallel existierenden Internet-Plattformen www.lebenmittelsretten.de und www.foodsharing.de wurden kürzlich zusammengeführt, um die unterschiedlichen Ansätze – überschüssige Lebensmittel teilen auf der einen, Kooperationen mit Händlern auf der anderen Seite – zusammenzuführen. Inzwischen läuft die Sache bundesweit, in Österreich und der Schweiz erfolgreich. Insgesamt wurden so bis heute über 1000 Tonnen Lebensmittel gerettet. Sie werden untereinander nach Bedarf aufgeteilt, die Überschüsse werden verschenkt oder in sogenannten Fairteilern – öffentlich zugänglichen Verteilungsstellen – eingestellt. In Leipzig wird neuerdings auch die Volxküche in der Libelle (www.libelle-leipzig.de) beliefert.

Die Leipziger Gruppe der FoodsaverInnen besteht seit Oktober 2013 und hat derzeit etwa 50 aktive Mitglieder, die dennoch oft nicht ausreichen, um die Kooperationen mit den Händlern immer sicher abzudecken.

Da Zuverlässigkeit und Regelmäßigkeit Voraussetzung sind, um neue Kooperationen abzuschließen und diese dann dauerhaft zu halten, freuen sich die netten Leipziger LebensmittelretterInnen über jeden Neuzugang, der dann dank des persönlichen Einsatzes Einzelner und durch die Onlineplattform (www.foodsharing.de) in das FoodsaverInnen-Leben mitsamt seinen Regeln eingeführt wird.

Meine Fahrradtaschen sind bis zum Rand gefüllt. Der Händler schüttelt schmunzelnd mit dem Kopf und rät mir, nächstes Mal mindestens mit einem Anhänger zu kommen. Nicht immer funktioniert es so einfach. Bei vielen HändlerInnen muss noch Überzeugungsarbeit geleistet werden. Es gibt also noch viel zu tun. Packen wir’s an!

Rico Kranz

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