Ein Lichtblick im Dunkel des Kriegs

Das Frauenzentrum in Grosny

Der Krieg in Tschetschenien dauert an und das seit nunmehr zehn Jahren. Nachdem im Feierabend! N° 11 die Hintergründe dieses Konfliktes nachgezeichnet wurden, soll es hier um die Frauen gehen, die inmitten des Krieges leben.

Die wohl markanteste Auswirkung, die die Besetzung durch die russische Armee und die ständigen Kampfhandlungen haben, ist eine völlige Umstellung des gesellschaftlichen Lebens. Die Bürde des Alltags lastet allein auf den Frauen, die nicht flüchten konnten oder wollten. Die meisten von ihnen sind Witwen und müssen trotz des totalen Ausnahmezustandes, der im Verlauf der Jahre zum Normalzustand geworden ist, irgendwie für die Kinder und ältere Verwandte sorgen.

Männer sind aus dem Alltag so gut wie verschwunden. Entweder sind sie Kämpfer, verschollen oder tot, oder sie verstecken sich in den Häusern vor den Soldaten. Für die russische Armee gilt jeder Mann zwischen 15 und 65 Jahren als Terrorist. So befinden sich alle wehrfähigen Männer in der ständigen Gefahr, z.B. beim Wasserholen, unterwegs an einem der zahlreichen Kontrollposten aufgehalten zu werden und damit für immer zu verschwinden. Die Männer kommen, wenn sie der russischen Armee in die Hände fallen in sogenannte Filtrationslager, wo sie gefoltert und/oder in Erdlöchern gefangen gehalten werden. So mancher zieht es da vor, sich gleich den Kämpfern anzuschließen und so wenigstens nicht in Feindeshand zu sterben…

Es bleibt den Frauen überlassen, das Überleben zu organisieren und ständig zu improvisieren. Hinzu kommt, dass die Frauen, die noch in Tschetschenien leben, dadurch, dass die Männer weit weg sind, für die plündernden Soldaten leichte Ziele sind. Sogenannte „Säuberungen“ sind in Tschetschenien an der Tagesordnung. Dabei dringen bewaffnete Soldaten in die Häuser der Zivilbevölkerung ein, rauben alles, was sie mitnehmen können (vor allem Geld und Waffen), zerstören den Rest. Dabei werden tagtäglich Menschen geschlagen, vergewaltigt, entführt, gefoltert und getötet. Je weniger Wertgegenstände die Überfallkommandos finden, umso schlechter ergeht es den Heimgesuchten. Die Familie des Opfers kann, wenn sie großes Glück hat, herausfinden, wohin die Verschwundenen gebracht wurden und denjenigen eventuell tot oder lebendig freikaufen.

Für die Ängste und Traumata der Frauen und Mädchen gibt es in der traditionellen tschetschenischen Gesellschaft kein Ventil. Ihnen wird beigebracht für die Familie zu sorgen, duldsam zu sein und sich nicht zu beklagen. Über Gefühle wird so gut wie nicht gesprochen, sondern Stolz und Widerständigkeit nach außen gezeigt.

Doch diese Rollenverteilung gerät ins Wanken, da die Frauen nun die Hauptverantwortung für das Leben tragen, hat sich auch ihr Selbstbild geändert. Sie wissen, das auf ihnen die ganze Last liegt, wenigstens das Überleben im Land irgendwie zu organisieren.

Allerdings ist diese Last, ohne auch einmal selbst Hilfe und ein offenes Ohr für die eigenen Ängste und Nöte zu haben, nicht zu tragen. Um hier wenigstens etwas Abhilfe zu schaffen, gibt es seit 2002 in Grosny ein Frauenzentrum, eingerichtet von der Gesellschaft für bedrohte Völker und der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial. Es trägt den pro-grammatischen Namen „Frauenwürde“ (Zenskoje Dostoinstvo) und liegt zentral in der Innenstadt. Aufgebaut wurde es innerhalb von drei Monaten von ca. 35 Leuten. Allein der Fakt, dass mitten im Krieg etwas entsteht, ein Haus mit Leben gefüllt wird, ist für die Menschen von größter psychologischer Bedeutung.

Das Haus ist eine Begegnungsstätte. Frauen können dort gratis ärztliche und psychologische Hilfe erhalten und sich ein Stück weit vom Krieg erholen.

Die Stammbelegschaft besteht aus der Psychologin Zulai, der Frauenärztin Medina, der Leiterin Laila und der Juristin Malika. Allerdings ist davon auszugehen, dass sie sich in den meisten Fällen wohl darauf beschränken müssen, Ratschläge zu geben, denn Medikamente sind, wie viele andere Hilfsmittel eine Seltenheit.

In der bisherigen Zeit seines Bestehens hat sich „Frauenwürde“ zum Ausgangspunkt zahlreicher Aktivitäten entwickelt. Es gibt eine kleine Bibliothek, Näh- und Handarbeitskurse und Computer- und Sprachkurse sind geplant. Außerdem gibt es fünf Kühe, deren Milch für die Kinder, die im Untergeschoß untergebracht sind eine wichtige Calciumspritze ist. Inzwischen haben über tausend Frauen das Zentrum besucht und es ist in ganz Tschetschenien bekannt.

Auch wenn durch dieses Haus noch nicht den Krieg, der die Ursache für soviel Leid ist, beendet ist, ermöglicht das Projekt einigen Frauen wieder Hoffnung und Zuversicht zu gewinnen.

Das Frauenzentrum finanziert sich nur über Spenden und ist auf jede kleine Hilfe angewiesen, da es ansonsten keine Unterstützung von außen gibt. Tschetschenien ist ein blinder Fleck auf der Landkarte der humanitären Organisationen. Diese haben sich aus Sicherheitsgründen zurückziehen müssen, da Ausländer oft als Geiseln genommen werden, um Lösegeld zu erpressen.

Spenden an das Frauenzentrum in Grosny bitte an das Interkulturelle Forum e.V., Kontonummer 88 57 700 bei der Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 700 20 500.

volja

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