Eine Alternative für die Provinz

Der westsächsische Ort Zwickau legt großen Wert darauf, keine Klein-, sondern eine Großstadt zu sein. Um sich diesen Status zu bewahren, werden schon seit Jahren immer wieder umliegende Dörfer in die Kommune eingegliedert. Aber von der Einwohnerzahl abgesehen, könnte Zwickau gar nicht kleinstädtischer sein. Eine kulturelle Einöde, wo selbst in der Kommerzzone der Innenstadt um 21.00 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden.

Ein trostloser Zustand. Aber gerade deswegen regt sich Widerstand. So fanden sich am 14. Mai etwa 150 Menschen zusammen, um ihren Unmut über die städtische Politik auf die Straße zu tragen. Unter dem Motto „Stürmt das Schloss!“ demonstrierten sie für ein Alternatives Jugendzentrum in Zwickau. Denn so ein Ort für selbstbestimmte, linksalternative Kultur ist dringend nötig. In den 90er Jahren hatte es mit dem Bunten Zentrum noch einen solchen Treff- und Anlaufpunkt für alternative Jugendliche gegeben. Nachdem dieses vor zehn Jahren in ein neues Domizil umzog, hat es diesen Charakter als Treffpunkt zugunsten eines normalen Veranstaltungs- und Cafébetriebs weitgehend verloren. Seitdem herrscht Flaute.

Der Verein Roter Baum Zwickau verhandelte schon seit längerem mit der Stadt über ein geeignetes Objekt. Ein solches schien schon im Sommer 2010 gefunden zu sein. Bis das Liegenschaftsamt plötzlich abblockte und verkündete, bei dem betreffenden Gebäude müssten noch 200.000 Euro investiert werden, damit der Verein es nutzen könne. Wofür diese Summe nötig sein sollte, ließ das Amt allerdings im Unklaren.

Die weiteren Gespräche zogen sich ergebnislos in die Länge, und wurden von der SPD-Oberbürgermeisterin Pia Findeiß schließlich ganz beendet – begründet wurde dies mit mangelnder Gesetzestreue mancher Ver­eins­mit­glie­­­der. Är­ger mit Polizei und Ord­­nungs­­amt hatte es u.a. wegen illegaler Partys in leerstehenden Häusern gegeben. Aber die Stadtoberen suchten wohl nur nach einem geeigneten Vorwand, um nicht weiter über legale Räumlichkeiten verhandeln zu müssen.

Wie wichtig solch ein Ort für linksalternative Jugendliche wäre, zeigte sich durch die Präsenz von örtlichen „Nationalen Sozialisten“, die mit Böllerwürfen die Demo zu stören versuchten. Sie konnten zwar von der Polizei in Schach gehalten werden, begleiteten jedoch den De­mons­trationszug auch auf dem weiteren Weg durch die Innenstadt. Schon im Vorfeld war es mehrfach zu Angriffen und Drohungen seitens der Rechten gekommen. Das Auto eines Vereinsmitglieds wurde beschädigt, am Vortag der Demo wurde eine Person aus dem Unter­stützer_innenkreis zusammengeschlagen, sie erlitt einen Nasen­bein­bruch und eine Gehirnerschütterung.

Trotz dessen war die Demonstration ein kleiner Erfolg und ein Hoffnungsschimmer – die westsächsische Ein­öde ist offensichtlich doch nicht so alternativlos, wie sie mitunter scheinen mag.

justus

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