Eure Zukunft war gestern

Es ist wieder so weit: Die Leipziger Neonazis wollen einen neuen Anlauf wagen. Im Oktober 2009 bewegte sich die von Freien Kräften und Jungen Nationaldemokraten initiierte Großdemonstration keinen Meter weit vom Fleck. Schließlich verloren einige eher erlebnisorientierte „autonome Nationalisten“ die Nerven und attackierten die Polizei mit Steinen und Flaschen. Die Einsatzkräfte reagierten, indem sie ihre Wasserwerfer gegen die Neonazis in Stellung brachten und die Kundgebung auflösten (siehe FA!# 35).

In den Monaten nach dieser Schlappe griffen die Leipziger Neonazis erst einmal auf Plan B zurück: Bis zum März 2010 führten sie mehrere Spontandemos, u.a. in Grünau, Lößnig und Reudnitz durch. Mehr als jeweils 50 Teilnehmer konnten sie dabei aber nie mobilisieren, und da die Aufmärsche sicherheitshalber immer nachts stattfanden, war die Außenwirkung minimal. Ein Jahr nach dem Debakel wollen die Kameraden es nun am 16. Oktober ein zweites Mal versuchen. Aber statt mit nur einem wollen die Nasen nun mit gleich vier (!) Aufmärschen gleichzeitig punkten.

Der erste soll von Plagwitz, Engertstraße/Ecke Karl-Heine-Straße aus losgehen, um dann über die Jahnallee Richtung Hauptbahnhof zu ziehen. Das Motto ist „Kapitalismus abschalten – Zinsherrschaft brechen“ (man beachte den antisemitischen Unterton…). Der zweite soll dagegen unter dem Motto „Gegen Polizeiwillkür und staatliche Gewalt“ von Hauptbahnhof aus eine Runde den Innenstadtring entlang drehen. Demo Nummer drei (unter dem Slogan „Zukunft statt Krisenzeiten“) soll am Rathaus Wahren starten. Die vierte Demo ist für den Leipziger Süden angekündigt, laut der LVZ soll die Route von der Connewitzer Straße ausgehend über Bornaische und Karl-Liebknecht-Straße Richtung Ring führen. Die Anmeldung ging dabei einscheinend von der rechten Hooligantruppe Blue Caps aus, die (noch unbestätigten Informationen zufolge) mit diesem Aufmarsch gegen den „linken Terror des Roten Stern Leipzig“ demonstrieren will.

Auch die anderen Anmelder sind alte Bekannte aus der Leipziger rechten Szene. Tommy Naumann und Istvan Repaczki  sind schon länger bei den Freien Kräften, und seit einiger Zeit auch bei den Jungen Nationaldemokraten aktiv. Beide traten bei den letzten Stadtratswahlen als Kandidaten für die NPD an und waren bei verschiedenen Übergriffen, z.B. auf das AJZ Bunte Platte beteiligt (siehe FA!# 30). Naumann hatte schon die Demonstration vor einem Jahr angemeldet. Dritter im Bunde ist Maik Scheffler, der als NPD-Abgeordneter im Delitzscher Stadtrat sitzt.

Ob der Plan der Kameraden aufgeht, die zahlenmäßige Übermacht von Gegendemonstrant_innen und Polizei mit dieser Strategie auszugleichen, bleibt abzuwarten. Wegen der bundesweiten Mobilisierung muss immerhin davon ausgegangen werden, dass ähnlich viele Neonazis wie im letzten Jahr den Weg nach Leipzig finden. Allerdings werden die Aufmärsche sehr wahrscheinlich zusammen- und auf andere Routen gelegt. Vor allem der geplante Marsch durch Connewitz dürfte auf massive Sicherheitsbedenken seitens der Polizei stoßen. In Plagwitz dürfte es ähnlich aussehen. Auch ob die Neonazis über den Innenstadtring laufen dürfen, ist fraglich, wegen eines zeitgleich im Zentralstadion stattfindenden Fussballspiels auch die Strecke über die Jahnallee.

Zum Ausgleich für solche möglichen Einschränkungen wird die Polizei die Neonazis dieses Jahr wohl etwas zuvorkommender behandeln als beim letzten Mal. Immerhin läuft beim Leipziger Verwaltungsgericht immer noch eine von Anmelder Tommy Naumann im November 2009 eingereichte Klage. Naumann fühlt sich vom Freistaat Sachsen, der Stadt Leipzig und insbesondere dem Leipziger Polizeichef Wawrzynski ungerecht behandelt, u.a. weil die von ihm vor einem Jahr angemeldete Demonstration nach der Auflösung eingekesselt und alle (ca. 1350) Beteiligten erkennungsdienstlich behandelt wurden.

Mensch sollte also nicht darauf warten, dass die Polizei das Problem für eine_n löst. So ist es auch zweitrangig, wie die üblichen rechtlichen Querelen im Vorfeld der Demonstrationen letztendlich ausgehen. Denn mit Verboten lässt sich akute Dummheit ohnehin nicht wirksam bekämpfen. Statt auf staatliche Hilfe zu hoffen, sollten wir auch diesmal das Mittel der direkten Aktion wählen und uns den Nazis in den Weg stellen, setzen oder legen – damit sich für sie auch dieser Tag in ein Desaster verwandelt!

(onkel mo)

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