Freie Radios: Piraten ahoi!

Keine Zukunft für die Freien

Es sieht nicht gut aus für die drei Freien Radios in Sachsen. Zwar wird immer noch alternativ und anders 49h die Woche auf den bekannten analogen UKW-Frequenzen gesendet, doch eine bunte Zukunft ist nicht mehr in Sicht. Mit dem Ende des letzten Jahres sind bisherige Fördergelder ersatzlos gestrichen (1) und auch aus Regierungskreisen ist wieder mal nichts Hilfreiches zu erwarten. Der Antrag auf Erhalt der Freien Radios im sächsischen Landtag wurde von der CDU/FDP-Koalition abgelehnt (2), sodass das Privatrundfunkgesetz nun nicht zugunsten von nichtkommerziellen, basisdemokratischen und gesellschaftskritischen Hörfunk geändert wird. Eine letzte Hoffnung vieler Hörer_, Moderator_ und Redakteur_innen der Freien Radios versank so im Mief parlamentarischen Regulierungswahns.

Oberflächlich scheint alles nun mehr grau als rosig. Von Freier Radio Seite wird weiter fleißig auf Öffentlichkeitsarbeit (3) gesetzt und versucht, durch Spenden, Mitglieder- und Nutzungsbeiträge den Kopf über Wasser zu halten. Wenn sie sich nicht durch kommerzielle Werbung kaufen lassen wollen und keine zusätzlichen Fördergelder fließen, wird jedoch die drohende Abschaltung aller Freien Radios in Sachsen sehr bald zur bitteren Realität! (4) Daran wird auch die Entscheidung des Leipziger Stadtrates Anfang Februar nichts ändern, Radio blau einmalig mit 20.000 Euro zu unterstützen. Die letzte große Hoffnung bleibt leider die SLM (Sächsische Landesmedienanstalt), die über die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen im Medienbereich wacht. Fünf sog. Medienräte entscheiden letztlich über u.a. die „Sicherung von Angebots- und Meinungsvielfalt“ und die Förderung nichtkommerziellen Hörfunks. Die Freien Radios werden auch weiterhin die SLM an diese Verantwortungen erinnern und ihre Umsetzung fordern. So verwundert es nicht, wenn sich noch mehr Menschen über die Verschwendung von GEZ-Gebühren durch die SLM an eine private Medienhochschule (5) empören.

Das rettende Ufer scheint weiter entfernt als je zuvor. Die Freien Radios hoffen auf eine Gesetzesänderung und erträumen sich neue Fördergeldquellen. Vielleicht sollten sie die ursprünglich parteipolitisch verschwendete und eigentlich auch hohle Phrase von „Sendezeit-Piraterie“ (6) mit frischem Inhalt füllen, um so den sinkenden Kahn aus dem Dreck zu ziehen.

Entern statt Kentern

Es ist einfach nicht zum Aushalten. Selbstorganisierte Projekte, gemeinnützige Arbeit, außergewöhnliche Formate, alternative Meinungen, musikalische Experimente werden in die gesetzliche Zwangsjacke gesteckt und in kapitalistischer Manier als wert- und bedeutungslos abgerechnet. Immer wieder der gleiche Mist. Dabei entwickelt sich das kommerzielle Massenmedium Radio bereits stetig weg von Öffentlichkeitsarbeit, Information und Aufklärung, hin zu verdummten Entertainment und unkritischen Kurznachrichten. Wenn die Freien Radios also sehr wahrscheinlich in einigen Monaten ihren UKW-Betrieb einstellen werden, erspart sich mensch besser gleich die GEZ-Gebühren und liest lieber ein gutes Buch, wenn sie/er vor Langeweile nicht vergehen will.

Gegen die Unzufriedenheit ist aber auch ein Kraut gewachsen. Digitales Online-Radio lässt sich relativ leicht und legal umsetzen. Aber warum nicht zurück zu Piraten- oder viel besser Clandestine-Sendern? Beide setzen sich über das staatliche Genehmigungsmonopol hinweg, doch während Clandestine bedeutet, „heimlich, verborgen“ politisches, auf Umsturz und Machtwechsel ausgerichtetes Radio zu machen, funken Piraten eher aus Spaß an der Freude. Übrigens besagt das Telekommunikationsgesetz, dass Schwarzfunk (ohne Zuteilung Frequenzen nutzen) heute „nur noch“ als Ordnungswidrigkeit verfolgt wird. (7) An Möglichkeiten weiter Radio zu machen, mangelt es also nicht.

Kurze Rede, langer Sinn: Lasst Euch nicht die Butter vom Brot klauen, denn wer nicht kämpft, hat schon verloren.

Epilog

Übermütig tobt der Wind und lässt den Sand peitschen und Wellen stürmisch treiben, ignorant greift er immer weiter um sich und bringt Entsetzen und Lähmung mit sich, doch die letzten Freien des Meeres halten sich mutig am Mast ihres stolzen Kahns über dieser ermüdenden Welt. Die Nacht bricht herein, viel zu früh und sternenlos. Mit der Dunkelheit kommt aber auch die ersehnte Stille. Die Gefahr scheint überstanden – vorerst, denn die Klippen auf Steuerbord und das unbekannte, geheimnisvolle und gefährlich erscheinende Land auf Backbord lassen Zweifel aufkommen. Es muss weiter gehen, natürlich wird es das – doch besser links als rechts. Vom Sturm verschont rauschen die ersten Strahlen des Tages wie Adrenalin durchs Blut: Auf Deck und hisst die Segel, stellt den Rum kalt und peiratés voran, schallt es noch immer leidenschaftlich über den Horizont hinaus.

(droff)

(1) Zuvor hat der privat-kommerzielle Programmanbieter Apollo die jährlichen 40.000 Euro Sende- und Leitungskosten der drei Freien Radios übernommen. Zum 1. Januar 2010 wurde diese sog. Kooperationsvereinbarung von Apollo endgültig gekündigt.
(2) Anfang Dezember 2009 hat die Opposition (SPD, Linke, Grüne) im sächsischen Landtag einen Antrag auf den Erhalt der Freien Radios eingereicht, den die CDU/FDP-Koalition am 11.Januar 2010 ablehnte.
(3) Siehe radio.fueralle.org für diverse Zeitungsartikel, TV- und Radioauftritte in lokalen und überregionalen Print- und Runkfunkmedien. Zusätzlich hat Radio blau in Leipzig u.a. einen DJ-Marathon im Dezember’09 veranstaltet und Schneemänner vor der SLM gebaut (07.01.10). In Dresden organisierte coloRadio u.a. eine Podiumsdiskussion im Rathaus (12.01.10) und eine Demonstration (13.01.10). Radio T in Chemnitz hat u.a. einen eigenen „Werbespo-T“ online gestellt und schreibt auch dieses Jahr wieder den Wettbewerb um das beste nichtkommerzielle Hörspiel aus. Auf der Homepage der drei Radios können auch weiterhin Petitionen unterzeichnet werden.
(4) Im Januar spricht eine Radioblau-Sprecherin im Interview mit Leipzig Fernsehen davon, dass sich der Trägerverein die Übertragungskosten nur noch ein halbes Jahr leisten kann. www.leipzig-fernsehen.de
(5) „SLM-Haushalt sieht für eine Private Medienschule 88.000 € vor – finanziert aus Rundfunkgebühren!“ radio.fueralle.org
(6) F. Neubert, Die Linke: „CDU/FDP unterstützt Sendezeit-Piraterie gegen freie Radios.“ www.linksfraktionsachsen.de
(7) Telekommunikationsgesetz von 2003, §149, Satz 10.

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