Haute Couture nationale

Wie sehen deutsche Nazis aus?

Selbst in gewissen rechten Kreisen macht man sich mittlerweile schon über sie lustig: die klischeehaften „Glatzen“ mit den Springerstiefeln und dem pöpeligen Bauarbeitercharme oder gar die Freaks im nachempfundenen 30er Jahre Look und der Landser-Mütze. Die altbekannten Kleidungscodes werden für die Nazis von Morgen immer mehr zum Auslaufmodel. Viele Rechtsgesinnte, vor allem der Nachwuchs, wollen nicht mehr ohne weiteres mit den peinlichen Klischee-Nazis aus dem Tatort-Krimi in Zusammenhang gebracht werden … oder einfach nicht Scheiße aussehen.

Für Popper und Techno-Fans war es bis vor ein paar Jahren eher schwierig ihre rechte Gesinnung zu zeigen ohne dabei ihren Chic zu verlieren. Wer nicht auf Springerstiefel und Lonsdale-Shirts abfuhr, hatte bisher keine Möglichkeit zu erkennbarem Auftreten.

Außerdem möchte nicht jedeR sich ständig den Stress aussetzen, ständig in der bürgerlichen Öffentlichkeit als rechtsextrem geoutet zu werden. Die gut informierte Mutti von nebenan rümpft spätestens seit dem “Aufstand der Anständigen“ die Nase übers böse Nazi-Skinhead-Outfit und selbst die alte 18 und 88-Masche gehört nicht mehr länger zum Insiderwissen.

THOR STEINAR

Immer mehr Neonazis lassen den alten martialischen Look beiseite und suchen sich neue diskretere und modischere Kleidungsstile. Eine der Marken die seit einer Weile innerhalb der deutschen Nazi-Szene in diesem Sektor boomt ist die Marke THOR STEINAR aus Königs Wusterhausen. Junge Rechte mögen die Klamotten der Brandenburger Firma, denn deren Sachen sind mit Runen verziert die auch im NS verwendet wurden und außerdem verdammt stylisch.

Die Jugendlichen bezahlen neben dem modischen Schnitt auch für die Symbolik. Im THOR STEINAR -Logo sind die germanische Tyr-Rune (Abzeichen der SA-Reichsführerschulen) und die Gibor-Rune oder „Wolfsangel“ miteinander verschlungen. Die Wolfsangel ist nach Hakenkreuz und Sig-Rune das signifikanteste Symbol des Nationalsozialismus (u.a. Symbol für die SS-Division „Das Reich“). Sie ist durch Firmen wie THOR STEINAR wieder gesellschaftsfähig geworden.

THOR STEINAR ist eine Erfolgsgeschichte. Die auf dem globalen Weltmarkt zusammengenähten Sachen sind zur „nationalen Haute Couture“ geworden. TS macht die Szene um eine Facette reicher – die Rechten, die sich immer dagegen wehrten, Skins zu sein, können so ihre Gesinnung zeigen.

Auch in normalen Boutiquen sind die Sachen mittlerweile zu haben. Runen-Symbolik und nordische Mythologie passen zur schleichenden Eroberung der ostdeutschen Jugendkultur durch Rechtsextreme und erleichtern extrem die Rekrutierung von rechtem Nachwuchs. Der Kundenkreis könnte sich zudem bald erweitern: Seit die britische Marke Lonsdale ihr Image mit antirassistischen Initiativen aufbessert, haben Neonazis deren Klamotten schon mal öffentlich verbrannt. TS droht so etwas nicht – die Marke wurde nicht, wie Lonsdale, von den Rechten übernommen, sondern offensichtlich, mit einer speziellen Marketingstrategie, von den Nazis selbst oder Leuten die an ihnen verdienen wollen entwickelt.

Mittlerweile scheinen allerdings auch immer mehr die Gesetzeshüter auf die neuen Dresscodes aufmerksam zu werden. Wie am 18.10. im Forum der Internetseite vom BFC Dynamo bekannt gemacht wurde, hat die Polizei in Cottbus einigen BFC-Fans THOR STEINAR-Klamotten abgenommen und auch bei den Vorkontrollen der Polizei zur gescheiterten Worch-Demo am 03.10. in Leipzig soll es schon Probleme damit gegeben haben. Auf eine nachträgliche schriftliche Beschwerde hin wurde mitgeteilt, daß es im Land Brandenburg einen Gerichtsbeschluss gibt, nachdem THOR STEINAR-Bekleidung verboten ist.

Rechte Vertriebsstrukturen

Obwohl THOR STEINAR, wie schon erwähnt, mittlerweile auch schon in normalen Boutiquen erhältlich ist und in manchen Versänden neben Marken Adidas, Puma und Nike gehandelt wird, nehmen die internen rechten Vertriebsstrukturen immer noch einen hohen Stellenwert beim Handel, mit allem was zum „richtigen Nazi“ sein gehört, ein. Speziell in Sachsen gibt es mittlerweile ein gut ausgebautes Netzwerk von Naziläden und –versänden, welche eine große Bedeutung für die Strukturen der Naziszene haben.

Vor wenigen Monaten wurde deshalb von sächsischen Antifa-Gruppen die Kampagne SCHÖNER LEBEN OHNE NAZILÄDEN! initiiert. Ziel der Kampagne sollen neben Naziläden auch Versände und der rechte Lifestyle als solches sein: „Mit der Kampagne SCHÖNER LEBEN OHNE NAZILÄDEN! soll das bisher weitgehend ungestörte Treiben und Wirtschaften der Naziläden be- und verhindert werden. Die Knotenpunkte der Naziszene sollen öffentlich gemacht, die AkteurInnen benannt und die schleichende Übernahme subkultureller Milieus zurückgedrängt werden. Im Zusammenhang damit muß aber auch der in weiten Teilen bestehende rechte Konsens thematisiert werden, da der ungestörte agierende Handel mit Naziware nur ein Ausdruck dessen sind.“

Gleich die erste Antifa-Demo der Kampagne in Chemnitz gegen den dort ansässigen Laden BACKSTREETNOISE stach in ein Wespennest. Die mit 400 Menschen gut besuchte Veranstaltung sah sich mit Nazigruppen konfrontiert, die versuchten die AntifaschistInnen anzugreifen. Dies wurde explizit von dem Betreiber des Naziladens BACKSTREETNOISE Hendrik Lasch forciert, der an diesem Tag mit Rabatten und einem Grillfest vermehrt seine Kundschaft nach Chemnitz lockte.

Die zahlenmäßig unterlegene Polizei konnte die Nazis nur bedingt daran hindern, die Demo anzugreifen, so mußte der Antifaschistische Selbstschutz oft genug die Nazis direkt an der Demo stoppen. Daß Chemnitz erst der Anfang war, wissen auch die Nazis und mobilisieren für die nächste Kampagnen-Demo in Pirna zu ähnlichen Gegenaktionen.

27.11. Pirna

Die nächste Demo der Kampagne wird am 27.11. in Pirna stattfinden. Bereits am 12.06. diesen Jahres demonstrierten hier ca. 300 Menschen, um auf die hiesigen Nazistrukturen aufmerksam zu machen. Auf der aktuellen Demo werden der Naziladen „Eagle“ und die zahlreichen um Pirna angesiedelten Versände und Fanzines, wie den „Hugin-Versand“ des Andre Malheur, den „Berkana-Versand“ des Robert Wilkens, die Fanzines „Stahlhelm“ und „Rufe ins Reich“, thematisiert.

Mehrere Grüppchen Nazis, darunter auch Berliner Kameradschaftler, versuchten auch diese Demo zu stören. Diese Versuche, wie eine Sitzblockade, wirkten aber eher lächerlich und konnten die gute Stimmung der Demo nicht trüben. Die Erfahrung von Chemnitz zeigt jedoch, daß es nicht immer ganz so harmlos ausgehen muß und wie wichtig es ist den Selbstschutz einer Demo nicht zu vernachlässigen.

lydia

NazisNixHier

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