„Ich muss dem Rassismus die Basis wegreißen!“

Antirassismus im StuRa

Ein StudentInnenrat ist nur für universitäre Politik zuständig. Und dort gibt es ja wohl keine rassistischen Vorurteile. Oder doch? Auch wenn es in Leipzig im Gegensatz zu manch anderer Universität leider kein direktes Referat für Antirassismusarbeit gibt, konnte auch in diesem Semester wenigstens eine Anlaufstelle für dieses Thema besetzt werden: mit Rico Rokitte, 26, seines Zeichens Student der Erziehungs- und Politikwissenschaften sowie der Philosophie. Feierabend! hat nachgefragt, wie der so tickt und was er vor hat…

FA!: Wie bist du zum Thema Anti­rassismus gekommen?

R.: Ich glaube, wenn du anfängst, dich mit der Perversion unserer „zivilisierten“ Ge­sellschaft zu beschäftigen, kommt Rassis­mus als ein krankhafter Auswuchs (von Tausenden) sofort heraus. Für mich ist es nur ein Teilgebiet, mit dem ich mich be­schäftige, wenn auch jetzt mehr. Aber da es im StuRa keinen Bereich „Ver­än­derung der Gesellschaft“ gibt, ist Anti­rassis­mus mein momentanes Hauptthema.

FA!: Wofür steht die Stelle im StuRa und was willst DU draus machen?

R.: Die AntiRa-Stelle im StuRa ist erst rela­tiv neu (ein halbes Jahr) und deutsch­land­weit in StuRas/Astas auch nicht oft ver­treten. Bisher hatte eine sehr kompe­tente Studentin (Sylvia) diese Stelle inne, die sie auch mitgegründet hatte. Ich glaube, für sie war Anti-Rassismusarbeit erst mal eine Aufarbeitung anti­faschis­tischer und antirassistischer Strukturen an der Uni. Und durch den Versuch einer öffentlichen Diskussion ein Problem­be­wusstsein zu schaffen.

Die Mitarbeit im StuRa ist für mich des­wegen wichtig, weil ich denke, dass man die Diskussion in den Organisationen und Be­trieben führen und nicht nur von außen kri­tisieren sollte. Und gerade in der Stu­dierendenschaft mit ihrem ach so toleran­ten Mäntelchen gibt es viel zu tun.

FA!: Was für ein „Mäntel­chen“?

R.: Ich denke und lese, dass Studenten als to­lerant, offen etc. gesehen werden. Dies ist aber praktisch nicht so, auch wenn sich na­tionale, rassistische und autoritäre Um­triebe anders äußern als außerhalb der Uni – keine Skins, keine offene Gewalt etc.. Im Gesamten jedoch sieht es auch nicht an­ders aus – die durch die Soziali­sation ge­setzten Verknüpfungen werden meist un­reflektiert weitergeführt. Auch wenn es sich nicht überall in einer Mitgliedschaft in Burschenschaften und Corps oder an­deren perversen Unter­drückungs­ver­bin­dungen äußert. Ich denke, dass die meisten Studenten sich unter einem AntiRa-Sprecher jemanden vorstellen, der gegen jegliche rassistischen Auswüchse vorgeht und informiert. Ich werde sicherlich Informationen über und die Bekämpfung von auftretendem Rassis­mus weiterhin vorantreiben, halte das aber allein für zu kurzatmig. Es ist wichtig, gegen Nazis, Nationale und Gewalttäter zu kämpfen, aber ich denke, es muss darüber hin­aus­gehen. Besonders hier an der Universität (in einem Bildungsbetrieb) sind viel mehr Ein­flussmöglichkeiten vorhanden.

Anti-Rassismusarbeit ist bei mir stark mit Prä­vention und einer lebens­welt­orien­tier­ten Sichtweise verbunden. Ich muss dem Rassismus die Basis wegreißen, die aus Uninformiertheit, nie erlebter Demokra­tie, Unmündigkeit und autoritärer Struk­tu­ren in der Gesellschaft besteht.

Ne­ben der Erstellung von Readern zu Burschenschaften, Rassismus an der Uni etc. möchte ich dieses Semester damit be­ginnen, einen Diskurs über Gesellschaft und Rassismus zu eröffnen. Praktisch kann das zu Beginn nächsten Jahres durch einen an­visierten Kongress, bzw. einem Work­shop­­wochenende zu diesem Thema ge­schehen. In Zusammenarbeit mit den Fach­schaften und weiteren studentischen Gruppen soll da praktisch unser ei­gener Ein­fluss, z.B. durch spätere Berufe, ana­ly­siert und verbildlicht werden. Das be­trifft vor allem Pädagogen, Soziologen u. a..

FA!: Kann da dann jedeR hingehen?

R.: Natürlich soll dieser Kongress be­ziehungs­weise Workshop für alle Inter­essierten offen sein.

FA!: Wo außerhalb der Uni und mit wem sollte die Auseinandersetzung mit Rassis­mus vorangetrieben werden?

R.: Rassismus ist in Europa und anderswo in allen Gesellschaftsschichten vertreten. Sicherlich äußert es sich bei Dozenten an­ders als bei der Studierendenschaft. Doch tragen wir fast alle diese unheilvollen Kei­me in uns. AntiRa- Arbeit muss durch alle uni­versitäre Strukturen gehen und nicht nur in der Studentenfreizeit an­setzen. Ich hoffe, dass da mit Dozenten, Fachschaften etc. eine Zusammenarbeit möglich ist. Besondere Hoffnung setze ich auf Studen­ten, die sich in bestehenden oder noch zu gründenden Gruppen finden lassen, auch um mehr als Rassismus anzugehen.

FA!: Wo sind dir im hochschulpolitischen Rahmen Grenzen gesetzt?

R.: Eigentlich darf ich den universitären Rah­men nicht verlassen und mich auch nicht in die Lehre einmischen. Das ist der Rahmen. Doch kann Antirassismus sich nicht so entfalten, wir leben ja nicht in der Uni. Praktisch sind dem aber durch Zu­­sammenarbeit und Unterstützung ein­zelner Studenten, Projekte oder Lehren­­den keine wirklichen Grenzen ge­setzt.

FA!: Danke für das Gespräch und viel Erfolg!

clara

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