Kino gegen Diskriminierung

Die Galerie für zeitgenössische Kunst (GfzK) ist nicht nur Schauplatz intellektueller Projekte von angesagten KünstlerInnen. Im Altbau stellt die Galerie in diesem Herbst ihre Räumlichkeiten auch für eine Filmreihe des Antidiskriminierungsbüros Leipzig zur Verfügung, das an sechs Mittwochabenden die Hauptaspekte von Diskriminierung (laut EU-Richtlinie) thematisierte: Rassistische Zuschreibung, Religion bzw. Weltanschauung, sexuelle Identität, Geschlecht, Lebensalter und Behinderung.

Im Vergleich zu zahlreichen anderen Län­dern ist Deutschland, bzw. Sachsen im Ver­gleich zu anderen Bundesländern, was seine Antidiskriminierungspolitik und –kul­tur betrifft, immer noch ein Entwick­lungs­land.“ So eine Mitarbeiterin des seit zwei Jahren existierenden Antidiskrimi­nierungs­büros Leipzig. Die Filmreihe mit dem Titel „views on discrimination“ (Sichtweisen auf Diskriminierung) sollte als Angebot „möglichst niedrigschwellig“, das hieß kostenlos in einem neutralen Raum über relativ leicht zugängliche Spiel­filme, einen Anstoß bieten, sich mit ver­schie­denen Aspekten und Problemen der Dis­­kri­mi­nie­rung zu beschäftigen.

Am 21. September ging es los mit der Doku „Blue Eyed“ (BRD 1996), die einen häufig praktizierten Workshop der ameri­ka­­nischen Lehrerin und Antirassistin Jane Elliot dokumentiert. Um Rassismus in der Praxis erlebbar zu machen, wurden die TeilnehmerInnen darin zunächst in blau­äugig und nicht blauäugig unterteilt und dann einen Tag lang unterschiedlich be­handelt. Nach vielen Stunden bloßem War­ten wurden die Blauäugigen in einem Tagungsraum permanent diskriminiert, v.a. durch die stark autoritär handelnde Elliot, die den vor ihr auf dem Boden Sitzenden im Beisein der „guten“ Teil­neh­mer­­Innen immer wieder ihre geschwächte Po­­­sition vor Augen führte. In der an den Film anschließenden Diskussion im Bei­sein eines Psychologen wurden sehr unter­schied­liche Meinungen zu dieser Art Training deutlich. Ein Anwesender hatte selbst an einem an Elliots Methode orien­tierten Workshop mit seiner Schul­klasse teil­genommen und angemerkt, dass die Er­­fahrung eher beängstigend und we­nig reflektiert wirkte. Da­­nach hätte es kei­ne kon­kre­ten Hilfe­stel­lungen zu Hand­lungs­alterna­tiven gege­ben. Die durch die Me­thode aus­ge­­übte psy­chische Ge­walt wurde von vielen Dis­kussions­teil­nehmer­Innen kriti­siert. Wie im Work­s­hop ebenfalls the­ma­­tisiert, ist dabei je­doch die Relativi­tät die­ser Gewalt zu beachten: rassistisch diskriminierte Men­schen er­le­ben jeden Tag ungleich härtere Situa­ti­onen. Auch der Entstehungskontext soll­te be­achtet werden: Die ge­sell­schaft­lichen Ver­hältnisse der frühen 60er Jahre in den USA lieferten sicher einen Hinter­grund, indem eine „härtere Gangart“ plausibler war, als hier und heute. Wie vor dem Film er­läutert wurde, ist Rassismus bei weitem kein reines Problem rechts­­ex­tremer Krei­se. Prak­ti­ziert wird er viel­mehr auf den Ebenen von Insti­tu­tionen, z.B. über den Zugang zu Bil­dung, durch öffentliche Thematisierung bzw. Tabu­isierung und auf individueller Ebene, in der Mitte der Gesellschaft, auch ohne ein aus­differen­ziertes rassistisches Welt­bild. Wenn also nach solch einem Workshoptag aus­reichend über die Er­fahrung der Dis­kriminierung reflektiert wird, kann sie den Wahrnehmungs­horizont eines Men­schen bezüglich rassistischer Alltags­situa­tio­nen durchaus erweitern.

Die Spielfilme „Yasmin“ (GB/BRD 2004) und „Uneasy Rider“ (F 2000) wurden in den folgenden Wochen gezeigt, um Religion und Behinderung im Dis­kri­mi­nierungs­kontext zu thematisieren.

Über den vierten Film, „The Laramie Pro­ject“ (USA 2002), wurde im Anschluss kontrovers diskutiert: Wie geht man mit den sich bezüglich der Toleranz und Ak­zeptanz von Homosexualität immens unterscheidenden Bewußtseinsstadien und Umgangsformen in provinziellen bzw. städtischen Lebensräumen um? Ist ein tolerierendes Umfeld gleich ein Garant für ausreichenden sozialen Kontakt zu Gleich­ge­­sinnten? Im Film wird zwar die Thema­tik der sozialen Konstruktion von Ge­schlecht nicht behandelt, dafür bietet er aber einen, wenn auch sehr emotionalen Einblick in die Auswir­kungen eines homophoben (Ab­neigung gegenüber oder Angst vor Homo­sexuali­tät) ge­sell­schaft­lichen Klimas.

Speziell um die Ungleichbehandlung von Frauen drehte sich „Girl­fight“ (USA 2000), in dem es um den Auf­stieg einer jungen Sport­lerin in der männer­domi­nier­ten Welt des Boxens geht. „Montags in der Sonne“ (Spanien 2002) bildete Ende Oktober mit dem Aspekt Alters­dis­kri­mi­nierung den Abschluss der Reihe.

Auch wenn die zahlreichen BesucherInnen für das jeweilige Thema meistens schon sensibel waren, ließen sich doch oft Positionen vertiefen und Perspektiven er­weitern. Das Anti­dis­kriminierungsbüro ist zufrieden und möchte in Zukunft weiterhin mit Seminaren, Plakat­kam­pagnen und Beratungs­ange­bo­ten für ein umfassendes Anti­dis­kri­mi­nierungsgesetz und für den horizontalen Abbau jedes diskriminierenden Verhaltens arbeiten. Ob aber die fällige Umsetzung der euro­päischen Richtlinien oder mehr politischer Wille, wie es sich das Büro wünscht, an strukturellen Ausgrenzungs­mechanismen und einer verbrecherischen Migrations­po­li­tik etwas ändern würde, steht auf einem anderen Blatt.

clara

Kontakt:
Antidiskriminierungsbüro e.V., Haus der Demokratie, Bernhard-Göring-Straße 152
04277 Leipzig, Fon: 0341/3065145, info@adb-sachsen.de

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