Mietshaus in der Zange der Immobilienhaie

JedeR kennt es: Läden machen dicht, der Hundeplatz verschwindet zugunsten lackierter Vierräder, Mieten steigen, Altbekannte ziehen weg: ein Stadtgebiet wird schick gemacht. Für uns selbst bedeutet das oft: Umziehen und günstige Wohnungen finden. Dabei wollen wir doch gar nicht weg! Wir haben unser Haus lieb gewonnen und die äußeren Umstände sind vorerst egal. Jedoch passiert unweigerlich, was niemand wahrhaben möchte: Der Hauseigentümer verkauft unseren Wohnraum und es droht die Modernisierung…

Dieser Text dokumentiert, subjektiv aus der Erfahrung einer beteiligten Person, die Vorgehensweise der BewohnerInnen eines alternativen Mietshauses in der Zange der Immobilienhaie und soll Menschen in gleichartigen Situationen eine Hilfestellung sein. Es ist Absicht, dass in diesem Beitrag die Adresse unseres ehemaligen Hauses und die beteiligten GegenspielerInnen nicht namentlich erwähnt werden.

Was tun?

Diese Frage stellt sich unvermeidlich. Während die einen BewohnerInnen Paroli bieten und auf keinen Fall das Haus verlassen wollen, spekulieren die anderen auf einen finanziellen Ausgleich für den Auszug. Diese wohnen gerne zusammen und wollen das auch weiterhin während jene recht froh sind, endlich einen Grund für die Auflösung ihrer WG gefunden zu haben. Die verschiedenen Grüppchen kommen allerdings nicht drumherum, sich zusammenzusetzen und auszuloten, wie sie mit der neuen Situation umgehen. Die kleinste gemeinsame Gruppe sollte die Wohnung/WG sein, während es bei uns vier WGs in einem Haus waren, die sich (zum Glück nicht zum ersten Mal) an einen Tisch setzten. Nach vielen nervenaufreibenden Diskussionen entwickelte sich ein Minimalkonsens, der intern einen frühstmöglichen Auszugstermin festsetzte und uns somit ein knappes Jahr Aufschub gab. Außerdem sollte ein Auszug alles andere als kostengünstig für unsere neuen HerrscherInnen werden. Die Basis für ein gemeinsames Handeln war damit, wenn auch längst nicht unumstritten, wieder umgestoßen und dennoch wiederhergestellt, geschaffen.

Voraussetzungen

Es war nun Zeit, über die Öffentlichkeit unserer Lage nachzudenken. Einen ideellen Kampf zu führen, wie etwa die BewohnerInnen der Liebigstraße 14 in Berlin just in diesem Jahr oder 2005 in der Yorckstraße 59 in Berlin, streifte zwar unsere Gedanken. Solch ein Kampf stellte der Durchsetzbarkeit unserer Forderungen jedoch ein Bein. Zudem war nur ein Teil unserer BewohnerInnen bewusst mit linken Häuserkampfpositionen solidarisch. Eine Entscheidung für diese Richtung hätte also BewohnerInnen auf eine Spur geführt, mit der sie sich nicht identifizieren könnten. Trotzdem hängten wir Transparente mit unbeugsamen Sprüchen aus den Fenstern, die jedoch vom Bauunternehmen inklusive der eigenen Schilder in Windeseile abgerissen wurden. Dieses Unternehmen ist in Leipzig bekannt durch den Gewinn von Preisen für die Sanierung von Altbauten und legte deshalb wenig Wert auf schlechte Publicity. Wir hatten enorm günstige Ausgangsbedingungen, um unsere Forderungen umzusetzen: Alle vier Wohngemeinschaften hatten gültige unbefristete Mietverträge, die die neuen Eigentümer wissentlich mit einkauften, wahrscheinlich mit dem Kalkül „ach, Studierende, 500€ pro Nase und gegessen“. Unabdingbar war, dass wir nach außen, in diesem Moment also gegenüber den Eigentümern und Bauarbeitern, eine Fassade bewahrten, die suggerierte: Wir Bleiben Hier! Basta! Von unserem Konsens durfte nichts bekannt werden.

Etwas nachlässig waren wir mit Rechtsschutzversicherungen (RSV). Diese sind dazu da, kostenlosen Rechtsbeistand durch einE AnwältIn zu gewährleisten, allerdings erst 3 Monate nach Vertragsabschluss. Ein besserer Tipp ist sicherlich der Eintritt in den Mieterschutzbund, bzw. Mieterverein. Der kostet bei weitem nicht so viel wie eine RSV und bietet auch ohne Beitritt kostenlose Hilfe bei mietrechtlichen Fragen. Bei Beitritt in den Mieterbund hat man auch ein RSV, für die die selben Voraussetzungen gelten wie für eine normale. Solltest du also noch in einer vergleichbaren Situation mieten, kann der Tipp hier nur lauten, zügig eine RSV abzuschließen, da die MieterInnen als letztes von einem Eigentümerwechsel erfahren. Das soll keine Werbung sein: Der Beitritt beim Mieterverein kostet dich eine Kippenschachtel im Monat und stabilisiert in brenzligen Zeiten dein Rückgrat.

Die Erfahrungen von FreundInnen und Bekannten sind nicht zu unterschätzen. Fast jedeR hat einen guten Tipp parat, manche radikal, andere trickreich, aber stets willkommen.

PartnerInnen & Probleme

 

Wir organisierten uns im wöchentlichen Plenum in irgendeiner Wohnung und versuchten, die wichtigsten Fragen zu klären. So wurde der Kontakt zu einem Mietrechtsanwalt unseres Vertrauens aufgebaut. Die Kosten übernahmen wir gemeinsam. Kündigungsschreiben und Modernisierungsschreiben der EigentümerInnen, Alteigentümer und Bauunternehmen gaben sich die Hand und mussten von uns bearbeitet werden. Aber ab einem gewissen Punkt konnten auch wir fast schon routinemäßig unsere Wut in einige Schreiben kanalisieren. So wurde die Haustür von uns selbst wieder eingebaut und die Kosten dafür mit der nächsten Monatsmiete verrechnet. Ankündigungen dafür müssen auch geschickt werden. Mietminderungsschreiben aufgrund von Einrüstung, leckem Dach oder Baulärm auf dem Nachbargrundstück oder eine zu hoch überwiesene Miete, die revidiert wurde, nervten unsere Peiniger sicherlich maßlos. Die Kunst dabei war der Spagat zwischen der Durchsetzung dessen, was uns gesetzlich zustand und der damit verbundenen Gefahr, den neuen Eigentümern einen triftigen Kündigungsgrund zu liefern. Dabei halfen uns Anwalt und Mieterverein. Laut Anwalt hätten selbst unsere für zwei Tage aufgehängten Transparente als Kündigungsgrund gereicht. Jede Miete musste pünktlich bezahlt werden, was uns oft genug vor Probleme stellte, war doch mit dem Alteigentümer alles so lax und locker gewesen. Manchmal wurde ein Krisenplenum von einem Tag auf den anderen einberufen, wenn etwas Dringendes passierte. Für die schnelle Kommunikation richteten wir einen E-Mail-Verteiler ein.

Während der Auseinandersetzungen mit den beauftragten Unternehmen der EigentümerInnen (denn letztere machen sich nicht gern selbst die Hände schmutzig) mussten wir einige fiese Sachen hinnehmen: zum Beispiel wurde unser schöner Hinterhof mit Baggern verwüstet und unpassierbar gemacht, das Abstellen des Wassers und „Russen“ wurden angedroht, die Haustür verschwand kurzerhand, das Dach wurde ohne Ankündigung abgedeckt oder ganz simpel Fahrradventile geklaut. Besonders hässlich war auch ein Steinwurf in einen Schornstein, der ein bewohntes Zimmer vollkommen in Ruß hüllte. Die Aufregung um solche Schikanen war groß, trotzdem müssen sie mit einem dicken Fell ertragen werden. Durch Solidarität konnten wir die notwendige Ruhe dennoch bewahren.

Unsere rechtliche Ahnungslosigkeit und die für uns erheblichen Kosten des Rechtsbeistandes ermöglichten unseren GegnerInnen einen Spielraum zum Austesten der Grenzen und Wut abbauen. Wir hatten jedoch viel Glück, an unsere Ohren sind seitdem weitaus schlimmere Sachen gelangt: So wurde widerspenstigen MieterInnen in einer ähnlichen Situation während ihrer Abwesenheit das komplette Inventar ausgeräumt. Von den dafür Verantwortlichen weiß im Nachhinein selbstverständlich niemand mehr davon.

Das ist einer der Gründe, alles akribisch zu dokumentieren, was um eineN herum passiert, selbst wenn es schon fünf mal geschrieben steht. Fotos von zu dokumentierenden Orten sollten immer eine Zeugin oder einen Zeugen mit aktueller Tageszeitung beinhalten. Kommt es wirklich zu einem Gerichtsverfahren, kann das nur helfen, um sich selbst zu erinnern und um zumindest Etwas in der Hand zu haben.

Natürlich waren wir nicht vor Problemen untereinander gefeit. Es krachte mitunter ordentlich und alles drohte auseinander zu bröckeln. Die Aussicht auf die ungewisse Zukunft und der Zorn über den Verlust unseres jahrelangen Rückzugpunktes schweißte uns trotz allem fest zusammen.

Um es vorwegzunehmen und wie sicherlich der Einen oder dem Anderen bereits bekannt sein dürfte: Wir wohnen nicht mehr in unserem schönen Haus. Eine Neuauflage unseres süßen Sommerfestes steht in nicht feststellbarer Ferne.

Nach dem Abschluss des Vertrages mit den EigentümerInnen mussten wir zu einem festgesetzten Zeitpunkt ausziehen. Eine große Portion Glück begleitete uns und half, das alles in etwa so über die Bühne ging, wie wir es gewollt hatten. Anfang des Jahres sind wir mit all dem, was wir greifen konnten, ausgezogen und verbrachten mit diesem ungewöhnlichen Akt etwa drei volle Wochen.

 

Die Gruppe jener, die weiterhin zusammenleben wollte, hat sich mittlerweile erfolgreich um ein Ersatzobjekt bemüht. Diese Gruppe besteht aus der Hälfte der ehemaligen BewohnerInnen und schafft nun nicht nur für sich eine dauerhaft günstige Mietstruktur in Leipzig, mit Hilfe der schmerzhaften Finanzspritze des Vergangenen. Der Vertragsabschluss kam kurz vor dem Erscheines dieser Feierabend!-Nummer zustande. Es wäre müßig, über die restlichen ehemaligen BewohnerInnen zu schreiben, ist doch der Kontakt bis auf Einzelne so gut wie eingeschlafen. Diese Stelle sei genutzt, um diese Menschen zu grüßen und zu drücken. Ohne euch hätte es nicht geklappt.

(rsb)

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