„Revolutionen enden nicht.“ (1)

Einblicke in die Spanische Revolution 1936

„Zum ersten Mal war ich in einer Stadt, in der die arbeitende Klasse im Sat­tel saß… Kellner und Ladenaufseher schau­ten jedem aufrecht ins Gesicht und behan­delten ihn als ebenbürtig. Unterwürfige, ja auch förmliche Redewendungen waren vorübergehend verschwunden… Man hat­te das Gefühl, plötzlich in einer Ära der Gleichheit und Freiheit aufgetaucht zu sein…“ So beschrieb George Orwell das Barcelo­na Ende 1936 (2).

Was war passiert?

Viele Menschen hatten sich zusammen geschlossen, darunter mehrheitlich Indus­trie- und, Landarbeiter, Kleinbauern und Handwerker, gegen die putschenden Fa­schisten, Militärs, Monarchisten, und christlichen Fundamentalisten. Mit dem Aufstand bewaffneten sich Arbeiter und Bauern der Gewerkschaften und schlugen zusammen mit den republiktreuen Einhei­ten von Polizei und Armee den Putsch in weiten Teilen Spaniens zurück. Im glei­chen Atemzug wurden an vielen Orten Spaniens die bisherigen Herrschafts­verhältnisse umgeworfen und das gesell­schaftliche Leben durch die Menschen kollektiv selbst organisiert. Zentren die­ser sozialen Revolution waren Kataloni­en, Aragon und die Levante – Hauptträger waren Anhänger der anarchosyndikalist­ischen CNT, des linkssozialistischen Teils der UGT und der POUM (Linkskom­munistische Partei).

War der Anarchismus und Anarcho­syndikalismus in fast allen anderen euro­päischen Ländern nur eine Rander­scheinung im Gesamtspektrum der Lin­ken, so hatten sie in Spanien seit langem den Charakter einer Massenbewegung. Nachdem kurz vor 1870 die Ideen Baku­nins in Spanien Fuß gefasst hatten, kam es zwischen 1880 und 1910 zu einer enor­men Ausbreitung des Anarchismus; vor allem in Andalusien, für dessen Landarbeiterproletariat die Lehren Bakunins und Kropotkins zum Evangelium ihrer revolutionären Selbstbefreiung wurden. Ihr Anhang rekrutierte sich vornehmlich aus den Industriearbeitern des Nordostens, und denen des Südens. Während die spa­nischen Sozialisten, deren Hochburgen vor allem in Kastilien und Asturien lagen, eine Veränderung der gesellschaftlichen Ord­nung auf politisch-parlamentarischem Wege anstrebten, standen die Anarchisten dem politischen System mit militanter Feindschaft gegenüber und sahen in sei­ner Zerschlagung zugunsten kommunaler und betrieblicher Selbstverwaltung den einzigen Weg zu einem Freiheitlichen So­zialismus.

Mit dieser Revolution, deren Jahrestag sich am 19. Juli 2003 zum 67. Mal jährte, der Rolle der Anarchisten und warum es noch immer Kellner und Ladenaufseher gab, be­schäftigt sich die Veranstaltungsreihe „Die Utopie leben!" im libertären Zentrum Li­belle, Kolonnadenstraße 19, 04109 Leipzig.

Diese findet den ganzen September über statt. Nach einem Do­kumentarfilm zum Aufwärmen, gibt es in der folgenden Woche einen Vortrag und die Möglichkeit zur Dis­kussion. Den Abschluss bildet die Veranstaltung mir Abel Paz, einem 82­jährigen Anarchisten, der 1936 in Spanien die kollektive Selbst­organisierung miter­lebte.

Zwar stellen sich uns heute nicht die Fragen von 1936, da man sich mit dem ersehnten Zusammenbruch des Staates, aber auch mit einem moder­nen Krieg konfrontiert sah. Aber die historischen Erfahrungen, die diese Fragen nach sich zogen, sind doch von einigem Wert.

Die einzelnen Veranstaltungen:

Mittwoch, den 3. September 2003: „Vivir l’utopia“ – Umfassender Dokumentarfilm über Spanien 1900 bis 1939 und die Entstehung der Revolution.

Mittwoch, den 10. September 2003: „Gescheitert? Über die soziale Revolution in Spanien“ – Überblick über den spanischen Bürgerkrieg und die soziale Revolution und Diskussion über die Gründe ihres Triumphs und Scheiterns

Mittwoch, den 17. September 2003: „Un Pueblo en armas“ – Dokumentarfilm eines Medien­syndikats der CNT Ende ’36 über die Vorgänge nach dem Militärputsch

Donnerstag, den 25. September 2003: Diskussion mit Abel Paz, Anarchosyndikalist und Zeitzeuge des Spanischen Bürgerkriegs

Alle Veranstaltungen beginnen jeweils um 19 Uhr in der Libelle, Kolonnadenstr.19 in Zentrumsnähe, (Haltestelle Westplatz).

hannah

(1) Zitat Abel Paz, 21. Juni
(2) in „Mein Katalonien“

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