Die Abläufe sind bekannt, dennoch ist die Aufregung groß. So führten die Anfang Februar bekanntgewordenen Mißbrauchsfälle an einer Berliner Jesuiten-Schule zu regen Debatten über die Zustände in der katholischen Kirche. Ebenso überraschend scheint die Nachricht über „Ekel-Mutproben“ bei der Bundeswehr die Öffentlichkeit getroffen zu haben. Angehörige eines Gebirgsjägerbataillons sollen Kameraden gezwungen haben, bis zum Erbrechen rohe Leber zu essen und Alkohol zu trinken. Derlei Rituale waren Ende der 90er Jahre offiziell untersagt worden (was im Umkehrschluss heißt, dass sie bis dahin gängige Praxis waren), werden aber offenbar weiterhin gepflegt.
Neu ist das nicht. Ebensowenig wie die Art der Reaktion: So beklagte der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe, es gebe wohl ein Alkoholproblem in der Truppe. Ganz ähnlich versuchte Papst Johannes Paul II. abzuwiegeln, als 2002 Mißbrauchsvorwürfe gegen katholische Priester laut wurden: Die Kirche habe eben ein Problem mit Homosexuellen. Wenn sich der Skandal trotz allem nicht umgehen lässt, wird radikale Aufklärung versprochen, wie es Verteidigungsminister Guttenberg und der Chef der deutschen Jesuiten jetzt tun.
Ändern werden diese stereotypen Reinungsrituale nichts. Dass in einem autoritären Männerverein wie der Bundeswehr Erniedrigungen und merkwürdige Männlichkeitsrituale an der Tagesordnung sind, ist kein Wunder, ebenso wie der Fakt, dass die autoritären Strukturen der Kirche und das dort gepflegte weltfremde Enthaltsamkeitsideal sexuellen Mißbrauch befördern. Die vermeintlichen Auswüchse folgen der inneren Logik dieser Institutionen. Die demonstrative Distanzierung und Abstrafung von einzelnen Übeltätern lässt diese Logik unangetastet und dient letztlich nur dazu, baldmöglichst zum „Normalzustand“ zurückkehren zu können. Dieser Normalzustand ist der eigentliche Skandal.
(justus)