SelbstOrganisierte Seminare

anders lernen ++ anders leben ++ anders denken

Neben dem Krieg, der Arbeit und dem Sozialabbau zählt die Bildungspolitik spätestens seit der Pisastudie zu den Themen in denen sich regelmäßig Schlammschlachten geliefert werden. Von allen Seiten wird nur gewettert. Die Schüler sind zu dumm, die Lehrer nicht engagiert genug. Die Politiker unwillig wie eh und je und Studenten sind sowieso Schmarotzer. Der von der Politik so hoch gelobte Bildungsstandort Deutschland scheint im In- und Ausland bekannter für seine Rückbildung als für das so verzweifelt angestrebte innovative Lernen.

Die Schuld für die wenig erfreuliche Lage sucht jeder beim anderen. Land und Stadt haben kein Geld, also sparen sie. So mancher Regierungssesselsitzer fragt sich bei der Haushaltsplanung, warum denn nicht auch die Wirtschaft was zu der ‚Aus’bildung beisteuern soll. Am Ende schöpfen schließlich sie das angereicherte Humankapital aus dem Pool der Bildungseinrichtungen. Über die Auswirkungen, die diese Taktik für Wissenschaft und Forschung hat, schimpft wiederum die Studierendenschaft. Zu Recht fragen sich Einige, wo denn die so hochgepriesene Kreativität und Innovativität herkommen soll, wenn z.B. ein Autohersteller Projekte für Kunststudenten sponsert, die in. ihren Werken Kapitalkritik und Umweltbewusstsein äußern und deshalb des Projektes verwiesen werden. Das Bildungssystem steckt in einer Sackgasse. Auf der einen Seite fehlt überall das Geld, um den Betrieb von Hochschulen. Erwachsenenbildung, Kindergärten usw. für die nächste Zeit abzusichern. Andererseits führen andere Finanzierungsversuche, wie die Förderung durch Wirtschaft, zu Einschränkungen und Einflussnahmen auf Lehrpläne und Forschung durch die Sponsoren. Erforscht wird dann nur noch, was verwertbar ist und lukrative Gewinne verspricht. Studienzweigen wie den Geisteswissenschaften wird da, plakativ gesprochen, allein aufgrund ihrer Ausrichtung auf Themen wie Geschichte, Literatur, soziale und politische Theorie eine Minderwertigkeit unterstellt, weil die „Produkte“ ihrer Arbeit nicht in einem Warenkatalog mit Foto und Bestellnummer angepriesen werden können.

In dieser Zwangslage scheint der Großteil der Betroffenen nur in der Forderung nach mehr Geld von Vater Staat eine Lösung zu sehen. ‚Der ist schließlich gesetzlich verpflichtet zur Förderung‘, denken sie sich. Da Vati aber selten zuhört, was die Kleinen so von sich geben, erinnert Mensch sich der Möglichkeiten zur Meinungsäußerung, die die großzügige Verfassung ihren Schäfchen zugesteht. So kommt es zu Unterschriftensammlungen, Vollversammlungen (meist eher Leer-) und Demonstrationen, z.B. vor den Dresdener Landtag. Dort wird dann ein bisschen über dies und jenes geredet, der eine ausgebuht und der andere bejubelt. Zurück im Klassenzimmer oder im Hörsaal jedoch bleibt alles beim Alten. Es gibt immer noch zu wenige Räume und Dozenten, schlecht ausgerüstete Bibliotheken, ebenso wie veraltete Lehrmethoden, die durch Zwang zum Auswendigpauken selbständiges Denken nicht gerade fördern.

Was also tun, wenn der Gang auf eine obligatorische Studentendemo nur noch zu Frustration führt?

Wenn mensch erkennt, dass die liebe Regierung, ob Stadt, Land oder Bund auf die Stimme aus der Bevölkerung nicht das Geringste gibt? Und Geld sowieso keine Probleme löst? Vielleicht wird dem ein oder anderen bewusst, dass es nicht die Forderungen an eine delegierte Spitze irgendwo in Dresden sind, die die Lage verändern können. Nein! Mensch muss anfangen, die Zügel für die Erfüllung seiner Verstellungen selbst in die Hand zu nehmen!

Zu diesem Schluss kamen auch einige Studierende der Universität Leipzig und riefen vor einem Jahr das Projekt „Selbst Organisierte Seminare“ ins Leben. Aus der Erfahrung heraus, in überfüllten Seminarräumen zu Pflichtveranstaltungen anwesend sein zu müssen, erwuchs der Wunsch sich in zwangsfreier Atmosphäre zu bilden. Im Vordergrund steht dabei nicht das Dozieren, sondern das Diskutieren. Die Teilnehmer entscheiden gemeinsam und gleichberechtigt über Inhalt und Methoden eines selbstorganisierten Seminars. Es geht nicht darum, einen Schein (Leistungsnachweis an Hochschulen, als Voraussetzung für Prüfungszulassung) zu erwerben oder sich zu profilieren, sondern sich aus Interesse am Thema und Lust auf selbstbestimmtes Lernen weiterzubilden.

Die Seminare sind offen für alle und wollen nicht als Ergänzungsprogramme für die Angebote staatlicher Bildungsträger verstanden werden. Sie sollen auch nicht fit machen für den Arbeitsmarkt, sondern zeigen, wie einfach es ist, ohne Zwang und Leistungsdruck zu lernen.

Die Teilnehmer der letzten beiden Semester konnten sich davon überzeugen. Auch in diesem Jahr ist das Angebot breit gefächert. Es reicht vom Erlernen und Trainieren anderer und der eigenen Sprache bis zu kritischen Diskussion von Themen wie dem Hartzprogramm, Computersicherheit oder politischer Suggestion. Also nichts wie hin, zum mitreden und endlich wieder Spaß haben am Lernen!

wanst

Nähere Informationen zu den einzelnen Seminaren gibt es unter: www.ag-seminare.forumfreiheit.de oder an Aushängen und Hinlegern verschiedener Bildungseinrichtungen. Also Augen auf!
Programm Sommer 2003: Debattierclub+++++++++++++Englische Konversation und Literatur++++Etwas Französisch, Mesdames & Messieurs?+++++++++++++++++++++DramenLeseGruppe. Brotbacken & Politische Suggestion +++++HARTZeluja, dingdong happy.+++++Sprachkurs Spanisch oder Italienisch.++++++++Big Brother is WWWatching you!+++++++Nederlands spreiten

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