Spritzig, witzig, militant: Streiktag bei McDonald’s

Es ist drei Uhr morgens, Mittwoch der 16. Oktober, einige müde und „leicht“ angetrunkene GlasgowerInnen versuchen im McDonald’s-Restaurant zu randalieren. Eigentlich kaum erwähnenswert, wenn es nicht Angestellte von McDonald’s wären und wenn nicht zur selben Zeit am anderen Ende der Welt, in Neuseeland, ein Streikversuch gemacht und in Australien Flugblätter an McDonald’s ArbeiterInnen weitergereicht würden.

In der letzten Ausgabe berichteten wir über einen geplanten internationalen Streik der McDonald’s-ArbeiterInnen am 16. Oktober. Nun, der Ausstand stieß weltweit bei den Angestellten auf Zustimmung und wurde kreativ und engagiert in vielen Städten organisiert. Es gab massenhaft individuelle und von Gruppen durchgeführte Aktionen und Sabotageakte, die zeigen, daß Streik nicht nur Demonstration und zu Hause beleiben bedeutet.

Zur Erinnerung

Es ging den Teilnehmenden am Mc-Donald’s-ArbeiterInnen-Widerstand (Mc-Donald’s Workers Resistance, MWR) darum, die Koalitions- und Informationsfreiheit am Arbeitsplatz, sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Löhne durchzusetzen – in allen Filialen des internationalen Konzerns. Im folgenden dokumentieren wir eine Auswahl der Ereignisse des internationalen Streiks der McDonalds ArbeiterInnen am 16.10.02.

Am Vorabend

Es begann schon vor dem 16. Oktober. Beispielsweise gab es in drei Londoner Läden Kampagnen von Angestellten mit Aufklebern und Graffitis, die für den Streik werben sollten. Dann, am Morgen des 16. Oktober, begaben sich Personal und frühe KundInnen zu einem McDo-Laden in Reading (GB) an dem sie „geschlossen wegen Streik, 16. Oktober, mwr.org.uk.“ gesprüht fanden. Einige ArbeiterInnen, die am 16. nicht zur Arbeit erschienen, hatten die Restaurants in der Nacht zuvor sabotiert. So veränderte das Personal irgendwo in England die Einstellung der Mikrowelle im Lebensmittellager und setzte alle Zeiteinstellungen der Grillmaschinen zurück, stahl alle Schlüssel der Überwachungsvideos, stellte alle Uhren zurück und verschloss die Kassenschlösser mit Superkleber! In Frankreich bekräftigten am Wochenende zuvor Mitglieder der CNT mit einigen Aktionen ihre Tradition der Solidarität mit den McDonald’s-ArbeiterInnen innerhalb und ausserhalb der Restaurants – schon im Frühjahr leisteten sie tatkräftige Unterstützung beim Arbeitskampf der unsicher Beschäftigten. In Dallas (USA) versteckten sie unterdessen wichtige Arbeitsmaterialien und tauten das Essen im Lager auf.

Der Streiktag

Am Morgen des 16. Oktober erreichte eine einzelne Chrysantheme das McDonald’s-Hauptquartier in London – „Die Chrysantheme war das Symbol der ungarischen Revolution, die am 16. Oktober 1918 begann. Wir (die Angestellten) schickten sie als ein Zeichen unserer Absicht, eine Welt zu schaffen, die Menschen wichtiger nimmt als Profite. Aber die Chrysantheme ist gleichzeitig ein Symbol des Todes; wir schickten sie als Vorbote der dem McDonald’s-Empire und aller Lohnarbeit inne wohnenden Zerstörung – weder brauchen wir sie (die Lohnarbeit), noch wollen wir sie. In unseren Herzen reift eine neue Welt und wir machen unsere ersten zaghaften Schritte auf diese zu.“

ArbeiterInnen in den Midlands (USA) gingen noch einen Schritt weiter: sie sendeten 57 Chrysanthemen zum Hauptbüro in Chicago – jede für eineN ArbeiterIn in dem Laden.

In Dublin plünderten sie die Kasse, um einen drauf zu machen. In Birmingham gab es einen Mach-langsam-Tag, der das Unternehmen mehrere hundert Pfund der Tageseinnahmen kostete. Die Nachtschicht in Nottingham meldete sich krank und es wurde von mehreren Vorfällen in Northampton berichtet … inklusive Drei-Stunden-Pausen, Verlassen des Arbeitsplatzes, vorgetäuschte Krankheiten und Trunkenheit im Dienst. In Manchester zementierten die Angestellten die Toiletten zu.

In London, Stirling, Derbshire und Dundee verteilten AktivistInnen Flugblätter an den Arbeitsplätzen ihrer Kollegen, um Neuigkeiten des Streiks zu verbreiten und in Adelaide schlitzte das Personal alle Milchshake-Mixer auf.

"Es gibt eine junge Generation von ArbeiterInnen, die nicht mehr hinnehmen wollen, was ihre Vorgänger noch hinnahmen." – London

Einige Liverpooler Arbeiterinnen bestanden darauf, während der Arbeit Make-up zu tragen, was laut Unternehmenspolitik verboten ist – aber: „Wir hassen es wirklich, kein Make-up tragen zu dürfen, besonders weil wir’s oft mit irgendwelchen besoffenen Machos zu tun haben und von der Arbeit bei McD Pickel kriegen.“ Andere in Stirling, Kent, Kopenhagen, Sheffield, Newcastle und Madrid meldeten sich telefonisch krank. In Glasgow und Toronto gab es massenhaft Arbeitsniederlegungen. Die Angestellten nutzten die Gelegenheit, um ihrem Ärger öffentlich Luft zu machen: sie stürmten in Gruppen die Läden, warfen ihre Uniformen auf den Ladentisch, während einer von ihnen auf einem Stuhl stehend eine Rede an Personal und Kundschaft hielt, in der die Arbeitsbedingungen kritisiert wurden und behauptet wurde, daß „das Essen in jedem Fall verdorben“ sei.

Neben den eher individuellen Aktionsformen gab es auch einige größere Streiks: In sechs Pariser McDonalds, mit der CNT „unregierbar“, streikten die Angstellten wegen spezieller Forderungen, die sich auf Vollzeitbeschäftigung und standardisierte Löhne beziehen. Sie versammelten sich um 10.00 Uhr an „Fontaine des Innocents“, um 15.00 Uhr trafen sie mit McDonald’s Vertretern zusammen und arrangierten ein öffentliches Treffen am Abend.

In Norfolk legte ein Streik das Restaurant den ganzen Tag durch Streikposten lahm. Einmal kam ein Manager dazu, der sich weinerlich erkundigte: „Warum tut ihr das?“, „Lesen Sie das Flugblatt.“, „Ich werde das nicht lesen!“, brauste er auf und zerriß es. Als das McDonald’s-Hauptquartier gefragt wurde, warum der Laden de facto ohne Personal sei, antworteten sie: „Einige traurige Individuen wollen McDonald‘s in den Ruin treiben.“

Die Ereignisse wurden im Verlauf des Tages von einer speziellen Tagessendung im einzigen unabhängigen slowenischen Radio mit Interviews und Anti-McDonald’s-Liedern begleitet.

Doch bei diesem einen Tag soll es, wenn es nach AktivistInnen des McDo-Widerstandes geht, nicht bleiben! Für sie war’s Sinn und Zweck, das Selbstbewußtsein ebenso zu stärken wie die Fähigkeit der Angestellten, Bereiche ihres Lebens selbst zu bestimmen. Es soll wohl eher eine Aufwärmübung sein, um in nicht allzu ferner Zukunft zu einem selbstbestimmten Leben zu gelangen. Und irgendwie arbeitet jedeR ArbeiterIn oder Angestellte in einer Art „McDonald’s“, oder?

hannah b.

Was geschah an diesem Tag?

– Sechs Belegschaften in Frankreich, organisiert in der CNT (1) streikten.

– Zeitweiliger Arbeitsstop in Moskau.

– Streiks oder Streikversuche in Norfolk, Neuseeland und drei Londoner McDo-Läden, Verlassen des Arbeitsplatzes in Nottingham.

– Aktionen um Angestellte zum Widerstand zu ermutigen, von Schweden bis Sydney.

– All dies begeleitet und dokumentiert in einer speziellen Tagessendung im slowenischen Rundfunks.

– Demonstration in Mexiko, 94 Menschen wurden verhaftet. Die Festnahmen werden mit unhaltbaren Anschuldigungen begründet und auf jeden der Verhafteten ist eine Kaution von 14000 $ ausgesetzt (2)

Weitere Infos zum McDo.-Widerstand: info@mwr.org.uk oder mwr.org.uk
(1) Confédération Nationale du Travail – französische anarcho-syndikalistische Gewerkschaft
(2) weitere Infos zum Ablauf der Demonstration und den Anschuldigungen unter: www.feierabend.net.tc

Streik

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