Strategien gegen Architektur

„Architektur ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln“, das wusste schon der General von Clausewitz. Ob in Marmor gemeißelt oder in Beton gegossen – wer wissen will, wie es um den Geisteszustand einer Gesellschaft bestellt ist, der muss sich nur ihre Bauten anschauen. Und gleich wieder wegschauen. Denn was dort von geschmacksverwirrten Architekten für Brocken in die Landschaft gekotzt werden, darauf lässt sich nur mit spontaner Abscheu reagieren. Und anschließend steht das Zeug noch für Jahrzehnte klobig und hässlich im Weg rum, macht depressiv, verursacht Pickel und nervt einfach nur.

Aber das muss nicht sein! Wir, eine Gruppe von kritisch denkenden Leuten, Architekt_innen, ausgebildeten Sprengmeister_innen und autonomen Planierraupenjockeys, haben uns in der AG Architekturkritik organisiert, weil wir nicht länger wegschauen wollen. Wir wollen nicht länger schweigend die baulichen Missetaten hinnehmen, die das Regime der bis zur Altersdemenz fortgeschrittenen Marktwirtschaft zu verantworten hat. Wir sagen: Es ist Zeit, die Herrschaft des Menschen über die Materie endlich den entscheidenden Schritt voranzubringen!

Von den flächendeckenden Mondlandschaften aus verchromten und verglasten Multifunktions-Würfeln, in die sich unsere Innenstädte mittlerweile verwandelt haben, wollen wir dabei gar nicht reden – unsere menschlichen und materiellen Ressourcen sind leider begrenzt. Dementsprechend wollen wir vor allem auf lokaler Ebene wirken und uns auf ausgewählte Zielobjekte von besonderer symbolischer Bedeutung konzentrieren.

Denn auch hier in Leipzig gibt es schon genug Problemfelder zu beackern – etwa das kurz vor der Vollendung stehende Paulinum. Diesem Bauwerk sieht man nur zu deutlich an, dass die beteiligten Interessengruppen sich von Anfang an nicht einigen konnten, was dort eigentlich gebaut werden sollte. Sollte man es den Dresdner_innen und ihrer Frauenkirche gleichtun und einen faden Abklatsch der 1968 gesprengten Universitätskirche hinzimmern? Oder doch eher die neue Aula der Uni? Das langwierige Gezeter und Gezerre endete 2008 in einem verbalen Amoklauf von Pfarrer Christian Wolff, der in einer simplen Plexiglaswand den Leibhaftigen persönlich zu erkennen meinte [siehe FA!# 31 – d. Red.]. Erst durch ein Sonderkommando der Polizei und eine große Tasse Baldrian-Tee konnte der Pfaffe wieder zur Räson gebracht werden.

Kein Wunder also, dass am Ende nur ein fauliger Kompromiss herauskam, eine auf halbem Weg versumpfte Synthese aus altem Gemäuer und neumodischem  Glasfassaden-Fetischismus. Mit diesem Ergebnis ist natürlich niemand zufrieden, hinter den Kulissen geht das Genörgel weiter. Damit endlich mal Ruhe ist im Karton, plädieren wir für eine ebenso pragmatische wie öffentlichkeitswirksame Lösung: die als  feierlicher Festakt inszenierte erneute Sprengung des Gebäudes!

Stellen wir uns das mal vor: Zu Anfang darf Oberbürgermeister Jung eine Rede halten. Anschließend singt Peter Maffay „Über sieben Brücken musst du gehen“, bevor die unnachahmlich glamouröse Katharina Witt unter tosendem Applaus die Bühne betritt. Sie bekommt Blumen überreicht. Dann drückt sie den roten Knopf, woraufhin das Paulinum mit lautem Knall in sich zusammenbricht und in einer Wolke aus Schutt und Asche versinkt. Eine symbolpolitische Maßnahme von eindrucksvoller Drastik! Damit würde nicht nur der notwendige Mindestabstand zwischen Religion und Wissenschaft gewährleistet, es würde auch Platz für eine an den Uni-Innenhof angeschlossene Grünfläche frei, die dieses triste Areal entscheidend aufwerten würde. Künftige Generationen werden es uns danken…

Aber bei all dem schlechten Neugebauten sollten auch die historischen Altlasten nicht vergessen werden – das Völkerschlachtdenkmal zum Beispiel. Dass dieser martialische Gedächtnisbunker einfach nur potthässlich ist, wäre ja noch zu verzeihen. Er ist aber noch mehr. Nämlich ein Symbol für eine gut 200jährige Geschichte von teutonischer Nationaltümelei, Kriegshetze und Franzosenhass. Die sächsische CDU formulierte es in der Begründung ihres Versammlungsgesetzes [siehe FA!# 36 – d. Red.] sogar noch prägnanter: Das Völkerschlachtdenkmal ist ein Symbol für „das nationale Pathos und die Heldenhaftigkeit soldatischen Sterbens“! Besser hätten wir es auch nicht ausdrücken können – das ist doch mal ein verdammt guter Grund, um gegen dieses Bauwerk vorzugehen!

Dabei war es gar nicht so gemeint: Die CDUler_innen finden „soldatisches Sterben“ nämlich grundsätzlich super, solange nicht sie selbst es sind, die dabei draufgehen. Wir müssen die Sache also wieder einmal selbst in die Hand nehmen.

Denn das „nationale Pathos“ sickert dem ollen Klotz tatsächlich aus jeder Ritze. Als Auffangbecken für diese ranzige Soße fungiert dabei die so genannte Ruhmeshalle. Auch bei der Inneneinrichtung des Denkmals scheint man dem Irrglauben gefolgt zu sein, alles von drei Meter an aufwärts sei automatisch große Kunst – darauf lassen jedenfalls die hier installierten Monumentalfiguren schließen. Wie das Bauwerk als Ganzes stehen auch diese symbolisch für diverse hohle Ideale, in diesem Fall für „Volkskraft“, „Glaubensstärke“, „Tapferkeit“ und „Opfermut“. Die „Heldenhaftigkeit soldatischen Sterbens“ dagegen zeigt in der Krypta eine Etage tiefer ihr freudloses, kaltes Gesicht: Griesgrämig glotzende Ritterfiguren erinnern hier an jene, die sich im Dienst des Vaterlandes per Heldentod vom Leben verabschiedet haben – ein Monument menschlicher Blödheit.

Wir sagen: „Hundert Jahre sind genug!“ Dieser düstere Protzbrocken hat lang genug seinen Schatten auf unsere Stadt geworfen!

Einfach in die Luft sprengen lässt sich dieser massive Granitklumpen leider nicht. Nach langer Debatte präsentieren wir deshalb hier unseren Drei-Punkte-Plan zur Lösung des Problems:

Schritt 1: Die Umwandlung des völkischen Klotzes in eine luftige Säulenkonstruktion. Mit Hammer und Meißel kann dies von der Leipziger Bevölkerung selbst (mit tatkräftiger Unterstützung durch japanische Touristengruppen) bewerkstelligt werden. Diese Methode hat sich schon beim Abriss der berüchtigten Berliner Mauer bewährt, sie ist zudem kostengünstig und ein großer Spaß für jung und alt.

Schritt 2: Die Umgestaltung der innen und außen am Bauwerk installierten überdimensionalen Ritterfiguren. Bei groben Klötzen braucht es schließlich auch grobe Keile! Um sozialethische Desorientierung vor allem bei minderjährigen Besucher_innen zu vermeiden, werden die Statuen mit großen Kasperle-Nasen aus witterungsbeständigem Beton versehen (siehe Abb.).

Schritt 3: Ein flächendeckender Neuanstrich in freundlichem Rosa.

Damit würde der gigantomanische Gedenkbrocken nicht nur ein ganz neues, freundlicheres Aussehen bekommen. Auch nutzlose Verbots- und Gesetzgebungsverfahren wie jenes, mit welchem die sächsische CDU-Regierung das Denkmal zur No-go-area für konkurrierende nationalistische Splittergruppen machen wollte, könnte mensch sich künftig sparen – eventuelle Nazi-Aufmärsche lösen sich bei diesem Anblick von ganz alleine auf. Der positive Effekt für ganz Leipzig wäre kaum zu übertreffen: Kinderaugen strahlen heller, die Herzen schlagen schneller, als wären sie plötzlich von einer großen Last befreit, das Atmen fällt leichter… Ja, mehr noch, die Menschheit als Ganzes wäre einen großen Schritt in ihrer geistigen Evolution vorangekommen. Braucht es noch mehr Gründe, um mit dem Völkerschlachtsklumpen kurzen Prozess zu machen? Packen wir´s an!

Für die Freiheit, für das Leben – für eine klotzfreie Stadt Leipzig!

(AG Architekturkritik)

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