Studistreik adé – Widerstand olé

Knapp zwar, aber dennoch: die Ent­scheidung ist gefallen. 2200 gegen 1900 Stimmen haben auf der Vollver­sammlung vom 14.4. den einwöchigen Streik mit Ausfall der Lehrveranstaltungen abge­lehnt.

Ein Blick zurück: Nachdem auf einer VV am 13.12. 2003 der Streik beschlossen wurde, hatte sich ein Komitee konstituiert um den Streik vorzubereiten. Auf einer VV Anfang Januar wurde das Adjektiv „konstruktiv“ hinzugefügt, das zum Synonym dafür wurde, brav zu protes­tieren und nieman­den zu stören. Das Streik­komitee diente als organi­sato­rische Plattform, diesen Streik zu organi­sieren und Entscheidungen fällen zu können. Das Resultat blieb unbefrie­digend: während die meisten ihre Scheine machten, organisier­ten die vielen Aktiven den Streik und konnten durch das „konstruktive“ nicht mal genü­gend Druck erzeugen. Ende Januar wurde der Streik auf einer VV ausgesetzt, ohne daß sich an den Studien­be­dingungen oder an der Bedrohung durch Studiengebühren etwas geändert hätte. Für April wurde zudem das Fallen des Studiengebühren­verbots erwar­tet, dafür eine Telefon­mobi­lisierung und für das Sommer­semester auf einen Voll­streik vorbereitet, der ernsthafter und druck­voller sein sollte. Dieser wurde nun abgelehnt, damit auch der Streik beendet und die wochenlangen organi­satorischen Vorbe­reitungen obsolet. Dement­spre­chend frus­triert fiel die Reaktion des Streikkomitees aus, daß sich aber nach ein paar Tagen Reflektion wieder mit einer Stellung­nahme zu Wort meldete. Neben der Kritik am Fatalismus und Nichter­kennen der Brisanz der Kürzungen und des Umbaus durch die Mehrzahl der Studie­ren­den wurden auch eigene Fehler bei der Mobilisierung thematisiert. Zudem wurde noch einmal deutlich gemacht, daß Bildungs- und Sozialabbau nicht zu trennen sind und einen Angriff auf die Lebensbedingungen vieler Men­schen darstellen. Und da auch nach der Ableh­nung des „Vollstreiks“ keine Verbes­serungen zu erwarten sind, haben die Menschen des Streikkomitees ange­kündigt weiter­zumachen und auch alle anderen Studierenden, Do­zent­­Innen und Mitarbeiter aufgefordert sich basis­demo­kratisch zu organi­sieren, weil man alleine den derzeitigen Entwick­lungen nicht stand­halten kann. Damit hat sich zumindest ein (gar nicht so) kleiner Teil der Studie­renden­schaft aufgemacht längerfristig Widerstand gegen die der­zeitige Bil­dungs- und Sozialpolitik zu leisten und sich nicht wie so oft nach einer Pro­testwelle, in alle Himmelsrichtungen zu zerstreuen.

Von den Streikgegnern, die Demonstra­tionen und Ähnliches vorschlugen, sind derweil keine organisatorische Aktivitäten erkennbar. Hier zeigt sich auch ein Grundproblem: es wird zwar Kritik geübt am Streikkomitee, aber es wird wie natürlich erwartet, daß es alles für einen organisiert und man selbst nicht aktiv werden braucht. Bei der Vollstreik-Alternative „Montagsdemo“ vom 19. April haben sich ganze 25 Studierende eingefunden. Auch die Spontan­demo zur Solidarität mit der drei Tage lang streiken­den FH Zwickau wurde zum Trauerspiel: der Innenhof war relativ gut gefüllt, aber nur wenige konnten sich aufraffen Solidarität zu zeigen. Es zeigte sich eine beängstigende Lethargie. Die wichtigste Hilfe zur Entscheidungs­findung ist anscheinend das Verhalten des Nachbarn und der Nachbarin und nicht der eigene Verstand oder gar das eigene Interesse an einem guten Leben. Das große Gejammer wird erst los­gehen, wenn die Gebühren ein­geführt sind und viele von der Uni geschmissen werden. Dieser Fall ist in Nordrhein-Westfalen bereits eingetreten, wo schätzungsweise 50.000 Studierende ihr Studium ab­brechen müssen, weil sie sich die Lang­zeitstudiengebühren nicht leisten können. Wo waren diese 50.000 bei den Protesten? Wo sind diejenigen, die morgen in Leipzig exma­trikuliert werden, heute?

kater francis murr

ehemaliges Streikkomitee Leipzig
www.leipzig04.de.vu

Bildung

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