Schlagwort-Archive: 2003

„Es ist die Bombe!“

Egal, wo man auf der Welt landet: Coca-Cola ist schon da. Wen wundert es, dass die Ikone des American Way of Life nun auch zunehmend als Zielscheibe für Proteste gegen die US-Außenpolitik dient.

Ein Zeichen dafür sind vermehrte Boykottbestrebungen gegen westliche Marken im arabischen Raum. Während das Etablieren von einheimischen Alternativen bisher in den meisten Fällen an der Qualität der Produkte gescheitert ist, setzen nun im Nahen Osten und in den Golfstaaten Produkte wie die iranische „Zam Zam Cola“ (1) dem Umsatz von Coca Cola mittlerweile arg zu. Auch in Europa rufen nun Anti-Amerikaner den Soft-Drink-Krieg aus. Taoufik Mathlouthi, ein Franzose tunesischer Abstammung, der in Frankreich eine Radiostation für die muslimische Minderheit leitet, hatte die zündende Geschäftsidee im November letzten Jahres: Er entwickelte Mekka-Cola – ein Konkurrenzprodukt zu den amerikanischen Riesen Coca-Cola und Pepsi.

Der Firmengründer wollte seinem Sohn eine Alternative bieten, sagte er gegenüber der New York Times. Das schier unmögliche Unterfangen, den globalen, allgegenwärtigen Cola-Marken etwas entgegenzusetzen, ging auf. Mekka-Cola findet bei der muslimischen Bevölkerung reißenden Absatz. Gründe sind der wachsende Unmut gegen die Politik der Bush-Regierung, die unerwünschte Allmacht US-amerikanischer Produkte und der damit assoziierten Allgegenwart des Feindes. Die arabischen SoftDrinks spielen mittlerweile für das gute Gewissen der Durchschnittsmuslime eine große Rolle, weil es ihnen angeblich die Chance gibt, die westliche Kultur zu meiden. Endlich können auch „gute Moslems“ qualitativ gute SoftDrinks ohne schlechtes Gewissen konsumieren. Die Islamischen Cola-Krieger sagen, dass dies ein einfacher Weg für Muslime ist sich als Bestrafer von George W. Bush zu fühlen… Der größte Deal ist natürlich der jährliche Pilgerstrom nach Mekka, wo die Umsätze an Wasserflaschen und Trinkjoghurt ins astronomische gehen und Coke and Pepsi bisher immer eine große Rolle gespielt haben.

Mathlouthi liebt deutliche Worte und bringt es ziemlich deutlich auf den Punkt: „Ich bin nicht gegen die Amerikaner, sondern gegen ihre Politik, den amerikanischen Imperialismus und deren zionistischen Verbündete“. Noch deutlicher im Bezug auf Israel wird er in seiner „Mekka-Cola Missionserklärung“: „Es geht darum auf die Bedürfnisse der Weltbevölkerung einzugehen und dabei den Kampf gegen den Amerikanischen Imperialismus und den Faschismus dieses zionistischen Gebildes zu unterstützen“.

Wie der bekannteste Zam-Zam-Werbespot aussieht, ist vorhersehbar: Du warst in Dorf Harlot unterwegs und nun ist es Zeit für eine Erfrischung – an einem israelischen Bus Stop wartet ein nicht ganz originalgetreuer ZamZam-Mujahadeen (macht den Mantel auf, Zam Zam Flaschen rundherum an seinem Gürtel) – „Es ist die Bombe!“ Sie wollen ihren Gegner mit den eigenen Waffen schlagen: Die „Mekka-Cola“ schmeckt angeblich genau so wie Coke und trägt ein ähnlich rotes Label mit der schwungvollen weißen Welle, wie das US-Original. Ein Coca-Cola-Sprecher erklärte gegenüber der New York Times, die Anwälte des Konzerns seien sich der Ähnlichkeiten zwischen beiden Marken bewusst, man plane seines Wissens aber keine rechtlichen Schritte gegen Mekka-Cola – auch wenn der Coke-Boykott finanziell schon spürbar sei.

In Frankreich werden beide Limonaden zum gleichen Preis verkauft. 10 % des Verkaufspreises gehen dabei an einen Unterstützungsfonds für palästinische Kinder, weitere 10 % an lokale Hilfsorganisationen.

Südafrika, ist angeblich daran interessiert, diese 10 % aus dem Verkauf von Mekka-Cola in eine AIDS-Hilfe für Kinder zu stecken. Das Konzept mit dem Slogan: „Trink nicht wie ein Idiot, trink mit Engagement!“ scheint überzeugend.

Bereits im Dezember habe die Firma des 46-Jährigen über eine Million Flaschen ausgeliefert. Nachdem in Frankreich schließlich sogar die große Supermarktkette Auchan Mekka-Cola in ihre Regale stellte, gingen nun auch Aufträge aus Großbritannien, Belgien, Deutschland und sogar den USA ein. Ein Krieg im Irak würde den Verkauf noch weiter begünstigen, spekuliert der Geschäftsmann im Bericht der NY Times. Die Verkaufszahlen von Mekka-Cola sind laut Times so gut, dass der Franzose bereits neue Geschmacksrichtungen wie „Zitrone“ und „Kaffee“ entwickelt hat, die er ab Januar vertreiben will. Er plant sogar ein Schnellrestaurant im Stil der US-Kette Kentucky Fried Chicken, das er Hallal Fried Chicken bzw. HFC nennen will. Im März sollen in Ägypten die ersten frittierten Hühnchen über den Ladentisch gehen. Ob sich das Erfolgsrezept des findigen Familienvaters auch auf den Food-Bereich übertragen lässt, bleibt abzuwarten. Spätestens hier zeigt sich auch, dass nicht die westliche Lebensart an sich gemieden werden soll, sondern nur eine eigene arabische Prägung von moderner Wegwerf- und Konsumgesellschaft, möglichst unabhängig von den USA, aber mit dem American Way of Life als Vorbild entstehen soll.

lydia

(1) benannt nach dem Heiligen Zamzam-Quellwasser in Makkah. Die Firma wurde 1954 gegründet und war lange Zeit Partner von Pepsi Cola bis ihr Vertrag 1979 nach der Islamischen Revolution aufgehoben wurde. Besonders harsche Kritik hagelt es von Seiten islamischer Fundamentalisten. Sie verwehren sich dagegen, den Namen der Heiligen Stadt auf einem Wegwerfprodukt zu verwenden.

lifestyle

Mieze sucht Mietshaus

oder: Wir basteln uns ein libertäres Zentrum…

…und wer kann so was brauchen? Eigentlich alle, die diese Zeitung lesen. Wer hat nicht schon mal dran gedacht, dass es toll wäre, ab und zu mal den Freunden und anderen einen guten Film zu zeigen, den man neulich gesehen hat? Und wieso sind die wirklich guten Bücher der Freunde und Nachbarn immer so schwer zugänglich…? Man bräuchte fast eine Bibliothek.

Ansonsten wollen wir ein Treffpunkt sein, für linke, herrschaftskritische und libertäre Menschen. Zum Diskutieren, Informieren, Austauschen, Entspannen, Träumen. Gleichzeitig soll im libertären Zentrum Raum sein, diese Ideen in die Tat umzusetzen, und auch mit Alltagsproblemen umzugehen. Praktisch heißt das, Infrastruktur selbstorganisiert bereitzustellen, Öffentlichkeit zu schaffen und herrschaftskritische Positionen zu stärken … sich gegenseitig unter die Arme greifen. Das Zentrum – es muss ja nicht gleich ein Haus sein – als Versuch „unsereiner“ Filz aus dem Fell zu bekommen.

Wer aus diesen Zeilen noch nicht recht schlau geworden ist, kann gerne nachfragen, oder (wenn´s hoffentlich bald soweit ist) mal vorbeikommen. Wer sich an der Realisierung der Idee beteiligen will, kann über die Redaktion mit uns Kontakt aufnehmen (siehe S. 27). Für alle Leute, die das Zentrum auch finanziell unterstützen wollen, haben wir an einen „Freundeskreis“ gedacht. Auf viele Schultern verteilt, ist die Last kaum zu spüren!

Lokales

D.I.Y.-Revolutionscamp

Theorie, Direct Action und Anders Leben auf der Burg Lutter vom 14.04.-21.04.2003

Beim D.I.Y. -Revolutionscamp handelt es sich einfach gesagt um eine ,,Fortbildung“ für Linksradikale. Es geht darum Wissen zu vermitteln und Erfahrungen weiterzugeben, um Spezialisierung aufzubrechen und mehr Menschen eine breitere Handlungsfähigkeit zu ermöglichen. Darüber hinaus ist das Treffen eine Chance, sich zu vernetzen und die Isolation von Aktionsgruppen und Einzelpersonen zu überwinden. Ein wesentliches Konzept des Camps ist es, die Zersplitterung unseres Alltags zu überwinden und Theorie, politischer Praxis und Leben als eine Einheit zu begreifen.

Wir möchten ein Grundgerüst mit vorbereiteten Themen, Kulturprogramm und Infrastruktur stellen, das genügend Freiraum für selbstorganisierte Workshops, AK’s und Diskussionen bietet. Der generelle Charakter des Camps basiert auf Selbstorganisation, d.h. bring Dich ein, statt einfach nur zu konsumieren. Folgende Themen sind angedacht:

Theorie: Vision & Utopie, Wertkritik, Arbeitskritik, Queertheorie, bolo’bolo & Subcoma, Subsistenzperspektive, Motivationsfrage…

Direct Action: Lock-ons bauen, Tripods bauen und aufstellen, Baumklettern, Pressearbeit, Anti-Repressionsarbeit, Organisationsstrukturen und Kollektive, Bezugsgruppensysteme, Entscheidungsfindung, Hacktivism, PGP, Pink and Silver, radical cheerleadering, Theater der Unterdrückten, verstecktes Theater, Scanner und eigene Kommunikation, eigene Medien, Internet, Zeitung- und Radio machen, Layout, Aktionsvideos drehen, Subvertising, Kommunikationsguerilla, Spaßguerilla, Verwendung und Bau von Puppen für Demos und Aktionen, movement action plan (map),

Anders Leben: Bildungssyndikat, Food-coop, Tips und Tricks sich der Lohnarbeit zu entziehen, Umsonstläden, Tauschringe, Selbstverteidigung, Körperarbeit, Capoeira, Einfälle statt Abfälle, Wie senke ich meine Lebenshaltungskosten, aber nicht meine Lebensqualität, alternative Wohnformen, Bauwagenplatz, Kommunen, Subsistenzproduktion, Woher nehme ich meine Motivation und Energie?

Wenn Du zu den genannten oder nicht genannten Themen Referentln sein kannst und Lust hast, das Camp zu bereichern, dann melde Dich doch einfach bei uns. Der derzeitige Vorbereitungsstand kann über folgende Adresse abgerufen werden: www.da-camp.de.vu

Die Kontaktadresse des Camps ist: D.I.Y-Revolutionscamp
FAU
c/o Alte Münze 12
49074 Osnabrück

Aktion

Das Kaninchen und die Schlange

Die klare Gliederung des Hartz-Papiers in dreizehn „ Module“ erleichtert Einzelbetrachtungen erheblich – dafür gebührt der Kommission unser Dank als ZeitungsmacherInnen. Im folgenden nehmen wir das „Modul 3“ unter die Lupe…

Leistung für Leistung, so soll nach den Entwürfen der Hartz-Kommission und dem Willen der de facto SPD/Grüne/CDU/FDP-Regierung der neue Sozialstaat aussehen. Nicht, dass der alte so toll gewesen wär´, aber der „neue“ ist eine größere Zumutung – nicht nur für jene, die (Lohn-) Arbeit suchen und keine finden. Die neoliberale Ideologie vom Konkurrenzkampf in der besten aller Welten dient nun auch dazu, das allgemeine Risiko (in einer kapitalistischen Gesellschaft zu leben) dem Individuum aufzubürden. Die Idee der „gesunden Konkurrenz“ flankiert nicht mehr nur zur Produkionssteigerung in Betrieb und Büro, sondern auch Lohnsenkung und Entrechtung. Das „Modul 3“ der Kommission befasst sich mit den Regelungen der Zumutbarkeit bei der Vermittlung in neue Abhängigkeitsverhältnisse. Es geht dabei in erster Linie darum, persönliche Widerstände der Erwerbslosen zu überwinden. Dies soll durch die Verschärfung des unmittelbaren wirtschaftlichen und administrativen Drucks bewerkstelligt werden. So wird zum einen die Beweislast umgekehrt: Erwerbslose müssen nun dem Amt darlegen, dass ein Angebot unzumutbar ist. Zum zweiten wird dies durch eine Reihe von Änderungen allerdings schier unmöglich gemacht!

Eine Pflicht zur Mobilität – umschrieben als „Eigenleistung“ – wird allen Erwerbslosen auferlegt: Pendeln oder gar ein Umzug im Gebiet der BRD oder EU wird nach drei Monaten Arbeitslosigkeit von jungen und ledigen, nach sechs Monaten auch von familiär gebundenen Erwerbslosen gefordert. Es gilt: für einen (auch befristeten) Vollzeitarbeitsplatz ist eine Trennung des Haushalts generell zumutbar. Selbst für Teilzeitarbeit soll diese Regelung gelten, solange der erwartete Gesamtlohn die Umzugskosten übersteigt. So wird der Umzug einer alleinerziehenden Frau von Gera nach Leipzig bald keine Ausnahmeerscheinung, sondern staatlich erzwungene Normalität sein.

Unter „Mitwirkung“ verstehen wir in Zukunft die unverzügliche Meldung beim Amt, sobald eine Kündigung ausgesprochen ist … andernfalls drohen Abzüge beim Arbeitslosengeld. Und wer „Glück“ hat, wird von dort gleich weitervermittelt in eine Zeitarbeitsfirma (PSA): als zumutbar gilt vom ersten Tag an ein um 20 Prozent verminderter Lohn. Das verschärfte Vorgehen gegen Langzeitarbeitslosigkeit will es, dass nach zwölf Wochen schon ein Lohnabschlag von 30 Prozent, und nach einem halben Jahr eine Entlohnung in Höhe des Arbeitslosengeldes hingenommen werden sollen. Wer sich im Sinne der „Mitwirkung“ oder „Eigenleistung“ nicht kooperativ zeigt, wird mit Sperrzeiten und dauerhaften (!) Kürzungen bedroht, die schnell an die Existenz gehen.

Als generell zumutbar gilt dementsprechend auch die Vermittlung in Personal-Service-Agenturen und Zeitarbeitsfirmen (siehe Kasten), Unterqualifizierung und Neuerschließung von Berufsfeldern sind nicht ausgeschlossen. Affront sondergleichen aber – und hier zeigt sich deutlich, wo der Sozialstaat steht – ist eine kleine Klausel: führen „verhaltens- oder personenbedingte Gründe“ in der PSA zur Kündigung, folgt dem eine Kürzung oder gar Sperre des Arbeitslosengeldes! Viel Phantasie ist nicht nötig, um sich auszumalen, wie Arbeit„geber“ auf Lohnforderungen, Auffälligkeiten oder auch gewerkschaftliches Engagement reagieren werden. Überhaupt zielt das gesamte Konzept nicht nur auf eine allgemeine Senkung des Lohnniveaus, sondern auch auf das Brechen des Individuums – klar, ohne Willen. gibt es auch keine Forderungen und keine Widerstände mehr.

Insgesamt zeigt sich eine nicht geringe Widersprüchlichkeit: einerseits werden „Eigenleistungen“ und Engagement bei der Arbeitssuche verlangt, als handele es sich dabei um ein besonders rares Gut und allgemeines Ideal; andererseits werden harsche Sanktionen angedroht für den Fall, dass jemand nicht nach Lohnarbeit strebe. Von einer Freiheit der Berufswahl ist kein Wörtchen mehr zu lesen …

Nun ist der gefängnisartige Charakter des Lohnsystems keine Neuerung eines VW-Managers. Der Hartz-Kommission verdanken wir nur, dass Zwänge uns weniger geschminkt vor Augen treten. Die Regierung und ihre „Experten“ glauben wohl, dass wir uns dies bieten – und uns einschüchtern lassen. Nur wenn wir verängstigt sind, uns nicht zu rühren wagen, kann das vorgeschlagene Konzept „Erfolg“ haben. Wollen wir dem etwas entgegen setzen, müssen wir unsere Isolierung untereinander durchbrechen und über unsere Ängste sprechen … ohne wie das Kaninchen vor der Schlange zu erstarren. Denn gemeinsam können wir auch konkrete Zwangsmaßnahmen abwehren … Solidarity forever!

A.E.

Denkbar wäre zum Beispiel auch folgendes Szenario:

Anja Schmidt , 25 Jahre, Fleischverkäuferin, 1000 Euro Nettolohn, wird zum 31. Januar 2004 von ihrem Kaufhaus entlassen. Sie muss sich am Tag, an dem sie ihre Kündigung bekommen hat beim Arbeitsamt melden, meldet sie sich erst später muss sie nach den neuen Hartz-Gesetzen mit einer Kürzung ihres Geldes rechnen.

Anja Schmidt erhält ein Arbeitslosengeld von 610 Euro. Das JobCenter (vormals Arbeitsamt) steckt sie nach einem Monat in eine Leiharbeitsfirma, umgetauft in „PSA“. Die wird von der bekannten und beliebten Firma Randstadt betrieben.

Die PSA verleiht sie sofort zurück an ihr Kaufhaus. Das ist jetzt erlaubt. Sechs Wochen muss sie zur Probe für ihr Arbeitslosengeld arbeiten. Danach macht sie ihren alten Job für 800 Euro, also 20% weniger. Diesen Tarif hat ver.di mit Randstadt gemacht. Da ihre Warmmiete 400 Euro beträgt bleiben ihr zum süßen Leben noch 400 Euro übrig.

Anja Schmidt ist empört. Doch das JobCenter droht ihr mit 12 Wochen Sperrzeit, wenn sie die Leiharbeit nicht annimmt.

Hänschen-klein, Jägerlein, lass das Schießen endlich sein!

Schon mal gefragt, warum der Militarismus wie ein Schatten durch unsere sozialen Netzwerke wandelt? Sind die Artefakte des Schrotthändlers wirklich so unwiderstehlich oder ist die Jugend einfach unfähig, vom Alter zu lernen? Stichwort: Traditionspflege. Frage: Wenn sich jährlich zu Pfingsten Reservisten aus Reichswehr, Wehrmacht und Bundeswehr im bayrischen Mittenwald versammeln, um über die guten alten Zeiten zu plaudern, ist …? Ist das das Treffen des „Kameradenkreises der Gebirgstruppe“ (KdG), zu dem immerhin mehrere tausend junge und alte Militaris pilgern. Um bei Tee und Kuchen gemeinsame Tradition zu pflegen. Kultobjekt: Im Allgemeinen die Gebirgsarmee und im Besonderen die 49. Gebirgsarmee der Wehrmacht. Die hat zwar ’ne Menge Dreck am Stecken, aber wen interessiert´s? Hauptsache die Waffen glänzen, das Hemd sitzt gerade und die Orden blinken. Ausflüge gibt´s auch: Zum Beispiel mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Dann pilgert mann über die alten Kriegspfade, sammelt hier und da ein paar Knochen toter Kameraden und summt die ewig gleichen Lieder … Ich hör ja schon auf. Wehret dem Schatten!

Was tut der Staat? Ermitteln.

Der Arbeitskreis „angreifbare Traditionspflege“? Zum diesjährigen Treffen am 7. u. 8. Juni Aktionen, Demonstration und Hearings veranstalten, wobei auch Vertreter des griechischen Nationalrats der Opferverbände und Militärhistoriker mitwirken sollen.

Und Du?

Noch ein Tipp: über angreifbare.tradition@freenet.de findest Du Genaueres zu Terminen, Treffpunkten. Ideen und Aktionen. Siehe auch: www.linkeseite.de/Texte/antifatexte/1444.htm

Aktion

Berlinale Friedensdemo

„500.000 Teilnehmerinnen“ – eine runde Sache, die Medien waren sich einig. Wer am 15.02. unter den Linden war, weiß wie unvorstellbar diese Zahl ist und dennoch keine Rolle spielte, im vierfachen Sinne:

1. Weil eine eintägig-eindimensionale Massendemonstration ohne soziale Breitenwirkung schlimmstenfalls überhaupt keine Wirkung auf politische Entscheidungen ausübt, tendenziell immer zu klein ist …

2. Weil jeder Einzelne in einer Massendemonstration oft nur dabei ist. an ihrem Gehalt als Ganzem nicht notwendig teilhat. weder Anfang, Ende noch Dynamik und Verlauf der Demo im Gesamten kennt. Die Wahrnehmung des Einzelnen ist hier immer partiell und lokal …

3. Weil viele Demonstranten diese lokale Position und partielle Teilhabemöglichkeit nicht produktiv nutzen, durch kreative Aktionen eben jenen Gehalt durch den konkret eigenen zu bereichern und dadurch soziale Wirkung zu entfalten …

4. Und weil die Berliner Friedensdemonstration als Einmal-Spektakel, die Idee des friedlichen Miteinanders zu feiern, eher an einen Trauermarsch zu Ehren eines totgeglaubten Idealismus erinnerte …

Ich frage mich also, warum an diesem weltweiten Aktionstag Zahlen eine so große Rolle spielten, obwohl sie keinerlei Relevanz hatten und haben, warum massenhafte Versammlung immer gleich massenhaft Druck bedeuten soll, und warum der/die demokratische Demonstrant/in scheinbar nicht begreift, dass es nicht nur gilt, seinen Idealismus plakativ zu demonstrieren, sondern vor allen Dingen, ihn auch zu leben!

clov

Vom Krieg, der Raumfahrt und den Bildern

oder: Zum Schluss wird abgerechnet!

Gerade bevor das Bier zur Neige ging, 1:0 in der neunzigsten Minute. St. Pauli hat´s nochmal geschafft. Schlecht gespielt, aber egal, Hauptsache die drei Punkte. Da gehen die 20.00 Uhr Nachrichten doch gleich viel leichter runter. Paramilitärische Auseinandersetzungen in Columbien, Massenpanik in Chicago, Kinderpornoringskandal in ‚Hinterwaldungen‘, Bürgerkriege in Afrika, Hubschraubereinsatz in Tschetschenien, blutige Demonstrationen in China, und zu allem Überfluss noch Erdbeben im dicht besiedelten Japan, Flut und Hunger in Bangladesch, schließlich nicht zu vergessen, Mordattentate auf Zivilisten in Israel, Räumkommandos im Westjordanland und die tägliche Truppenverlegung an den Golf. Gut das St. Pauli doch noch gewonnen hat. Und die Nicht-St.-Pauli-Fans? Die können ja anschließend den neuen Superstar der Unterhaltungsindustrie in d-Mohl beäugen. Spätestens danach ist St.-Pauli-Fan oder nicht wieder aufnahmefähig, um noch einmal beim Scheitern des letzten Raumfahrtprojektes hautnah dabei zu sein, den Tod der sieben Gardeoffiziere zu betrauern und sich gemeinsam mit den Experten zu fragen, wie das passieren konnte. Nach Siegesgefühl, Ohnmacht, empfundenen Glücksversprechen und der Trauer um einen vom Scheitern bedrohten Traum ist dann auch jeder Nicht-Fußballfan reif für die Koje und ein wenig froh, der medialen Dauerbeschallung zumindest im Schlaf entronnen zu sein. Der jedoch verläuft sehr unruhig. Die Bilder wirken nach. Kann Pauli die Klasse halten? Sind die Amerikaner Schuld an allem, oder transnationale Unternehmen? Ach gegen das Walten von Mutter Natur ist eh kein Kraut gewachsen! Und die Glückschance im Fernsehen ist auch nicht wirklich echt, wer will sich schon vom Bohlen beleidigen oder anbaggern lassen? Aber das mit dem Spaceshuttle ist wirklich schade, denn wer wollte nicht die Erde einmal als Ganzes erblicken! Wie hieß der eine doch gleich? Auch egal, werd eh nicht in die Gelegenheit geraten, steht ja auch alles erst am Anfang! Während sich die Träumer durch die Nacht wälzen, müssen sie feststellen, dass für sie kein Platz ist in der Startelf von St. Pauli, ihnen kein Weg in den Sinn kommt, die Konflikte in der Welt zu beheben, sie niemanden retten können, nie „groß rauskommen“ und der Traum von der Eroberung des Weltalls doch nicht der ihre ist. Oh welch segenreiche Unterhaltung in der Abendglut der Freizeit, global, virtuell und universal. Wieviel leichter fällt da das alltägliche Aufstehen, zur Arbeit gehen, produktiv sein, einen Platz haben. Hier ist alles so lokal, real und partiell, dass mensch schon fast wieder an die Möglichkeiten seiner Selbstverwirklichung zu glauben beginnt. Was ist es doch für ein Glück, dass ich Arbeit habe, so anstrengend ist sie ja auch nicht. Was für ein Glück, dass mich mein Boss mag und die Familie ja auch. Was für ein Glück, auf befriedetem Territorium zu leben, ein paar Freunde zu haben und den Supermarkt um die Ecke. Nachher hol´ ich mir noch ein, zwei Bier, dann in die Wanne und heute Abend spielt St. Pauli ja auch noch im Pokal, live im Fernsehen.

Und dann: 0:1 verloren. Ausgeschieden. Gut gespielt. Tja, das Glück ist eben doch schicksalsbehaftet. Kommt und geht, wie beim Fußball, Kriegen, Stars und der Forschung. Man hat´s eben nicht in der Hand. Is´ ja auf Arbeit und im Alltag genauso. Man hat Glück oder keins. Zufall, sonst nichts. Da kann man nichts machen.

Oh Elend, gegen soviel Pessimismus in Alltag und Freizeit wage einer, den Wahlspruch der Aufklärung im Munde zu führen: Sapere aude! Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen! Aber was kann mensch schon machen? … angesichts der schicksalshaften Bewegung der Welt? … die doch das Glück nur dem Zufall gemäß verstreut? Ich meine, anfangen sie nach eigenem Bilde zu verändern!

clov

FAU gegen BZA & DGB

Auf einen Überraschungseffekt konnte das „Rhein-Main-Bündnis“-Aktionsbündnis gegen die „Arbeitsmarktreform“, an dem sich auch die lokalen Gruppen der Freien ArbeiterInnen Union (FAU) beteiligen sicher bauen als sie sich am 6. Februar in Frankfurt versammelten.

Seit dem 30. Januar befinden sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Bundesverband Zeitarbeit (BZA) in Tarifverhandlungen. Warum der ganze Terz? Die ,,Gewerkschaften [verhandeln], obwohl sie gar nicht müssten. Denn das Gesetz garantiert bereits, dass Zeitarbeiter in den Entleihbetrieben so wie ihre fest angestellten Kollegen bezahlt werden.“ (SZ, 15.2.03) Aber die ungesicherten Verhältnisse der Zeitarbeit machen sich erst recht bezahlt, wenn der Lohn für Zeitarbeiterinnen deutlich unter denen der fest Angestellten liegen. Dies sicherte „Super-Minister“ Clement, wohl wissend um den guten Draht zwischen SPD und DGB, bereits im November zu: 20 Prozent Lohnschere! Die zwangsverpflichteteten Erwerbslosen werden so zu LohndrückerInnen wider Willen. Eine weitere Variante entdeckte jüngst die Telekom: die Stammbelegschaft in Bonn wird entlassen und in die firmeneigene Agentur vermittelt, von dort werden sie direkt an ihre alten Arbeitsplätze entliehen – freilich zu geringerem Lohn.

Gegen diese massiven Verschlechterungen richten sich die Aktionen der verschiedenen Hartz-Bündnisse und der FAU. Durch gemeinsame Aktionen soll der DGB-Apparat unter Druck gesetzt werden. Seit Ende Januar kommt es immer wieder zu Protesten, unter anderem in Berlin, Hamburg, Hannover und … Frankfurt.

Dort wurden am 6.2. kurzzeitig die Räume der „jobs in time“-AG besetzt. Deren Geschäftsführer nämlich führt für die BZA die Tarifverhandlungen – diese wurden dann aufgrund der unerwarteten Probleme für Stunden unterbrochen. Eine direkte Aktion wirkt besser als tausend Worte.

A.E.

Hartz-Gesetze

Kurz & bündig

Streik im Kriegsfall!

Der Personalrat im Uniklinikum Tübingen hat beschlossen, im Falle eines Angriffs der USA auf den Irak, zu einer halbstündigen Arbeitsniederlegung aufzurufen. Es wurde kritisiert, die Bundesregierung beteilige sich de facto z.B. durch die Gewährung von Überflugrechten am Irak-Krieg. Es sei nicht unproblematisch, Verletzte des Militärs zu versorgen, während sich die Zivilbevölkerung im Irak nicht in gleichem Maße auf humanitäre Hilfe der Bundesregierung verlassen kann. Der Personalratsvorsitzende: „Wenn so ein Krieg vom Zaun gebrochen wird, muss man sich auch mal über geltendes Recht hinwegsetzen.“ Das sieht er ganz richtig, allerdings sollte auch weniger als ein Krieg ausreichen, um sich über von oben Gesetztes hinwegzusetzen. Schade nur, dass die Pause so kurz ist und dass diese Entscheidung „nur“ von einem Führungsgremium getroffen wurde und nicht von allen Angestellten und Patienten.

www.linkeseite.de

Keine Wahl!

Zwischen den Wahlen, reden die Parteien gerne über „die Mehrheit der Bevölkerung“. Was aber, wenn keine Partei bei der Wahl die Mehrheit erhält? Dann wären doch eigentlich alle abgewählt, oder? In Hessen erreichte die Wahlbeteiligung mit 64,6 Prozent ein Rekordtief. 35,4% enthielten sich jeder Parteinahme – und das ist, zwar nicht die Mehrheit, doch der größte Teil – würden die Nichtwählerstimmen ernst genommen und im Parlament die entsprechenden Sitze leer bleiben, bildeten sie die stärkste ‚Fraktion‘. Und das ist hoffentlich erst der Anfang.

wahlmagazin.hr-online.de/

Nachsitzen im Gefängnis?

Mindestens sechs Studenten aus dem Nahen Osten wurden zehn Tage in Colorado festgehalten, weil sie an zu wenigen Unikursen teilgenommen hatten. Die Studenten wurden verhaftet, als sie die Immigrationsbehörde aufsuchten, um sich den verschärften Regelungen zufolge registrieren zu lassen. Sie wurden erst freigelassen, als sie eine Kaution von 5000 Dollar hinterlegen konnten. Die Anklage: Sie hatten sich für Kurse eingeschrieben, die weniger als die geforderten 12 Wochenstunden belegten. Nach Auskunft der Einwanderungsbehörde stellt die Unterbelegung eine Verletzung der Rechte im Zusammenhang mit der Erteilung von Studentenvisa dar. Andere Delikte wurden den Studenten nicht vorgeworfen. Ein Student wurde ins Gefängnis gesperrt, weil er eine Stunde weniger als gefordert belegte, obwohl er von der Universität dazu die Erlaubnis bekam. Endlich eine wirksame Methode gegen LangzeitstudentInnen? In Knast soll es ja auch ganz gute Bibliotheken geben…

www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/13871/1.html

Weniger kranke Arbeiterinnen?

Laut dem Bundesgesundheitsministerium, ist die Zahl der Krankmeldungen 2002 auf den niedrigsten Stand seit mehr als 30 Jahren gefallen. Die Arbeitnehmerinnen, fehlten durchschnittlich 4,01 Prozent der Arbeitszeit wegen Krankheit. Das entspreche neun Arbeitstagen. Der Krankenstand hatte bis Mitte der 90er bei ca. 5 Prozent gelegen. 2001 lag die krankheitsbedingte Fehlzeit noch bei 4,19 Prozent. Ein Betroffener kommentierte die Meldung so: „Das ist ja bitter. Ich hatte in meinem letzten Job 72,5 Krankheitstage im Jahr. Das war ein gutes Drittel, trotzdem hat der Job genervt und war kaum auszuhalten.“ Bleiben Sie gesund und halten Sie sich von zu viel Arbeit fern!

Hamburger Sozialbehörden in USA vor Gericht?

Nach Ansicht der Gruppe Class Action bietet die Gesetzgebung der USA eine Rechtsgrundlage, um die Sozialbehörden der Stadt Hamburg mit einer Sammelklage vor Gericht zu bringen. Denn die Misshandlung der Leistungsempfänger komme der Folter nahe. Der Antrag des krebskranken Jörg W. auf einen neuen Kühlschrank (u.a. benötigt zur Kühlung seiner Medikamente) sei so beantwortet worden: „Stellen Sie sich mal nicht so an, Sie Weichei! Dann legen Sie die Medikamente eben auf den Balkon.“ Nicht die Ausnahme, sondern die Regel sei es, dass Anträge jahrelang verschleppt würden und Rechtsschutz für Sozialhilfeempfänger sei hierzulande nahezu inexistent. Sozialhilfe sei längst nicht mehr Existenzsicherung per Rechtsanspruch, sondern Instrument staatlicher Verfolgung. Na dann, viel Glück, aber erfahrungsgemäß hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus, wirksamer und schneller würden wahrscheinlich gemeinschaftliche Aktionen wirken…

www4.1aw.cornell.edu/uscode/28/1350.html

Ich-AG Berlin

Die dpa meldet Mitte Februar, dass die Ich-AG erstmals breitere Umsetzung finden soll: bei der Berliner Verkehrsgesellschaft. Der erste Vorstoß eines kommunalen Unternehmens in diese Richtung die bisher angestellten BusfahrerInnen sollen die Busse kaufen und dann im Auftrag der BVG die Linien eigenverantwortlich betreiben.

Auch wenn ob dieses Vorschlags von Vorstandschef Andres von Arnim ein allgemeines Kopfschütteln – es reichte von ver.di bis FDP – einsetzt, genau darauf zielt die neue Gewerbeform „Ich-AG“ (Modul 9, Hartz-Papier). Eine einfache Ausgliederung in Tochtergesellschaften (wie bei der LVB) reicht wohl nicht mehr. Demgegenüber bietet das Modell nach Modul 9 zahlreiche Vorteile: alle Sozialleistungen bezahlt die Ich-AG selbst, das wirtschaftliche Risiko trägt ebenfalls die Ich-AG, es gibt staatliche Subventionen und „eigenständige Unternehmen“ finden schwer zu kollektiven Kämpfen.

A.E.

Hartz-Gesetze