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Keine Scherze am 1. April…

Seit April werden die Personal-Service-Agenturen (PSA) bundesweit eingeführt Teils wird das Arbeitsamt selbst diese Funktion übernehmen, teils werden (so im Arbeitsamtsbezirk vertreten) schon bestehende Zeitarbeitsfirmen ihr Arbeitskräftereservoir mit tariflich untertariflich bezahlten Erwerbslosen auffüllen können. In Leipzig übernimmt, Berichten der Financial Times Deutschland (3.4.03) zufolge, die Firma Manpower die Agentur. Für den 1. April war bundesweit zu einem Aktionstag aufgerufen worden.

In Hamburg versammelten sich vor dem Arbeitsamt etwa fünfzig Menschen bei einer Kundgebung. Zeitgleich brachte Radio Freies SendeKombinat eine Sendung zu Hartz und übertrug Berichte vom Geschehen. Eine Passantin erklärte, ihr sei soeben die Leistung gesperrt worden, und dass es schwer sei, Würde und Mut nicht zu verlieren.

Etwa zwei dutzend Frankfurter Mitglieder der FAU übten sich erneut in der Besetzung von Firmenfilialen. Mit dieser besonderen Art der Aufmerksamkeit wurden beide Zeitarbeitsverbände – die TEAM BS Betriebs-Service GmbH (Bundesverband Zeit-Arbeit, BZA) und die DEKRA Arbeit GmbH (InteressenGemeinschaft Zeitarbeit, iGZ) – bedacht. Beide Unternehmen hatten sich beim örtlichen Arbeitsamt um die Zulassung als offizielle PSA beworben. Die AnarchosyndikalistInnen forderten die Firmen auf, ihre Bewerbungen zurückzuziehen, und kündigten Widerstand gegen die misslichen Tarifverträge (FA! #5) an. Diese untergraben die gesetzlich vorgesehene gleiche Entlohnung von Zeitarbeiterinnen und Stammbelegschaft um 20 Prozent! So wendet sich das Hartz-Konzept nicht nur gegen Erwerbslose, sondern auch gegen Erwerbstätige.

In Berlin fanden sich vor dem Arbeitsamt Nord (Stadtbezirk Wedding) circa 250 Menschen ein, um gegen das zweite Gesetzespaket zu protestieren. Nach der Auftaktkundgebung ging es in einer Demonstration weiter zu den Niederlassungen von Randstad und Adecco, und schließlich zum Sozialamt ‚Wedding Die aktuelle „Arbeitsmarktreform“ und das Lohnsystem generell wurden mit einer Sklavenversteigerung in Szene gesetzt.

Von Protesten und Aktionen in Leipzig ist hingegen noch nichts bekannt geworden. Sind die versprochenen ,,blühenden Landschaften“ etwa letzter Rettungsring vor dem Verzweifeln im hier und jetzt?!

A.E.

Hartz-Gesetze

Bildung an der Börse

AZWP. Das Ausbildungszeitwertpapier, dessen Umsetzung noch aussteht, kann bei noch einzurichtenden gemeinnützigen Stiftungen erworben werden. Das Geld aus Omas Sparstrumpf landet so in einem Fonds, der sich außerdem noch aus Zuschüssen des Arbeitsamts sowie Kostenanteilen der Ausbildungsbetriebe speist. Wird eine Ausbildung oder Studium begonnen, lösen die jugendlichen Inhaberinnen der AZWP ihren Anspruch bei der Stiftung ein … das Geld erhält der Ausbilder. Der Anteil der AZWP-finanzierten Ausbildungsplätze soll maximal 50 Prozent aller Ausbildungsplätze betragen. Doch noch ist nicht aller Tage Abend – es mag nämlich in absehbarer Zeit, vielleicht nach der nächsten Wahl? – eine „Offensive“ ins Haus stehen, wie sie dieses Jahr in Leipzig erprobt wird: Unternehmen und Wirtschaftsverbände sind aufgerufen, „deregulierungsbedürftige“ Vorschriften und Gesetze konkret zu benennen. Die ermittelten Problemfelder werden dann den zuständigen Stellen vorgelegt …

A.E.

Hartz-Gesetze

Hartz bleibt Hartz

Das zweite Gesetzespaket ist kein Aprilscherz. Und auch wenn sich Dr. Hartz über den Zeitarbeit-Tarifvertrag mokiert, Hartz bleibt Hartz. Warum? Dazu im folgenden.

Die „Arbeitsmarktreform” ist noch nicht komplett, auch nachdem am 1. April das zweite Gesetzespaket in Kraft getreten ist. (Damit werden folgende Maßnahmen eingeführt: PSAen, „Ich-AG“s und „MiniJobs“.) Auf Bundesebene werden neue Vorschläge gemacht, so soll der Bezug des beitragsfinanzierten Arbeitslosengeldes erheblich, nämlich von 32 auf zwölf Monate reduziert werden. Der Gesetzesentwurf war zu Redaktionsschluss zwar noch nicht auf dem Tisch, die Frankfurter Rundschau (30.3.03) berichtete jedoch vorab, die Regelung sei für 2004 vorgesehen und solle nach einer Übergangsfrist ab 2006 volle Wirksamkeit erlangen – das Arbeitsamt will so jährlich mindestens zehn Milliarden Euro einsparen. Da können und wollen die Kommunen nicht hintan stehen. Im Zuge der Gemeindefinanzreform, die noch im ersten Halbjahr 2003 umgesetzt werden soll, stellen sich „Experten“ wie der Staatssekretär Anzinger die Sanktionierung bei einer Weigerung der Arbeitsaufnahme (zur neuen Zumutbarkeit, siehe FA! #5) die Kürzung der Bezüge um 30 (!) Prozent vor. Zugleich sollen „Kommunale Beschäftigungsagenturen“ sicherstellen, dass besonders jugendliche Erwerbslose – 6.500 in Leipzig (Sept. 2002) – einen geregelten Tagesablauf haben. Dies könnte durchaus die Gestalt der „Hamburger Arbeit“ (HAB) annehmen. Dort kann zusätzlich zum Arbeitslosengeld gearbeitet werden, für einen Euro die Stunde! Billiger ist die Arbeitskraft wohl nur noch im Knast zu haben. Allerdings sind deutliche Angleichungstendenzen zu beobachten, ist doch durch das Damoklesschwert der Kürzung, gleichsam durch die Hintertür, ein Arbeitszwang eingeführt – nur eben nicht materieller Gestalt (Gitterstäbe). Daher bleibt auch skeptisch abzuwarten, auf wieviel „Freiwilligkeit“ das Projekt „JobChancen“, eine Kooperation der Stadt Leipzig und unter anderem der Leiharbeitsfirma Randstad, basieren wird Die Andeutungen, dass man „die dort gemachten Erfahrungen für die Umsetzung der PSA nutzen“ wolle, lässt auf nichts Gutes schließen, sind Personal-Service-Agenturen (PSA, siehe FA! #4 & #5) doch „das Herzstück der Reform“. Ebenfalls neu: Arbeitslosen- und Sozialhilfe werden eins (nämlich: Arbeitslosengeld II), der Regelsatz soll bei 292 Euro monatlich liegen. Davon wären, laut Financial Times Deutschland (2.4.03), etwa 2,5 Millionen Erwerbslose betroffen. Bundesbankpräsident Welteke verdeutlichte: „Für Arbeitnehmer muss es wieder attraktiv werden, niedrig entlohnte Jobs anzunehmen.“ Anders formuliert: Finden sich auf dem „freien Markt“ nicht genügend Menschen, die miese Bedingungen akzeptieren, muss der Staat eben nachhelfen, setzt er doch mit Sozialausgaben einen gewissen Mindestlohn fest.

Leipziger Innovationen

Die im September 2001 gegründete städtische Personelle Unterstützung von Unternehmen Leipzig (PUUL) GmbH zielt in die gleiche Richtung. Sie „übernimmt dabei die Aufgabe, Unterschiede zwischen dem Bedarf und Anforderungen von Arbeitgebern an ihre Arbeitskräfte sowie dem Angebot und der Qualifizierung der Arbeitnehmer auszugleichen.“ Dies stellt klar eine indirekte Subventionierung privater Unternehmen dar: die Kosten der Ausbildung sind vergesellschaftet, von einer Gewinnbeteiligung im Gegenzug ist indes noch nichts bekannt geworden.

Dieses Muster der PUUL GmbH wird zu allem Überfluss seit diesem Jahr mit JOBIMPUULS auf Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ausgeweitet. Auch in den Zeilen des Hartz-Kommissionsberichts findet sich – dank Kommissionsmitglied OBM Tiefensee? – dieser Ansatz, den Unternehmen die Kosten der Ausbildung abzunehmen: Ausbildungszeitwertpapier (siehe S. 2). Ganz direkt hingegen agiert das städtische Amt für Wirtschaftsförderung. Ihm stehen für dieses Jahr 200.000 Euro zur „Sicherung strukturbedeutsamer Arbeitsplätze“ und „zur Unterstützung expandierender Unternehmen“ zur Verfügung. Auf diese Weise sollen 40 Arbeitsplätze erhalten oder geschaffen werden – 5000 Euro pro Kopf und Jahr in der Tretmühle. Die neuerlichen Vorschläge aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums und die Praxis der Stadt Leipzig machen deutlich, dass es sich bei der „Arbeitsmarktreform“ nicht um die Bekämpfung der Erwerbslosigkeit handelt, sondern um die Rücknahme bisher gewährter Standards und die finanzielle Unterstützung privater Unternehmen. Deutlich wird damit auch, dass es sich vor allem um ein Problem handelt menschliche Arbeitskraft kann aufgrund der Maschinisierung nicht mehr umfassend ausreichend rentabel in den Produktionsprozess eingebunden werden. So kommt der kapitalistische Wirtschaftskreislauf ins Stocken. Das ist insofern unser Problem als wir die Misere in städtischen Arbeitshäusern ausbaden dürfen.

Dass solche „Neuerungen“ von Parteifreunden wie dem Thüringer Ministerpräsidenten Vogel gleich wieder kassiert werden, zeigt nur, dass sie zwar wissen, was zu tun ist, sich aber nicht trauen – daraus resultiert der vielbeschworene „Reformstau“.

Der einzige Ausweg, der uns von staatlich-städtischer Seite „angeboten“ wird, ist, Marktlücken zu schließen, unsere Kreativität der Ordnung zu widmen, die uns außer schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen nichts zu bieten hat – und noch nie hatte! In Leipzig soll dazu alljährlich ein „Ideen- und Innovationswettbewerb für Projekte zeitweiser Arbeitskräftenachfrage“ veranstaltet werden – Olympia gehört zweifelsfrei zum Kreis dieser Projekte.

A.E.

Hartz-Gesetze

Das Kaninchen und die Schlange

Die klare Gliederung des Hartz-Papiers in dreizehn „ Module“ erleichtert Einzelbetrachtungen erheblich – dafür gebührt der Kommission unser Dank als ZeitungsmacherInnen. Im folgenden nehmen wir das „Modul 3“ unter die Lupe…

Leistung für Leistung, so soll nach den Entwürfen der Hartz-Kommission und dem Willen der de facto SPD/Grüne/CDU/FDP-Regierung der neue Sozialstaat aussehen. Nicht, dass der alte so toll gewesen wär´, aber der „neue“ ist eine größere Zumutung – nicht nur für jene, die (Lohn-) Arbeit suchen und keine finden. Die neoliberale Ideologie vom Konkurrenzkampf in der besten aller Welten dient nun auch dazu, das allgemeine Risiko (in einer kapitalistischen Gesellschaft zu leben) dem Individuum aufzubürden. Die Idee der „gesunden Konkurrenz“ flankiert nicht mehr nur zur Produkionssteigerung in Betrieb und Büro, sondern auch Lohnsenkung und Entrechtung. Das „Modul 3“ der Kommission befasst sich mit den Regelungen der Zumutbarkeit bei der Vermittlung in neue Abhängigkeitsverhältnisse. Es geht dabei in erster Linie darum, persönliche Widerstände der Erwerbslosen zu überwinden. Dies soll durch die Verschärfung des unmittelbaren wirtschaftlichen und administrativen Drucks bewerkstelligt werden. So wird zum einen die Beweislast umgekehrt: Erwerbslose müssen nun dem Amt darlegen, dass ein Angebot unzumutbar ist. Zum zweiten wird dies durch eine Reihe von Änderungen allerdings schier unmöglich gemacht!

Eine Pflicht zur Mobilität – umschrieben als „Eigenleistung“ – wird allen Erwerbslosen auferlegt: Pendeln oder gar ein Umzug im Gebiet der BRD oder EU wird nach drei Monaten Arbeitslosigkeit von jungen und ledigen, nach sechs Monaten auch von familiär gebundenen Erwerbslosen gefordert. Es gilt: für einen (auch befristeten) Vollzeitarbeitsplatz ist eine Trennung des Haushalts generell zumutbar. Selbst für Teilzeitarbeit soll diese Regelung gelten, solange der erwartete Gesamtlohn die Umzugskosten übersteigt. So wird der Umzug einer alleinerziehenden Frau von Gera nach Leipzig bald keine Ausnahmeerscheinung, sondern staatlich erzwungene Normalität sein.

Unter „Mitwirkung“ verstehen wir in Zukunft die unverzügliche Meldung beim Amt, sobald eine Kündigung ausgesprochen ist … andernfalls drohen Abzüge beim Arbeitslosengeld. Und wer „Glück“ hat, wird von dort gleich weitervermittelt in eine Zeitarbeitsfirma (PSA): als zumutbar gilt vom ersten Tag an ein um 20 Prozent verminderter Lohn. Das verschärfte Vorgehen gegen Langzeitarbeitslosigkeit will es, dass nach zwölf Wochen schon ein Lohnabschlag von 30 Prozent, und nach einem halben Jahr eine Entlohnung in Höhe des Arbeitslosengeldes hingenommen werden sollen. Wer sich im Sinne der „Mitwirkung“ oder „Eigenleistung“ nicht kooperativ zeigt, wird mit Sperrzeiten und dauerhaften (!) Kürzungen bedroht, die schnell an die Existenz gehen.

Als generell zumutbar gilt dementsprechend auch die Vermittlung in Personal-Service-Agenturen und Zeitarbeitsfirmen (siehe Kasten), Unterqualifizierung und Neuerschließung von Berufsfeldern sind nicht ausgeschlossen. Affront sondergleichen aber – und hier zeigt sich deutlich, wo der Sozialstaat steht – ist eine kleine Klausel: führen „verhaltens- oder personenbedingte Gründe“ in der PSA zur Kündigung, folgt dem eine Kürzung oder gar Sperre des Arbeitslosengeldes! Viel Phantasie ist nicht nötig, um sich auszumalen, wie Arbeit„geber“ auf Lohnforderungen, Auffälligkeiten oder auch gewerkschaftliches Engagement reagieren werden. Überhaupt zielt das gesamte Konzept nicht nur auf eine allgemeine Senkung des Lohnniveaus, sondern auch auf das Brechen des Individuums – klar, ohne Willen. gibt es auch keine Forderungen und keine Widerstände mehr.

Insgesamt zeigt sich eine nicht geringe Widersprüchlichkeit: einerseits werden „Eigenleistungen“ und Engagement bei der Arbeitssuche verlangt, als handele es sich dabei um ein besonders rares Gut und allgemeines Ideal; andererseits werden harsche Sanktionen angedroht für den Fall, dass jemand nicht nach Lohnarbeit strebe. Von einer Freiheit der Berufswahl ist kein Wörtchen mehr zu lesen …

Nun ist der gefängnisartige Charakter des Lohnsystems keine Neuerung eines VW-Managers. Der Hartz-Kommission verdanken wir nur, dass Zwänge uns weniger geschminkt vor Augen treten. Die Regierung und ihre „Experten“ glauben wohl, dass wir uns dies bieten – und uns einschüchtern lassen. Nur wenn wir verängstigt sind, uns nicht zu rühren wagen, kann das vorgeschlagene Konzept „Erfolg“ haben. Wollen wir dem etwas entgegen setzen, müssen wir unsere Isolierung untereinander durchbrechen und über unsere Ängste sprechen … ohne wie das Kaninchen vor der Schlange zu erstarren. Denn gemeinsam können wir auch konkrete Zwangsmaßnahmen abwehren … Solidarity forever!

A.E.

Denkbar wäre zum Beispiel auch folgendes Szenario:

Anja Schmidt , 25 Jahre, Fleischverkäuferin, 1000 Euro Nettolohn, wird zum 31. Januar 2004 von ihrem Kaufhaus entlassen. Sie muss sich am Tag, an dem sie ihre Kündigung bekommen hat beim Arbeitsamt melden, meldet sie sich erst später muss sie nach den neuen Hartz-Gesetzen mit einer Kürzung ihres Geldes rechnen.

Anja Schmidt erhält ein Arbeitslosengeld von 610 Euro. Das JobCenter (vormals Arbeitsamt) steckt sie nach einem Monat in eine Leiharbeitsfirma, umgetauft in „PSA“. Die wird von der bekannten und beliebten Firma Randstadt betrieben.

Die PSA verleiht sie sofort zurück an ihr Kaufhaus. Das ist jetzt erlaubt. Sechs Wochen muss sie zur Probe für ihr Arbeitslosengeld arbeiten. Danach macht sie ihren alten Job für 800 Euro, also 20% weniger. Diesen Tarif hat ver.di mit Randstadt gemacht. Da ihre Warmmiete 400 Euro beträgt bleiben ihr zum süßen Leben noch 400 Euro übrig.

Anja Schmidt ist empört. Doch das JobCenter droht ihr mit 12 Wochen Sperrzeit, wenn sie die Leiharbeit nicht annimmt.

FAU gegen BZA & DGB

Auf einen Überraschungseffekt konnte das „Rhein-Main-Bündnis“-Aktionsbündnis gegen die „Arbeitsmarktreform“, an dem sich auch die lokalen Gruppen der Freien ArbeiterInnen Union (FAU) beteiligen sicher bauen als sie sich am 6. Februar in Frankfurt versammelten.

Seit dem 30. Januar befinden sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Bundesverband Zeitarbeit (BZA) in Tarifverhandlungen. Warum der ganze Terz? Die ,,Gewerkschaften [verhandeln], obwohl sie gar nicht müssten. Denn das Gesetz garantiert bereits, dass Zeitarbeiter in den Entleihbetrieben so wie ihre fest angestellten Kollegen bezahlt werden.“ (SZ, 15.2.03) Aber die ungesicherten Verhältnisse der Zeitarbeit machen sich erst recht bezahlt, wenn der Lohn für Zeitarbeiterinnen deutlich unter denen der fest Angestellten liegen. Dies sicherte „Super-Minister“ Clement, wohl wissend um den guten Draht zwischen SPD und DGB, bereits im November zu: 20 Prozent Lohnschere! Die zwangsverpflichteteten Erwerbslosen werden so zu LohndrückerInnen wider Willen. Eine weitere Variante entdeckte jüngst die Telekom: die Stammbelegschaft in Bonn wird entlassen und in die firmeneigene Agentur vermittelt, von dort werden sie direkt an ihre alten Arbeitsplätze entliehen – freilich zu geringerem Lohn.

Gegen diese massiven Verschlechterungen richten sich die Aktionen der verschiedenen Hartz-Bündnisse und der FAU. Durch gemeinsame Aktionen soll der DGB-Apparat unter Druck gesetzt werden. Seit Ende Januar kommt es immer wieder zu Protesten, unter anderem in Berlin, Hamburg, Hannover und … Frankfurt.

Dort wurden am 6.2. kurzzeitig die Räume der „jobs in time“-AG besetzt. Deren Geschäftsführer nämlich führt für die BZA die Tarifverhandlungen – diese wurden dann aufgrund der unerwarteten Probleme für Stunden unterbrochen. Eine direkte Aktion wirkt besser als tausend Worte.

A.E.

Hartz-Gesetze

Ich-AG Berlin

Die dpa meldet Mitte Februar, dass die Ich-AG erstmals breitere Umsetzung finden soll: bei der Berliner Verkehrsgesellschaft. Der erste Vorstoß eines kommunalen Unternehmens in diese Richtung die bisher angestellten BusfahrerInnen sollen die Busse kaufen und dann im Auftrag der BVG die Linien eigenverantwortlich betreiben.

Auch wenn ob dieses Vorschlags von Vorstandschef Andres von Arnim ein allgemeines Kopfschütteln – es reichte von ver.di bis FDP – einsetzt, genau darauf zielt die neue Gewerbeform „Ich-AG“ (Modul 9, Hartz-Papier). Eine einfache Ausgliederung in Tochtergesellschaften (wie bei der LVB) reicht wohl nicht mehr. Demgegenüber bietet das Modell nach Modul 9 zahlreiche Vorteile: alle Sozialleistungen bezahlt die Ich-AG selbst, das wirtschaftliche Risiko trägt ebenfalls die Ich-AG, es gibt staatliche Subventionen und „eigenständige Unternehmen“ finden schwer zu kollektiven Kämpfen.

A.E.

Hartz-Gesetze

Feierabend! vorm Arbeitsamt

Für den 5. und 6. Februar 2003 war zu einem Tag der Erwerbslosen aufgerufen worden, werden da doch allmonatlich die aktuellen Arbeitslosenstatistiken verkündet. Für Feierabend! Grund genug, etwas engeren Kontakt zu suchen mit den zu allererst Betroffenen. Mit Militanten der FAU Leipzig fanden wir uns an einem sonnigen Morgen zum Frühstück zusammen, schließlich dauert es eine Weile, bis zehn Liter Wasser zum Kochen gebracht sind. Es sollte an diesem Tag Tee geben vor´m Arbeitsamt, ein Schwätzchen, und die Schwerpunktausgabe zu den neuen Hartz-Gesetzen. So reisten wir frohen Mutes in der Straßenbahn zum Ort des Geschehens.

Der Stand war fix aufgebaut, die FAU-L verteilte Flugblätter, in denen der DGB wegen der Tarifverhandlungen für ZeitarbeiterInnen scharf kritisiert wurde, und wir harrten der ersten Durstigen. Die meisten Menschen aber eilten an uns vorbei, gehetzt zum Termin mit dem „Schicksal“.

Nur mit zwei [sic!] Erwerbslosen kamen wir ins Gespräch, und mit dem Ordnungschef des Arbeitsamtes. Jene zeigten sich rat- und hoffnungslos, dieser verwies uns des Privatgeländes Arbeitsamt, Wie ausbrechen aus der Tretmühle, wie helfen …? Diese Fragen bleiben offen, aber wir werden sie weiterhin stellen!

A.E.

Hartz-Gesetze

Einsicht in die Notwendigkeit

Bereits in der Ausgabe #7 des Feierabend! wiesen wir auf die EU-Bildungsministerkonferenz hin, die vom 18.-19. September 2003 in Berlin stattfindet. Ziel und bisherige Vorgänge des „Bologna-Prozesses“, der auf der Konferenz weiter geplant wird, sollen im Folgenden erläutert werden.

Bologna. Das ist nicht nur die Stadt der wohl berühmtesten Spaghetti. In dieser Stadt nahmen im Juli 1999 auch die Vorstellungen von einem einheitlichen europäischen Hochschulraum erstmals Gestalt an. In einer Er­klärung (1) betonten die EU-Bildungsminister die Notwen­digkeit, den Rückstand auf die USA in Sachen Investitionen und Gaststudierender bis 2010 auf­zuholen. Die EU als größter Wirtschaftsraum der Erde (2) braucht auch einen gemeinsamen Hochschulraum – in dem „Wis­sen produziert“ wird.

Bisher beteiligen sich 33 Staaten und internationale Institutionen an dem Projekt – darunter befinden sich die EU-Staaten, die Beitrittsländer von 2004, die Staaten des Europarates und die EU-Kommission. Die Beteili­gung am Bologna-Prozess, der gern als „freie Vereinbarung“ dar­gestellt wird, ist nicht vertraglich geregelt und also nicht einklagbar – aber sie ist politisch bindend. Das Damokles-Schwert der Nie­derlage im internationalen Wett­bewerb erlaubt den politischen Entscheidungsträgern keine Abweichung. So sind sie gefangen von dem Teufel, den sie selbst an die Wand malten, um ihr Pro­jekt zu rechtfertigen. Zusammengehalten aber von scheinbaren Sachzwängen und von nicht mandatierten Stellvertretern ist der Bologna-Prozess alles andere als eine freie Vereinbarung! Die Reformen zielen nämlich zu allererst auf einen europäischen Arbeitsmarkt – die Universität als Trai­ningslager für die Lohnsklaverei.

Kernpunkt der „Strukturreformen“ für einen „wettbewerbsfähigen und dyna­mischen Hochschulraum“ ist die Zweitei­lung des Studiensystems. Mit der Einführung von Bachelor (BA)- und Master (MA)-Studiengängen wird diese Teilung in „berufsqualifizierende“ und „akademi­sche“ Bildung hierzulande bereits vorge­nommen. Mit Hilfe eines Leistungs­punktsystems (ECTS) soll eine internati­onale Vergleichbarkeit des Studiums ga­rantiert werden. Suggeriert wird in diesem Zusammenhang, dass dadurch die persön­lichen Chancen auf dem (inter-)nationa­len Arbeitsmarkt steigen. Entsprechend positiv sind die Reaktionen der Studieren­den: 1999 waren erst 0,4 Prozent (6.700) in BA/MA eingeschrieben – zwei Jahre später waren es bereits 2,1 Prozent (39.000). In Deutsch­land wurden diese Neuerungen maßgeb­lich von der Hoch­schulrektorenkonferenz initiiert. Wie be­reits erwähnt, bestehen mit den BA/MA-Stu­diengängen und der ECTS-Zertifizierung schon wichtige Be­standteile der neuen Bildung. Die Zertifi­zierung ist notwendig, um das Baukastensys­tem von BA/MA um­zusetzen und die Hochsäulen in Kon­kurrenz zueinander zu setzen – nicht nur in Forschung und Lehre, sondern auch bei der finanziellen Ausstat­tung über Drittmittel. Durch eine externe Be­wertung jeder einzel­nen Hochschule soll ihre Qualität gesichert werden. Nach wel­chen Maßstäben gewertet wird, lässt sich leicht buchstabieren: Rentabilität für In­vestoren und „beste“ Chancen für Studie­rende. Die Reformen ändern zwar prinzi­piell nichts in der Branche, sie erhöhen allerdings den unmittelbaren ökonomi­schen Druck auf die (unfreien) Akteure im Bildungswesen.

Die Initiative und die Verantwortung für den Umbau liegt bei den Hochschulen selbst. Positiv zu verbuchen sind dabei eine erleichterte Mobilität der Studierenden (die sich das leisten können) und eine intensivere Zusammenarbeit der Hoch­schulen in Europa. In modernen Zeiten wird oft und gern auf die Freiwilligkeit und Autonomie der einzelnen Akteure, be­sonders der Hochschulen und der Stu­dierenden hingewiesen. Eine „Autonomie“ wie sie in den Verhandlungen um den sächsischen Hochschulkonsens bestanden hatte (siehe Kasten). Aber sie spielen mit: Die beteiligten und verantwortlichen Hochschulen haben sich 2001 eigens für „Bologna“ zusammengeschlossen in einer European University Association (EUA). Auf ihrem letzten Gipfel in Graz (Mai 2003) stellte die Europäische Vereinigung der Universitäten folgende Forderungen an den politisch verbindlichen Prozess:

> Wahrung der Chan­cengleichheit und des „demokratischen“ Hochschulzugangs

> Erhalt europäischer Eigenheiten – Bil­dung als öffentliche Angelegenheit – und der

> Verbindung von For­schung und Lehre

> Gewährleistung der Qualitätssicherung

Die Studierendenvertretungen begrüßen ebenfalls die europaweite Initiative zur Re­form und versprechen sich von der „In­ternationalisierung“ eine Verbesserung der studentischen Lebens- und Lernsituation. Sie warnen zugleich vor einer „Ver­schulung des Studiums“. In dem Maße aber, wie sich beide Akteure – Hochschu­len und Studierende – zum obersten Ziel, zur arbeitsmarktgerechten Ausbildung bekennen, sind alle Bedenken und Vorbehalte nichts als Schall und Rauch. Denn was „der Arbeitsmarkt benötigt“ liegt außerhalb ihrer Kompetenzen, das Bil­dungswesen ist und wird abhängig blei­ben von den Forderungen des Kapitals.

Die etablierten Institutionen beweisen damit wiederholt ihre Unfähigkeit, der bewusst betriebenen Politik der Ver­schlechterung der allgemeinen Lebens­bedingungen eine Absage zu erteilen. Der EU geht es um „arbeitsmarktrelevante Qualifikationen“ und „internationale Wettbewerbsfähigkeit“, nicht um die Bil­dung bewusster, mündiger Persönlich­keiten. Das bedeutet nicht nur eine geis­tige Verarmung der Bevölkerung, sondern auch eine Prekarisierung der Lehrberufe. Von Studierenden und Lehrenden werden „Mobilität“ und „lebenslanges Lernen“ ge­fordert – also die Bereitschaft, sich fortwährend den ändernden Ansprüchen des Kapitals anzu­passen. Hinter den schönen Worten verbirgt sich Rationalisie­rung auf (fast) allen Ebenen – der menschli­che Faktor als Kostenfaktor soll minimiert werden. Was bleibt, ist die funktionale Sachkenntnis mit zwingender Relevanz auf dem Arbeitsmarkt – das Gehirn ist nicht mehr als die Hardware.

So neu ist diese Perspektive allerdings nicht. Schon 1776 schrieb A. Smith: „die gesteigerte Geschicklichkeit eines Arbei­ters [lässt sich] als eine Art Maschine oder Werkzeug betrachten, die die Arbeit er­leichtert oder abkürzt, und die, wenn sie auch Ausgaben verursacht, diese doch mit Gewinn zurückzahlt.“ (3) Diese sehr spe­zielle Sicht auf „Bildung“ – Bildung als Kapital – hat sich in unserer Gesellschaft schon weitgehend durchgesetzt, wie an den Reaktionen der Studierenden auf die BA/MA ablesbar ist. Immer weiter ver­drängt wird die Anschauung von Bildung, die den Menschen in die Lage versetzt, die Welt besser zu verstehen und zu gestal­ten.

Die Gegenaktivitäten (4), die anlässlich der Ministerkonferenz angestrengt werden, orientieren sich an dieser Auffassung. Dabei wird nicht nur zur Sprache kom­men, dass der Mensch eben kein lebendi­ges Werkzeug ist (5). Debattiert werden auch Auswege aus der aus der aktuellen Misere – der Lehrenden und der Studierenden. Erst eine aktive Gestaltung der eigenen Wirk­lichkeit und der Widerstand gegen Ver­schlechterungen der Lage schaffen gesell­schaftliches Leben. In Zeiten der Stagna­tion, seien sie durch Gewalt­herrschaft oder Trägheit be­dingt, kann kein Leben entste­hen. Leben ist Unruhe!

A. E.

Kasten: Autonomie beim Hochschulkonsens

Das sächsische Kultusministerium verlangte Einschnitte im Budget der Universitäten, und wollte den Universitäten im verbleibenden Rahmen bis 2010 „Planungssicherheit“ gewähren. Der Vertrag zwischen Hochschulen und Regierung, dessen Unterzeichnung der Senat der Uni Leipzig am 5. Juni 2003 zugestimmt hat, kann nur von der Regierung, nicht aber von den Hochschulen gekündigt werden. Die Autonomie der Bildungseinrichtungen besteht nun darin, selbst zu sehen, wo sie kürzen.

Anmerkungen:
(1) Bologna-Erklärung unter www.bologna­berlin2003.de/pdf/bologna_deu.pdf
(2) Das Gesamtvolumen des Güterhandels in West­europa übertrifft mit 2.441 Milliarden Dollar das Nordamerikas (1.058 Mrd.) und Asiens (1.649 Mrd.).
(3) A. Smith: „Der Wohlstand der Nationen“. Zi­tiert nach E. Ribolits: „Wieso sollte eigentlich gera­de Bildung nicht zur Ware werden?“, in Streifzüge 2/2003, Wien, zugänglich in der libertären Biblio­thek (Kolonnadenstr. 19)
(4) Nähere Informationen und Organisatorisches unter www.eef2003.org und www.fau.org/bsy so­wie Offizielles unter www.bologna-berlin2003.de
(5) Erfahrung mit selbstbestimmtem Lernen kann man leicht sammeln, siehe S. 11 in diesem Heft

Bildung

Wirtschaftstheologie

Vor dem 11. September 2001 war es das gesellschaftliche Thema schlechthin: Neoliberalismus. Die Oppositionsbewegung bewies in Prag, Nizza, Zürich, Rom, Göteborg und Genua erstaunliche Mobilisierungskraft – es demonstrierten jeweils mehrere tausend Menschen – und sie besteht, unabhängig vom medialen Schweigen zu dieser Sache weiter. Im folgenden einige kurze Ausführungen zum Streitobjekt.

 

Entgegen den vor allem von der europäischen Sozialdemokratie verbreiteten Meldungen, das Zeitalter des Neoliberalismus, die bleierne Zeit konservativer Regentschaft sei vorüber, wirkt die Ideologie – verstanden als Weltanschauung – des Neoliberalismus weiter. Das sogenannte „Schröder-Blair-Papier“ (1999) oder das „Kanzleramtspapier“ (2003) sind beredte Zeugen dafür, nur heißt es nicht wie ehedem bei Thatcher und Kohl das „freie Spiel der Wirtschaft“, sondern wird uns als »Modernisierung“ verkauft. Wer nicht zuhören mag, kann das bald sehen, nämlich an den Verfahrensweisen und Auswirkungen des Hartz-Papiers. Nur dass niemand verwundert sei, soll hier kurz das Verhältnis von „freier Wirtschaft“ und Staat beleuchtet werden. Etwas verwirrend ist`s nämlich, wenn ranghohe (im Arbeitgeberverband) Unternehmer immer wieder einen Rückzug des Staates fordern… sind das denn Anarchisten?!

Ein Blick in die Geschichte soll uns ein bisschen Aufklärung geben. Der Ausgangspunkt der neoliberalen (in Anlehnung an den Liberalismus des 19. Jahrhunderts) Ideologie war die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er, für die die „kommunistischen und sozialdemokratischen“ Strömungen verantwortlich gemacht wurden, da sie mit ihrem Staatsinterventionismus das freie Spiel der Märkte aus der Balance gebracht hätten. Das geistige Fundament des Neoliberalismus bilden Sozialdarwinismus und Konkurrenz. Gesellschaftliche Entwicklungen seien Ergebnis einer Auslese, wobei nur der/die/das Stärkste und Beste überlebe und Wirkung entfalte. Materielles wie philosophisches Zentrum des neoliberalen Universums bilden Privateigentum und marktwirtschaftlicher Wettbewerb – in diese Sphäre soll der Staat nicht eingreifen. Dennoch ist der starke Staat, vor allem mit den Politikfeldern innere und äußere Sicherheit sowie Standortpolitik, fester Bestandteil der Konzeption. Die Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit könnte größer nicht sein. Es heißt zwar, der Markt regele alles. De facto aber ist immer wieder staatliches Eingreifen notwendig, um die bestehende Ordnung aufrecht zu erhalten und Pfründe zu sichern. So ist denn „Standortpolitik“ oder auch die „Reform des Arbeitsmarktes“ nichts weiter als das: die konkurrierenden Standorte überbieten sich gegenseitig in der Garantie von Vorteilen (Infrastruktur, Subventionen, Steuerfreiheit, arbeitsrechtliche Sonderregelungen …), was jüngst auch im Bewerben Leipzigs um die neue BMW-Fertigungsanlage zu beobachten war. Mit der Umsetzung des Hartz-Papiers wird liberale Wirtschaftspolitik nun auch auf das Arbeitsrecht übertragen – damit, im Sinne eines wirtschaftlichen Aufschwungs, wieder klar ist, wer der Herr im Hause ist. Soziale Errungenschaften werden zugunsten der Kapitalseite revidiert. Aber auch der Politikstil Schröders ist Ausdruck neoliberalen Gedankenguts. Mit den zahlreichen Kommissionen („Nationaler Ethikrat“, Hartz, Rürupp…) wird der Wettbewerbskorporatismus in großem Stil gepflegt, dort sitzen nämlich in überwiegender Mehrheit UnternehmerInnen und Mitglieder der politischen, wissenschaftlichen und bürokratischen Elite – eine Auszeichnung auch für Herrn Tiefensee. So sind heute schon bedeutende Ansätze der „idealen Verfassung“ verwirklicht, die Hayek (einer der Gründerväter des Neoliberalismus) einst für Margaret Thatcher entworfen hatte. In diesem Demokratie-Konzept wird die dumme Masse Mensch durch eine Elite, den „Rat der Weisen“ gelenkt ganz die Berliner Republik! Demokratie wird verstanden zwar als Legitimation, doch das ist nur die Strategie für „sichere“ Zeiten. Die Möglichkeit der unmittelbaren Gewalt, einer Diktatur, bleibt immer offen.

Aber heute, da der Neoliberalismus in einer entpolitisierten Marktgesellschaft festen Fuß gefasst hat, steht dem Feigenblatt der Demokratie nichts entgegen – selbst theoretisch ist eine Umwälzung der bestehenden Ordnung per Stimmzettel derzeit (1) nicht zu befürchten.

Und auch von attac, worauf die „Anti“globalisierungs-Bewegung medial ja reduziert wird, ist nichts zu befürchten. Fordert diese Vereinigung doch, und mit ihr zahlreiche andere, zwar einige Eindämmungen und Regulierungen, sie steht jedoch nicht für eine Änderung der Grundrichtung ein. Zwischen dem „angloamerikanischen Neoliberalismus“ und der „rheinischen sozialen Marktwirtschaft“ besteht keine Opposition. Letztere nämlich, die von Gewerkschaften und attac verteidigt wird, ist ebenso wie ersterer auf die Macht eines starken Staates angewiesen – wer sonst wollte ein „Bündnis für Arbeit“ zustande bringen?

Glücklicherweise jedoch leben wir noch nicht in einer total formierten Gesellschaft, hier und da noch Ketzer und Ketzerinnen wider die Wirtschaftstheologie der Herren und Damen, der Bürgerinnen und Bürger. Zugegebenermaßen ist das ein recht kleiner Haufen, darunter sich auch die Anarchistlnnen befinden. Dieser Haufen ist jedoch recht rührig, wie auch am Feierabend! zu ersehen, und es ist nie aller Tage Abend!

A.E.

(1) Johannes Agnoli führte in seinem 1968 erschienenen Buch „Die Transformation der Demokratie“ aus, warum eine solche Umwälzung mit dem Stimmzettel überhaupt nie zustande kommen kann.
Literatur: Ptak, Ralf: „Chefsache. Basta! Der Neoliberalismus als antiegalitäre, antidemokratische Leitideologie“, www.buena-vista-neoliberal.de (Stichpunkt „Ressource“)

Hartz-Gesetze

AHA!

Im Januar richten wir besondere Aufmerksamkeit auf das Hartz-Konzept, das seit Anfang des Jahres auch gesetzlichen Rückhalt erfährt. Am 7.12.02 richtete die Freie Arbeiterinnen-Union Leipzig eine Informationsveranstaltung aus. Im Anschluss fand sich eine Initiative „AntiHartzAktion!“ zusammen.

Aha! Der Name klingt einleuchtend; einleuchtend und anstachelnd. Kein Wunder, denn was da seit ein paar Wochen Gesetz ist und noch ausgebaut werden soll, ist schlicht ein Affront! Der schon geläufigen Praxis der Zeit- und Leiharbeit, des Subunternehmertums und der Auslagerung wurde nun fester, legaler Boden unter die Füße und eine spezielle Verwaltungsstruktur (sogenannte PersonalServiceAgenturen) an die Seite gegeben … und die Praxis soll laut Regierungserklärungen in naher Zukunft noch mehr Raum greifen. Der Oberbürgermeister Leipzigs, selbst Mitglied der Hartz-Kommission, nutzt die Gelegenheit zur Profilierung des Standorts und will mit seiner Verwaltung eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung des institutionellen Rahmens einnehmen.

Die Gewerkschaften werden Tarifverträgen für Zeitarbeiter zustimmen, die 20 Prozent unter den Löhnen der Stammbelegschaft liegen.“

Wirtschafts- & Arbeitsminister Clement (SPD) am 27.11.02 auf einem Symposium der Zeitarbeitsfirma Adecco in Berlin.

Die Initiative Aha! (z. Zt. FAU Leipzig und Einzelpersonen) will dafür sorgen, dass sich die VertreterInnen des Standorts dieses Mal zu weit aus dem Fenster gelehnt haben … bis zu einem Prager Fenstersturz wird es aber wohl noch eine Weile dauern. Denn zuerst müssen sich die Betroffenen, die einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung darstellen, über die Konsequenzen klar werden und den Mut wie die Ausdauer finden, selbst für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zu kämpfen.

Um dabei etwas nachzuhelfen, wird es in nächster Zeit weitere Veranstaltungen und erste Aktionen zum Thema geben – so etwa am 1. Februar 2003 (Samstag) um 18:00 Uhr im Keller des Café Louis (Kochstr. 2, LVB-Haltestelle Südplatz).

A.E.