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Eintausend deutsche Soldaten in Mali

Mit überwältigender Mehrheit hat der Bundestag am 28. Januar 2016 der „Fortsetzung und Erweiterung der Beteiligung“ der Bundeswehr an der MINUSMA-Operation in Mali zugestimmt. Anfang März besuchte Verteidigungsministerin von der Leyen mit hochrangiger Delegation für drei Tage das Land und auch die im Aufbau befindlichen deutschen Container im von der niederländischen Armee übernommenen Camp Castor im umkämpften Norden des Landes. Das sorgte kurzfristig für etwas Berichterstattung über den Bundeswehreinsatz, die danach aber schnell wieder abebbte. Das ist erstaunlich, denn die Mission in Mali könnte bald Afghanistan als gefährlichsten Einsatz der Bundeswehr ablösen.

Als von der Leyen Camp Castor besuchte, waren bereits etwa 200 Soldat_innen der Bundeswehr vor Ort. Mit als erste waren bereits im Februar Sanitätskräfte dort stationiert worden, die künftig verletzte Bundeswehrangehörige versorgen sollen. Insgesamt umfasst das Mandat des Bundestages den Einsatz von 650 Kräften der Bundeswehr, von denen etwa 400 im Norden, der Rest überwiegend in der Hauptstadt Bamako im Süden stationiert sein werden. Dem Sanitätstrupp folgten Spezialpioniere aus Husum, die für den Aufbau der Container und deren Sicherung u.a. mit insgesamt 320.000 Sandsäcken zuständig waren. Ende Februar dann übernahmen Objektschutzkräfte der Luftwaffe u.a. von bewaffneten Wachtürmen aus den Schutz des Lagers. Mittlerweile hinzugekommen sind Heeresaufklärer des einsatzerprobten Aufklärungsbataillons Holstein aus Eutin. Falls die Spähtrupps außerhalb des Feldlagers in Gefechte geraten, steht dort ein Mobile Reaction Team mit etwa 40 Kräften in Bereitschaft, um schnell und robust vor Ort sein und mitkämpfen zu können. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit bewaffneter Auseinandersetzungen eingeschätzt wird, zeigt sich auch daran, dass die Bundeswehr in diesem Einsatz nur mit gepanzerten Fahrzeugen (1) unterwegs ist.

Die Heeresaufklärer sind – neben dem Spürpanzer Fennek – v.a. mit Drohnen ausgestattet. Dazu gehört die „Mikro-Aufklärungsdrohne für den Ortsbereich“ (MIKADO), die mit einer Reichweite von etwa 1km handelsüblichen Kameradrohnen vergleichbar ist, sowie die gut 4m breite LUNA-Drohne. Die LUNA wird von einem Katapult gestartet und bei der Landung mit einem Netz aufgefangen. Insgesamt sind mehrere Fahrzeuge und über 20 Personen notwendig, um sie zum Einsatz zu bringen. Dann kann sie in einem Radius von ca. 80km mit verschiedenen Kameras das Gebiet aufklären und in Echtzeit Bilder liefern. Nach ersten Tests im Camp Castor soll die Drohne zukünftig auch außerhalb eingesetzt werden, um Verbindungsstraßen zu überwachen und Bewegungen bewaffneter Gruppen zu verfolgen. Die LUNA-Drohne wird bereits seit Jahren in Afghanistan eingesetzt. Ihre Bilderkennung wurde vom FraunhoferInstitut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung optimiert, so dass sie z.B. eigenständig Fahrzeuge identifizieren und verfolgen kann.

Bei ihrem Besuch kündigte von der Leyen außerdem an, dass bis Ende des Jahres auch deutlich größere Drohnen vom Typ Heron I in Mali stationiert werden sollen, die bislang von der Bundeswehr nur in Afghanistan eingesetzt wurden und werden. Die Heron I ist eine Drohne der MALE-Klasse (Medium Altitude, Long Endurance) und kann mit einer Einsatzreichweite von etwa 400km über 24 Stunden in der Luft bleiben. Sie gehört nicht der Bundeswehr, sondern wird vom Hersteller Israel Aerospace Industries über das deutsche Rüstungsunternehmen Airbus Defence and Space geleast, das auch für die Ausbildung, Wartung und Teile der Steuerung verantwortlich ist.

Nach Angaben der Zeit sollen insgesamt zwei oder drei Heron-Drohnen nach Mali verlegt werden. Die Zeitung schreibt: „Mit kleineren Drohnen könne die Bundeswehr zwar die unmittelbare Umgebung ihres Standortes in Gao überblicken, aber nicht die vielen hundert Kilometer langen Straßen zwischen den Städten in der dünn besiedelten Region… ‚Es ist in dieser Wüstenregion so: Wer die Straße beherrscht, der kann den Zugang zu einer Stadt ermöglichen oder die Stadt von der Versorgung abschneiden‘, sagte von der Leyen in Gao“. (2)

Ein wesentlicher Teil der Arbeit des deutschen Kontingents besteht tatsächlich darin, die „Rettungskette“ im Fall von Verwundeten und die eigenen Versorgungswege unter Kontrolle zu halten. Diesem Ziel dienen letztlich auch die sog. CIMIC-Teams, die „Erkundungsfahrten“ nach Gao und in andere Siedlungen unternehmen um – neben vielen Fotos mit Kindern und Frauen –„einen Beitrag zum zivilen Lagebild“ zu liefern, damit entsprechende Erkenntnisse „bei militärischen Entscheidungen mit berücksichtigt werden können.“ (3)

 

Zur Sicherheitslage in und um Gao

Von der malischen Hauptstadt Bamako aus, dem Fluss Niger folgend, ist Gao nach Timbuktu die letzte große Stadt vor der Grenze zum Staat Niger. Von Gao aus führen wichtige und traditionelle Verbindungsrouten in und durch die Sahara. Wesentliche Teile des Transsahara-Handels und selbst die Migration wurden jedoch in den letzten Jahren verstärkt illegalisiert. Entsprechend werden diese Routen heute von kriminellen, oft auch als terroristisch eingestuften Gruppen kontrolliert.

Während Gao aus Sicht der Regierung im Süden Malis und auch der UN-Truppe MINUSMA über die Versorgungswege entlang des Niger versorgt und kontrolliert wird, bestehen wichtige und bislang kaum kontrollierbare Verbindungen in den von Wüste geprägten Süden Algeriens, den Niger und hierüber auch nach Libyen. Im Grenzgebiet zwischen Algerien und Mali befindet sich das unübersichtliche Ifoghas-Gebirge, in dem sich seit 2013 verschiedene als terroristisch oder sezessionistisch eingestufte Kräfte verschanzt haben, die sich verlustreiche Kämpfe mit französischen und tschadischen Truppen lieferten. Von Mali aus liegt der Zugang zu diesem Gebirge in Kidal, das zugleich eine Provinz, ein weiträumiges Siedlungsgebiet und eine Stadt ist.

Trotz intensiver Bemühungen haben es bislang französische Spezialeinheiten und die v.a. aus dem Tschad und anderen Nachbarstaaten stammenden Soldaten der MINUSMA nicht geschafft, diese Region auch nur annähernd unter Kontrolle zu bringen. Eine große Offensive mit 60 gepanzerten Fahrzeugen fand offenbar am 10. April 2016 statt. Diese wurde dadurch bekannt, dass mindestens drei französische Soldaten starben, als sie auf eine Mine fuhren, worüber auch in deutschen Medien berichtet wurde. Über weitere Verluste ist wenig bekannt. Laut Statistik der UN sind jedoch bislang 86 Menschen, davon 80 Soldaten, seit Juli 2013 ums Leben gekommen. Damit ist MINUSMA bereits jetzt der gefährlichste UN-Einsatz weltweit. Allerdings bleibt unklar, welche Opfer überhaupt dieser Mission zugeordnet werden, da Frankreich mit Kontingenten aus denselben afrikanischen Staaten, welche einen Beitrag zu MINUSMA leisten, auch im Zuge seiner Operation Barkhane operiert – diese Operation umfasst die gesamte Region von Mauretanien an der Westküste bis zum Tschad.

Auch die Verluste der malische Armee – die von den MINUSMA-Truppen bei der Rückeroberung des Nordens des Landes unterstützt wird – werden ebenfalls nicht erfasst. Sie sollen sich jedoch alleine bis zum Jahr 2014 auf etwa 500 belaufen haben. Die Zahl der offiziell bestätigten Gefallenen der französischen Armee beläuft sich mit dem Vorfall am 10. April bislang auf sieben, wobei in Wirklichkeit deutlich mehr französische Soldaten gefallen sein dürften.

Insofern ist es allenfalls Ausdruck (neo)kolonialer militärischer Arbeitsteilung, wenn Verteidigungsministerin von der Leyen nicht von einem „Kampfauftrag“ der Bundeswehr in Mali sprechen möchte und versichert, dass die Bekämpfung von Terroristen keine Aufgabe der Bundeswehr sei. Ziel ist es vielmehr, jene Aufklärung zu leisten, mit der dann französische Spezialeinheiten mit Luftunterstützung und ihre afrikanischen Hilfstruppen ins Gefecht geschickt werden; zusätzlich die Sicherung der Nachschubwege, der Aufklärungstrupps (durch Mobile Reaction Teams) und des Camps selbst. Erst im Dezember 2015 war Camp Castor – damals noch unter niederländischer Führung – mit Granaten beschossen worden. Die 320.000 Sandsäcke und die rund um die Uhr bemannten Wachtürme, mit denen die Bundeswehr das Camp schützt, sind also alles andere als symbolisch. Bis heute kann nicht einmal das unmittelbare Umfeld des Camps – und schon gar nicht Gao selbst – als sicher gelten.

Aufgrund von Gaos Lage und seiner Funktion als Tor zur Sahara ist es wenig verwunderlich, dass die im Oktober 2011 u.a. von aus Libyen zurückgekehrten Tuareg gegründete MNLA (Mouvement National de Libération de l‘Azawad) Gao zur Hauptstadt des „Staates“ Azawad kürte, als sie im April 2012 den Norden Malis für unabhängig erklärte. Gut zwei Monate später, Ende Juni 2012, gewannen jedoch islamistische Gruppen nach heftigen Gefechten in der „Schlacht um Gao“ die Oberhand in Gao, ebenso in Timbuktu und Kidal. Im Januar 2013 dann erfolgte die Intervention Frankreichs, mit der Gao und Timbuktu zurückerobert wurden. Den französischen Soldaten folgten Truppen der MINUSMA-Vorgängermission AFISMA aus den Nachbarstaaten und anschließend Truppen der malischen Armee. Gerade durch diese Truppen aus dem Süden Malis kam es im Zuge der Rückeroberung im Schatten der französischen Intervention zu schweren Übergriffen auf Tuareg als „Vergeltung“ für den Vormarsch der MNLA ein Jahr zuvor. Die MNLA hat sich zwar von den Islamisten distanziert und bekämpft diese nun in Koordination mit den französischen Truppen, will aber die Präsenz der malischen Armee im Norden nicht dulden.

Wer in Gao aktuell die Oberhand und den Rückhalt der Bevölkerung hat, lässt sich schwer sagen. Nach dem französischen Vormarsch gab es zwar viele Presse- und Radioberichte über jubelnde Bewohner, die französische Fahnen schwenkten. Von Aufbruchstimmung war die Rede. Mittlerweile ist die Berichterstattung aber wieder zum Erliegen gekommen. Neben den Bildern der CIMIC-Teams der Bundeswehr, die (stets mit Handschuhen bekleidete) Soldaten im harmonischen Miteinander mit Frauen und Kindern zeigen, gibt es kaum Nachrichten aus Gao. Das hat schlicht damit zu tun, dass die Sicherheitslage für (westliche) Journalist_innen zu gefährlich ist. Konvois mit Waren, UN-Mitarbeiter_innen und anderen Zivilist_innen werden häufig auf den Straßen von und nach Gao überfallen oder angegriffen. In der Stadt dürfte weiterhin die MNLA sehr einflussreich sein, Islamisten aus dem Umland können einsickern und Anschläge verüben. In den entlegeneren Gegenden kann durchaus von Arrangements der MNLA mit islamistischen Gruppierungen ausgegangen werden, von einer Zusammenarbeit mit eher kriminell/ökonomisch motivierten bewaffneten Gruppen ohnehin. Der Krieg ist hier zum Geschäft geworden.

Logistik vom Süden und von Niger aus

Das Mandat zur Beteiligung der Bundeswehr an MINUSMA sieht neben den genannten Komponenten (sanitätsdienstliche Versorgung, Aufklärung, Sicherung und Schutz, zivil-militärische Zusammenarbeit (CIMIC)) auch Personal aus den Bereichen Führung(sunterstützung), militärisches Nachrichtenwesen, Luftbetankung und Lufttransport sowie in Stäben und Hauptquartieren vor.

Ein Großteil dieser Unterstützung wird von Bamako im Süden Malis aus bereitgestellt. Hier befindet sich nicht nur das Hauptquartier der MINUSMA, sondern auch das Transit Camp Midgard auf dem Flughafen der Hauptstadt. Dort sind Logistiker der Bundeswehr stationiert, weil hier die Transportflugzeuge landen, deren Fracht dann für den Weitertransport nach Gao auf der Straße oder wiederum per Flugzeug verladen wird. Bereits bis 13. April 2016 sollen dies „über 1.200 Tonnen Material, verteilt auf 16 Transportflugzeuge“, darunter „Einsatzfahrzeuge mit Waffenanlagen, Funkgeräten und Schutzausrüstung“ sowie 350 Soldaten gewesen sein. (4)

Das Mandat umfasst jedoch auch den taktischen Lufttransport von Soldaten aus den Nachbarstaaten ins Einsatzgebiet sowie „bei Bedarf“ die Luftbetankung von französischen Kampfflugzeugen. Auf diese Weise unterstützte die Bundeswehr schon zuvor die MINUSMA und die Vorgängermission AFISMA. Hierzu hatte sie parallel zur (angeblich spontanen) Intervention Frankreichs im Januar 2013 auf dem Flughafen Dakar in Senegal einen Luftwaffenstützpunkt aufgebaut. Dort wurden Maschinen vom Typ Transall und ab März 2013 auch ein Airbus 310 zur Luftbetankung stationiert. Bis zum 30. Juli 2014 haben die deutschen Transportflugzeuge „auf mehr als 470 Unterstützungsflügen etwa 4.500 Passagiere sowie rund 520 Tonnen Material von und nach Mali“ transportiert (5) und damit einen wesentlichen Beitrag zur AFISMA- und zur darauf folgenden MINUSMA-Mission geleistet.

Die größten Kontingente dieser 11.750 Kräfte umfassenden Mission stammen (neben Bangladesch mit 1.442) aus den Staaten Burkina Faso (1.720), Tschad (1.440), Togo (934), Niger (859), Guinea (850) und Senegal (666, Stand aller Zahlen: 30.4.2016). Dabei handelt es sich um Staaten, in denen das Militär eine starke innenpolitische Rolle spielt und die zugleich eine teilweise sehr enge militärische Kooperation mit Frankreich (und, nachgeordnet, Deutschland) pflegen, aber wenig bis gar keine eigenen Fähigkeiten für den strategischen Lufttransport haben.

Die Luftbetankung gestaltete sich in der Umsetzung jedoch bald völkerrechtlich kompliziert. Praktisch konnte sie nur französische Kampfflugzeuge betreffen. Während die ursprüngliche Intervention Frankreichs unter dem Operationsnamen Serval nach Auffassung der Bundesregierung und der UN noch mit dem Mandat der AFISMA zu vereinbaren war, trat die offensive Bekämpfung des Terrorismus dabei immer klarer in den Vordergrund. Spätestens als die französische Mission unter dem neuen Namen Barkhane auf Mauretanien, Burkina Faso, Niger und Tschad ausgedehnt wurde, wurde jedoch eine Einzelfallprüfung nötig, ob der jeweilige konkrete Auftrag des entsprechenden französischen Flugzeuges unter das UN-Mandat fällt oder nicht. Entsprechend wurde der Airbus zurückverlegt und dient mittlerweile zur Betankung französischer Flugzeuge in Syrien. Die Transalls und damit der Stützpunkt in Senegal wurden zwischenzeitlich für den Einsatz zur Ebola-Bekämpfung in Westafrika umgewidmet. Nun sollen die Transportmaschinen für Flüge nach Gao im benachbarten Niger stationiert werden, von dessen Hauptstadt Niamey es nur halb so weit zum Camp Castor ist, wie von Bamako aus.

 

Beihilfe zum Bürgerkrieg

Alle bisher genannten deutschen Kontingente finden offiziell im Rahmen der MINUSMA statt. Zeitgleich mit dem Einsatz der Luftwaffe zur Unterstützung der Mission AFISMA beschloss der Bundestag im Februar 2013 jedoch über die Beteiligung an einer weiteren Militärmission im Rahmen der EU.

Dabei handelt es sich um eine Ausbildungsmission für die malischen Streitkräfte. 2013 betrug das Bruttoinlandsprodukt Malis mit seinen etwa 16 Mio. Einwohner_innen knapp 17 Mrd. US$ (im Vergleich Deutschland: 3.726 Mrd.). Davon flossen etwa 1,5% in eine Armee mit etwa 10.000 Kräften. Die erst kurz zuvor wieder verstärkt im Norden Malis stationierten Einheiten waren in kurzer Zeit von der MNLA vernichtend geschlagen und – zumindest in der Wahrnehmung ihrer im Süden verbliebenen Kameraden – regelrecht massakriert worden. Aus Empörung hierüber putschten im März 2012 in der Hauptstadt junge Offiziere, die unzufrieden mit dem Krisenmanagement des amtierenden Präsidenten Amadou Toumani Touré waren (dessen Amtszeit einen Monat später geendet hätte). Das minimierte die Fähigkeiten von Regierung und Armee, politisch oder militärisch auf den Tuareg-Aufstand im Norden zu reagieren, noch weiter. International wurde der Putsch zwar verurteilt, zugleich wurde aber recht schnell Bereitschaft signalisiert, der Forderung der Putschisten nach internationaler Unterstützung bei der Bekämpfung der MNLA nachzukommen. Das Erstarken der Islamisten im Norden und das Eingreifen Frankreichs – mit dem angeblich ein Vormarsch der Islamisten nach Bamako verhindert wurde – ließen diese Bereitschaft weiter wachsen. So beschloss die EU Anfang 2013 eine Ausbildungsmission nach dem Vorbild eines entsprechenden Einsatzes im Bürgerkriegsland Somalia. Ziel war es, Soldaten auszubilden, die direkt danach in den Norden geschickt werden. Deutschland beteiligte sich hieran zunächst mit 180 Kräften, weitete dieses Mandat jedoch schrittweise auf mittlerweile 350 Soldat_innen aus. Gegenwärtig stellt Deutschland damit nicht nur das mit Abstand größte Kontingent der Mission, sondern hat im Sommer 2014 auch die Führung des Einsatzes übernommen.

Das Hauptquartier der European Union Training Mission (EUTM) liegt in einem ehemaligen Hotel in Bamako. Die Ausbildung findet auf dem nahegelegenen Stützpunkt Koulikoro statt und umfasst inzwischen auch Artillerie-Übungen. Deutschland kann dabei auf lange Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit den malischen Streitkräften zurückblicken, die bereits in den 1970er Jahren begann. Im Rahmen der Ausbildungs- und Ausstattungshilfe wurden viele (über die Jahre wahrscheinlich hunderte) höherrangige malische Militärs in Deutschland aus- und fortgebildet. Der amtierende malische Kommandant des Feldlagers in Koulikoro konnte zum Beginn der EUTM-Mission die deutschen Soldaten in ihrer Muttersprache begrüßen und dem Deutschlandfunk Interviews auf Deutsch geben. Über viele Jahre, zuletzt seit 2005, waren zudem Beratergruppen der Bundeswehr vor Ort und organisierten die kostenlose Überlassung von militärischer Ausrüstung, nicht jedoch von Waffen und Munition. Einen Schwerpunkt bildete dabei schon traditionell das Pionierwesen und insbesondere der Brückenbau und andere Methoden zum spontanen Überwinden von Gewässern.

Betrachtet man die Geografie des Binnenlandes Mali, ist diese Priorisierung bemerkenswert. Schließlich strebt die Bevölkerung im Norden bereits seit Jahrzehnten eine möglichst hohe Autonomie an. Vergangene, meist von Tuareg dominierte Aufstände wurden mehrfach durch Zusagen befriedet, die Stationierung vom Süden kontrollierter Sicherheitskräfte im Norden zu reduzieren. Während in Timbuktu das Denkmal „Flamme de la Paix“ an die symbolische Verbrennung hunderter Waffen nach einem solchen Friedensschluss im Jahr 1996 erinnerte, lieferte Deutschland Ausrüstung und Know-how, das es der malischen Armee ermöglichte, mit großen Kontingenten unerwartet den Niger zu überqueren und in den Norden vorzustoßen.

Die militärische Ausbildungs- und Ausstattungshilfe wurde nach dem Putsch 2012 kurzzeitig eingestellt, offenbar mittlerweile aber wieder aufgenommen. Im April 2016 nannte die Bundesregierung drei Projekte der Ausstattungshilfe im Umfang von insgesamt 3,15 Mio. Euro für den Zeitraum 2013-2016, darunter Instandsetzungsmaßnahmen an der Zentralwerkstatt der Pioniere in Bamako und die „Nachsorge am Ausbildungszentrum in Bapho (Wasserübungsplatz für Fähranlagen und Brückenbau; Pontoneinsatz)“. (6) Die Zahl der hierfür eingesetzten Berater wird von der Regierung mit zwei (vier ab Juli 2016) angegeben.

Die Bundeswehr berichtete jedoch bereits im März 2015 unter dem Titel „Auf zu neuen Ufern“ von einer Ausbildungsmaßnahme mit „elf deutschen Soldaten und ihre[n] knapp 60 ‚Azubis‘“ in Segou, von Koulikoro etwa 100km nordöstlich entlang des Niger gelegen: „Das Niger-Binnendelta ist eine Lebensader für die malische Bevölkerung. Für die Streitkräfte des westafrikanischen Landes hingegen ist er das größte Hindernis. Brücken gibt es in Mali kaum. Nur in der Hochwasserzeit zwischen Oktober und Januar kann der Fluss mit größeren Booten überquert werden. Mit der Hilfe deutscher Pioniere aus Minden lernen die malischen Soldaten den Fluss mit einfachen Mitteln zu überqueren“. (7)

Offenbar fand diese neunwöchige Ausbildung im Rahmen des EUTM-Einsatzes, jedoch außerhalb des Standortes statt. Für die Zukunft ist die Ausdehnung der EUTM auf mehrere Standorte entlang des Niger bis in den umkämpften Norden geplant. Damit wird der Einsatz zwangsläufig gefährlicher und „robuster“ und die Grenze zum Kampfeinsatz verschwimmen noch mehr.

Gefährlich ist die EUTM-Mission bereits jetzt. Am 21. März meldete der Europäische Auswärtige Dienst einen Angriff auf das Hauptquartier in Bamako, bei dem ein Angreifer getötet worden sei. Wie viele Angreifer es gab und wer an dem Gefecht beteiligt war, wurde jedoch nicht veröffentlicht.

Auch das Erstarken der seit Anfang 2015 existierenden Front de Liberation du Macina zeigt an, dass sich die Sicherheitslage weiter verschärft. Diese bewaffnete Gruppe agiert im Gebiet um Mopti, das wiederum nur gut 100km nordöstlich von Segou liegt, wo die Ausbildungsmaßnahme zur Überwindung des Niger stattfand. Die Gruppe rekrutiert sich aus der dort ansässigen Bevölkerungsgruppe der Fulbe, die beim Konflikt zwischen Norden und Süden zwischen die Fronten gerieten. Obwohl sie in Zentralmali und außerhalb des Azawad leben, wird ihnen oft pauschal von den Sicherheitskräften Sympathie für die Islamisten unterstellt. Bereits im Januar 2016 hatte Human Rights Watch einen Bericht veröffentlicht, wonach zahlreiche Fulbe von der malischen Armee misshandelt, willkürlich inhaftiert und in einigen Fällen auch exekutiert wurden. (7) Womöglich wird der Konflikt auch von einzelnen Fraktionen bewusst angeheizt und ethnisiert. Anfang Mai etwa berichteten internationale Presseagenturen übereinstimmend, dass nahe Mopti zunächst vier Vertreter der Fulbe in einem Restaurant von einer regierungstreuen Miliz erschossen und bei der anschließenden Beerdigung neun weitere Angehörige der Gemeinschaft getötet wurden.

 

Drohnenkrieg und Militarisierung – für seltene Erden?

Aktuell ist der Einsatz von 1.000 Soldaten der Bundeswehr in Mali mandatiert. Darüber hinaus sind weitere deutsche Soldaten ohne Mandat des Bundestages vor Ort, wie etwa die Beratergruppe und Personal an der Ecole de Maintien de la Paix (EMP), wo afrikanische Polizisten für den Einsatz in „Friedensmissionen“ wie MINUSMA ausgebildet werden. Außerdem hat Deutschland auch die Führung der im Januar 2015 begonnenen zivil-militärischen Mission EUCAP Sahel Mali inne.

Solche Missionen der EU zum Kapazitätsaufbau gelten ansonsten meist als „zivile“ Einsätze, da sie v.a. aus Berater_innen und Polizeikräften bestehen. Bei EUCAP Sahel Mali jedoch spielt die European Gendarmerie Force (EGF) eine zentrale Rolle und damit jene Einheiten der EU-Mitgliedsstaaten Spanien, Frankreich, Italien, Niederlande, Portugal, Rumänien und Polen, die sowohl unter zivilem Kommando, als auch militärisch mit Kombattantenstatus eingesetzt werden können. Im Rahmen der EUCAP-Mission in Mali werden zwar auch Lehrgänge für Verkehrspolizist_innen veranstaltet, zugleich steht jedoch auch jenes für die EGF typische Spektrum von Einsatzformen auf dem Programm, das vom Tränengas- und Schlagstockeinsatz gegenüber Demonstrationen über den Personenschutz inklusive Nahkampfausbildung bis hin zu geheimdienstlichen Ermittlungen reicht.

Zusammenfassend kann mit Recht davon gesprochen werden, dass Mali mit tatkräftiger Unterstützung Deutschlands umfassend militarisiert wird. Das für MINUSMA erteilte UN-Mandat ist entsprechend ausgreifend und unbestimmt zugleich und damit völlig unrealistisch. In Bundeswehrkreisen wird deshalb auch von einem Einsatz ausgegangen, der Jahrzehnte dauern könnte. Sicherheitslage und regionales Umfeld sind in vielerlei Hinsicht mit Afghanistan vergleichbar. 2017 soll die zukünftig in Mali stationierte Drohne Heron I außerdem durch das Nachfolgemodell Heron TP ersetzt werden, die bewaffnungsfähig ist. Es braucht dann nur noch einen Vorfall mit einigen verwundeten oder verletzten Bundeswehrangehörigen, und die Forderung wird laut werden, dass nun auch Deutschland mit bewaffneten Drohnen auf die Jagd nach Terroristen gehen soll.

Diese Militarisierung findet statt, während unter den beteiligten europäischen Staaten keinerlei Einigkeit oder Konzept besteht, wie die zugrundeliegenden Konflikte gelöst und der malische Staat zukünftig organisiert werden soll. Zur Erinnerung: Die Bundeswehr bildet malische Soldaten aus, die nicht nur Minderheiten attackieren, sondern ihrerseits in einem schweren Konflikt mit der immer noch nach Unabhängigkeit strebenden MNLA stehen. Diese kämpft in Koordination mit Frankreich jene Gebiete frei, die anschließend von MINUSMA und der Bundeswehr kontrolliert werden können, damit hier wiederum die malische Armee stationiert werden kann. Während im UN-Mandat das Ziel der territorialen Integrität verankert ist, unterstellen viele Frankreich als wichtigstem militärischen Akteur jedoch ganz andere Ziele. So mutmaßte etwa Alexander Göbel, „Afrika-Korrespondent“ des Deutschlandfunks, bereits im Juni 2015: „Fakt ist: Wie im Nachbarland Niger gibt es auch im Norden Malis Uran, außerdem Gold, Seltene Erden, Erdöl. Je näher die Tuareg-Rebellen ihrem Ziel kommen – einem unabhängigen Staat Azawad –, desto leichter dürfte es für Frankreich sein, später die Ressourcen zu kontrollieren. Ein Friedensvertrag, gar ein wirklich souveräner und stabiler malischer Staat, der würde dieser Strategie nur im Wege stehen.“ (9) Vor allem stabile und demokratische Staatswesen – in Mali, Niger dem Tschad und allen anderen in diesen Konflikt gezogenen Ländern des Sahels – dürften diesen Zielen noch viel mehr im Wege stehen.

christoph marischka

 

[Der Text erschien in „Ausdruck“, Nr. 3/2016 und wurde mit Genehmigung des Autors für den Feierabend! leicht bearbeitet]

 

(1) Insgesamt etwa 60 gepanzerte Fahrzeuge, überwiegend vom Typ Fennek und Dingo sowie Eagle IV und Transportpanzer Fuchs.

(2) „Bundesregierung verlegt Heron-Drohnen nach Mali“, zeit.de vom 5.4.2016.

(3) „‚Über Fußball kommt man immer ins Gespräch‘ – Eine Einsatzregion verstehen durch CIMIC“, Einsatz.Bundeswehr.de, 31.3.2016.

(4) „MINUSMA: Wichtig für den Aufbau – Die Drehscheibe Bamako-Sénou“, Einsatz.Bundeswehr.de, 13.4.2016.

(5) „Die Bundeswehr in Mali (MINUSMA)“, Einsatz.Bundeswehr.de, 5.4.2016.

(6) Bundestags-Drucksache 18/8086.

(7) „Auf zu neuen Ufern – deutsche und malische Pioniere überqueren gemeinsam den Niger“, Einsatz.Bundeswehr.de, 31.3.2015.

(8) Human Rights Watch: „Mali: Abuses Spread South – Islamist Armed Groups’ Atrocities, Army Responses Generate Fear“, 19.02.2016.

(9) „Ein Friedensvertrag, gestützt auf lose Hoffnungen“, deutschlandfunk.de, 20.6.2015.

Piraterie & Somalia

Wie die Internationale Gemeinschaft Konflikte fördert

 

Der deutsche Bundestag beschloss Ende Mai 2014 die Verlängerung des Mandates der seit 2008 laufenden militärischen EU-Operation „Atalanta“ um ein weiteres Jahr. Zur Legitimation wur­den seitens der Bundesregierung u.a. die Ziele des EU-Engagements her­vorgehoben: neben der Sicherung der Handelswege am Horn von Afrika vor allem die langfristige Stabilisierung, Befriedung und wirtschaftliche Ent­wick­lung von Somalia (1).

Die Internationale Gemeinschaft meint es also eigentlich nur gut. Für die Somalis, und den (auch wirt­schaftlichen) Weltfrieden wird daher kräftig in die Marine investiert. Ver­schwiegen aber werden dabei nicht nur andere mit dem Einsatz einhergehende Interessen, sondern auch die eigene Rolle, die überhaupt erst zur Ent­wicklung von Piraterie in Somalia führte. Noch dazu stellen sich die Ent­scheidungsträger_innen taub, wenn sie hören müssen, dass ihr Engagement vielmehr konfliktverschärfend als stabi­li­sierend auf Somalia wirkt.

 

Ursachen und Entwicklung der Piraterie

 

Die Piraterie am Küstenstreifen Soma­lias begann bereits vor Ende des Kalten Krieges, entwickelte sich aber vor al­lem ab 1991, nachdem das Barre-Re­gime gestürzt war. Während in den 90ern eher vereinzelt Schiffe gekapert wur­den, um Lösegelder zu erpressen, pro­fessionalisierte sich das Geschäft der Piraten ab den 2000er Jahren und hat­te neben 2008 – dem Beginn des mili­tärischen Engagements seitens der Internationalen Gemeinschaft – 2011 sei­nen Höhepunkt mit 214 versuchten Kaperungen (47 davon erfolgreich).

Ausschlaggebend für diese Entwicklung waren vor allem jene internationalen Wirt­­schaftsakteure, die sich jetzt auch für ihre Bekämpfung stark machen: die maritime Fischereiwirtschaft. Die Pi­raterie entwickelte sich nämlich erst, nach­dem große Teile der ohnehin re­la­­tiv armen Küstenbevölkerung ih­ren Lebensunterhalt nicht mehr durch Fischerei sichern konnten und kaum al­ter­native Einkommensquellen besaßen. Der Regime-Sturz be­güns­tigte ein Ordnungs- und Macht­vakuum, welches auch zahlreiche Fisch­fangflotten aus der ganzen Welt nutzten, um die reichen Fisch­bestände der somalischen Gewässer zu befischen, ohne für Fischereilizenzen oder Kom­pensationen zu zahlen (zeitweise bis zu 700 illegale Flotten gleichzeitig). Doch nicht nur das: Zum Teil wurde mit illegalen Fangmethoden gearbeitet, so dass bestimmte Gewässerabschnitte buchstäblich leerge­fischt und der Be­stand nachhaltig de­zi­miert wur­de. Da­rüber hin­aus war­fen die inter­national agie­ren­den Traw­­ler ihren für sie minderwertigen Mit­­fang so billig auf den somalischen Markt, dass auch die ver­blei­benden Fischer die­ser Kon­kurrenz kaum stand­halten konn­ten.

In Folge dessen und in Ermangelung einer kontrollierten (staat­lichen) Li­zenzvergabe begannen einige Fischer wiederum ge­fälschte Lizen­zen auszu­stellen und ei­nige Warlords und andere lokale Führer kas­sierten Be­­stechungsgelder von Traw­lern und stell­­ten im Gegenzug Schutz­truppen, wel­­che die alleinige Nutzung der be­zahl­­ten Gebiete sicherten. Es kam zu ers­ten gewaltvollen Aus­ein­an­der­set­zun­gen auf dem Meer zwischen ille­galen Traw­lern, Schutzgruppen und (ehe­mal­igen) somalischen Fischern so­wie einer bei­der­seitigen Bewaffnung. Zu­neh­mend mehr Fischer gingen nun dazu über, Lösegelder als Kompensation für ver­lo­ren­en Fischfang von den Traw­lern zu erpressen.

Ab dem neuen Jahrtausend profess­io­­nalisierte sich das Pirateriegeschäft zu­nehmend: durch größere Piraten­gruppen (1), vermehrte Nutzung tech­nischer Geräte wie GPS, eine räumliche Ent­fernung vom Küstenstreifen und Operationen mit einem sog. „Mut­ter­schiff“ als Piratenstützpunkt auf hoher See. Auch wurden zunehmend Han­dels­flotten, die auch für die Dauer der Lösegeldforderung in für die Piraten sichere Häfen transportiert wurden, zum Ziel der Ka­perungen.

Seit 2008 und mit dem Beginn der Militäreinsätze der Internationalen Ge­mein­schaft expandierte und eskalierte auch die Piraterie zunehmend: die Dau­er der Verhandlungen stieg von zwei auf bis zu sechs Monate, die Höhe der Lösegeldforderungen stiegen an und es fand eine räumliche Expansion weit in den Indischen Ozean bis hin zu den Seychellen statt. Seit 2012 ist ein Rückgang der versuchten Enterungen zu verzeichnen. Dies liegt sicher sowohl an der militärischen Piratenjagd seitens der Internationalen Gemeinschaft, als auch an der vermehrten Bewaffnung der Crews auf den Handelsflotten selbst. Dennoch ist dieser Rückgang weder ein Zeichen für Stabilisierung noch für die Verbesserung der Situation, sondern lediglich ein Ausdruck erfolgreicher Verdrängung und Verlagerung – welche sich schnell als Boomerang erweisen könnte.

 

Profiteure der Piraterie

 

Die ökonomischen Auswirkungen der somalischen Piraterie für den Welt­handel sind – im Gegensatz zum Eindruck, den man durch die mediale Berichterstattung ge­winnt – vergleichsweise gering. So betrug der Umsatzverlust für den welt­weiten Seehandel 0,1% im Jahr 2010. Für die deutsche Schifffahrt verringerte sich der Branchenumsatz um 2% (ca. 422 Millionen Euro) (2). Allerdings lan­det nur ein Bruchteil davon in den Hän­den der somalischen Piraten, die pro gekaperten Schiff zwischen 1-3 Mio. US-Dollar erbeuten (im Jahr 2008 ka­men so bspw. 30 Millionen US-Dollar zu­sammen). Der Großteil der Gelder fließt vielmehr an Versicherungen und die private Sicherheitsindustrie im Nor­den, die v.a. als Wachschutz und bei Lö­se­geldverhandlungen aktiv wird. An­­walts­kanzleien, Waffenhändler und Teile der somalischen Diaspora zählen ebenso zu den Profiteuren der Piraterie im globalen Norden.

Demgegenüber haben die Piraten-Gelder auch erheblichen Einfluss auf die somalische Wirtschaft. Einer­seits pro­fitieren davon ca. tausend Fa­milien mit ca. 10.000 Angehörigen fi­nanziell. Außer­dem wird der Ge­winn an ein brei­tes Netzwerk und Unterstützerumfeld ver­teilt, da die Pi­raten auf Infrastruktur bzw. sichere Häfen, umfassende Logistik und In­formationen angewiesen sind. An­­dererseits trägt die Piraterie jedoch auch zur Inflation, zur Verteuerung der Lebenserhaltungskosten und zum Ar­beitskraftmangel in der Fische­rei­wirtschaft bei.

In der Bevölkerung selbst ist Piraterie meist als legitime Einkommensquelle akzeptiert und wird zum Teil unterstützt. Allerdings mögen viele die Piratengruppen in ihrer Gegend nicht, da sie mit Waffen- und Men­schenhandel in Verbindung steh­en, Drogen und Alkohol in die Region bringen, zur Inflation und zum Werteverfall beitragen, den regionalen Schiffsverkehr behindern, und auch Schiffe ärmerer Länder und Schiffe des World Food Programme (WFP) der UN kapern. Übrigens gibt es zwischen Islamisten bzw. der Al-Shabaab und den Piraten keine belegte Zusammenarbeit, obgleich immer wieder Vermutungen kursieren, dass es Berührungspunkte gibt, oder in Zukunft geben könnte. Die Akzeptanz vieler Somalis gegenüber der Piraterie ist nicht nur damit begründet, dass ein Teil der Lösegelder auch in die somalische Wirtschaft und Familien fließen. Von vielen Somalis wird die Piraterie auch deshalb als legitim er­achtet, weil sich die Piraten selbst als Schützer des Meeres vor Überfischung und illegaler Fischerei darstellen. Die noch immer illegal agierenden Trawler verschiedenster Nationen werden als „Fisch­piraten“ bezeichnet, welche durch Kaperungen abgeschreckt wer­den sollen. Das erpresste Lösegeld wird als nachträgliche Pachtlizenz oder als Kompensationszahlung für ver­­gangene Fischausbeutung inter­pre­­tiert. Tatsächlich decken sich die jährlichen Einnahmen der Pira­ten ungefähr mit dem Verlust in der eigenen Fischereiwirtschaft. Löse­geld­forderungen bei Handelsflotten werden als legitimer Zoll für die Nutzung der somalischen Handelswege betrachtet. Im Gegenzug garantieren die Piraten eine sicherere Durchquerung der Meeres­passage und keine wei­teren An­griffe durch somalische Pi­ra­tengruppen – auch bei erneuter Durch­­querung in Zukunft.

 

Das Bedrohungsszenario und seine Konsequenzen

 

Diese ökonomischen Ursachen und Ursprünge der Piraterie werden gerne außen vor gelassen in der hie­sigen Debatte, die bspw. die Operation Atalanta rechtfertigen sollen. Statt dessen wird ein Bedrohungsszenario aufgebaut, um der Bevölkerung und vor allem den entscheidenden Parlamentarier_innen die Notwendigkeit des Einsatzes zu verdeutlichen. So wurde Piraterie auch vom UN-Sicherheitsrat als Bedrohung des internationalen Friedens und als kriegerische Handlung bezeichnet. Sie sei einerseits eine Bedrohung für den freien Handelsverkehr und erzeuge großen volkswirtschaftlichen Schaden. Andererseits werden auch Ver­bindungen zum Terrorismus hergestellt, um die Pira­terie als internationale Bedrohung er­schei­nen zu lassen. Schlussendlich wer­den, v.a. in der deutschen Debatte, be­sonders die Entführungen der Le­bens­mitteltransporte des World Food Programme der UN hervorgehoben, wel­che das Wohlergehen der somalischen Bevölkerung bedrohen.

Als Ursache von Pira­terie gilt in diesen Diskursen meist Staats­zerfall und eine da­raus resultierende Ge­walt- und Kriegs­­öko­nomie. Auf re­gio­­nale Unter­schiede hin­­­­­­­gegen wird kaum ein­ge­gangen, ob­wohl bspw. So­maliland (3) auf­grund ei­gener lokaler Ord­­nungs­strukturen frei von Piraterie ist und Pi­ra­tenstützpunkte und Rück­­zugshäfen v.a. auf Punt­land und Zentral-Somalia konzentriert sind. Denn die Internationale Gemein­schaft unterstützt lieber den Aufbau zen­tral­staatlicher Strukturen mit Ge­waltmonopol nach westlichem Vor­bild.

Durch die Bedrohungs-Argumentation lassen sich weltweit die mi­li­tärischen Mis­si­onen rechtfertigen – ob­gleich sie finanziell nicht im Verhältnis zum wirtschaftlichen Scha­den ste­hen. Insgesamt sind über 20 Staaten militärisch bei Somalia aktiv, größ­tenteils off-shore (2008/2009 wurden 40 Kriegsschiffe gezählt). Neben ein­zelnen Marine-Flotten – bspw. aus China, Indien, Russland, Korea, Japan, Malaysia und dem Iran – gibt es drei multilaterale Militäreinsätze bei Somalia: die Operation Atalanta der EU, Ocean Shield der NATO und die Combined Task Force der USA. Die Piratenjagd auch im staatlichen Hoheitsgewässer Somalias wurde 2008 durch die UN-Resolution 1816 legi­timiert. Weitere Resolutionen folgten und legitimierten sukzessive mehr Kriegsschiffe, die Jagd vom Festland aus, Gefangennahmen und Geleitschutz.

Zudem wird auch fleißig in den Aufbau von zentralstaatlichen Strukturen in­vestiert und die somalische Über­gangsregierung unterstützt, die inner­halb der Bevölkerung wenig Rückhalt genießt und demzufolge nicht durch­setzungsfähig ist. Bspw. werden deren Sicherheitskräfte vom Westen mit aus­gebildet und unterstützt (seit 2010 im Rahmen der EU-Mission EUTM Somalia). Investitionen in zivile Struk­turen, Entwicklungshilfe oder öko­nomische Anreize für die somalische Bevölkerung finden hingegen kaum statt. So sammelte man bspw. auf einer Geberkonferenz 2009 in Brüssel 213 Mio. Euro für Somalia, von denen lediglich 2% in nicht-militärische Aktivitäten investiert wurden (4).

Die Schifffahrtsindustrie selbst fährt mit Unterstützung ihres jeweiligen Her­kunftslandes unterschiedliche Stra­tegien des Selbstschutzes. Sie reichen von defensiven Ansätzen, wie Wachen, Zäune, Schallkanonen usw., über bewaffnete Mannschaften bis hin zur Anwendung offensiver militärischer Gewalt, die gezielte Tötung, Beschuss und Geiselbefreiung einschließt.

 

Das Karussell der vielen Interessen

 

Da das kostenintensive militärische Engagement der Internationalen Ge­mein­schaft bei Somalia in keinem Ver­hältnis zum wirtschaftlichen Scha­den steht und die Bedrohung zwar für die Arbeitnehmer_innen auf den Flotten real ist, jedoch als globales Bedrohungsszenario kons­truiert erscheint, drängt sich die Fra­ge auf, warum dann so viel in diese Militäreinsätze investiert wird. Ein Blick auf die vielfältige und komplexe Interessenlage der maritimen Wirt­schaft, staatlicher Agenturen und mili­tärischer Akteure, gibt darüber Aufschluss.

Zum einen werden natürlich öko­nomische Interessen verfolgt, wie die freie Nutzung der eigenen Han­delswege, der Schutz eigener Fisch­fangflotten und die Verringerung der Kosten, die durch gekaperte Schiffe, zeitliche Verzögerungen oder maritime Umwege entstehen. Bemerkenswert ist zudem, dass viele an der Piratenjagd beteiligte Länder noch immer eigene, auch illegale Trawler in der Region fischen lassen.

Zum zweiten scheint die Beteiligung vieler Länder von geo­stra­­tegischen bzw. geo­po­litischen Interessen mo­ti­viert zu sein. Der Politikwissenschaftlerin Birgit Mahnkopf zufolge ist der Indische Ozean die „Hauptbühne des globalen Wettbewerbs im 21. Jh.“, und die Kontrolle darüber bedeutet Einfluss und Herrschaft (5). Eine der wichtigsten Handelswaren ist dabei das Rohöl. Geopolitisch scheint es vor allem eine Rivalität zwischen der EU und den aufstrebenden asiatischen Nationen wie China und Indien zu geben. Sie werden mitunter als Bedrohung für westliche Interessen gesehen, weil sie militärisch aufrüsten, einen großen Ressourcenbedarf haben und demzufolge Konkurrenten sind. Darüber hinaus stellen sie den „freien Märkten“ das Modell des „staatszentrierten Kapitalismus“ gegen­über und investieren – vor allem China – viel in afrikanische Länder, bspw. in Entwicklungshilfe, Infrastruktur, Roh­stoffe, Handel und Technik. Durch militärische Präsenz kön­nen alle Beteiligten ihre Einflusszone aus­weiten. Des Weiteren ist der Einfluss auf die somalische Politik von geo­strategischem Nutzen – sei es beim Wett­lauf um Res­sour­cenvorkommen in Afrika oder beim Kampf gegen globalen Terrorismus oder bei der erwünschten Kontrolle im Indischen Ozean.

Zugleich ist der Einsatz am Horn von Afrika auch eine De­monstr­ation mi­li­tä­rischer Macht und welt­­politischer Hand­lungs­fäh­igkeit. Beispiels­weise kann sich die EU mit der Operation Atalanta als auß­enpolitisch ein­fluss­reicher und handlungsfähiger Akteur profilieren, und auch die NATO hat hier ein neues maritimes Aufgabenfeld. Ebenso können die Länder hier ihre militärischen Kapazitäten testen: Die Marine kann ihre Nützlichkeit demons­trieren, Aufrüstung forcieren und mi­li­tärische Fähigkeiten erproben, ohne sich dabei großen Gefahren auszusetzen. Beispielsweise hat Japan im Zuge des Einsatzes seine erste Militärbasis in Dschibuti etabliert und China seine Marinekapazitäten ausgebaut. Das gemeinsame militärische Engagement ist darüber hinaus eine Chance, internationale Beziehungen und Kooperationen neu zu gestalten, bspw. zwischen China und den USA, die durch ihre gemeinsame Mission eine neue Verhandlungsbasis haben, und eröffnet auch perspektivisch die Möglichkeit, Seerechtsregelungen neu zu gestalten.

Dagegen haben die somalischen Piraten und die sie unterstützende Bevölkerung keine militärisch oder geostrategisch inspirierten Interessen. Primär verfolgen sie ökonomische Interessen, was auch die Wahrung der Fischbestände einschließt. In politischer Hinsicht fordern sie, dass illegale Fischerei auch international geahndet wird und eine finanzielle Kompensationen stattfindet. Übrigens auch dafür, dass europäische Staaten seit den 80ern ihren Giftmüll vor der somalischen Küste verklappten, was ca. 300 Somaliern das Leben kostete und Krankheiten und Fischsterben her­vor­brachte. Die EU wei­gert sich bisher, Scha­densersatz zu leis­ten und den Müll fachgerecht zu ent­sorgen, ob­gleich das See­­rechtsabkommen nicht nur Piraterie, son­dern auch ille­gale Fischerei und Müllverklappung ver­bietet. Auch die Anerkennung von loka­len Ordnungsstrukturen und Au­to­nomie bspw. in Somaliland oder Puntland liegt im Interesse der lokalen Autoritäten – bei den Piraten lässt sich mutmaßen, dass Piraterie auch ein Mittel ist, um die Clan-Souveränität über bestimmte Gewässerabschnitte ge­genüber der Internationalen Ge­mein­schaft zu demonstrieren.

 

Antipirateriemission als Konfliktverschärfer

 

Soweit so schlecht. Doch die Bilanz wird noch düsterer, wenn man sich die konfliktverschärfenden Folgen des militärischen Engagements anschaut: Zwar gibt es einen Rückgang der erfolgreichen Piratenangriffe seit 2011 und der generellen Attacken seit 2012, allerdings ist dies kein Beleg für eine Stabilisierung der Region – vor allem nicht, wenn sich Gewalt nur verlagert. So führt der Wissenschaftler David Kersting aus, dass eine Verlagerung des maritimen Aktionsraumes statt­fand, bis hin zu den Seychellen, sowie ein Ausweichen auf kleinere Küs­tenstandorte als Rückzugsraum. Eben­so wird eine Verlagerung der Kri­minalität der Piraten hin zu anderen Geschäftsfeldern wie Kidnapping und Diebstahl festgestellt. Gleichzeitig führ­te das militärische Engagement auch zu Eskalationen in mehrfacher Hin­sicht: Die geforderten Lösegelder sind heute wesentlich höher, die Ver­hand­lungsdauer ist um mehrere Mo­nate gestiegen, ebenso hat die Ge­walt­bereitschaft der Piraten im Zuge zu­nehmender beiderseitiger Be­waff­nung deutlich zugenommen. Bei­spielsweise gab es über 3.000 ent­führte Seefahrer zwischen 2008 – 2011, seit 2008 mindestens 61 tote See­fah­rer und allein 2011 mindestens 111 tote Piraten. Insgesamt scheint also das bewaffnete Engagement der In­ternationalen Gemeinschaft die Ver­la­­gerung, aber auch Eskalationen im Ab­­lauf der Kaperungen zu fördern. Kon­­fliktverschärfend kommt neben der gestiegenen Gewaltbereitschaft hin­zu, dass viele der an der Piratenjagd be­­teiligten Staaten zeitgleich illegale Fisch­fangflotten vor Ort belassen oder – wie Kenia und der Jemen – noch offene Grenz­konflikte mit Somalia haben. Das beför­dert nicht nur das generelle Miss­trauen in der Bevölkerung jedweder aus­ländischer Intervention gegenüber, son­dern auch ihre Solidarität und Unterstützung gegenüber den Piraten.

Eine nachhaltige Stabilisierung und Be­friedung Somalias durch das internationale Engagement kann hin­gegen nicht festgestellt werden. Sie ist an­gesichts der genannten Interessen auch nicht zu erwarten, da diese den Be­darfen und Interessen der somalischen Bevölkerung zuwiderlaufen: Denn zum ersten versucht die Internationale Ge­meinschaft – geostrategisch motiviert – den Zentralstaat aufzubauen, statt lo­­kale Ordnungsstrukturen, die Clan-basiert in verschiedenen Teilen So­ma­lias bestehen, zu respektieren, ein­­zubeziehen und zu stärken. Zum zwei­ten finden kaum Investitionen in die zivile Bevölkerung und alternative Er­werbseinkommen bzw. zum Aufbau öko­nomischer Strukturen statt. Das aber entspräche den eigentlichen Be­darfen der Bevölkerung und könn­te darüber hinaus auch der Pira­te­rie den Legitimationsboden ent­zie­hen. Zum dritten zeigt die In­ter­nationale Gemeinschaft keine Be­­reitschaft, Verantwortung für die prak­­tizierte illegale Fischerei und Gift­müll­verklappung zu übernehmen, sprich Kom­pensationszahlungen zu täti­gen und eigene illegale Trawler zu ahnden. Hier stehen die ökonomischen In­te­ressen der Internationalen Ge­mein­schaft im Widerspruch zu öko­no­mischen und politischen Interes­sen der So­malier, sprich die Clan-Souveränität gegenüber den eigenen Fisch­gründen und Meeresterritorium zu respektieren. Zum vierten wird Piraterie noch mit Terrorismus verknüpft, was wie­de­rum zur Zerstörung von lokalen Strukturen beiträgt, die auch Piraterie be­kämpfen, und die Etablierung ei­ner etwaigen Ordnung langfristig ver­­hindert. Zum fünften stehen die geostrategischen Interessen im In­dischen Ozean der Beendigung des Mi­li­täreinsatzes generell entgegen, da das aufgebaute Bedrohungsszenario ja allen nützlich ist, um geopolitische Spiel­regeln zu definieren und mili­tä­rische Kooperationen zu erproben. Allen, außer den Somaliern selbst. Es drängt sich der Eindruck auf, dass ihr Terri­torium von der Internationalen Gemeinschaft als Spiel­wiese genutzt wird – legitimiert mit dem Argument, es ginge um die nachhaltige Ver­besserung und Sta­bi­li­sierung der Ver­hält­nisse in Somalia. Zurück bleibt ein zer­trampeltes Feld – mitnichten aber ein Boden auf dem Gras stabil und nachhaltig drüberwachsen könnte.

 

momo

 

(1) http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2014/04/2014-04-30-mandat-atalanta.html

(2) Neben den sog. Subsistenzpiraten, die aus ehemaligen Fischern und Familienangehörigen bestehen, gibt es fünf große Piratengruppen, die mit Ausnahme der Somali Marines anhand von Clan-Strukturen organisiert sind und – in friedlicher Koexistenz zueinander – in verschiedenen Gebieten operieren. Die Somali Marines sind mit 1.500 organisierten Menschen die größte Piratengruppe in Somalia.

(3) Somaliland ist eine Region im Norden Somalias mit eigenen autonomen Ordnungsstrukturen. Sie wird als de-facto-Regime bezeichnet, da sie als unabhängiger Staat vom Großteil der anderen Staaten nicht anerkannt wird.

(4) David Kersting 2013: Piraterie vor der Küste Somalias: Eine kritische Perspektive auf das Horn von Afrika als geopolitische Arena; In: Elliesie, Hatem (Hg.): Multidisziplinary Views on the Horn of Afrika; Studien zum Horn von Afrika Band II, Köln, S. 1-34

(5) Birgit Mahnkopf 2010: Piratenhatz am Horn von Afrika. Zur politischen Ökonomie eines Piratenkonflikts und seiner geopolitischen Bedeutung; IPG 1/2010; S.58-81

 

weitere Literatur:

* Marchal, Roland 2011: Somali Piracy: The Local Contexts of an International Obsession. Humanity: An International Journal of Human Rights, Humanitarianism, and Development Volume 2, Number 1: 31-50.

* Mari, Francisco; Heinrich, Wolfgang 2009: Von Fischen, Fischern und Piraten; In: Wissenschaft und Frieden 2009-2: Ressourcen, Ausbeutung, Krieg, Elend

* Matthies, Volker (2010): „Piraten vor Somalias Küsten: Kanonenbootdiplomatie oder Friedenspolitik?“.  In Luedtke, Ralph-M. & Peter Strutynski (Hg.): Kapitalismus, Krise und Krieg: Den Kreislauf durchbrechen. Kassel, S. 68-85.

„War Starts Here“-Camp 2014

Zum 3. Mal fand dieses Jahr vom 17. bis zum 24. August das „War Starts Here“-Camp in Niedersachsen statt. Das Bündnis „Gewaltfreie Aktion GÜZ“ protestierte mit kreativen Aktionen, Diskussionen und Workshops gegen das Gefechtsübungszentrum Altmark. Auf dem von der Firma Rheinmetall betriebenen und vom Bund angemieteten Gebiet soll bis zum Ende des Jahrzehnts die Phantomstadt Schnöggersburg entstehen. In dieser sollen deutsche Truppen bald 265 Tage im Jahr die Möglichkeit haben, mit Laserwaffen Kampfsituationen zu simulieren, wie sie in Auslandseinsätzen vorkommen könnten. In Vorbereitung auf die Proteste waren mehrere hundert AktivistInnen, darunter auch mehrere aus verschiedenen Ländern wie der Ukraine und Ungarn angereist. Ihnen gegenüber stellten sich 500 Polizisten, Mitglieder der Bundespolizei und die dort stationierten Soldaten, die breite Gebiete und Straßenteile für die Zeit des Camps gesperrt hatten.
Am 23. August gelang es den Antimilitarist_innen erfolgreich, in das nicht-eingezäunte Truppenübungsgebiet einzudringen, bevor sie von der Polizei des Platzes verwiesen wurden.
Um noch mehr Aufmerksamkeit auf die Proteste und die Thematik zu ziehen, wurde in mehreren naheliegenden Orten Mahnwachen abgehalten. Zu gewalttätigen Ausschreitungen kam es nicht.

Militarisierte Landschaften

Vorschlag zur aktivistischen Psychogeografie

In Deutschland wie auch global nehmen die Proteste gegen Militärbasen wieder zu. Zum dritten Mal fand im August 2014 ein Aktionscamp gegen das Gefechtsübungszentrum des Heeres (GÜZ) in der Colbitz-Letzlinger Heide statt, zuvor protestierten Tausende auf Sizilien gegen die Satellitenanlage MUOS der US-Army. Zum Globalen Aktionstag gegen die Nutzung von Drohnen für Krieg und Überwachung am 4. Oktober 2014 sind alleine in Deutschland Aktionen und Kundgebungen an mindestens sieben Militärstandorten und Forschungseinrichtungen angekündigt. Doch auch jenseits von Bündnissen und Aktionstagen bieten sich Ausflüge zu solchen Liegenschaften an, um aktuelle und vergangene Formen der Kriegführung subjektiv erfahrbar zu machen. An diesen verknüpfen sich zudem lokale, soziale Auseinandersetzungen mit der großen, oft nur abstrakt kritisierbaren Geopolitik – so zumindest ein im Entstehen begriffener wissenschaftlicher Ansatz.

Vernetzte Kriegführung

Zugespitzt ist jeder Mobilfunkmast Teil jener Infrastruktur, mit der Profile erstellt werden, die letztlich zur „gezielten Tötung” von Menschen in Pakistan oder Somalia führen. Solche Bewegungsprofile werden in den USA und im Umfeld des US-Oberkommandos für Afrika (AfriCom) bei Stuttgart mit öffentlichen und geheimdienstlichen Daten abgeglichen, und letztlich fällt hier, irgendwo in Deutschland, die Entscheidung über den Waffeneinsatz einer zuvor bereits in Djibouti gestarteten, bewaffneten Aufklärungsdrohne.

Noch bevor dies auch durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekannt gemacht wurde, begann eine internationale, gerade in Deutschland sehr sichtbare Kampagne mit dem Namen „War starts here“ – Krieg beginnt hier. Ein rosafarbenes Kreuz an Rüstungsbetrieben, anderen Institutionen und Unternehmen, die mit der Bundeswehr zusammenarbeiten, wurde zu ihrem Symbol. Doch auch Brandanschläge auf Bundeswehrfahrzeuge und Sprühereien gegen die Post-Tochter DHL, nachdem sich diese um die Privatisierung der Basislogistik der Bundeswehr beworben hatte, bezogen sich auf die Kampagne. Mittlerweile zum dritten Mal fand diesen Sommer unter dem Titel „War starts here“ ein Protestcamp in der Nähe des Gefechtsübungszentrum in der Colbitz-Letzlinger Heide statt, wo alle Soldaten des Heeres trainieren, bevor sie im Ausland, wie etwa in Afghanistan eingesetzt werden. Im Gegensatz zu der Demonstration zum zehnten Jahrestag des Beginns des Afghanistankrieges im Dezember 2011 in Bonn, die von den meisten Teilnehmenden als klein und frustrierend wahrgenommen wurde, entwickelte das Camp mit dem expliziten Ziel, den Übungsbetrieb und damit die Kriegsvorbereitungen zu stören, eine starke Dynamik. Auch an verschiedenen Universitäten, dem Flughafen Halle/Leipzig, dem AfriCom bei Stuttgart und den Luftlagezentren Kalkar und Uedem am Niederrhein wachsen die Widerstände gegen konkrete Orte der Kriegsvorbereitung und -führung.

Geopolitik und soziale Auseinandersetzungen

Die politische Wissenschaft hat die Militarisierung der internationalen Beziehungen lange ganz im Sinne herrschender Ideologieproduktion negiert oder humanitär zu begründen versucht. In jüngster Zeit sind allerdings Publikationen erschienen und ist ein Ansatz am Entstehen, der die genannten Entwicklungen der Lokalisierung nicht nur wahrnimmt, sondern auch in Teilen zu erklären und fundieren vermag. Das Charmante und womöglich wirklich Produktive besteht dabei darin, dass Geopolitik mit unmittelbaren sozialen Kämpfen in Zusammenhang gesetzt wird – und den letzteren, zumindest bezogen auf Militärbasen, einen deutlich größeren Stellenwert eingeräumt wird, als man angesichts einer überwältigenden, unaufhaltsam scheinenden Kriegsmaschinerie annehmen mag.

So hat Amy Austin Holmes (1), deren Arbeit u.a. von Beverly Silver (2) betreut wurde, den Widerstand gegen US-Militärbasen in Deutschland und der Türkei seit 1945 untersucht. Im Gegensatz zu früheren Imperien, die hierfür besetzte Gebiete und Protektorate nutzten, baue das US-amerikanische auf ein weitläufiges Netzwerk von Basen in (je nach Zählweise bis zu 170) – zumindest formal – souveränen Staaten. Statt militärischer Niederlage und Zwang sind internationale Verträge Grundlage der Stationierungen, die sich wiederum auf einen Diskurs stützen, wonach diese Staaten von den Stützpunkten profitieren, indem sie dadurch unter einen Schutzschirm der Militärmacht USA genommen und vor Invasionen und inneren Umstürzen geschützt werden. Wenn jedoch die gesellschaftlich wahrgenommene Bedrohung abnimmt oder ganz verschwindet, treten plötzlich die negativen Folgen der Stützpunkte für Umwelt, Umfeld, Wohnungs- und Arbeitsmarkt deutlicher zutage und Protest formiert sich. Dieser habe sowohl in der Türkei wie auch in Deutschland vier verschiedene Formen angenommen: (a) parlamentarische, indem kleinere Oppositionsparteien den Abzug forderten; (b) gewaltfreie, etwa durch Blockaden von Stützpunkten durch Anwohner_innen oder spontane Proteste nach Zwischenfällen; (c) militante, in Form von Anschlägen auf Personal und Einrichtungen der US-Streitkräfte und (d) Arbeitskämpfe durch zivile Angestellte im Umfeld der Basen. Besonders die gewaltfreien Proteste und Arbeitskämpfe hätten nach Holmes durchaus geopolitische Wirkung entfaltet.

Die US-Militärplaner_innen können nach Holmes die Natur und Ursache dieser Widerstände nicht wahrnehmen und verstehen – ihr auf militärische Feinde fokussierender, an globalen Strategien orientierter Blick lässt das offenbar nicht zu. Deshalb bestünden auch kaum Lösungsstrategien und mittelfristig sei zu beobachten, dass sie sich dem Protest fügen, in andere Regionen abwandern. Die angekündigte Verschiebung des Schwerpunkts US-amerikanischer Truppenstationierung von Europa nach Asien (wo die Bedrohung durch China und Nordkorea gesellschaftlich stärker wahrgenommen wird, als diejenige durch Russland in Europa) mag hierfür ebenso ein Indiz sein wie der Rückgriff auf kleinere, nur sporadisch genutzte – häufig als private Unternehmen getarnte – Basen in Regionen mit jüngerer Kolonialgeschichte, in Lateinamerika und Asien. Die Struktur der US-Militärpräsenz in Afrika scheint dem durchaus zu entsprechen: Führungsstrukturen und Einsatzkräfte sind dauerhaft in Süddeutschland und den USA stationiert (wo gegenwärtig ebenfalls der Protest insbesondere gegen die Drohnenkriegführung wächst) und führen regelmäßig in ausgewählten afrikanischen Staaten gemeinsame „Übungen“ und Einsätze durch. Dafür nutzen sie Flughäfen „ziviler“ Subunternehmen der US-Army oder geheime Stützpunkte des CIA. Was Holmes leider nicht explizit einbezieht, in Deutschland aber ein wachsendes Problem darstellt, sind die Mobilisierungen rechter Gruppen gegen US-Basen mit dem Argument, Deutschland müsse vom Besatzungsstatus wieder zur vollständigen Souveränität, womöglich sogar in den Grenzen vor 1945/1989, zurückfinden.

Militärische Landschaften

Parallel dazu entsteht in den geographischen Wissenschaften gegenwärtig ein Ansatz zu militärischen/militarisierten Landschaften. Dieser nimmt die Rolle des Militärischen für die Konfiguration des Raumes in den Blick, von Erinnerungsstätten und Soldat_innengräbern über einzelne Rüstungsbetriebe und Militärbasen und deren Auswirkungen aufs städtische und ländliche Umfeld bis hin zur weitläufigen Anordnung solcher Stützpunkte. Das Interessante an diesem Ansatz ist nicht nur, dass etwa Rachel Woodward, eine der Protagonistinnen eines entsprechenden Forschungsprogrammes, lange (und bezeichnenderweise) fehlende wissenschaftliche Definitionen für Begriffe wie „Militär“ und „Militarisierung“ entwickelt und anbietet (3), sondern dass sich als Methode die militante, also eingreifende Untersuchung geradezu aufdrängt. So ist bereits das Benennen der militärischen Funktion eines Stützpunktes, eines privaten Unternehmens oder einer öffentlichen Institution ein Akt mit Folgen für diese Einrichtungen und ihre Legitimität. Eine wissenschaftliche, als Hobby oder Aktivismus durchgeführte Untersuchung solcher Orte durchbricht per se die Aura der Geheimhaltung, das von den Betreiber_innen beanspruchte Deutungsmonopol und das rechtlich wie praktisch nicht durchsetzbare, auf Schildern aber häufig proklamierte Betretungs- und Fotografieverbot. Die Befragung der Anwohnenden über Auswirkungen, persönliche Gefährdung durch und Wissen über die globale Funktion der Einrichtungen wirft bei diesen womöglich ganz neue Fragen auf. Vor allem aber stellen solche Untersuchungen eine Form der intellektuellen Selbstverteidigung gegen die naturgemäß starke Verzerrung der Wahrnehmung gegenwärtiger Kriegführung dar.

Vorschlag zur aktivistischen Psychogeografie

Statt in der Freizeit an den See zu fahren oder fernzusehen, wird hier also der Vorschlag gemacht, Ausflüge an konkrete Orte der Kriegführung zu machen. Der nächste Truppenübungsplatz, der nächste Rüstungsbetrieb oder die nächste Fakultät, an der Kriegsforschung betrieben wird, ist von den meisten Punkten in Deutschland mit Fahrrädern oder dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen. Kennzeichen und Typen der Autos auf Firmenparkplätzen, die Aushänge in Universitätsfluren und die Anordnung von Basen im städtischen oder ländlichen Raum lassen Krieg und seine kapillaren Ausformungen neu erfahrbar werden. Wer im Freundeskreis und der Nachbarschaft dann von diesen Ausflügen erzählt, macht oft die Erfahrung, dass viel weiteres verstreutes Wissen über militärische Einrichtungen existiert und plötzlich zutage tritt: Es gibt Informationen über jenen Bunker im Wald und die Aktivitäten bestimmter Firmen. Fast schon lückenlos wird die mentale Karte militarisierter Landschaft, wenn die historische Komponente einbezogen wird: Verwaltungsgebäude und Wohnprojekte sind ehemalige Kasernen, in Kirchen und an öffentlichen Plätzen finden sich Gefallenendenkmäler mit sehr unterschiedlichen Inschriften aus unterschiedlichen Zeiten.

Letztlich lassen sich die meisten Städte dechiffrieren – wie das schon 2005 eine Arbeitsgruppe des ASTA der Uni Kassel versuchte (4) – von den Resten der Stadtmauer und anderen Festungsanlagen über die Bauten, die nach dem zweiten Weltkrieg auf den Trümmern bombardierter Fabriken entstanden, die Bunker aus der Zeit des „Kalten Krieges“ bis hin zu Forschungszentren, Zulieferbetrieben und Flughäfen am Stadtrand als „gebauter Krieg“. Einige aktuelle Tendenzen der Kriegführung werden unmittelbar erfahrbar. Darunter die sogenannte Zivil-Militärische Zusammenarbeit und die weit gediehene Privatisierung: Zahllose zivile Baufirmen sind auf den Stützpunkten aktiv und sichtbar, die IT wird von privaten Firmen gewartet. Manche Stützpunkte, an deren weitläufigem Zaun im Wald noch vor „Schusswaffengebrauch“ gewarnt wird, stellen sich am Haupteingang lediglich als Sitz einer GmbH dar. Aktuelle und neue Stützpunkte offenbaren darüber hinaus häufig die herausragende Bedeutung der sogenannten C3I: Kommando, Kontrolle, Kommunikation und Aufklärung (5), die eine wesentlich verteiltere/vernetztere Struktur der Streitkräfte ermöglichen. Neben diesen vermeintlichen Revolutions in Military Affairs (RMA) (6), welche die Beschleunigung von Aufklärung und Kommunikation als entscheidenden zu erringenden Vorteil gegenüber den Gegnern erachten, zeigen sich aber auch geradezu banale, scheinbar zeitlose Erscheinungen, wie die anhaltende Bedeutung und Nutzung des Waldes als Barriere und Sichtschutz gerade für sensiblere Bereiche von Standorten.

Der Wald, der vielleicht sonst eher Ruhe und Natürlichkeit vermittelt, kann plötzlich bedrohlich wirken, wenn ein Pickup-Truck mit bewaffneten Jägern (oder Spezialkräften in Zivil?) plötzlich neben einem auftaucht, während man ein Gelände inspiziert und sich an die Worte eines Wachsoldaten erinnert, der warnte: „es ist im engeren Sinne nicht rechtlich verboten, das Gelände zu betreten, aber sie könnten erschossen werden“. Dann fährt plötzlich eine Familie beim Fahrradausflug gut gelaunt den ausgeschilderten Radweg entlang und alles wirkt wieder ganz harmlos.

Neben Erkenntnissen locken also auch kleine Abenteuer, harmloser als eine Fernsehdokumentation, aber unmittelbar, ungefiltert und subjektiv. Natürlich, und das sollte hier ausdrücklich gesagt werden, droht auch die Paranoia. Wie bei anderen Karten auch ist das Militärische nur eine Folie von vielen, die die Wahrnehmung des Raumes strukturieren können, und darüber sollte man sich im Austausch mit anderen immer wieder verständigen. Oder einfach mal wieder eine Fahrradtour an den See machen.

maria

(1) Amy Austin Holmes: „Social Unrest and American Military Bases in Turkey and Germany since 1945“, Cambridge University Press 2014.

(2) Beverly Silver vertritt in ihrem vielbeachteten Buch „Forces of Labour“ (Kräfte der Arbeit) die operaistische Auffassung, dass das Kapital nicht immer bessere Ausbeutungsbedingungen sucht und schafft, sondern von Arbeitskämpfen um den Globus getrieben wird. In Anlehnung könnte man Holmes zugespitzt so interpretieren, dass die Streitkräfte der US-Army von Protesten über den Globus getrieben werden.

(3) Rachel Woodward: „Military landscapes – Agendas and approaches for future research“, in: Progress in Human Geography 2014, Vol. 38(1) 40–61.

(4) Lola Meyer: „Die Suche nach dem Krieg in Architektur und Städtebau am Beispiel Kassels“, Universität Kassel 2006.

(5) C3I (Control Command Communication Intelligence) ist eine militärische Abkürzung, die die verschiedenen Ebenen bezeichnet, mit deren Hilfe das Militär Aktionen plant und durchführt.

(6) Revolution in Military Affairs (dt. Revolution der militärischen Angelegenheiten) ist eine These aus der amerikanischen Militärwissenschaft, die besagt, dass sich die Art der Kriegsführung aufgrund von neuen Strategien,Taktiken oder Technologien (z.B. Drohnen) ändert.

Bundeswehr rüstet auf und ab

Schießanlage im Zeitzer Forst geplant

Zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt, nahe Zeitz müssen bald ca. 7000 qm Wald einer neuen Schießanlage weichen. Satte 10 Millionen Euro lässt das Bundesverteidigungsministerium springen, um künftigen Soldat_innen in Auslandseinsätzen das scharfe Schießen unter mög­lichst geringer Wegezeit beizubringen. Die Bürgerinitiative „Kein Schuss im Zeitzer Forst“ macht dagegen mittels Unterschriftensammlung und geplantem Ostermarsch (9.4.2012) mobil. Sie bringen dabei den ganzen Zeitzer Forst als Natur- und Naherholungsgebiet in Stellung – obgleich große Teile unbegehbar sind, weil sie entweder schon von der Bundeswehr für die Übungen genutzt werden oder noch durch die ehemalige Nutzung der Sowjetsoldaten „munitionsbelastet“ sind.

Die geplanten Investitionen in Waffentechnik in Zeitz sind übrigens nur ein Bruchteil von den 1,3 Milliarden Euro, die der Verteidigungsminister Thomas de Maizière ausgeben wird, um künftig effizienter und stärker in Auslandseinsätzen agieren zu können. Die infrastrukturelle und technische Ausstattung der Bundes­wehr­standorte ist Teil einer sog. „qualitativen Aufrüstung“ der Bundeswehr (siehe FA!#40). Und sie ist die Kehrseite einer vermeintlichen Abrüstung, wie sie auch im Oktober letzten Jahres mit der Bekanntgabe der Standortschließungen suggeriert wurde. Denn von 400 Standorten werden tatsächlich 136 geschlossen und die Anzahl der Dienstposten soll von 281 500 auf 197 500 sinken. Ein Großteil dessen wird im Norden Deutschlands und in NRW abgezogen.

Die General-Olbricht-Kaserne in Leipzig bleibt uns indes leider auch in Zukunft erhalten – dafür ist ihre geografische Lage nahe dem Militärflughafen (Nato-Drehkreuz) Halle-Leipzig nur zu günstig. Allerdings soll dort die 13. Panzergrenadierdivision aufgelöst werden – das Hauptquartier quasi, das über eine ca. 11.000 Menschen umfassende Truppe sog. Stabilisierungskräfte verfügt hat, die bspw. in Afghanistan eingesetzt werden. Aber da auch hier Ab- und Aufrüstung zwei Seiten der Medaille sind, wird aus der Dienststelle eben auch gleich eine neue gebildet: das Ausbildungskommando für das Heer.

Ja, in der Bundeswehrwelt bewegt sich was – verbessern tut sich jedoch nichts. Da lohnt es sich doch mehr mit dem Ostermarsch am 7. April gegen Kriegseinsätze auf und ab zu radeln – und zwar vom Leipziger Bahnhof ab 12 Uhr über die Olbricht-Kaserne zum Nato-Flughafen.

momo

Musikalischer Militärprotest

Am 4. September erlebten Urlaubsstarter, Beschäftigte und andere Besu­cher_in­nen den Flughafen Halle/Leipzig in ungekann­ter Atmosphäre. Nicht nur, weil der Abflugterminal kurzerhand zum Schauplatz einer politischen Protestaktion gegen den Militärflughafen Halle/Leipzig wurde, sondern v.a. weil diese als Klassikkonzert daherkam. Unter dem Motto „Piano und Forte statt Kriegstransporte“ produzierten über 60 mit verschiedenen Instrumenten ausgerüstete Musiker_innen samt Chor und Theaterduo ca. 2 Stunden lang unangemeldete, wohlklingende, klassische und kriegskritische Töne. Als Lebenslaute zusammengeschlossen, vermittelten diese jungen und älteren Menschen auf kreative Weise wogegen sie protestieren: Militarismus, Waffenexport und ganz konkret die militärische Nutzung des Flughafens (siehe auch FA!#41). Unterstützt wurden sie dabei von weiteren Aktiv­ist_innen, die das Flughafenfoyer mit Transparenten und plakatierten Koffern zur politischen Litfaßsäule umfunktionierten und Flyer verteilten.

Die Lebenslaute ist eine offene, basisdemokratisch organisierte Gruppe, die jährlich Konzerte an ungewöhnlichen, politisch brisanten Orten gibt, um verschiedene Probleme, von Militarisierung über Flücht­lings­po­litik bis hin zur Atomkraft, in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Ihren Ursprung hatte sie in der Friedensbewegung mit dem Protest gegen die Atomraketen­statio­nierung in Mutlangen im Jahr 1986. Inzwischen taucht die Lebenslaute seit nunmehr 25 Jahren immer mal irgendwo auf: am AKW Biblis oder in Gorleben, im Abschiebeflughafen Frankfurt, der Ausländerbehörde in Bielefeld oder wie zuletzt am Militärtruppenübungsplatz in der Colbitz-Letzlinger Heide. Dass ziviler Ungehorsam gepaart mit Hartnäckigkeit und Ausdauer auch zu Erfolg führen kann, haben viele der aktiven Lebensläuter zuletzt selbst erlebt, als der Truppenübungs- und Bom­ben­ab­wurfplatz „Bombodrom“ bei Witt­stock nach siebzehn Protestjahren geschlossen wurde. Vier mal kam die Lebens­lau­te mit Geige und Cello auch bei der dor­tigen Bürgerini „FREIe HEIDde“ vorbei.

Doch der Erfolg der Aktionen ist in den seltensten Fällen so deutlich messbar – schließlich werden sich die Flughafeneigner und -betreiber in Halle/Leipzig nach dem diesjährigen Auftritt wohl nicht ihrer Militärtransporte entledigen. Trotzdem war die Aktion sehr gelungen, denn die ca. 150 angereisten Musiker_innen und Sympathisant_innen erzeugten Aufmerksamkeit, rückten die Problematik einmal mehr ins Bewusstsein und brachten den ein oder anderen Fluggast zum Nachdenken. So kann die Lebenslaute durch ihre Musik, gekoppelt mit Redebeiträgen erreichen, wovon viele Aktiv­ist_innen sonst träumen: Menschen sensibilisieren, denen es vorher egal war, dass bspw. jeder vierte Fluggast in Halle/Leipzig ein Soldat ist, der meist in Afghanistan landet.

momo

www.lebenslaute.net

www.nein-zum-kriegsflughafen.de

Tatort München – Die Sicherheitskonferenz

Und wieder eine Stadt im Ausnahmezustand, diesmal ist es München. Kriegsstrategen und Rüstungslobbyisten aller führenden Nationen treffen sich im „Hotel Bayrischer Hof“, um globale Militäreinsätze der nächsten Jahre zu planen und die laufenden irgendwie aus dem Guerilla-Schlamassel zu bringen.

Mehr als genug Gründe also für ein breites Bündnis kriegskritischer Menschen – von Friedensgruppen bis Autonomen – eine internationale Mobilisierung zu starten. Erklärtes Ziel ist die Verhinderung der Konferenz.

Problematisch erweist sich das Vorhaben wie üblich durch die nationale Mobilisierung von Bereitschaftspolizei und Sondereinsatzkommandos. Über 4000 Uniformierte sind angereist um die Sicherheit der Sicherheitsexperten zu gewährleisten. Und so füllen sich die Münchner Gefängnisse bereits am Freitag durch den interessanten Grundsatz der Polizei, ein „freies Vagabundieren potentieller Gewalttäter“ müsse „präventiv verhindert“ werden. Verdächtig aussehende Personen werden also schon vorher festgesetzt, zum Beispiel beim Einkaufen. Um 16 Uhr beginnen die Kundgebungen rund ums Tagungsgelände, allesamt schwer bewacht, praktisch eingekesselt. Einige Entschlossene versuchen trotzdem, Straßen zu blockieren, was von der Polizei als Eskalation bewertet wird. Willkürliche Festnahmen provozieren Gegenwehr und weitere Zugriffe. Besonders Zivilbeamte tun sich durch Hooliganverhalten hervor – viele DemonstrantInnen gehen durch Knüppelschläge zu Boden, werden zusammengetreten und finden sich mit einer Anzeige in der Sammelzelle wieder. „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ und „Eingriff in den Straßenverkehr“ sind von Münchens Polizeichef einfach als „Straftat“ definiert worden. Resultat ist ein Wochenende Knast. Insgesamt werden 266 Leute arrettiert. Bei ihrer Suche nach Rädelsführern hat die Obrigkeit den IMi*-Aktivisten Tobias Pflüger ausgemacht. Der Tübinger wird nach einer Kundgebung angegriffen und am Genick verletzt.

Zweite Runde: Samstag, Großdemonstration. Etwa 10.000 Menschen ziehen mit guter Stimmung durch die Stadt. Es ist laut, die Musik fetzig und es bleibt die Frage offen, ob mehr „Hoch-die-Inter-“ oder „Antinationale“ gebrüllt wird. Die Polizei lässt von Anfang an keinen Zweifel zu, wer das Gewaltmonopol innehat. Mit absurden Auflagen wie „Fahnen müssen parallel zum Zug getragen werden“ und der Forderung nach einer „Teilnehmerliste“ macht sie sich allerdings eher lächerlich, was von den VeranstalterInnen auch so formuliert wird.

Gegen die Übermacht in Grün-Weiß ist allerdings von vornherein nichts auszurichten und so ziehen viele „potentielle Gewalttäter“ in die Fußgängerzone. Auf dem Marienplatz eskaliert die Lage durch eine radikale Polonaise: „Hüpfen für den Frieden.“ Beim Zugriff der Polizei ist der Tumult schon lustiger und unkontrollierter. Auch PassantInnen missfällt denn auch die offen zuschlagende Obrigkeit, viele solidarisieren sich verbal mit den Protesten. Gegen Abend ist es dann wieder ruhig in München. Abgesehen von einigen Schaufensterscheiben erholen sich alle Beteiligten.

soja

* IMi = Informationsstelle Militarisierung

Deutsche Interessen werden auch am Hindukusch verteidigt.“ Struck

Wenn es einen Konsens der Veranstaltung gibt, dann den, dass weiter angegriffen werden muss. Ohne dauernde militärische Interventionen sind Renditen immer weniger zu haben. Besonders in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation gilt: Krieg ist Geld. Und auf Geld kommt es schließlich an. Wo die nächsten Bomben fallen und wer wie an welchem Konflikt verdient, darum geht es in München.

Was das Weltwirtschaftsforum in Davos für die Spitzenvertreter der internationalen Wirtschaft ist, ist die Sicherheitskonferenz (…) für die Repräsentanten der strategischen Gemeinschaft.“

Horst Teltschik, Organisator

Eine Konferenz, die sich mit den Attributen „Frieden“ und „Sicherheit“ schmückt und bei der gleichzeitig eine klare Kontinuität zum altdeutschen Militarismus besteht. Wurde sie doch 1962 von ehemaligen Nazi-Generälen zusammen mit den NATO-Staaten als „Wehrkundetagung“ ins Leben gerufen. Von Anfang an ging es um strategische Aufrüstung und die Verankerung des Militärs in den westlichen Gesellschaften. Nur einige der dort diskutierten und beschlossenen Themen sind etwa die Neutronenbombe, die „Nachrüstung“, der atomare Erstschlag und, als aktuellste Erfindung, der Präventivkrieg. Ebenso zeitgemäß präsentieren sich auch die Organisatoren: Seit 1998 ist es die Quandt-Stiftung von BMW, einem direkt in Kriege involviertem Rüstungskonzern, die die Konferenz des weltweiten Durchgriffs moderiert. Überall sollen Ordnung, Frieden und vor allem Sicherheit herrschen. Vielen Dank.

Antimilitarismus

Soldaten sind Gärtner?

Eines morgens erreichte die bestürzte Feierabend!-Redax eine wütende Postkarte: Abo-Kündigung! Und alles wegen einer ‘harmlosen’ Überschrift: „Mörder zum Anfassen“, FA!#13, S.1.

Gemeint waren wahrscheinlich die uniformierten Damen und Herren der Bundeswehr-Show „Heer on tour“, die in dem Artikel auch sonst nicht besonders gut wegkommen. Die Begründung der Kündigung klingt genial: „Nicht alle Soldaten werden zum Töten ausgebildet, schon garnicht in unserem Land.“ Gut zu wissen, dachte sich die Redaktion, dann gibt es also doch keinen qualitativen Unterschied zwischen Soldaten und, sagen wir, Gärtnern? Beide machen ja nur ihren Job für die Gemeinschaft. Aber muss mensch denn wegen einer philosophischen Kontroverse gleich zum finalen Mittel (Kündigung) greifen?? Es ist wohl am besten, an dieser Stelle noch­mal laut über einen der einfachsten und gleichzeitig umstrittensten Vergleiche nachzudenken.

Als Kurt Tucholsky 1919 sein populäres Zitat „Soldaten sind Mörder“ auf einer Antikriegs-Kundgebung in die Welt setzte, war es eine Antwort. Eine Antwort auf die Frage, wie das millionenfache Morden der Jahre 1914-18 denn zustandekommen konnte. Schuld war nicht ein „Volk“, ein Kaiser, ein Generalstab. Schuld war das System der kapitalistisch-nationalen Kriegsmaschinerie, soviel stand für damalige Antimilitaristen fest. Und doch braucht ein Mord immer einen Mörder. Was liegt also näher, als die Schuldigen in den ausführenden Organen der „Maschine“, also in den Soldaten, vom General zur Rekrutin, zu suchen? Massenhaftes Sterben von Menschen im Krieg entsteht ja nicht nebenbei durch ein System, sondern durch Menschen, die Waffen zum Töten anderer Menschen bedienen. Und dazu werden Soldaten zielgerichtet ausgebildet.

Was Soldaten von Mördern unterscheidet, ist ihr fehlendes, individuelles Motiv, diesen oder jenen Menschen umzulegen. „Sorry, war nicht persönlich…“ Soldaten handeln grundsätzlich unter „Befehlsnotstand“. Ein Begriff, der Prozesse gegen Kriegverbrecher aller Art nahezu unmöglich macht. Gesetz ist Gesetz, Befehl ist Befehl. Da kann man nix machen. Menschen die während der Ausführung einer staatlichen Maßnahme (Krieg) ums Leben kommen, fallen unter die Vollstreckung des staatlichen Gewaltmonopols, das die Vernichtung menschlichen Lebens in Kauf nimmt oder bewusst plant. Innerhalb einer solchen Maßnahme als Soldat zu töten, kann juristisch also kein Mord sein.

Bleibt jedoch der Unterschied zwischen individueller und kollektiver Motivation. Bei ersteren entscheiden Juristen zwischen Gründen wie Notwehr oder wechselseitigen Gewalttätigkeiten, die irgendwann zur Tötung führen, und „niederen Beweggründen“, wie Habgier, Eifersucht, Sexualmorden. Anders beim Soldaten, in dessen Rücken ein autoritäres Kollektiv („Staat“) steht, in dessen ideologischem Auftrag er handelt und das seine Gemetzel an der „Front“ legitimiert. Hier ist das Gewaltmonopol des Staates Grund genug, das systematische Töten nicht mehr zu hinterfragen. Mörder und Soldaten zu trennen liegt also in der Logik von Institutionen, die eben dieses Monopol an Gewalt verteidigen.

Wie immer mensch aber zum Gewaltmonopol steht – genügend Studien belegen den Zusammenhang von berufsmäßigem Töten von „Feinden“ und der anschließenden Tendenz der Soldaten, Morde (diesmal illegal) aus „niederen Beweggründen“ zu begehen. Die Grenze zwischen Mörder und Soldat lässt sich auch für MilitaristInnen im Krieg immer schwieriger ziehen. Übrig bleibt am Ende nur Gewalt.

Dass in diesem Kontext die Behauptung, „Nicht alle Soldaten werden zum Töten aus­gebildet, schon gar nicht in unserem Land“ ein Feigenblatt ist, scheint klar zu sein. Sie folgt der Tendenz, Morden im Namen des eigenen Kollektivs als nicht weiter schlimm zu betrachten. Letztlich ist das delegiertes Töten mit dem Vorsatz, dafür nicht die Verantwortung übernehmen zu wollen. Und den Dreck räumen die Soldaten weg. Deren physische wie psy­chische Verstümmelung wird da­­bei noch billigend in Kauf genommen. Nach dem Motto: „Die kriegen ja fette Pensionen!“ Doch die Wirklichkeit im Arbeitsleben eines Soldaten sieht anders aus: Drill, Erniedrigung und geringer und ausbleibender Sold gehören fast überall auf der Welt zu den Machtinstrumenten der Offiziere. Die Existenz einer moralisch überlegenen „Nation“ und die Eingliederung in eine militärische Befehlskette scheinen für den Menschen hinter der Waffe also ein guter Grund zum Töten zu sein. Und wem das nicht reicht, der spürt den Stiefel!

Unserer Meinung nach genug Argumente, sich gegen eine wie auch immer getünchte Kriegsmaschine zu wenden. Der Satz „Soldaten sind Mörder“ appelliert an den autonomen Verstand der Uniformierten, sich nicht länger das Gehirn vernebeln zu lassen. Nur, wenn Mörder nicht glauben, Mörder zu sein, ist morden für sie einfach. In diesem Sinne: Tucholsky hat recht! – Soldaten sind keine Gärtner!

soja, clov, A.E.

Leseecke

Buch-Buh-Bundeswehr

Die Bundeswehr hat die (Kriegs-)Flagge auf der Leipziger Buchmesse 2005 gestrichen! Im Vorjahr 2004 noch bar aller Bücher größter Einzelaussteller auf der Buchmesse, traten die Feldgrauen dieses Jahr den strategischen Rückzug an. Proteste, 1.200 Unterschriften gegen ihre Anwesenheit und die bekundete Ablehnung vieler Verlage haben offenbar Wirkung getan. Hinzu kam die negative Publicity für die Leipziger Buchmesse durch die gewalttätige Anwesenheit von Feldjägern und Polizei. Offenbar um weiteren Imageschaden für Messe und Kriegskampagne zu vermeiden, machte die Bundeswehr wegen angekündigter neuer Proteste nach eigener Aussage den Rückzieher. Jaja – die Kultur ist ein Minenfeld, das mussten nun auch die Anwerbe-Soldaten lernen.

Wir konnten also eine Buchmesse ohne die auf Tölpelfang im Jugend- und Kindermessebereich ausgehende Bundeswehr erleben. „Der Weg zum Frieden führt über den Schulhof“, so warb damals Deutschlands Streitmacht, wobei doch die Interpretation „Der Weg zum Friedhof führt über den Schulhof“ augenscheinlich näher lag. Bücher statt Bomben!

LPA

über´n Tellerrand

Piano & Forte gegen Kriegstransporte

Lebenslaute gegen die militärische Nutzung des Flughafen Halle/Leipzig

In mehr als 25 Ländern ist Krieg. Deutschland beteiligt sich aktiv an der militärischen Gewalt in Afghanistan. Darüber hinaus ist die Bundeswehr in neun weiteren Krisen und Konflikten im Einsatz. Auf der einen Seite bemerkt man hier kaum etwas davon, auf der anderen Seite durchdringt das Militär immer weitere Bereiche unseres Lebens. So wird ein großer Teil der Militärlogistik mittlerweile auf zivilem Wege, über private Firmen abgewickelt. Dieses so genannte Public-Private-Partnership bedeutet: Private Unternehmen verdienen am Krieg, während die Kriegswirtschaft so tut, als sei sie nicht militärisch.

Fast unmerklich hat sich der Flughafen Leipzig/Halle zu einem großen Kriegsflughafen entwickelt: Während in einem Flugzeug Geschäftsreisende sitzen, werden in einem anderen SoldatInnen in Kampf­ein­sätze geflogen. Stationierte Großraum­flug­zeuge verfrachten schweres militärisches Ge­rät in Kriegsgebiete. Die „Feldpost“ für Sol­datInnen und tausende Pakete mit militärischer Ausrüstung werden von hier verschickt. Der Flughafen wird von der zivilen Flughafen Leipzig/Halle GmbH betrieben. Mehrheitsgesellschafter mit 94% Anteilen ist die Mitteldeutsche Airport Holding AG, deren AktionärInnen der Frei­staat Sachsen, das Land Sachsen-Anhalt und die Städte Dresden, Leipzig und Halle sind.

Wusstet Ihr schon …dass vom Flughafen Leipzig/Halle jährlich mehr als 450.000 Sol­da­tIn­nen, vor allem US-Truppen, in Krieg­seinsätze geflogen werden? …dass auch die Bundeswehr den Flughafen Leipzig/Halle fest in die eigene Logistik-Struktur eingebunden hat? …dass es am Flughafen Leipzig/Halle kein Nacht­flug­verbot gibt? …dass die DHL/Deutsche Post in Afghanistan Niederlassungen hat und Fracht und Briefe zu den Truppen befördert?

Wisst Ihr vielleicht …wie hoch der Anteil der militärischen Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle ist? …wie sehr die Flug­ha­fen­gesellschaft, d.h. die Länder und Städte von dem Kriegsgeschäft profitieren? …wie viel die DHL, die Lufthansa Cargo und andere Firmen im Flughafen Leipzig/Halle an den ca. 3 Milliarden Euro verdienen, die der Afghanistankrieg Deutschland jährlich kostet?

Was wir wollen …Beendigung der militärischen Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle.Stopp aller Dienstleistungen, die direkt oder indirekt den Krieg unterstützen. Sofortige Abwicklung der Rüs­tungs­industrie und der Geschäfte mit Waffen­ex­por­ten. Unverzügliche Abschaffung der Bundeswehr, auch in Form einer Frei­willigen­armee. Abbruch aller militärischen Einsätze und kon­sequentes Engagement in ziviler Konfliktbearbeitung. Lasst uns Sand sein im Getriebe der Militär-Maschine!

Unter dem Namen Lebenslaute engagieren sich seit 1986 bundesweit Musi­kerInnen – einmal jährlich in Chor- und Orchesterstärke, dazwischen auch in kleineren Ensembles regional. Die offene Musik- und Ak­tionsgruppe bringt überwiegend gerade klassische Musik dort zum Klingen, wo dies nicht erwartet wird: auf Militärübungsplätzen und Abschiebeflughäfen, vor Atomanlagen und Raketendepots, in Ausländerbehörden und anderen Menschen bedrohenden Orten.

Bei der Wahl unserer Konzert-Orte lassen wir uns nicht durch herrschende Vorschriften einschränken. Im Gegenteil: Lebenslaute-Aktionen suchen die politische Auseinandersetzung durch angekündigten und bewussten Gesetzesübertritt. Dabei ist es uns wichtig, lokale Protestbewegungen zu stärken. Entscheidungen treffen wir basisdemokratisch, die Bedürfnisse und Bedenken aller Teilnehmenden sollen berücksichtigt werden. Es bleibt stets in der Verantwortung der Teilnehmenden, wie weitgehend sie sich einbringen. Betroffene möglicher rechtlicher Konsequenzen unterstützen wir solidarisch.

„Lebenslaute“

www.nein-zum-kriegsflughafen.de
www.flughafen-natofrei.de
www.imi-online.de
www.lebenslaute.net

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Mitmachen

…musizieren, vorbereiten, auf die Aktion aufmerksam machen

Zeiten und Orte

…Probenwochenende in Halle: 24. – 26. Juni 2011

…Aktionstage in Leipzig: 31. August – 4. September 2011

…Aktion am/im Flughafen: 4. September 2011, mittags

Kontakt

…lebenslaute2011@riseup.net / Infotelefon 0160 – 9261 9994

Spenden

…E. Reinhardt/Konto: 102936992/BLZ: 25090500/Sparda-Bank

Hannover/Verwendungszweck: ‘Kriegsflughafen 2011’

Lokales