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Interview: ZineAttack #01

Fanzines? Was´n das?“ Die Antwort auf diese Frage ist scheinbar einfach: Das Wort setzt sich aus „Fan“ und „Magazine“ zusammen. Gemeint ist also ein Heft von Fans für Fans, in Eigenregie produziert, oft per Fotokopie vervielfältigt. Ab da wird’s dann aber kompliziert – denn von Punkrock über persönliche Alltagsgeschichten bis zum Gartenbau gibt es wohl kaum ein Thema, für das sich nicht irgendwo ein entsprechendes Fanzine finden ließe. Wie vielfältig dieses Feld sich gestaltet, konnte man am 10. September im Atari erleben. Dort fand nämlich das ZineAttack statt, ein Treffen für Fanzine-Macher_innen und sonstige Interessierte. Im Vorfeld nutzte der Feierabend! die Chance, ein Interview mit zweien der Organisator_innen zu führen:

FA!: Ich vermute mal, dass Ihr nicht nur das ZineAttack organisiert, sondern auch anderweitig im DIY-Bereich aktiv seid. Könnt Ihr euch mit ein bis zwei Sätzen vorstellen, wer Ihr seid und was Ihr sonst so macht?

Jan: Ich bin Jan, 26 Jahre alt, gebe seit 2002 zweimal im Jahr ein jeweils 80-seitiges Anarcho-Punk-Fanzine namens Proud to be Punk heraus und spiele bei Selbztjustiz Gitarre bzw. bei Doubt Everything Schlagzeug. Darüber hinaus bin ich bei Bon Courage e.V. aus Borna aktiv – hierbei handelt es sich um einen Ende 2006 ins Leben gerufenen Verein, der mit Workshops, Vorträgen, Filmvorführun­gen, Ausstellungen, Bildungsreisen usw. antifaschistische und antirassistische Aufklärungsarbeit betreibt (siehe www.bon­courage.de).

Markus: Ich heiße Markus und schreibe und verkaufe Zines (über das Fill-My-Head-Zine-Distro). Ich höre gerne Toxoplasma und Rites Of Spring und schlafe lange. Außerdem finde ich seit 2002 (da hörte ich zum ersten Mal einen Song von Minor Threat) schnelle, simple Musik voll gut, deshalb gründete ich mit drei anderen Losern vor einiger Zeit die Musikgruppe Morgenthau Plan. Sonst beschränken sich meine Aktivitäten im DIY-Bereich meist nur noch auf den Support von Konzerten mittels Eintrittzahlen und dem Erwerb von Tonträgern.

FA!: Ganz naiv gefragt: Was ist ein Fanzine? Worin unterscheidet es sich von „normalen“ Zeitschriften. Und warum macht oder liest mensch lieber ein Fanzine als einen Blog?

Jan: Das klassische Fanzine ist ein schwarz-weiß kopiertes Heft im A5-Format. Da sich diese Szene recht vielseitig gestaltet, gibt es natürlich auch Fanzines in A6-, A4- oder auch vollkommen ausgefallenen Größen. Ab einer gewissen Auflage lohnt es sich, das Heft zu drucken – so gibt es auch ei­nige vollfarbige Fanzines auf Hochglanz-Pa­pier, wobei für mich jedoch die Do-It-Yourself-Atmosphäre ein stückweit verloren geht. Die inhaltliche Ausrichtung kann sehr unterschiedlich ausfallen und hängt selbst­verständlich von den Interessen der Heraus­geberInnen ab. Musik spielt in Punk/Hardcore-Fanzines zweifelsohne eine bedeutende Rolle. Aber auch Themen wie Politik, Kunst oder Sport sowie persönliche Gedanken bzw. Erlebnisse stellen keine Seltenheit in Fanzines dar – einige HerausgeberInnen nutzen ihr Heft sogar förm­lich als Tagebuchersatz und geben viel über die eigene Person preis. Wie der Inhalt so wird auch das Layout des Fanzines von denjenigen zusammengeschustert, die selbiges veröffentlichen – entweder ganz oldschool mit Schere und Leim oder etwas moderner am Computer.

Fanzines unterscheiden sich von normalen Zeitschriften in erster Linie dadurch, dass sie ohne finanzielle Hintergedanken aus purem Idealismus heraus veröffentlicht werden – so deckt der Preis eines Fanzines in der Regel gerade mal die entstandenen Kopier- bzw. Druckkosten. Dadurch, dass sich die Redaktion meist nur aus einer Hand­voll Leute zusammensetzt, fällt der In­halt häufig sehr subjektiv aus – es wird ein­fach über das geschrieben, was die He­rausgeberInnen selbst interessiert oder bewegt. Zudem erscheinen Fanzines oftmals unregelmäßig und meist nur in einer Auflage von wenigen hundert Exemplaren.

Da ich selbst nur ungern längere Texte am Computer lese und lieber in der Straßenbahn, auf der Wiese im Park oder abends im Bett noch ein bisschen in einem „richtigen“ Fanzine schmökere, hält sich mein Interesse gegenüber Internetblogs spürbar in Grenzen. Ein Fanzine ist einfach klein, handlich, praktisch – um einen Blog zu lesen, muss ich zumindest einen Laptop parat haben. Zudem sind Fanzines von ihrer Optik her oftmals mit wesentlich mehr Liebe zum Detail gelayoutet, als es bei Blogs der Fall ist.

FA!: Und á propos Blogs: Gibt’s so was wie ein Konkurrenzverhältnis zwischen Zines und dem WoldWideWeb? Waren Fanzines früher wichtiger für die Subkultur?

Jan: Zweifelsohne haben E-Zines und Webblogs gedruckte Fanzines in den letzten Jahren ein stückweit verdrängt. Dennoch gibt es immer noch genügend Leute, die sich für Fanzines im Papierformat interessieren, so dass ich nur bedingt von Konkurrenz sprechen würde. Auf mein eigenes Fanzine bezogen hat sich beispiels­weise im Laufe der Jahre ein recht fester LeserInnenkreis etabliert, zu dem immer wieder neue Leute hinzustoßen. Nichtsdestotrotz hat das Internet ungemein dazu beigetragen, dass der Informationsfluss wesentlich zügiger vonstatten geht, als es in den 1980ern oder 1990ern der Fall war. Damals blieben Mundpropaganda, Flyer und eben auch Fanzines oft die einzige Informationsquelle, auf die man zurückgreifen konnte, um auf dem Laufenden zu bleiben – heutzutage genügen einige Mausklicks, um alles nötige zu erfahren.

Markus: Ich glaube schon, dass die Möglichkeiten im Netz die Zinekultur so’n bißken ausgeknockt haben. Zumindest ist der ganze Spaß doch deutlich zusammengeschrumpft. Also klaro, wie Jan schon sagte, es gibt immer noch genügend Leute, die sich für den Kram interessieren. Aber wenn man vergleicht, was es z.B. vor ungefähr 10 Jahren noch an deutschsprachigen Egozines gab (hab erst letztens ´nen guten Einblick bekommen, als ich ein riesiges Paket mit alten Zines aus dem Zeitraum 1985-1995 zugeschickt bekam), was man mittlerweile fast an beiden Händen abzählen kann, würde ich auf jeden Fall behaupten, dass E-Zines, Blogs & Co. dazu beigetragen haben, dass das Printheft nicht mehr so gefragt ist. Einen Blog im Egozinestil aufzuziehen ist auch einfach unkomplizierter: Freier, kostenloser Zugang, Kommentarfunktion, sekundenschnelles Artikel veröffentlichen statt wochenlanges Schneiden & Kleben… Ich persönlich bevorzuge immer noch gedruckte Zines, aus den auch von Jan genannten Gründen, lese aber auch gerne auf Blogs rum. Ich schreibe ja auch auf dem Blog für die Fill-My-Head-Zine-Distro, was für mich aber nicht den gleichen Stellenwert wie das Schreiben eines Printzines hat. Letzteres bedeutet mir dann doch viel mehr, weil mir der ganze Entstehungsprozess „Text schreiben > Layoutideen sammeln > schneiden und kleben > kopieren und tackern“ verdammt viel Spaß bereitet und die alltägliche Langeweile ein wenig wegkillt.

Und deine super-allgemeine Frage, ob Fanzines früher wichtiger waren, kann ich dir super-allgemein beantworten, nämlich mit einem klaren: Ja, auf jeden Fall. Nehmen wir mal das Beispiel Konzertankündigungen: Wie erfuhr ein schwäbischer Dorfpunk in den frühen 90ern vom GG-Allin-Konzert in Königswusterhausen? Eben. Von seiner Brieffreundin aus Flensburg, die den Konzertflyer irgendwo ins Layout ihres Zines einfließen ließ. Heute erledigen das eben Blogs und Konzerteinladungen auf Facebook. Siehe Jans Antwort. Sehr schön auf den Punkt gebracht. GG Allin ist übrigens schon lange tot, hab ich auf Wikipedia gelesen.

FA!: Naive Frage Nr. 2: Warum gibt es Zinefests? Welche Bedeutung haben die für die „Szene“? Und was ist das Motiv für Euch, hier in Leipzig ein Zinefest zu organisieren? Was kann mensch da erwarten?

Markus: Ich denke, jede Zinefest-Orga-Crew hat da ihre eigenen Gründe, je nachdem, wo die persönlichen Prioritäten der Aktiven liegen. Die klassischsten Gründe sind wohl einfach die, das Medium „Fanzine“ einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, neue Zines und die Menschen dahinter kennenzulernen und Eigenes zu verbreiten. Es gibt aber auch Zine­feste, die ein bestimmtes Thema pushen wollen, z.B. von Anarchopunks organisierte Treffen, um politische Aktionsformen zu entwickeln und weiterzuverbreiten, oder Riot-Grrrl-Events, um am männer­dominierten Bierzelt namens Punk ein wenig feministisches Feuer zu legen.

Welche Bedeutung das für die Szene hat? Ich kann da nur mutmaßen. Es ist halt erstmal „nur“ ein nettes Vernetzen, welches im real life, von Aug zu Aug, stattfindet. Ob das irgendwie großartig bedeutend für eine Szene ist, glaube ich kaum, und ich sage das auf keinen Fall jammernd oder klagend. Ich glaube, die Bedeutung beschränkt sich meist auf die eh schon Aktiven, die sich dann halt nach jahrelangem Mail­verkehr und Zinetausch endlich mal ken­nenlernen. Im besten Falle entsteht da­raus etwas, z.B. ein neues gemeinsames Zine oder, noch besser, die eine oder der andere wird angefixt und ins­pi­riert, ein eigenes Heft zu starten. Aber auch hier kann man sagen: Ver­netzung findet mittlerweile hauptsächlich digital statt.

Zu unserer eigenen Motivation, so was mal in Leipzig zu versuchen: Es ist im Grunde so, dass wir alle in irgendeiner Weise aktiv im Zine-Business drinhängen und immer wieder die Erfahrung machen, dass gar nicht mal so wenige diese Zine­kultur überhaupt nicht kennen, oft nicht mal den Begriff „Fanzine“ zuordnen können. Kurz gesagt ist das Hauptmotiv also erstmal „nur“ aufzuzeigen, was sich dahinter verbirgt. Nämlich nicht nur schmuddelige Nischenblättchen für Punker, nöö, das alles kann ziemlich facettenreich und inhaltlich verdammt abwechslungsreich daherkommen. Positive Nebeneffekte könnten auch sein, dass wir neue spannende Zines und Schreiber_innen kennenlernen und irgendwen irgendwie inspirieren. Mal schauen.

Was wir uns konkret für das Leipziger Modell ausgedacht haben: Neben dem üblichen abendlichen Konzert mit 3 Punk/Hardcore-Bands als Ausklang und einem bestimmt voll leckeren Brunch zu Beginn kann man sich diverse Lesungen reinziehen, Filme zum Thema anschauen oder in einer Leseecke in alten und aktuellen Zines blättern. Wir konnten Christian Schmidt (ehemaliger Mitarbeiter im Archiv der Jugendkulturen Berlin) als Referenten zum Thema „allgemeine Geschichte des Fanzines“ gewinnen, sicherlich vor allem für Zine-Unkundige interessant. Verkaufsstände bieten für wenig Geld Fanzines aus den unterschiedlichsten Bereichen feil. Außerdem würden wir gerne vor Ort ein ZINEFESTZINE gestalten. Jede_r kann sich einbringen, Material zum schreiben und gestalten ist vorhanden.

FA!: Fanzines sind, soweit ich sehe, vor allem mit der DIY-HC/Punk-Szene verbunden. Gibt es so was wie eine eigenständige Zine-Subkultur oder eine Verbindung zu anderen Subkulturen durch das Medium Fanzine? Die ersten Zines, die ich vor gut zehn Jahren in die Hände bekam, waren (Death-)Metal-Zines, in den letzten Jahren gab´s drei-vier deutschsprachige Zines aus der Gothic-Ecke. Wie´s in anderen Bereichen (HipHop usw.) aussieht, weiß ich nicht. Also, gibt es eine Kooperation von Fanzine-Macher_innen aus verschiedenen Subkulturen, oder beschränkt sich das doch auf den DIY-Punk-Bereich?

Jan: Ein beachtlicher Teil der hiesigen Fanzinekultur dürfte durchaus in der Punk- und Hardcore-Bewegung verwurzelt sein, da gerade diese durch den Do-It-Yourself-Gedanken seit jeher besonders stark geprägt wurde. Laut Aussage einiger FreundInnen von mir scheint die Metal- und Gothic-Szene in dieser Hinsicht eher dünn besiedelt zu sein. Und auch mein Bruder, der sich intensiv mit HipHop beschäftigt, äußerte vor einiger Zeit leicht beeindruckt, dass er es schade findet, dass es in der HipHop-Szene scheinbar gar keine Ambitionen gibt, eigene Fanzines herauszubringen. Eine recht breit gefächerte Fanzine­kultur gibt es meines Wissens noch in der Ultra-Szene unter Fußballfans. Ein szenenübergreifender Kontakt lässt sich bei mir jedoch nur selten feststellen. Letztlich entstammen alle HerausgeberIn­nen anderer Fanzines, mit denen ich in Kontakt stehe – und das sind über die Jahre recht viele geworden – mehr oder weniger der Punk- und Hardcore-Szene, auch wenn sich der Inhalt der einzelnen Hefte sicher recht facettenreich gestaltet.

FA!: Welche Zines (aus Leipzig und darüber hinaus) würdet Ihr empfehlen, und warum gerade die?

Jan: In Leipzig ist nach einigen eher tristen Jahren glücklicherweise wieder etwas Leben in die Fanzine-Landschaft eingezogen. Zu erwähnen sind hierbei der Kiezkicker (alles rund um den antirassistischen Fußballverein Roter Stern Leipzig), Nairobi Five Degree (ein Mix aus Musik, Politik und Ego-Zine), MÜell (eine Wagenladung Gossenliteratur und anderer kranker Scheiß) und Utopia Now (eher musik­lastige Gazette, wobei der Schwerpunkt eindeutig im Hardcore-Sektor liegt). Nimmt man noch unsere beiden Fanzines Kalter Kaffee und Proud to be Punk hinzu, so ergibt sich ein recht facettenreiches Bild der Leipziger Fanzine-Szene, die nunmehr für jeden Geschmack etwas bieten dürfte.

Ich persönlich lese gern Fanzines, die eine ausgewogene Mischung aus Musik und politischen Themen bieten – z.B. Commi Bastard (Redskin-Fanzine aus Berlin), (R)Ohrpost (persönliches wie auch politisch motiviertes Punk-Fanzine von der Nordseeküste), Romp (klasse Anarcho-Punk-Fanzine aus der Schweiz) oder Underdog (sehr gut recherchiertes, tiefgründiges Fanzine aus Wildeshausen, das sich in letzter Zeit immer wieder einem Schwerpunktthema pro Ausgabe, z.B. Homophobie, widmet). Aber auch Human Parasit, Ketten und Ketchup, Randgeschich­ten oder Young and Distorted geben spannende Einblicke in das Leben der Heraus­geber­Innen, beziehen politisch klar Stellung und beweisen gutes Gespür, was coole Punk- und Hardcore-Bands betrifft.

Markus: Hm, ehrlich gesagt hat mich schon länger kein Zine mehr wirklich mitgerissen. Die meisten Zines, die ich erbarmungslos abfeiere und immer wieder lese, sind eigentlich alles irgendwelche alten Dinger, die es längst nicht mehr gibt. Was mir bei den meisten Zines irgendwie fehlt, ist eine eigene Meinung und ein gesundes Maß an Rücksichtslosigkeit. Wenn ich mich zurückerinnere, sind die Zines, die mich am meisten gekickt haben, meistens die gewesen, die mir in ir­gend­einer Art und Weise vor den Kopf gestoßen haben, die vielleicht widersprüchlich geschrieben waren oder sogar meinen eigenen Lebensstil angegriffen haben, aber so wenigstens irgendetwas mit mir gemacht haben. Das kann ich von den wenigsten Zines behaupten. Das meiste ist halt leider nur mittelmäßig.

Es gibt einige aktuelle Zines, die ich ganz okay finde, z.B. das Seven Inches To Freedom (klassisches Punk/HC-Zine aus den USA), Glamour Junkies (Egozine aus Berlin), Three Chords (mittlerweile schon recht professionell gestaltetes A4-Punk/HC-Zine aus Münster, langweilige Bandinterviews und superunterhaltsame Kolumnen), Nairobi Five Degree (Conne­witzer Punkkid von umme Ecke macht ‘nen Mix aus Egozine, Bandinterviews und Politartikeln) Trouble X (Queer Comixxx aus Berlin). Sinnvoll fand ich auch die von Sebastian in die Wege geleitete Wiederveröffentlichung eines Comiczines von idrawescapeplans und black zero. Ist´n schönes Teil geworden und gibt´s u.a. in der Fill-My-Head-Zine-Distro zu kaufen. KAUFEN! Anti-Everything gibt´s wieder, ist leider nicht so anti wie der Name vermuten lässt, aber trotzdem top. Das Nur über meine Leiche #02 aus Dresden find ich ziemlich cool, das kam vor ein paar Monaten raus. Schön rotziges Egozine, guter Schreibstil, nur viel zu schnell durchgelesen. Hoffentlich kommt da noch mehr. Das Scumbag Summer aus Berlin ist auch zu empfehlen, das sind vor allem Bildcollagen, aber trotzdem kein steriles, lebloses Kunststudentenblatt.

Was ich noch kurz loswerden will: Zurzeit scheint einiges zu laufen, denn neben unserem Zinefest ist für Ende diesen Jahres/Anfang nächsten Jahres noch was in Berlin geplant (checkt zine­festberlin.com), und laut unbestätigter Info dem­nächst auch in Hamburg. Danke an justus (aber auch die anderen) für die Interviewchance und die Geduld. We love you.

FA!: Danke für das Interview!

Glossar (für junge Spatzen, die noch nix kennen):
Distro = Distribution, Versand
DIY = Do It Yourself, mach´s selber…
Egozine = Ein-Personen-Heft mit entsprechend persönlichen Texten
GG Allin = legendärer Asselpunk, vor allem für seine fäkalienhaltigen Liveshows berühmt (aber leider schon tot)
Redskins = linke/kommunistische Skinheads
Rites Of Spring = großartige Mitt-80er-Hardcore/Emocore-Band aus Washington DC

Blatt.Rausch

übelst schlecht versteckt

the upsetter im Interview

Ein Abend in der Stadt. Im Auftrag der Neugier finden sich Frau Sch. und Frau Sch. im herbstlich-kalten Schleußig wieder. Die Mis­sion: Aufklärung des Leipziger Blätterwaldes. Der Interview­ter­min mit Matti vom „Society-Magazine“ the upsetter hat kurzfristig noch ge­klappt. Es ist mollig gemütlich im Hin­ter­zimmer des Schlechten Ver­stecks, der „Hauptzentrale“ des upsetters wie sich herausstellt. Die Ver­hörlampe wabert in der Ecke. Die Stunden verfliegen, während das generalstabsmäßig geplante Interview immer mehr ins freie Gespräch driftet. Mit je­dem Zug neigt sich das Bier. Abschweifend wer­den die Frager zu Befragten. Langsam aber zielstrebig füllt sich der Aschenbecher von drei Seiten. Sie sprechen über das Schreiben an der Front des künstlerischen Journalismus, über das Leben im All­ge­mei­nen und die Zukunft kleiner Druckerzeugnisse im Speziellen.

Die Nacht ist nicht allein zum schlafen da und das gesprochene will in das geschriebene Wort übersetzt werden. Doch auf zwei Seiten Feierabend! muss ein Inhalt passen, der auch 10 Seiten einnehmen könnte. Was muss rein, was kann raus? Sollen wir die zeitliche Abfolge beibehalten? Wo liegen thematische Schwerpunkte? Wie übersetzt man Worte, die ihre Bedeutung nicht aus dem Inhalt, sondern aus dem Hauch ihrer Äußerung beziehen? Wir wissen es auch nicht so genau. Aber eins ist sicher: Zeitung wird gemacht! Es geht voran!

Wie bist du auf den Namen the upsetter gekommen?

In Granada – immer noch meine Lieb­lings­stadt – da gibt es einen Club, der heißt the upsetter. Das ist ein Flamenco-Club, wo sonst nicht viel los ist, außer dass Spanier Bier und Wein trinken. Aber manchmal gibt es halt Flamenco-Konzerte und ich war auf einem dabei, wo El Nino, der Godfather of Flamenco gesungen hat. Ein ganz alter Mann, so 70 Jahre, der saß da mit einem Stock auf seinem Stuhl und hat übelst Flamenco gesungen total leidenschaftlich. Irgendwie war das ein Erlebnis, das mich berührt hat und dann hab ich gedacht, meine Zeitung soll der upsetter heißen. Weil, wenn man jemanden upsettet, dann regt man ihn auf oder berührt ihn. Dann hab ich aber herausgefunden, dass ich das niemals schützen kann, weil es den upsetter schon gibt – als Zeitung sogar. Das ist ein Reggae Magazine. Kennt ihr Lee „Scratch“ Perry? Der hat dieses Wort „the upsetter“ eigentlich geprägt. Es gibt sogar einen Song und auch einen Film die so heißen. Furchtbar!

Im aktuellen upsetter stellen unterschiedliche Autoren diverse Kneipen in Linde­nau vor und erzählen dabei recht gruselige Geschichten. Meinst du, dass diese Bilder allgemein dem von Lindenau entsprechen oder dass du damit einigen Menschen aus dem Herzen sprichst?

Ich denke schon. Viele Leute tragen mir sogar noch mehr Geschichten zu. Naja, es ist schon sehr klischeehaft aber ich hab einfach nur wiedergegeben, was mir die Leute erzählt haben. Ich habe in der letzten Ausgabe auch versucht, einen neutralen Beobachtungspunkt einzunehmen, obwohl ich natürlich die Ironie nicht verheimlichen kann. Aber was da drin steht über diese Kneipen in Lin­denau, das wurde mir genau so erzählt. Ich hab mich kurz als jemand geoutet, der interessiert ist am kulturellen Lindenauer Leben und die ganzen Klischees und Vorurteile und Geschichten wurden mir so unglaublich bestätigt. Ich habe nichts dazu erfunden und ich glaube schon, dass ich vielen Leuten aus dem Herzen spreche.

Aber praktisch gehen die Autoren schon direkt in die Kneipen?

Ja natürlich. Aber langsam wird es auch langweilig Kneipenrecherchen zu machen. Man geht halt nur hin, um irgendwelche Anekdoten aufzusaugen und wartet nur darauf, dass irgendein Scheiß passiert. In manchen Kneipen passiert dann aber genau das Gegenteil, wie zum Beispiel in „Die 20“ auf der Industriestraße. Ich hab auch gedacht nur Säufer anzutreffen aber letztlich waren es sehr nette und angenehme Leute. Die haben mich rumgeführt durch die Kneipe und die ganze Geschichte erzählt. Und auch im „Lady Luck“ bin ich mit der Kneiperin sehr gut ins Gespräch gekommen. Seitdem grüßt sie sich mich immer.

Die Nr. 9 wird mit einem Zitat von Hunter S. Thompson eingeführt: „Wenn die Verhältnisse irre werden, werden Irre zu Profis“…

Ja, er war schon eine große Inspirationsquelle für mich. Man kann diesen Gonzo-Journalismus nicht nachahmen und eigentlich war er auch ein ziemliches Arschloch. Ich habe mal seine Biografie gelesen, den immer verehrt. Weil er einfach so wild war und sich nichts von niemanden sagen lassen hat. Dann hab ich darüber gelesen, dass er seine Frau geschlagen hat und da war es vorbei. Er hat mich aber sehr zu diesem Stil hingeführt. Meine eigentliche Inspiration war aber die „Vice“. Das ist so `nen kostenloses Hoch­glanz­magazin, finanziert sich nur über Werbung und ist in Klamottenläden zu finden. Und die schreiben so richtig derbe Scheiße. Die sind politisch dermaßen inkorrekt, dass es zum Himmel stinkt. Das ist aber irgend­wie lustig. Es hat mich so gefläscht, dass ich gedacht habe, das muss ich auch machen. In den ersten Ausgaben wollte ich so vulgär wie möglich schreiben, um die Leute so richtig zu schockieren und aufzuregen, auch wenn sie mich mit Scheiße be­schmeißen, dann ist das genau, was ich will.

Was wir in the upsetter gelesen haben, hat uns eher erheitert und unseren Sinn für Ironie und Sarkasmus völlig getroffen, gar nicht so vulgär.

Ja, ich bin von dem Credo irgendwie abgekommen, weil meine größte Kritikerin mich vor die Frage gestellt hat, was es mir bringt, jemandem sinnlos ins Maul zu hauen. Und es bringt dir überhaupt nichts. Es gab irgendwann so eine Zeit, als der upsetter populär war. Die Leute haben mich bedrängt, „Wann kommt denn der Neue raus?“ Die haben sich nur darüber amüsiert, wenn ich andere Leute beleidigt habe. Sie wollten möglichst schlimme Geschichten über schlimme Leute, die scheiße sind. Ja und davon bin ich halt abgekommen, denn das hat dann nichts mehr mit Kunst zu tun.

Welchen Anspruch hast du?

Der Raum der Kunst wird weiter. Es war irgendwie zu wenig, nur den Ansprüchen gerecht zu werden, die die Leute, denen es gefällt, so haben. Ich möchte mehr Texte drin haben, die literarisch sind. Auch Freunde von mir haben aufgrund des upsetters eine Zeitung angefangen. „Frau Kristel“ heißt die. Die haben wirklich nur Texte geschrieben, die künstlerischen Anspruch haben, die deine Seele berühren und Gedichte usw. Das war ein totaler Erfolg und hatte übelst Resonanz. Da hab ich mir gedacht: Ich schreibe gerne und ich schreibe für mein Herz. Ich will nicht sagen das und das, wo, wann, wer, was – das wäre halt Journalismus und nicht Kunst – sondern, dass man sich an den Worten erfreuen kann, dass es einen berührt … dass man sagt: Das ist wunderschön geschrieben, das gefällt mir. Ich will dass der Journalismus künstlerisch ist.

Im upsetter ist die Ich-Perspektive sehr stark. Das wäre eine literarische Komponente an den Texten. Der Gegenstand, die Recherche ist dann vielleicht das journalistische? Könnte man das so sagen?

Ja, z.B. der Günter Wallraff. Das ist auch so einer. Ist das jetzt Journalismus? Oder ist das jetzt Kunst? Was ist das? Ist das Prosa? Es ist halt in der Wirklichkeit verankert, also es ist passiert aber trotzdem ist es künstlerisch abgebildet. So was in der Art will ich machen.

Aber vielleicht stehe ich gar nicht so einsam da? Was es jetzt gibt, das sind so blogs, twitter, facebook und myface und was weiß ich. Was ich mich aller­dings frage, vielleicht muss man ja jetzt wieder konservativ werden, damit das überhaupt noch cool ist, weil ja jeder Wichser seine Meinung irgendwo hinschmiert.

Apropos Internet. Haben so kleine Papiermagazine wie Feierabend!, the upsetter oder Frau Kristel denn noch eine Chance auf eine aktive Leserschaft?

Doch, doch, auf jeden Fall! Es ist immer so, wenn Dinge populär werden, werden sie langweilig. Also wenn irgendwas vom Mainstream ausgebeutet wird, dann gibt es immer diese reaktionäre Bewegung, die sich dann auf was anderes besinnt und was anderes will. Z.B. dein Kommilitone, wo hinten auf´m Pullover Abi 2008 steht, der erzählt dir dann was von facebook und diesem ganzen Mist. Und wenn das dann alle machen und alle machen bei twitter mit und alle haben eine myspace-Seite und alle haben so eine digitale Selbstbeweihräucherung, dann willst du was anderes haben, was dich da raus holt. Es ist auch noch nicht soweit, dass jeder seinen Minilaptop in der Straßenbahn auf´m Schoß hat.

Und vielleicht ist es auch genau dieses Format. Man kann es in der Hand halten, kann es riechen, man kann es anfassen und das ist was völlig anderes. Ich könnte natürlich, wenn ich so drauf wäre, wenn ich mal gerade Zeit habe von meine world-of-warcraft abzulassen und dann schreibe ich in meinen Blog, was ich so erlebt habe und wo ich war und das ich da mit dem gesoffen habe. Aber so ne Zeitung zu machen ist was völlig anderes, weil es halt materiell-physisch da steht. So ´ne kleinen Dinger sind total wichtig. Die Leute freuen sich darüber. Es ist wie so ein Kleinod.

Wie geht ihr mit Texten um? Gibt es Stationen, die ein Text durchlaufen muss, bis er im Heft landet?

Ich geb ja die Zeitung raus und entscheide, ob ich den Text gut finde oder er ästhetisch und inhaltlich zum Himmel stinkt. Ich bin ja im Gegensatz zu euch relativ unpolitisch. Deswegen muss ich da nicht irgendwelche Zensurmaßnahmen ergreifen. Ich muss eigentlich nur drauf gucken, schreibt er es so, dass der Leser das kapiert. Vielleicht ändere ich ein Wort und rufe an, ob das okay ist, aber dann geht der Text so raus. Bei den Texten über die Kneipen gibt es schon eine übelste Arbeitsphase, wo die dann 30 Mal unter die Lupe genommen werden. Dann wird daran rumgefeilt aber das ist es dann eigentlich auch.

Wie finanzierst du the upsetter eigentlich und wie hoch ist die Auflage?

Ich verkaufe ihn mittlerweile für 1,50, was ich sehr schade finde, denn eigentlich müsste er kostenlos sein.

Mittlerweile produziere ich mindestens 80 Stück und bei Nachfrage halt mehr. Es funktioniert auf Vertrauensbasis. Ich drucke das aus, stell das da hin, schreib 1,50 dran und wer es gibt, der gibt´s und wer nicht, der halt nicht. Aber mittlerweile ist es so, dass ich bei Null rauskomme. Ich finanziere das auf jeden Fall selber und durch die Werbung für das Schlechte Versteck und den Waldfrieden. Und Werbung mach ich nur für Leute, wo ich persönlich dahinter stehe. Ich werde z.B. niemals eine Sparkassenwerbung machen, nur weil ich dafür Geld kriege. Ich mache Werbung aber nur so un­ka­pi­ta­lis­tische Sachen. Also wenn jetzt Coca-Cola käme und sagt, ich gebe dir tausend Euro und tausend Euro und ein Tomatenfisch, würde ich sagen, fick dich.

In der aktuellen Ausgabe gibt es einen Text, wo der Situationist Guy Debord zitiert wird. Gibt es innerhalb der Redaktion direkte Bezüge oder ist das eher zufällig?

Das ist total beabsichtigt und total wichtig, speziell für diese Ausgabe, weil es um Lindenau geht und den Platz den man sucht zum Leben.

Die Zollschuppenstraße etwa ist ein sehr hoffnungsvolles Hausprojekt. Die Autorin dieses Textes hat das Projekt Zollschuppenstraße maßgeblich mit aufgebaut, und Guy sagt: „Das Leben geht auf die Architektur über“, also: Das schöne Leben hat auch schöne Schauplätze. Die Zollschuppenstraße war ein Projekt für Jugendliche, die in diesem heruntergekommenem Haus ihre Träume verwirklichen konnten. Sie haben sich das gebaut, was sie halt haben wollten. Das finde ich total wichtig, weil es auch für mich immer wichtiger wird, wo ich wohne. Ich möchte nicht mein ganzes leben in Lindenau wohnen, wo an jeder Ecke Drogen verkauft werden. Es ist leider so.

Wieviel Zigaretten oder Promille brauchst du, um ‘nen upsetter zu produzieren?

(lacht) Geile Frage. Ähm? Warte mal. Das ist jetzt wichtig, weil es wird ja gedruckt. Also wenn ich einen Text schreibe, so einen Kneipentext, dann rauch ich mindes­tens ne Schachtel Zigaretten und trinke mindestens 3 Bier. Nein, nicht wirklich. Es ist nicht so, dass ich Rauschmittel brauche, um zu schreiben. Aber ich könnte mir nicht vorstellen, im Nichtraucherbereich auf meiner Schreibmaschine rumzuhacken

Du schreibst auf Schreibmaschine? Was für ‘ne Marke?

Erika. Meine liebste Erika, die liebe ich über alles…Wisst ihr eigentlich, dass ich mit der 10. Ausgabe aufhören wollte? Ich wollte noch eine machen und dann eigentlich was anderes machen. Ich wollte schon immer einen Roman schreiben.

Du wolltest also von Anfang an nur 10 Ausgaben rausbringen?

Nein, nein, jetzt erst. Es ist halt jedes Mal so ein Stress. Das alles selber zu layouten. Und dann hast du gesagt, das kommt dann und dann raus und dann kommt es doch nicht raus. Dann vertraust du auf jemanden der einen Text abliefern wollte und der liefert den nicht ab. Und dann fehlen die Seiten. Das war so furchtbar. Dann hab ich gedacht, ich mach noch die eine und dann reicht´s.

Wie sieht also die Zukunft aus?

Also, wenn ich euch das jetzt sage, muss das auch klappen. Am 5. Dezember hat das Schlechtes Versteck 5 Jahre Jubiläum. Wir wollten eigentlich zumachen und saufen gehen. Aber nun wird es eine riesige Party geben mit gleichzeitigem Release des 10. upsetters.

Es gibt auch Auslandsrecherchen, z.B. Hamburger oder Berliner Kneipen, aber konkrete Pläne gibt´s noch nicht. Der künstlerische Aspekt wird auf alle Fälle mehr Raum einnehmen. Ich will ironisch und zynisch bleiben aber auch Leute erreichen, die was wollen von der Literatur. Aber ich will the upsetter nicht aufgeben. Da hängt doch mein Herz dran!

Danke für das Interview.

Kein Ding und so.

p.s. Wir grüßen David und Phil, die dieses Interview erst ermöglicht haben und danken unvergesslich Matti für seine Offenheit.

p.p.s. Auch drei Jahre alter polnischer Wodka schmeckt leichter als gedacht.

WEITER so? – Bitte nicht!

Am 30. Oktober erschien in Leipzig eine neue Wochenzeitung namens weiter, mit einer Startauflage von 1.500 Exemplaren zum Preis von je einem Euro, gefördert von der Jugendpresse Sachsen. Im Format und Layout stark an Kreuzer und ähnliche Magazine angelehnt, bietet die Erstausgabe sechzehn Seiten Geschichten aus Leipzig, also abzüglich Titel und Anzeigen ganze 12 Seiten Text.

Kommen wir zum Inhalt, der nach eigenem Bekunden der Redaktion explizit po­li­tisch sein möchte, ohne sich in einer bestimmten Ecke zu positionieren. „Aufmischen und Aufreger bringen“ wollen die ausnahmslos jungen Journalistik-Stu­dent_innen und zugleich die Lücken füllen, die durch die hiesige Zeitungslandschaft nicht gedeckt werden, da es ihrer Ansicht nach noch „kein wirkliches politisches Stadtmagazin“ gibt. Da fängt es schon an und hört bei der Lektüre leider auch nicht mehr auf, das bedrängende Gefühl, dass hier Dilettanten am Werke waren. So sind die beiden Artikel zur Quelle-Pleite wenig informativ, statt Fakten gibt es Mitleid für die kommenden Er­werbs­losen. Auf einem verschwenderisch großen Stadtplan sind gerade mal sechs Adressen von Second-Hand-Läden verzeichnet (geschmackloser Weise ist einer davon das Tierheim). In weiteren „Berichten“ erfahren die geneigten Leser_in­nen, dass es in der Stadt u.a. Füchse und Wasch­­bären gibt, die auch dem Straßen­ver­kehr zum Opfer fallen. Potzblitz – wenn mensch das geahnt hätte! Ebenso, dass manche Menschen verwundert reagieren, wenn sie von Wild­frem­den in der Straba angequatscht werden – das nennt sich wohl Undercover-Reportage und ist daher schon eine Seite wert. Die Satireseite wiederum bemüht sich, aus der pho­netisch­en Nähe von „Nägeln“ und „nageln“ Kapital zu schlagen – Gähnen muss hier schon mit Gewalt unterdrückt werden.

Gekrönt wird die publizistische Bauchlandung aber von der Titelstory, welche mit vier Seiten immerhin ein Drittel des Inhalts ausmacht. Auf entsetzlichem Niveau werden Zusammenhänge, brisante Fakten, Positionen oder gar Erkenntnisse sorgsam vermieden. Der Autor verzettelt sich hilflos zwischen der Tatsache, dass es in Leipzig Drogenkri­mi­nalität gibt und der (zumindest für ihn) unerhörten Ankündigung, dass die Polizei in Sachsen Stellen abbaut. Die Gewerkschaft der Polizei darf sich weitschweifend ausheulen, der Ordnungsbürgermeister Rosenthal gar vergeblich Fixerstuben fordern, ergänzt durch nichtssagende Balkendiagramme, die auch mit dem Inhalt nur entfernt in Verbindung stehen. Das Klagelied „den Polizeibeamten geht´s so schlecht“ findet sein Finale in der Forderung, dass mehr Polizeipräsenz wichtig wäre für die Moral der Polizisten und der Bürger. Würg! Soll weiter wirklich mehr als nur ein kostspieliger Ofenanzünder werden, müssen die Verantwortlichen also noch eine ganze Menge lernen. Wir empfehlen zuvorderst intensive Feierabend!-Lektüre, denn so kann es nicht weiter gehen!

(bonz)