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Die neue Autonomie nach Humboldt

Über das Ende der Demokratie an Sachsens Hochschulen

Der Begriff der Autonomie war und ist seit der Aufklärung konstitutiv für die Univer­sität. Für Lehre und Forschung der Alma Mater, dieser altehr­würdigen „nährenden Mutter“, bedeu­tete Autonomie in ihrer Ziel- und Zweck­setzung immer Unabhän­gig­keit von staat­licher und gesellschaft­licher Vereinahmung. So genoss die Uni­versität durch die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts hindurch in ganz Europa immer besondere Privilegien in Bezug auf Rechtsstatus und Verwaltung. Dies sollte jedoch nicht nur nach Außen sondern auch nach Innen greifen. Eine freie, also auf Unabhängigkeit gegründete, Lehre und Forschung besagte gleichzeitig sowohl die freie Wahl der Formen und Methoden als auch der Inhalte für die Akteure im Uni­ver­sitäts­betrieb. Die Frage was, wozu und wie gelernt und geforscht wurde, sollte einzig und allein von den daran Beteiligten beantwortet werden. Diese Autonomie ging einher mit einem bestimmten Begriff von Bildung.

Erkenntnisgewinnung beispielsweise rich­tete sich nicht nur primär auf tech­nische An­wendbarkeit oder wie auch immer ge­artete Verwertbarkeit, sie stand für sich, war autonom. Universitäre Bildung im Sinne der Auf­klärung hieß auch den Men­schen aufzufordern, sich aus Unmündig­keit durch selbstbestimmte Wissensan­eig­nung heraus­zu­führen. Was dieser sich an Wissen aneig­ne­te, also auf welche An­wend­bar­keit sein Er­kenntnis­drän­gen zielte, sollte so weit als möglich von ihm selbst au­sgehen und keineswegs gänz­lich vorge­geben sein. Damit verbunden war auch immer ein selbständiges, unabhängiges Gewichten und Prüfen der jeweiligen Wis­sensformen und ihrer Inhalte. Inwie­weit dies noch mög­lich ist in Zeiten von Modu­la­risierung, Anwesenheitslisten und stren­gen Ein­schrei­beverfahren bleibt fraglich.

Während im 19. und Anfang des 20. Jahr­hunderts die universitäre Selbstverwal­tung noch sehr aristokratisch funktio­nierte, d.h. wesentliche Entscheidungen der Univer­si­tätspolitik nur von Professoren (den so ge­­nann­ten Ordinarien) gefällt werden durf­­ten, kam es in der BRD im Zuge der 68er Revolte zu einer starken Kritik an diesem Modell.

Dabei wurde jedoch nicht die Selbstver­wal­tung an und für sich kritisiert, sondern ihre Verwirklichung durch wahrhaft demo­kratische Mitbestimmung gefordert. Eine wesentliche Forderung bestand darin, alle Mitgliedergruppen einer Universität an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen.

Die Ordinarienuniversität reformierte sich, hin zur so genannten Gruppenuniversität. Der Muff der Talare lüftete sich. In dem neuen Modell bekamen alle Mitglie­der­gruppen der Universität mehr Mitbestim­mung zugesprochen. Diese Mitglieder bildeten die ordentlichen Hoch­schullehrer (Professoren, sowie Do­zen­ten), die As­sisten­zen und akademische Aus­hilfs­kräfte, die nicht-akademischen Mitar­bei­ter und letztlich die Studenten. Diese neue Form der Selbstverwaltung war nun eine paritä­tische, was jedoch nicht bedeutete, dass damit das Stimmverhältnis der ver­schie­denen Gruppen gleich­ge­stellt war. Nach diesem Mo­dell funktioniert die Universität bis heute.

Der Abgesang auf die Selbstverwaltung

Sachsens Koalition von SPD und CDU plant nun im Landtag ein neues Hoch­schul­gesetz. Dieses läuft Gefahr das bis­herige Modell wenn nicht abzuschaf­fen, so doch substanziell zu un­ter­wandern. Das Gesetz, das Anfang des Jah­res 2008 dem Landtag zur Abstim­mung vorgelegt wird, markiert das vorläu­fige Ende einer langen Auseinandersetzung in der Koalition um die Details der No­vellierung der aktuellen Gesetzeslage. In Einem war man sich allerdings von Anfang an einig: Eine größe­re Autonomie der Hochschulen muss her! So weit, so gut, könnte man meinen, das Gesetz stehe also in der guten, aufkläre­rischen Tradition der Universität. Bei ge­naue­rem Hinsehen muss mensch jedoch schwer schlucken, denn in Sachsen scheinen die Parteipolitiker Auto­nomie vor allen Dingen mit dem Ausbau der Lei­tungs­ebene und dem Abbau paritä­tischer Mit­be­stimmungsstrukturen der Selbst­ver­wal­tung gleichzusetzen.

Im Vorfeld der Abstimmungsprozedur im Landtag kam es deshalb wiedermal zu Pro­tes­ten seitens der Studentenschaft, deren Interessen von den Dresdner Parlamenta­riern seit Jahren erfolgreich ignoriert wer­den. Das erneute Aufflammen der Proteste mündete in eine Großdemonstration am 13.12.07, an der über 10000 Menschen teil­nahmen. Der Demonstrationszug streif­­­te den Rand der Dresdner Altstadt auf dem Weg zum Landtag. Dabei kam es zu kei­nen größeren Vorkommnissen, da die Stu­dentInnen den tief greifenden Verände­run­gen in ihren Bildungsinstitutionen in erster Linie mit Trillerpfeifen und Kundge­bungen begegneten. Diese richteten sich vor allem gegen eben diesen Abbau von Mit­bestim­mung an der Universität und für ein gebüh­renfreies Studium. Es sprachen ne­ben Stu­dentenverbänden wie der KSS (Konfe­renz sächsischer Studierender) auch die sächsische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva-Maria Stange, die sich noch einmal aus­drücklich hinter die Koali­tionspläne und das neue Gesetz stellte, und den Studieren­den Unkenntnis des eigent­lichen Vorhabens vorwarf. Ebenfalls ein altbekannter Gestus vor dem Dresdner Land­tag. Der Akt der Recht­fertigung schien der SPD-Politi­kerin dann auch über­­flüssig, da man sich in der Koa­lition ja sicher sein kann, das Gesetz im kom­­men­den „Winter of Resistance“ durch­zu­­bringen. Und welcher studen­tische Pro­test der letzten Jahre konnte schon die mini­sterialen Pläne durch­kreu­zen?

Die Debatte um das Hochschulgesetz, die schon seit 2005 geführt wird, ist in der Koa­lition ein für allemal geklärt. Während die CDU seit damals sowieso eine klare Linie in der Gestaltung zukünftiger Hoch­schulen vertritt, die durch Milbradts Wor­te: „De­mo­kra­tie gilt nicht für die Hoch­schu­len!“ auf den Punkt gebracht wird, sieht die SPD, in ihrem Selbstbild von der Hüterin der Stu­dentInnenrechte verfan­gen, gerade mit dem aktuellen Neuentwurf einen de­mo­kra­tischen Punkt verwirklicht: Autono­mie. Stan­ge betonte noch einmal, in der No­vel­lierung eine „Stärkung der Eigenver­ant­wortung der Hochschulen durch Verla­ge­rung der Entscheidungskom­pe­tenzen des Staates […] auf die Hoch­schule“ erreicht zu haben. Auch sonst be­stehe kein Grund zur Panik, denn beim ewigen Thema ‚Stu­dien­gebühren‘, wofür sich die CDU immer klar ausgesprochen habe, hätte das neue Ge­setz einen entschei­denden Schritt gemacht: „Das neue säch­sische Hochschulgesetz sichert die Stu­dien­­gebührenfreiheit“, so Stange.

Dieses ohnehin fragwürdige „Geschenk“ der Ministerin kann jedoch nicht da­rüber hinweg­täu­schen, dass die Verhältnisse im Universitätsalltag nach oben hin zuspitzt wer­den sollen und die Entscheidungs­mög­lichkeiten und Partizipation insbesondere der Studentenschaft weiter schwindet. Denn bei allem Entgegenkommen wurden die monierten Punkte in Bezug auf die stu­dentische Selbst­verwaltung nicht einmal zur Kennt­nis genom­men sondern einfach übergan­gen. Stattdessen wird an der sich selbst verwaltenden Universität weiter kräftig gesägt.

Nach oben buckeln…

Die wesentlichen Veränderungen durch das neuen Gesetz zielen auf die obere Ver­wal­tungsstruktur der Hochschulen in Sach­sen. Hier­bei wird der Versuch unter­nom­men, in den Hochschulen eine relativ über­sicht­liche und flexible Entscheidungs­ebene auf­zubauen. Eherne Pfeiler des Mo­dells der Grup­­penuniversität, die sich dem zumin­dest partiellen Mitbestim­mungs­recht all ih­rer Mitglieder verpflich­tet hatte, geraten dadurch aber erheblich ins Wan­ken. Denn die Anzahl der Stimm­be­rech­tigten aller Gruppen wird drastisch ge­senkt. Der we­sent­lichste Einschnitt ist hier die Abschaf­fung des Konzils, welches mit bis zu 400 Mitgliedern bisher alle Gruppen an der Uni­versität umfasste. Das Konzil entschied seiner Funktion entspre­chend über die uni­versitäre Grund­ordnung und die personelle Besetzung und Auftei­lung des Rektorats, und stellte somit eine Art “Uni-Parlament“ dar. Grundle­gen­de Kom­pe­tenzen dieses „demokratischen“ Gre­miums sollen jetzt auf ein kleineres über­gehen: den Senat, dem seinerseits wiede­rum Kompe­ten­zen entzogen werden zu­gunsten des Rektorats.

Der Senat stellte bisher das zentrale Ent­schei­dungsgremium an der Universität dar. Er setzte sich aus gewählten Vertretern des Konzils zusammen, die alle Gruppen der Universität repräsentierten, sowie aus dem Rektor und den Dekanen aller Fakultäten, was ihn vergleichbar mit dem Bundesrat macht. In seiner Funktion als zentrales Ent­­scheidungsgremium soll er dem neuen Gesetz nach nun drastisch beschnitten wer­den. So wird, trotz Wegfall des Konzils, seine Mitgliederzahl nicht aufgestockt, son­dern verringert. Von maximal 40 Mit­gliedern bisher auf maximal 17 Mitglieder. Unter diesen 17 Mitgliedern entfällt der Hauptteil auf die Hochschul­lehrerInnen, während sich die anderen Gruppen die verbleibenden Plätze teilen müssen. Die genaue Verteilung der Sitze unter allen anderen Mitgliedsgruppen be­stimmt die je­weilige Grund­ord­nung. Durch diese Re­duzierung kön­nen nicht mehr alle Fakul­tä­ten durch ihre Dekane vertreten sein. Aber auch grundle­gende Entscheide, wie jene über die universitäre Grund­ordnung selbst, die Wahl des Rekto­rats sowie diverse Vermittlungsfunktionen – ursprüng­lich Auf­­­gabe des Konzils – fal­len also einem ver­kleinerten Senat zu. Doch wird der Se­nat durch diese Ver­schie­bung vom aufgelö­sten Konzil her keines­wegs zu einer Art Su­per-Gremium, im Ge­gen­teil wird ihm in erster Linie nur eine beratende Funktionen zu­erkannt, und zwar in Bezug auf das Rek­torat, dessen Ent­scheidungsmacht dra­stisch ausgebaut werden soll.

Im Kern stellte das Rektorat bisher das oberste Exekutivorgan der Universität dar. Beschlüsse, die Konzil oder Senat bisher fassten, wurden vom Rektorat umgesetzt. Es verfügte deshalb auch über die Ge­schäfts­­­füh­rung sowie über die Mittel- und Stellenzuweisungen. Nun kommen jedoch weit­reichende Kompe­ten­zen hinzu. Das neue Gesetz sieht vor, dem Rektorat fortan auch die Ausgestaltung der universitären Grund­ordnung vorzubehalten, welches der verkleinerte Senat dann lediglich be­schlie­ßen oder ablehnen kann. Darüber hinaus wä­re das Rektorat nach dem neuen Gesetz in der Lage, in eigener Regie und ohne Kon­trolle und Einspruch, neue Ge­bühren­ord­nungen einzurichten oder gar ganze Stu­­dien­gänge einfach abzuschaffen. Eben­so soll der Rektor gegenüber den De­kanen der Fakultäten weisungs­be­rechtigt werden, so­wie die Möglichkeit besitzen, Entschei­dun­gen über die Einrich­tung oder Aufhe­bung von ganzen Fakultäten zu treffen. Und auch die rektorale Formu­lierung des Gesamt-Wirt­schaftsplanes muss dann nur noch von einem neuen Gremium, dem so ge­nannten Hoch­schul­rat, genehmigt wer­den. Dieser Hochschul­rat tritt an die Stelle des Konzils und stellt die eigentliche Neue­rung der Ge­setzes­vorlage dar. Er ersetzt auch das Kura­to­­rium, welches das ur­sprüng­liche externe Kontrollgremium dar­stellte und mit akti­ven und passiven Inter­ventions­mög­lich­keiten verknüpft war.

Im maßgeblichen Entwurf des Hochschul­ge­setzes vom Mai 2007 heißt es, dass der neue Rat „die Profilbildung und Erhöhung der Leistungs- und Wettbe­werbs­fähigkeit der Hochschule“ zu ge­währ­leisten habe. Der Hochschulrat soll da­hin­­gehend eng mit dem Rektorat zusammenarbeiten. Mit höch­­stens 11 Mitgliedern soll er zu drei Vier­­teln aus vom Land bestimmten Vertre­tern und zu einem Viertel aus vom Senat aus­gewählten Vertretern bestehen. Der Hoch­­­schulrat muss zudem zum überwie­gen­den Teil aus hochschulexternen Vertre­tern aus verschiedenen gesellschaftlichen Be­reichen gebildet werden. Diese Regelung bietet vor allem die Scharnierstelle zur Wirt­­schaft, die als Drittmittelvergeber ganz besonders im Fadenkreuz der Reform steht. Der neue Hochschulrat ist zwar kein Ent­schei­dungsgremium sondern ein Kon­troll­gremium, jedoch geht seine Kom­pe­tenz über reine passive Kontrolle hinaus. Aktiv soll der Hochschulrat sich in allen Be­­­rei­chen durch Beratung, Einbringung von Vorschlägen in Sachen Finanzen, Ver­wal­tungs­aufbau und durch das Vor­schlags­recht zur Rektoratswahl engagieren. Über wirt­schaftliche Fragen bezüglich des Haus­halts oder anderer Struktur- und Entwick­lungs­fragen trifft nach dem Gesetz der Hoch­schul­rat die letzte Entscheidung, da er die Vor­schläge des Rektorats absegnen muss, was zuvor Aufgabe des Senats war.

Das enge Zusammenarbeiten von Rektorat und Hochschulrat nimmt so­mit alle Rich­tungs­ent­scheidungen be­züglich der Ent­wick­lung von Lehre und For­schung an den sächsischen Universi­tä­ten aus den Händen der betroffenen Grup­pen, die ein margina­lisierter Senat kaum noch wirklich reprä­sen­tiert. Konzil und Kura­­torium werden ganz eingestampft. Alle Entscheidungs­kom­petenzen verteilen sich auf zwei kleine Gre­mien an der Spitze, in welchen den ge­bün­delten Leitungs­posi­tionen umfang­rei­che­re Befugnisse als je zuvor zuge­ordnet wer­den. Gruppen aus dem Mittel- und Un­ter­bau der Universität werden dabei weitest­gehend aus großen Entscheidungen heraus­ge­halten.

…nach unten treten

Aber nicht nur die Mitbestimmung unter­liegt starken Veränderungen, auch bedeu­tet der Ausbau der Entscheidungs­befug­nisse der Leitungsebenen eine Ver­schär­fung der Arbeitsbedingungen von fast allen Ange­stell­ten der Universität. So fallen mit dem neuen Hochschulrahmengesetz auch die ge­setzlichen Flächentarifbestimmun­gen vom Land Sachsen weg. Diese galten für Ange­stell­te in der Universität, weil sie damit den Sta­tus des öffentlichen Dienstes inne hat­ten, der nun wegfallen soll. Das gilt aller­dings nicht für Professoren, für die nach wie vor gesetzliche Soldbestimmun­gen be­stehen bleiben. Alle Anderen kön­nen tarif­liche Mindeststandards in Zu­kunft nicht mehr einfach erwarten. Die un­­ter dem Stich­wort „Personalautonomie“ ge­­führte Richtlinie bedeutet letztlich nichts anderes, als dass die Geschäftsebene der Universität mit Inkrafttreten des Ge­setzes bis auf weite­res an keine tarif­lichen Bestimmungen mehr gebunden ist.

Setzt man zudem freie Gelder nur noch zur Förderung von Elite- und Spitzen­for­schung ein, bedeutet dies bei einem kon­stanten Etat nichts anderes als andere Stel­len wegbrechen zu lassen oder unter­finan­zieren zu müssen. Neben dem erhöh­ten Druck auf Assistenzen und außeraka­de­mische Angestellte steht damit aber auch die Qualität der Lehre unter Beschuss, die nun mal nur mit genü­gend Personal ge­währ­­leistet werden kann.

Die Studierenden will die Landesre­gie­rung angesichts dieser katastrophalen Ent­­wick­­lung der Mitbestimmungsrechte und der substanziellen Verschlechterung der Lehre in Watte lullen, indem sie ver­spricht, dass die Studiengebühren für den ersten be­rufs­qualifizierenden Abschluss in Sach­sen ausfallen sollen. Diese Regelung schützt jedoch nicht davor, dass Gebühren auf ein Aufbau- und Weiterbildungs­stu­dium so­wie auf Zweitstudiengänge erho­ben wer­den. Darunter fällt dann in einem zwei­glie­dri­gen Abschlusssystem zwischen Bache­lor und Master auch ein Großteil der Masterstudiengänge. D.h. de facto, dass nur noch ein Schnupperkurs an der Uni­versität gebührenfrei bleibt. Ein um­fassendes, tiefer gehendes Studium von 4-5 Jahren und ein daran angeschlos­sener Ab­schluss, der auch zum Arbeits­markt wirk­lich be­fähigt, kann so nicht ohne Ge­büh­ren ge­währleistet werden. Das Ende vom Lied lautet: Das neue Hoch­schul­rah­mengesetz hat nichts zu bieten außer jenes faule „Geschenk“ der Bil­dungs­mi­nisterin, welches nichts als eine Mogel­packung ist. Wahre Bildung wird unter diesen Bedin­gun­gen zu einem Privileg be­stimmter Leistungs- und Ein­kommens­elite gegen­über einer Armee von mehr oder weniger gut ausgebil­deten Fach­kräften.

Autonomie ohne Autono­mie

Von größerer Autonomie kann folglich nur in zweierlei Hinsicht gesprochen wer­den: Unabhängigkeit kleinerer Entschei­dungs­­eliten gegenüber demokratischer Kon­­­trol­le und Mitbestimmung sowie Auto­­­nomie gegenüber dem staatlichen Ein­griff im Rahmen finanzieller Erwägun­gen. Der Freistaat gibt tatsächlich Ent­schei­dungs­kompetenzen ab, jedoch nicht an die Universität und ihre Mitglieder, sondern an deren Funktionseliten. Das ist in­sofern kein Fortschritt, sondern tendiert eher zu einem Ordinarienmodell zurück, nur mit dem gro­ßen Unterschied, dass die säch­sischen Universitäten der Zukunft stärker fremden und externen Interessen unter­wor­fen sind, als sie das jemals waren.

Dieses Vorgehen verfolgt gerade nicht das Ziel Selbstverwaltung zu stärken, sondern vor­anschreitender Ökonomisierung struk­tur­­gerecht zuzuarbeiten. Autonomie in der Ge­staltung von Lehre und Forschung reiht sich so ein in immer denselben Reigen von Flexibilisierung und Effizienz.

Entbürokratisierung, als zweiter großer Pfei­­ler der Reform, heißt immer nur Macht­­­kon­zentrierung. Die ganze, als ver­schlankt ange­kün­digte, Selbstverwal­tung, bezieht sich im Kern nicht auf die aus­ge­wogene Partizipa­tion aller Mitglieder, son­dern auf eine Markt­mobilisierung von Leh­re und For­schung. Die vom Gesetzes­ent­wurf angestreb­te Struktur kleinerer Einhei­ten mit größerer Entscheidungs­ge­walt äh­nelt dabei eher einem straffen Ma­na­ge­ment­system als einer Institution der öffent­lichen Bildungs­inte­res­sen. Die ge­strafften Ent­scheidungsebenen sind zwar in der La­ge, schnell und ohne gro­ße Wider­stände seitens der betroffenen Mit­glieder grundle­gende Entscheidungen zu treffen und in einem System um Gelder kon­kurrie­render Lehre und Forschung effizienter zu arbei­ten. Diese sind dann aber nicht mehr als au­tonom zu begreifen, denn ihre For­men und Inhalte müssen sich fortan nach den Maßstäben und Verwertungskriterien des ökonomischen und d.h. neoliberalen Leit­bil­des richten: schnell (re)produzierbar, ver­wertbar und konkurrenzfähig zu sein. Wo eine scheinbare Unabhängigkeit vom Staat ein­tritt, übernimmt das Uni-Ranking die Rich­tungsentscheidung.

Für die Einsicht, dass die Rede von der neuen Auto­nomie der Universität ein Etikettenschwindel ist, bedarf es also keines Studiums. Echte Autonomie dagegen, also gelebte Demokratie und Mitbestimmung, fördert Einsichten, die eine Universität ohne Mitbestimmung nicht bieten kann. In diesem Sinne heißt es bald nicht nur in Sachsen: Gute Nacht der freiheitlichen Bildung.

(karotte)

Derby am Kreuz endet unentschieden

Protokoll eines Unbeteiligten

Guten Abend, meine Damen und Herren. Auch dieses Silvester sind wir beim allseits beliebten Jahresendmatch am Connewitzer Kreuz live dabei. Und wie im­mer beobach­ten auch zahlreiche Fans ge­bannt das Spiel. Denn wie soll man es später vor den En­keln rechtfertigen, nicht dabei ge­we­sen zu sein? Ja, was soll ich sagen? Ton­nen von Te­sto­steron prallen hier wieder auf­einan­der!

Und da sehen wir schon Team Grün, mit mehreren Hundertschaften das Feld betre­ten, bestens aufgestellt und tief gestaffelt in den bewährten Abwehrketten. Wie immer stechen die hochgerüsteten Trikots hervor. Und da ist auch Team Schwarz! Taktisch eher weniger positionstreu setzt der Gastge­ber in gestreuter Stellung auf die Spontanität und Kreativität seiner Klein­gruppen. Denn auch Team Schwarz hat mehrere hundert Mann mobilisieren kön­nen und kann mit einigen hoffnungsvollen Nachwuchs­talen­ten aufwarten.

Da, der Anpfiff! Mit einem fulminanten Feuerwerk um Mitternacht beginnt das Topspiel des Jahres! Leichtes Geplänkel, noch halten sich die Mannschaften zurück. Doch was ist das?! Atze, Stürmer bei Team Schwarz, ein Zauberer vor dem Herrn, prescht vor, um die gegnerische Mann­schaft mit Knallkörpern zu bewerfen! Jetzt kommt Dynamik ins Spiel! Wie wird Team Grün darauf re­agieren? Da! Atze wird von drei Abwehr­spie­lern eingekreist und mit einer Blutgrät­sche zu Fall gebracht! Das riecht doch be­denk­lich nach Foul.

Moment… Team Schwarz wagt einen neuen Vorstoß. In Windeseile stapeln die Spieler Gegenstände auf der Straße und zünden sie an. Sensationell! Team Grün re­agiert sofort. Einer der mitgebrachten Was­ser­werfer wird in Stellung gebracht. Man fordert die gegnerische Mannschaft auf, den Strafraum zu verlassen! Ganz gro­ßer Sport! Aber so einfach will Team Schwarz sei­nen Heimvorteil nicht aufge­ben, es ant­wor­tet mit höhnischen Rufen und Wurfge­schossen. Was ist das? Team Grün stürmt vor, rennt in die gegnerische Verteidigungs­kette hinein, und… Abseits! Wo ist der Schiri?! Doch die Heimmannschaft lässt sich dieses Jahr nicht so einfach vom Platz fegen. In der Halbzeit sammelt sich Team Schwarz erneut. Da! Einer der Spieler stürmt vor! Ich glaube, es ist Ratte, der Dribbelkönig mit dem härtesten Schuss in ganz Conne­witz! Mit einem Gewaltschuss verbeult er ein einzeln herumstehendes Fahrzeug von Team Grün. Traumhaft!

Doch schon setzt sich der Sturm von Team Grün erneut in Bewegung! Kick and Rush! Aber… Der Sturm läuft sich schnell fest, Kopf­ballgefecht im Mittelfeld! Team Grün spielt jetzt hart am Mann und deeska­liert gnadenlos. Was muss ich da sehen? Die Spielfeld­gren­ze ist offen­bar un­klar. Spieler von Team Grün greifen am Rande des Spielfelds stehende Fans an! Ein grobes Foul! Wo ist der Schiedsrichter, ver­dammt?!

Aber auch einige Stür­mer von Team Schwarz haben im Eifer des Ge­fechts den Kopf verloren. Sie versuchen, einen Ge­mü­semarkt am Rande des Spiel­felds in Brand zu setzen! Da ist wohl Doping im Spiel. In einer Seitenstraße werden unter­dessen Barrikaden gebaut und angezündet. Glanzparade! Das sichert Team Schwarz auf jeden Fall gute Haltungsnoten! Jetzt heißt es Ruhe ins Spiel bringen!

Doch unmöglich, denn da kommt schon Team Grün, und… Ja, ja, ja, sie haben Was­ser­werfer und Räumpanzer dabei! Jetzt wird gestürmt, gezieltes Pressing nach vor­ne auf die Barrikade! Jetzt heißt es Lauf­wege dicht­machen und immer schön mitver­schie­­ben! Die Abwehr von Team Schwarz wackelt und… Eiskalt verwandelt! Fast schaut es so aus, als hätte Team Grün das Spielfeld jetzt endgültig im Griff. Das ist die letzte Chance für Team Schwarz. Da! Pogo stürmt vor, Flan­ke quer übers Feld, direkt auf den Fuß, er geht, vorbei an der aufgerückten Abwehr, herrlicher Hacken­trick, noch eine Drehung, Schuss und Tooor! Die Bierdose landet mitten zwi­schen den Einsatzwagen. Und das zeit­gleich mit dem Abpfiff! Aber der Treffer dürfte noch gezählt haben.

Was sagt die Endauswertung? Insgesamt konnten die Stürmer von Team Schwarz mit 46 getroffenen Spielern von Team Grün sichtlich punkten. Team Grün erziel­te dagegen im Laufe des Abends immerhin 34 Festnahmen und eine hohe Dunkel­ziffer an Verletzten. Keine klare Angele­gen­heit. Beide Seiten haben engagiert mitgespielt. Das Spiel endet deshalb mit einem verdienten Unent­schieden. Auch die Fans sind zufrieden. Bleibt zu hoffen, dass es nächstes Jahr zur Silvesterzeit für alle wieder heißt: Sport frei, Derbytime!

(karotte & justus)