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Oury Jalloh – DAS WAR MORD

Brandgutachten bringt nach neun Jahren endlich Gewissheit

Mittlerweile ist die von der Justiz seit Anbeginn vertretene Behauptung der Selbstanzündung nicht mehr haltbar. Das belegt ein von der „Initiative zum Gedenken an Oury Jalloh“ finanziertes Brandgutachten.

Am 7. Januar 2005 verbrennt in Dessau der an Händen und Füßen gefesselte Oury Jalloh bei lebendigem Leib. Auf einer feuer­festen Kunstledermatratze, in einem voll gefliesten Raum. Und das innerhalb kürzester Zeit und bis zur Unkenntlichkeit. Alles was danach beginnt ist geprägt von „verschwunden“ Beweisen, Falschaussagen und einseitigen Ermittlungen in Richtung Selbstmord.

Es ist aber auch geprägt vom Engagement der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“, die seit neun Jahren Gerechtigkeit und Aufklärung fordert – was nicht selten als Kon­sequen­z die juristische Ver­folgung durch den Rechtsstaat nach sich zog. Insbesondere für Mouctar Bah, einen ehe­mals en­gen Freund und Mit­begründer der Initiative, dem die Genehmigung für sein Telecafe in Dessau entzogen wurde.

Dem Einsatz der Initiative ist es überhaupt erst zu verdanken, dass die wesentlichsten Fakten zum Fall recherchiert wurden. Zuletzt hatten sie 30.000 € gesammelt, um ein unabhängiges Brandgutachten erstellen zu lassen.

Der Fall Oury Jalloh (1)

Der erste Prozess vor dem Dessauer Landgericht dauerte 59 Tage, statt der ursprünglich terminierten sechs Prozesstage. (2) Der wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagte zuständige Dienstgruppenleiter Andreas S. und sein wegen fahrlässiger Tötung angeklagter Kollege wurden im Dezember 2008 freigesprochen. Allerdings ließ der zuständige Richter keinen Zweifel daran, dass durch Schlamperei und Falschaussagen der Polizei ein rechtsstaatliches Verfahren zur Aufklärung der Todesumstände nicht möglich war. Im Januar 2010 hob der Bundesgerichtshof den Freispruch wegen lückenhafter Beweisführung auf.

Der zweite Prozess, nicht minder Aufsehen erregend, begann im Januar 2011 vor dem Landgericht in Magdeburg. Auch in diesem Verfahren blieben Fragen zum Hergang offen und die Umstände des Feuers konnten nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Andreas S. wurde im Dezember 2012 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 10.800 € verurteilt. Das Urteil ging über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus, die auf 6.300 € plädiert hatte.

Mittlerweile haben die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh und sechs Einzelpersonen eine Strafanzeige gegen Unbekannt beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe gestellt, wegen Mordes oder Totschlag. Grundlage dafür ist ein neues Brandgutachten, das die Selbstmordthese widerlegt, mit der Begründung, dass das Ausmaß der Verbrennungen nur durch den Einsatz von Brandbeschleuniger möglich war. Zudem warf die Initiative der Justiz vor, dass es trotz verschiedener Verfahren und Gutachten nie eine Rekonstruktion von Brandentstehung und -verlauf gegeben hat.

Das Brandgutachten

Bisherige Brandgutachten wurden unter Vorgaben von Gericht und Staatsanwaltschaft erstellt und gingen jeweils von der bisherigen Annahme und einseitigen Ermittlungsrichtung des Selbstmordes aus. Vor einem dritten Prozess gab die Initiative selbst ein Brandgutachten in Auftrag, dessen Ergebnisse am 12.11.2013 im Berliner Haus der Demokratie präsentiert wurden und nun endgültig die Selbstmordthese widerlegen. Dieses wurde erstellt vom irischen Brandgutachter Maksim Smirnou, nachdem in Deutschland alle angefragten Gutachter_innen, die von Aufträgen der Gerichte abhängig sind, ablehnten.

Mit dem aktuellen Gutachten widerlegt der unabhängige Experte Smirnou nun, dass Jalloh seine Matratze selbst entzündet (3) haben kann. Er simulierte in mehreren Brandversuchen mittels eines Schweinekadavers den menschlichen Körper, auf Matratzen aus demselben Material wie in der Dessauer Zelle. Die Versuche beweisen, dass eine so starke Verbrennung des Körpers, bis in tiefe Hautschichten, und eine fast vollständige Zerstörung der Matratze nur dadurch erzeugt werden konnte, dass fünf Liter Brandbeschleuniger, wie Benzin, von Dritten eingesetzt wurden.

Zudem belegt der Gutachter, dass der Ausbruchsort des Feuers und die Stellung, in der die Leiche lag, nicht zusammen zu bringen sind. Er widerlegt darüber hinaus auch, dass anhand von fehlenden DNA-Spuren am Feuerzeugrest, dieses jemals in Kontakt mit dem Opfer oder der Matratze war. (4)

Was folgt und was bleibt…

Was nun folgt wird ein neues Brandgutachten sein, dass die Ermittlungsbehörden in Auftrag geben sowie eine nochmalige Verhandlung. Offen bleibt die Frage, warum die langjährige Arbeit einer Initiative, das Geld vieler Unterstützer_innen und ein aufwendig finanziertes und unabhängiges Brandgutachten notwendig sind, damit ein Todesfall in einem deutschen Polizeirevier aufgeklärt wird.

(mona d.)

(1) eine umfangreiche Darstellung der Ereignisse und eine Chronologie der Prozesstage findet sich auf der Webseite der Initiative www.prozessouryjalloh.de

(2) de.wikipedia.org/wiki/Oury_Jalloh

(3) Bereits seit dem ersten Prozesstag sorgt das Feuerzeug für Ungereimtheiten: Obwohl Jalloh vorschriftsmäßig durchsucht worden war, war er in seiner Zelle im Besitz eines Feuerzeuges, das auf ominöse Weise auch erst in der Asservatenliste nachträglich am 11.1.2005 auftauchte. Am Tag davor war es nicht verzeichnet worden.

(4) Bereits 2005 hatte die Initiative eine zweite Obduktion der Leiche erwirkt, die sie selbst bezahlte. Die dabei festgestellten Schädelbrüche und ein Nasenbeinbruch hatten bereits Fragen aufgeworfen, die in den Verfahren nicht beantwortet wurden. Genausowenig konnte erklärt werden, dass bei der Obduktion der Leiche, das Stresshormon Noradrenalin nicht im Urin nachgewiesen wurde, dass bei Panik auf jeden Fall ausgeschüttet würde – ein Umstand der nur damit erklärbar ist, dass Jalloh bei Ausbruch des Brandes nicht mehr bei Bewusstsein war.

 

Ende Gelände für braune Problemkinder?

Naziaufmarsch am 18. Januar 2014 in Magdeburg

Auch 2014 konnten wieder hunderte Nazis weitgehend ungestört durch Magdeburg marschieren. Ermöglicht durch Hundertschaften aus ganz Deutschland, die hunderte Menschen daran hinderten, zu angemeldeten Kundgebungen zu gelangen. Sie verhinderten damit Protest in Sicht- und Hörweite, auch Verhandlungen mit Anwälten und Mandatsträger/innen konnten dies nicht stoppen. Faktisch gewichtete die Polizei damit einmal mehr das Versammlungsrecht der Nazis höher als das der Gegendemonstrant/innen.

Schon früh war bekannt, dass die faschistische Initiative gegen das Vergessen mehr als sechs Routen angemeldet hatte. Dagegen diskutierten bürgerliche und antifaschistische Blockadebündnisse über neue Wege des Protestes. Sie wollten so dezentral wie möglich operieren, um eine Chance gegen die Logistik der Polizei zu haben, welche die Nazis in den letzten Jahren immer wieder auf Alternativrouten umgelenkt hatte. Heraus kamen neben der sechsten „Meile der Demokratie“, die das Zentrum für die Nazis belegte, 16 Meilensteinaktionen – die meisten an den wichtigsten Haltepunkten der Bahn, die nicht nur für die Kiezbevölkerung, sondern auch für die etwa 2500 angereisten Blockierer/innen wichtige Anlaufpunkte waren. Magdeburg erlebte am 18. Januar einen der größten Polizeieinsätze seiner Geschichte. Zu den angekündigten 2500 Beamt/innen kamen noch 800 Bundespolizist/innen sowie Reiter- und Hundestaffeln hinzu. Die Polizei war mit Hubschraubern und Räumpanzern unterwegs, auch mit Wasserwerfern, deren Einsatz in Sachsen-Anhalt verboten ist.

Wo laufen sie denn?

Erste Infos zur Route sickerten erst am Morgen durch: die Nazis würden im Süden der Stadt laufen. Während es kurz darauf die erste Sitzblockade von etwa 100 Antifaschist/innen gab, mussten Züge voll zorniger Nazis aus Halle/Leipzig wegen eines Kabelbrandes warten. Gegen Mittag war klar, dass die Polizei einen neuen Aufmarschort vorbereitete. Sie sperrte die Zufahrtsmöglichkeiten über die Elbe, in den Osten der Stadt, während eine S-Bahn mit etwa 150 Nazis schon unterwegs war. Die anderen warteten zentral im Hauptbahnhof und konnten auch diesmal das Rundum-Service-Paket von Polizei und Deutscher Bahn nutzen. Parallel versuchten ca. 150 Antifas, über die Bahngleise in den Osten zu gelangen, wurden aber zum Großteil eingekesselt. Während sie zurück über die Gleis­brücke geführt wurden, mussten 800 Nazis in den Zügen warten, die immer ungeduldiger wurden und letztlich gar mit Steinen warfen. Um 15 Uhr dann das dritte Routenszenario: die ersten Züge und S-Bahnen setzten sich wieder in Richtung Süden in Bewegung. Es keimte Angst auf, die Nazis könnten direkt am Hauptbahnhof herausgelassen werden, wo diesem Zeitpunkt wenig los war. Dorthin wurde dann mobilisiert, ebenso wie zu den beiden Bahnhöfen im Süden. Eine antifaschistische Spontandemo, die sich vom Norden aufmachte, wurde circa fünf Kilometer von den Nazis entfernt gestoppt. Wegen der massiven Polizeigewalt schafften es nur wenige Menschen, zur Route zu gelangen.

Auch wenn das Ziel, den Naziaufmarsch zu verhindern, nicht erreicht wurde, ist die Tagesbilanz positiv. Die Demonstration der Nazis wurde effektiv gestört, auch die Abschlusskundgebung konnte verhindert werden. Von vermutlich knapp 1.000 Nazis, die in der Stadt waren, nahmen rund 750 am Marsch teil. 150 hockten versprengt im Osten der Stadt, etwa 30-50 irrten als Späher auf der Jagd nach Antifaschist/innen im Umkreis der Route umher.

Der Marsch begann mit gut drei Stunden Verspätung in einem entlegenen Stadtgebiet. Dennoch konnten die Nazis marschieren, immerhin über 6,5 Kilometer. Skandalös auch, dass sie ein Flugzeug mit einem Banner mit dem Schriftzug „Unvergessen – 16.000 Tote“ über der Innenstadt fliegen lassen durften. Und wie im vergangenen Jahr hatte die Durchführung des Aufmarsches der Neo­nazis politische Priorität für die Poli­zei, während das Versammlungsrecht der Protestbewegten auf der Strecke blieb. Die Einsatzleitung ließ Gegner/innen nicht an die Strecke und eröffnete den Nazis in schwierigen Situationen immer neue Alternativrouten, egal, wie groß der Aufwand dabei war.

Für 2015, zum 70. Jahrestag der Bombardierung, wird wieder mit einer vierstelligen Zahl an Nazis gerechnet. Es gilt jetzt, sich früh darauf vorzubereiten, um mindestens das Doppelte an Blockadeaktivist/innen nach Magdeburg zu mobilisieren. Insbesondere das Scheitern der Nazis in Dresden dürfte dazu führen, dass Magdeburg das Top-Event der rechten Szene in 2015 wird.

Linksjugend [‘solid] Magdeburg
(zusammengefasst von mona d.)

 

Die Redaktion … fühlt

INNEN sein. innen SEIN

Wenn ich an fühlen denke, steckt da für mich meine ganze Welt drin. Ich finde, Gefühle sind etwas ganz wunderbares. Ich ziehe das Fühlen dem Denken vor. Denken strengt mich an, denn das impliziert bei mir, dass ich auch Taten folgen lassen muss. Im Fühlen aber bin ich weich und fließend. Und mit allem was ist oder nicht ist, was dem Fühlen folgt oder nicht folgt, bin ich milde und gnädig zu mir, denn es ist ja mein Gefühl. Mein tiefes Inneres – und da drinnen in mir ist alles erlaubt und alles herzlich willkommen.

Wenn ich an Fühlen denke, denke ich auch daran, mit mir im Kontakt zu sein, mit dem zu sein, was für mich zählt. Und ich denke an Wachsen. Insbesondere in den Momenten, in denen Gefühle wie Schmerz, Enttäuschung, Trauer, Ungeduld oder Wut da sind, versuche ich (mal mehr mal weniger, aber dafür immer besser) diese bewusst wahrzunehmen. Sie wahrzunehmen, indem ich sie einfach nur benenne. Und zwar ohne sie gleich zu bewerten oder, was mein Kopf sehr oft versucht, sie zu kategorisieren und den Ursprung erklärbar machen zu wollen. Und das bedeutet für mich, meine Gefühle weder festhalten zu wollen – also mich in meinem Schmerz baden, noch, sie wegzudrücken und zu ignorieren im Sinne davon, dass es ja wenn ich es mal ganz objektiv und nüchtern betrachte, schon gar nicht so schlimm ist. Bei dieser Art von Innenschau, zumindest zu den Zeitpunkten, wo mir das gelingt, spüre ich, dass daraus Entwicklungsschritte erwachsen. Im Rückblick zumindest fühlt es sich so an, Dinge zu mir genommen zu haben und zwar so wie sie waren – weder verharmlosend noch dramatisierend. Und damit fühlt es sich an, dass ich selbst die Verantwortung für mein Leben übernehme. Ich projiziere und leugne nicht und will auch nicht festhalten, was doch gerade so schön ist. Vielmehr stelle ich mich dem, was genau im Hier und Jetzt, in diesem Moment in mir ist und wachse daran, dringe in tiefe Schichten meines Selbst vor und erlebe dabei ganz bizarrerweise auch, dass ich mehr bin als meine Gefühle.

Und indem ich meinen Gefühlen so unbewertet in die Augen blicke, sie versuche einfach nur wahrzunehmen, schärft sich in mir die Gewissheit, dass ich so wie ich bin, mit all diesen meinen Gefühlen, genau richtig bin und das alles in mir sein darf. Das da drinnen, in meinem Fühlen, eine Welt – und zwar meine ganze Welt – liegt. Und der Welt da draußen, darf ich mich und meine Themen, mein Innenleben zumuten, ich darf meinen Raum haben. Das wiederum lässt mich eigenverantwortlich in meine Kraft kommen und Situationen nehmen wie sie sind. Und indem ich das tue, im besten Falle natürlich mit liebevollem Blick auf mich selbst, komme ich irgendwann ganz bei mir an und sehe immer klarer, wozu mich das Leben ruft. Ich wachse in die Person hinein, die ich bin.

Mein Blick wird frei von dem, was ich nicht habe, und geht zu dem, was ich alles habe. Er lässt mich erkennen, das ganz egal welcher Schmerz da auch war, ich alles mitbekommen habe, was ich brauche. So wachse ich in die Tiefe und stoße auf das wertvollste, das ich habe – meine Liebe.

mona d

…dieses und jenes

Gefühle sind ja ihrem Wesen nach unbeständig, unklar und fließend. Doch im Moment fühle ich mich tatsächlich verunsichert, oder besser: irritiert. Es flimmert in meinem Blick, immer mehr, je länger ich auf die Buchstaben hinstarre. Ich schließe mein eines Auge. Mit dem anderen peile ich über die Nasenspitze weg, zögere kurz, ehe ich dem Monitor links und rechts ein paar hinter die nicht vorhandenen Ohren gebe. Jetzt geht es besser, ich atme auf. Nur ein technischer Defekt, mit meinen Augen ist alles okay. Da kann ich ja weiter über Gefühle schreiben…

Männlich sozialisierte Wesen wie ich haben damit ja so ihre Probleme. Am einfachsten wäre es wohl, ich würde die Frage nach meinem Innenleben so beantworten wie Nelson, der hässliche Junge bei den Simpsons – mit einem mürrischen Achselzucken und den Worten: „In mir sind Gedärme.“ Das stimmt natürlich, technisch gesehen, ist eben nur ein wenig unterkomplex. Ich könnte auch heucheln und behaupten, dass ich gerade unheimlichen Zorn in mir fühle. Ja, Zorn! Einen rechtschaffenen Zorn natürlich, gegen Kapitalisten und Kriegshetzer, sowieso gegen Neonazis und die allgemeine Gesamtscheiße.

Aber wenn ich ehrlich bin, dann bin ich gerade mal überhaupt nicht zornig. Viel eher schon ist es ein leichter Weltschmerz, ein sanftes Gefühl von ennui (um es mal so schön frankophil bzw. frankophon zu formulieren), das mich da von innen her anrührt. Nein, ich bin nicht traurig – das Gefühl ist eigentlich ganz angenehm. Ein Gefühl von Herbst und milder, in Eichenholz gereifter Melancholie, wie sie mich regelmäßig befällt, wenn ich so rumsitze und darüber nachdenke, dass ich nun schon gut dreißig Jahre meiner Lebenszeit ziemlich zweckfrei verplempert habe. Ganz angenehm soweit. Ich sollte wohl noch mehr Schnaps trinken und mich mehr mit meinen Gefühlen beschäftigen, um auch die verbleibende Lebenszeit noch gut über die Runden zu bringen.

justus

Was fühlen…

…und wann?

Ich nehme einfach die jetzige Situation.

Ich schreibe einen Artikel für den Feierabend! und fühle Angst.

Wird der Artikel gefallen? Oder wird er zerrissen?

Er wird sicher zerrissen, antworte ich mir. Ich kann das doch nicht richtig. Mit Sicherheit bin ich nicht gut genug.

Schluss jetzt! Mach halt. Keine Angst, das wird schon, schließlich ist ja auch keiner perfekt und selbst wenn etwas geändert werden muss – passt schon. Aber doch bleiben die Zweifel und die machen es nur noch viel schwerer. Ich mache es mir quasi selber schwer. Jedes Wort wird mehrmals unter die Lupe genommen, bis es passen könnte und immer noch, bei all der „Sicherheit“ die ich langsam bekomme. Im Hinterkopf bleibt sie, diese Unbestimmte Versagensangst. Es bleibt nur dagegen anzukämpfen. Einfach schreiben. Reinhängen, denken.

Langsam wird es besser. Ich sehe was ich geschafft habe und werde ruhiger. Lese und lese dennoch immer wieder alles durch. Vielleicht ist es das, was mir die Sicherheit gibt. Ich kann es vielleicht ja doch und mach mich nur klein. Also nochmal, sage ich mir – reiß dich zusammen!

Aber die Anderen werden bestimmt viel tollere Texte haben, da kann ich ganz klar nicht mithalten.

Das Gerüst beginnt wieder zu brechen, doch nicht ganz. Immer wieder muss ich mich selber beruhigen und es funktioniert. Er ist fast fertig, der Artikel. Es wird leichter. Innere Euphorie beginnt aufzukeimen. Ich habe den Kampf mit mir gewonnen.

…Es folgt der Moment des Absendens und die Kritik der restlichen Redaktion. Der Puls steigt – was wird passieren? Die Gedanken überschlagen sich nun wieder. Aber sei es drum.Ich habe es gemacht, habe meinen Arsch hoch bekommen und geschrieben.

Und da ist es doch wie bei allem. Wir müssen es probieren, denn wenn wir das nicht machen, dann wird die Angst nie überwunden, dann bleiben wir stehen und entwickeln uns nie weiter. Also Mut zum Streit mit sich selber.

R!

Gefühlsexpertin?

Eigentlich halte ich mich ja voll für die Gefühlsexpertin: ich nehme sie bei mir und Anderen oft wahr, kann sie einordnen, reflektieren, analysieren und über Ursachen und Wirkungen philosophieren. Ständig umgeben von meinen Gefühlen, die zwischen Bergen und Tälern des Lebens wandern, machen sie mir das Leben mal leicht, mal schwer. Unbemerkt bleiben sie nur, wenn sie auf gerader Strecke laufen. Das gibt dann zwar meinem rationalen Ich mehr Raum, ist aber eigentlich auch ziemlich langweilig.

So und jetzt zum „eigentlich“ – denn eigentlich mach ich mir da auch ganz schön viel vor, mich selbst als Gefühlsexpertin zu sehen: Denn ich sehe meist nur, was ich sehen will – Negatives blende ich auch gern mal aus, wenns nicht passt oder rede es mir schön. Reflexion wird schnell zur Grübelei und die Analyse von Ursache und Wirkung verhindert vor allem eines: sie einfach mal anzugehen. Mal spontan so zu handeln, wie das Gefühl signalisiert. Nicht darauf zu achten, ob es jetzt in den Kontext passt, oder irgendwen verletzt, oder mich in komisches Licht stellt, oder die Situation ungünstig beeinflusst. Gefühle fühlen ist das eine – danach zu handeln etwas anderes. Gerade diese zweite Kunst ist noch mein Lernfeld. Aber es geht voran 🙂

momo

GEFÜHLE…

Echt jetzt? Muss ich wirklich über GEFÜHLE schreiben. Blöder B…m… Na ja, besser als über GEFÜHLE sprechen zu müssen. Da das hier ein politisches Heft ist, könnte ich ja mal erkunden, was mich da so umtreibt. Wie wäre es mit Empörung über gewisse soziale und politische Verhältnisse? Empört bin ich über die weit verbreitete Sinnfreiheit medialer Berichterstattung. Aktuelles Beispiel: Skiunfälle. Tragisch ja, aber muss das zwei Wochen lang auf Titelseiten prangen, nur weil es dem Schumi passiert ist?

Erschüttert war ich in letzter Zeit auch angesichts der rassistischen Ressentiments, die mal wieder verstärkt in der Mitte der Gesellschaft aufschwappen und sich in der aktuellen Diskussion um Flüchtlinge und Asylsuchende in Leipzig und Umland manifestieren.

Und einfach angepisst hat mich neulich ein Gespräch mit jemanden, der sich hauptberuflich als Sohn bezeichnete und dessen großes Lebensziel es ist, eine Menge Geld zu haben und sich ein schickes Auto zu kaufen, weil das ja schon irgendwie cool wäre. Idiot.

Aber wohin führt die Erkundung solcher GEFÜHLE? Im schlimmsten Fall lediglich zu einer Diskussion über diese GEFÜHLE. Mit etwas Glück aber auch zum Erkennen von Missständen und zum Drang, etwas daran zu ändern: Die sinnfreie Berichterstattung lese ich einfach nicht mehr und mache stattdessen meine eigene Zeitung. Den Alltagsrassismus akzeptiere ich nicht und gehe auf die Strasse oder werde aktiv in Initiativen, die versuchen das Leben der Asylsuchenden in den Unterkünften zu verbessern. Kapitalistische Lackaffen argumentiere ich nieder und verbreite den Gedanken von sozialem und bewusstem Konsum.

Was zu sagen bleibt: Gefühlt ist schon halb gekämpft. Also los rein ins erste Haus… Geschichte wird gemacht, es geht voran, es geht voran.

wanst

Die Redaktion demonstriert…

…gegen Pro Deutschland in Connewitz

Die rechte „Bürgerbewegung“ Pro Deutschland will groß rauskommen. Zum diesjährigen Wahlkampf startete sie deshalb eine große Tour durch diverse deutsche Städte und gastierte am 16. September mit ihrem Bürgerbewegungs-Bus auch in Leipzig, um dort u.a. in der Nähe des Conne Island eine zweistündige Kundgebung abzuhalten.

Momentan ist die Bürgerbewegung aber noch klein. Gerade mal fünf Leute schienen da zu stehen, obwohl auch das nur gemutmaßt werden konnte. Die Polizei war mit gut zwanzig Mannschaftswagen vor Ort, und von diesen wurde die Kundgebung nun derart fachmännisch umstellt und zugeparkt, dass sie gar nicht mehr zu sehen war. Nur eine einzelne Deutschlandfahne war zu erkennen, die einer da gelegentlich hinter den Polizeifahrzeugen schwenkte. Etwa fünfzig Linke hatten sich eingefunden und beobachteten das klägliche Treiben. Die Redebeiträge waren selbst von der gegenüberliegenden Straßenseite nur schwer bis gar nicht zu verstehen – die kleine Bewegung konnte sich vermutlich keine großen Lautsprecher leisten. Aber vielleicht hat sich ja der eine oder die andere der umstehenden Polizist_innen von diesem Auftritt überzeugen lassen.

Sonst noch was? Ja, am Ende der Veranstaltung nutzte ein unbekannter Chaot noch fix die Gelegenheit, eine Silvesterrakete in Richtung der Kundgebung abzuschießen – die alten Böller müssen ja auch irgendwann weg… Aber auch dieser Versuch, der lahmen Aktion ein wenig Glamour zu verleihen, verpuffte wirkungslos auf halber Strecke. Vielleicht ein kleiner Tipp zum Schluss: Beim nächsten Mal das Spritgeld sparen und dafür bessere Lautsprecher kaufen.

justus

…im Protestcamp mit den Flüchtlingen in Bitterfeld

Die Unterkünfte Friedersdorf und Marke im Landkreis Anhalt-Bitterfeld/Sachsen-Anhalt sind, wie so viele andere Sammelunterkünfte auch, isoliert von Aktivitäts- und Kontaktmöglichkeiten und ohne Privatsphäre. Die Kritik der Zustände bestand schon seit längerem, jedoch ohne, dass von Seiten des Landkreises was passierte. Daraufhin schlossen sich am 1. August hier mehrere Flüchtlinge zusammen, errichteten auf dem Bitterfelder Marktplatz ein Protestcamp und traten in einen Hungerstreik – insbesondere, um sich für verbesserte Unterbringungsbedingungen und das Recht auf Arbeit einzusetzen. Der Streik endete nach 16 Tagen, als die Landesintegrationsbeauftragte vor Ort ins Gespräch kam und einen Runden Tisch mit den zuständigen Behörden und handelnden Personen einberief.

Nun bleibt abzuwarten, ob sich für die Menschen tatsächlich etwas ändern wird. Im Rahmen der Möglichkeiten von kommunalen Ausländerbehörden bzw. Sozialämtern der Landkreise liegen immerhin Aspekte wie Sozial­leistungen, medizinische Versorgung d.h. Überweisung zum Facharzt und Therapien, Arbeitserlaubnisse, Erteilung der Verlassenserlaubnis zur Reise in andere Bundesländer sowie Abschiebungs­anordnungen. Hoffentlich bald nicht mehr zu Ungunsten der Betroffenen. Für ein Recht auf Rechte!

mona d.

… bei einer Fahrraddemo gegen die ­staatlichen Repressionen in Russland

Der unmittelbare Anlass war der gewaltsame Übergriff der russischen Spezialeinheit Omon auf das transnationale Austauschtreffen Vostok Forum bei Murmansk. Das Forum war von der deutschen Netzwerk AG Russland mitorganisiert worden. Dieser Angriff reiht sich ein in eine Kette repressiver Aktivitäten gegen regimekritische Menschen in Russland. Am bekanntesten dürfte die Verurteilung der Punkband Pussy Riot wegen Blasphemie sein. Dort hört es jedoch nicht auf. Seit 2012 müssen sich russische Nichtregierungsorganisationen als „ausländische Agenten“ registrieren lassen, um Geld aus dem Ausland erhalten und politisch tätig sein zu können. Und die Kriminalisierung geht weiter. Das neue „Homo-Propaganda-Gesetz“ verbietet es, in Anwesenheit von Minderjährigen oder in öffentlichen Medien positiv über gleichgeschlechtliche Lebensweisen zu sprechen.

All dies war Grund genug, am 13. August 2013 in Leipzig von der Blechbüchse zum russischen Generalkonsulat in Gohlis zu ziehen. Der bunte Haufen wurde eifrig vom Konsulatsmitarbeiter abfotografiert. Ob nur für die Pressemappe oder um beim nächsten Visaantrag seine Kritiker zu erkennen, wird sich zeigen. Solidarität mit den Betroffenen staatlicher Repressionen in Russland! Informiert Euch und andere!

wanst

www.ag-russland.de

… beim ­­diesjährigen Leipziger Christopher Street Day, Motto: „L(i)eben und L(i)eben lassen“

Meinen ersten Eindruck vom CSD prägten neben dem mit Ständen gefüllten Marktplatz und der sich vor dem sich Rathaus formierenden Demonstrationszug vor allem drei Junggesell(inn)­enabschiede, die dem Ganzen einen gewissen realistischen Rahmen boten. Die Frauengruppe in schwarz-pink war gar nicht weiter erwähnenswert. Die sieben Männer hingegen, die betrunken gröhlend ihren im rosa Tütü gekleideten Jungesellen anfeuerten und CSD-Besucher_innen von ihrem Party-Tandem zuwinkten, ernteten wenig verwunderte oder gar ablehnende Blicke. Im Gegenteil – die Leute vom Marktplatz winkten teilweise freundlich zurück. Für mich eine fast surreale Situation.

So wunderte ich mich dann aber nicht mehr über einen Stand der Jungen Union, freute mich hingegen über einen der Queeramnesty Leipzig. Den ersten Redebeitrag der Demo verfolgte ich mit Interesse, hatte ich doch das Glück, hinter dem Wagen der Redner_innen zu sein, während auf dem zweiten Wagen munter die Partymusik weiterlief. Besonders der Redebeitrag der diesjährigen Schirmherrin Lucie Veith (Bundesverband Intersexuelle Menschen e.V.) war hörenswert. Sie erklärte, dass zum ersten Mal nicht nur LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual und Trans), sondern explizit auch Intersexuelle mit angesprochen und sich mit ihnen (v.a. im Kontext von Genitalverstümmelungen) solidarisiert werden sollte. Es war diesmal also ein CSD von und für “LGBT(I)”, was sich auch im Motto widerspiegelte. Und für Heten war auch Platz. 😉

shy

Warnung, Warnung: Zweite Runde Compact-Konferenz

Offensichtlich ist nach der ersten überflüssigen Compact-Konferenz auch gleich vor dem nächsten Propaganda-Treffen. Nur diesmal hier vor Ort, in Leipzig. Unter dem debilen Titel „Werden Europas Völker abgeschafft? Familienfeindlichkeit, Geburtenabsturz und sexuelle Umerziehung“ treffen am 23. November diesen Jahres Thilo Sarrazin, die Ex-Tagesschau-Sprecherin Eva Herman und der Buchautor Peter Scholl-Latour aufeinander, um Wege aus der Misere zu finden, die Deutschlands und Europas desolate Familienpolitik hinterlassen. Bereits im Vorfeld wird aber deutlich, dass der Titel der Konferenz eine Mogelpackung ist und das illustere Beisammensein stattfindet, um sich in Hetztiraden gegen Homo-Ehen auszulassen und eine Deutschland-Untergangsstimmung zu generieren.

Perfekt dazu ins Bild passen auch die besonderen Gäste, die dem Treffen neben der agitatorischen Bereicherung auch einen internationalen Glanz geben. Zum einen Béatrice Bourges, eine der Kernfiguren gegen die „Ehe für Alle“ in Frankreich, die immer wieder betont, dass Homosexualität das gesellschaftliche Fundament auslösche. Und dann sind auch Vertretende der Staatsduma mit von der Partie, die per Gesetz den Hass auf Homosexuelle in Russland schüren. Also alle, die es sich nicht leisten können, aus Protest ein 400 Euro teures VIP-Ticket zu kaufen, um Thilo und Co backstage bloßzustellen, denen bleibt es, am 30. September um 20 Uhr in der Rosalinde mit Gleichgesinnten ein Bündnis ins Leben zu rufen, dass dem homophoben Menschenhass der selbsternannten Geburten- und Integrationsfachfrauen und -männer Protest entgegensetzen wird.

mona d.

Kommentar

Bedrohungsszenario von links?

Ein 300 Personen starkes Polizeiaufgebot stürmt mit Rammbock, Waffen, Helikoptern und Sprengstoffspürhunden 21 Wohnungen und ein soziales Zentrum in drei Städten – Berlin, Magdeburg und Stuttgart. Sie beschlagnahmen alles an Computern, Telefonen und Papieren, was sie finden und führen erkennungsdienstliche Behandlungen durch.

Die Hoffnung – Beweismittel zu Struktur und Straftaten einer linksextremistischen Vereinigung mit dem Namen Revolutionäre Aktionszellen (RAZ) und den neun Verdächtigen zu finden. Diese haben mutmaßlich in den vergangenen Jahren Sprengstoffanschläge auf ein Berliner Jobcenter und Amtsgericht, sowie auf das Haus der Wirtschaft und das Bundeshaus in Berlin verübt. Darüber hinaus wurden in 2011 von den RAZ Pistolenpatronen an den Bundesinnenminister versendet.

Die rechtliche Handhabe – Der so genannte „Schnüffelparagraph“ 129, der systematische Überwachung, Observation, Abhörung und Vorladung rechtfertigt, die einzig der Datenhortung, Einschüchterung und Spionage dient.

Die Frage – Wie so oft fällt in Verbindung mit diesem Paragraphen auf, dass nur äußerst fragwürdige Vermutungen die Durchsuchungen legitimieren. Beispiels­weise ist die Durchsuchung des Magde­burger Jugendtreffs „Infoladen“, der gleichzeitig ein linkes Wohnprojekt ist, darauf gestützt, dass ein Verdächtiger sich dort möglicherweise mal aufgehalten hat und darum auch hätte einen Schlüssel besitzen können. Ist es also gesellschaftliche Realität, dass Spekulationen diesen Charakters Überwachung im Vorfeld sowie eine Großrazzia und Personenfeststellungen rechtfertigen?

Die Ungewissheit – Noch äußert sich das BKA weder, ob die unverhältnismäßigen Interventionen tatsächlich wegen der Anschläge stattfanden, noch, ob die dürftigen Indizien, auf die sich die Durchsuchungsbefehle stützten, tatsächliche Beweise nach sich zogen. Das Schweigen bisher deutet aber eher darauf hin, dass der Eingriff nicht auf gestützten Erkenntnissen basierte, sondern auf so was wie einem Bauchgefühl des Verfassungsschutzes.

Das Rätsel – Wie konnte nun aber der NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) ungesehen und über Jahrzehnte hinweg, neun Migrant_innen und eine Polizistin morden, aufgrund von zu wenig Personal und unzureichender Aktenlage – und das, wie sich im Nachhinein herausstellt, bei einer regelrechten Informationsflut durch Informant_innen? Und warum wird hier der Tatbestand Mord durch die Floskel der “behördlichen Pannenserie“ zu einer Gleichgültigkeit unter vielen verharmlost?

Was bleibt – Der fade Beigeschmack, mittels Spekulationen die linke Szene erneut zu kriminalisieren, um die momentan brisante Staatsblindheit bei dem NSU zu schmälern. Vielleicht ist es aber auch ein geeigneter Schachzug im Vorfeld des Bundestagswahlkampfes, ein Bedrohungsszenario von Links aufzubauen? Na, vielleicht wird ja Blockupy dazu genutzt, die vermutlichen „Linksextremisten“ mal für den schlechten Sommer zur Verantwortung zu ziehen!

Mona D.

Lokales

Versand versus Logistik – Schon mal eine Waschmaschine bei Hermes bestellt?

Zum ersten Mal in der Geschichte des US-Internethändlers Amazon, der seit 1998 auch in Deutschland operiert, wurde gestreikt. Doch statt für Tarifvertrag steht der Versand-Gigant weiterhin für Überwachung, Einschüchterung sowie Saison- und Leiharbeit.

An den bei­den Standorten Leipzig und Bad Hersfeld streikten am 14. Mai 2013 circa 1.700 Beschäftigte, hier vor Ort davon 300. Auslöser dafür war die Weigerung Amazons, die Löhne tariflich zu regeln, sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld und Zuschläge für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen und während der Nacht  zu zahlen. Daher hatten sich 97 Prozent der Gewerkschafts­­mitglieder für Streik ausgesprochen. Sie stellen rund ein Viertel der 1.200 Festangestellten sowie rund 800 befristet Beschäftigten am sächsischen Standort. Um sein auf Dumpinglöhne und prekäre Beschäftigungsverhältnisse gestütztes Betriebssystem aufrecht zu erhalten, vertritt das Unternehmen die Auffassung, kein Einzel- und Versandhändler zu sein, sondern ein Logistiker. Dementsprechend lässt sich nämlich argumentieren, dass in anderen Branchen, wie der Logistik, niedrigere Löhne gezahlt werden.

Nun bleibt abzuwarten, ob die Streiks andauern und es zukünftig tatsächlich schaffen, die Auslieferung und andere Betriebsabläufe erheblich zu behindern. Wahrscheinlich jedoch ist, dass Amazon sein getreues Motto Heute bestellt morgen geliefert mit der kurzfristigen Einstellung von neuen Leiharbeiter_innen aufrecht erhält – gerne auch mit Unterstützung der kommunalen Jobcenter.

Weiterhin wünschenswert ist, dass neben der Bezahlung die Arbeitsbedingungen stärker in den Fokus gerückt werden. Denn der Konsumgigant steht neben Lohn­drückerei auch bekanntermaßen für Arbeitsstress, totale Videoüberwachung, Leistungsdruck und Einschüchterung. (1)

Aber insgesamt ist uns allen ja klar, dass die Gewinne des Unternehmens trotz Streikerei wohl nicht für adäquate Beschäftigungskonditionen eingesetzt werden, sondern weiterhin um die Konkurrenz zu verdrängen und im Sinne von Wachstum auf aggressive Marktstrategien zu setzen.

Also, entweder nun endlich das Kund_innenkonto löschen oder weiter mit schlechtem Gewissen digitale Konsum-Orgien abhalten.

Mona D.

(1) Siehe z.B. den Fernsehbeitrag des ARD: „Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon“, in dem die Situation ausländischer Leiharbeiter_innen thematisiert wird.

Lokales

Friedenskrieger

Der EU wird am 10. Dezember für „die Förderung von Frieden und Versöhnung über sechs Jahrzehnte“ der Friedensnobelpreis verliehen.

Ein Nobelpreis also für eine Weltmacht im Aufbau, die sich eifrig bemüht, mit der EUFOR eine gemeinsame militärische Hand­lungs­fähig­keit herzustellen und führende Kraft im Rüstungsgüterexport zu sein, Battle Groups aufzustellen, Polizei im Inneren aufzurüsten und mit Hilfe der europäischen Frontex-Agentur Flüchtende in den angrenzenden Meeren ersaufen zu lassen. Ein Nobelpreis auch für die „Förderung von Demokratie und Integration“: Diese wird besonders im Finanzkrisenmanage­ment und der zunehmenden Machtzentrali­sierung deutlich – die vielen protestierenden Menschen in Griechenland und Spanien haben das einfach nur noch nicht verstanden. Die in Deutschland gleich gar nicht.

Mit anderen Worten würdigt das fünfköpfige norwegische Nobelpreiskomitee also eine neue Supermacht im Aufbau, die gekonnt ein friedfertiges Image von sich zu präsentieren weiß und bisher nur bei denen Repressionen ausübt, die wenig Lobby genießen. Was zukünftig wird, ist ja auch schlecht voraussehbar. Damit steht diese Entscheidung auch in der Tradition des Komitees: Schließlich sind Henry Kissinger und Barack Obama auch Friedensno­bel­preis­träger geworden. Mahatma Ghandi hat diesen Preis hingegen trotz mehrmaliger Nominierungen nie erhalten – wahrscheinlich war er einfach zu schlecht angezogen. Allerdings könnte sich das Komitee mal Gedanken über eine Namensänderung machen, mein Vorschlag zur Debatte: Friedensvorgaukel-Nobelpreis.

Wenn ich groß bin will ich auch einem Preiskomitee angehören und ich weiß auch schon wen ich ehren will: McDonalds – für sein globales Engagement gegen den Hunger in der Welt. Schließlich kann man auch im hintersten Zipfel des afrikanischen Kontinents eine McDoof Filiale erspähen.

momo

Kommentar

Waldbesetzungen von Räumung bedroht

Die Besetzungen von Wäldern und verlassenen Landstrichen, bspw. zur Verhinderung von Flughafen-, Straßen- oder Tagebau, werden zunehmend mehr zur Aktionsform konsequenter Aktivist_innen aus der ganzen Welt. Dabei geht es den meisten von ihnen sowohl um den konkreten lokalen Schutz der Natur, als auch um den aktiven Widerstand gegen allgemeine kapitalistische Ausbeutungsverhältnisse, durch die Menschen unterdrückt und Lebensräume von Pflanzen und Tieren zerstört werden. Um diese Art des Protestes per Kriminalisierung zu unterbinden, arbeiten wirtschaftliche Großkonzerne oftmals Hand in Hand mit politischen Eliten.

Diverse Besetzungen dieser Art gibt es kurzfristig oder langjährig in vielen Ländern Europas. Aktuell sind mindestens zwei akut räumungsbedroht: der Hambacher Forst in Deutschland und La Zad in Frankreich.

Hambacher Forst

Der Hambacher Forst, ein Waldstück in Nordrhein-Westfalen, nahe Köln, wird seit April 2012 von Aktivist_innen dauerhaft besetzt, um die Rodung durch den RWE-Konzern zu verhindern. RWE betreibt direkt nebenan den größten Braunkohletagebau Europas (8.500 Hektar). Um den Tagebau erweitern zu können, sollen die Waldbesetzer_innen samt ihrer in diesem Jahr gebauten Hütten und Baumhäuser mit Hilfe deutscher Polizist_innen geräumt werden. Seit Oktober besteht akute Räumungsgefahr, denn da endete die Brut- und Setzzeit, welche die Baumrodung natur­schutzrechtlich unterbindet. Die Aktivist_innen vor Ort sind vorbereitet, ein „Unräumbar-Festival“ Ende Oktober soll weitere Menschen mobilisieren. Der Aktionskonsens ist breit, die Besetzungsformen sind kreativ, die Besetzer_innen sind entschlossen. Was es jedoch am meisten braucht, sind weitere Aktivist_innen, die bereit sind den Protest mit ihrer Anwesenheit in dieser heißen Phase zu unterstützen. Weitere Infos: hambacherforst.blogsport.de

La Zad (Zone A Defendre)

Circa 2.000 Hektar Land nahe Notre Dame in der französischen Bretagne, mehrheitlich Weide- und Waldfläche, sollen einem neuen Flughafen weichen (siehe FA!#43). Pläne dazu bestehen schon seit 40 Jahren – konkrete Drohungen gegen die dort Wohnenden wurden vom Konzern Vinci mit Hilfe der französischen Regierung seit diesem Jahr wieder verstärkt. Seit 2009 wird der langjährige Protest der ansässigen Bauern durch zahlreiche linksalternative Besetzer_innen aus aller Welt unterstützt. Ihre Anzahl hat sich in den letzten zwei Jahren vervielfacht. Sie haben viele der verlassenen Häuser besetzt, neue Hütten und Baumhäuser gebaut, Gärten angelegt und allerlei selbstorganisierte Projekte und Protestformen vorangetrieben. Am 16. Oktober fanden die ersten Zwangsräumungen statt, Weitere werden in den nächsten Wochen erwartet. Die Aktivist_innen brauchen jede Unterstützung, um die Räumungen verhindern und die Plätze neu besetzen zu können. Infos zur aktuellen Lage und dem geplanten re-occupation-Aktionstag: zad.nadir.org

momo

Uebrigens

Weihnachtszäsur eines Versandriesen

AMAZON: prekäre Beschäftigungspolitik, fragwürdiges Sortiment und skandalöse „Geschäftsbeziehungen“

Der Global Player Amazon.de beliefert die ganze Welt. Logistikcenter und Internet-Shops konzentrieren sich zwar auf industrialisierte Länder. Aber um den Profit weiter nach oben zu treiben, ist Amazon mittlerweile nicht mehr nur Großhändler, sondern auch sein eigener Warenproduzent – das allerdings in den weniger kaufkräftigen Ländern dieser Welt. Denn klar, je mehr Eigenprodukte billig produziert und unter erdachtem Namen verkauft werden, um so aggressivere Preispolitik lässt sich betreiben und der Mehrfachverdienst erhöht sich.

Wer sich dadurch nicht beirren lässt und die Gaben unterm Baum beim Giganten bestellt, sollte sich die Tatsache der großflächig gefälschten Produkt- und beson­ders Bücherrezensionen durch den Kopf gehen lassen. Und sicherlich hat auch Amazon Richtlinien über den Umgang mit anstößigen Inhalten. Was jedoch gilt im Sinne des Unternehmens als „anstößig“ und wird vom Verkauf ausgeschlossen? Sicher sind das nicht tierquälerische Produkte wie Pelze, denn die werden weltweit unkom­mentiert gehandelt. Genauso wie in Deutschland Thor-Steinar-Artikel sowie haufenweise Bücher und Tonträger des NPD-eigenen „Deutsche Stimme-Verlag“. Dermaßen anzüglich, dass sie nicht in den Warenkatalog gehören, sind hingegen bestimmte „linke“ Bücher. Oder aber jegliche homosexuelle Buch-Titel, die in den USA zeitweise ganz und gar aus dem Sortiment verschwunden waren.

Nun ja, dafür ist Amazon jetzt ganz groß im Lebensmittelgeschäft. Liefern sich Supermärkte und Discounter um die Ecke noch harte Preiskämpfe auf dem Nah­rungs­mittelmarkt, erfreut sich der Magnat trotz spärlicher Produktinformationen, hoher Versandkosten und langer Lieferzeiten eines reißenden Absatzes.

Wen das nun immer noch immer nicht hindert, Einkäufe fürs bevorstehende Schenkfest via e-commerce bei Amazon zu tätigen, sehe sich doch mal die Beschäf­ti­gungs­politik näher an:

Die globalen Geschäftsziele setzt netterweise die US-Führung fest: mehrheitlich befristete Verträge bei 50 bis 60 Wochenarbeitsstunden, Nachtschichten, Überstunden und Abmahnungen bei Nicht-Erreichung von Zielvorgaben. All das zum freundlichen Tarif von Leiharbeitsfirmen, deren Gehaltsordnung noch unter der von LIDL liegt. In Großbritannien reicht schon eine Woche Grippe zur Entlassung trotz ärztlicher Bescheinigung, da Strafpunkte für jeden Fehltag erteilt werden.

In Deutschland hingegen werden speziell in der Vorweih­nachtszeit Deals mit Job­centern eingegangen: In den Versand- und Lo­gistikzentren werden für das Weihnachtsgeschäft tausende Arbeitslose als Saisonkräfte für drei Monate eingestellt. Aber erst nachdem in einer zweiwöchigen Trainingszeit auf Probe und ohne Lohn gearbeitet wurde. Von genau jenen Personen, die als Saisonkräfte schon in vergan­genen Jahren unter denselben Bedingungen beschäftigt waren und die die Betriebsabläufe eigentlich kennen. All das bei circa sieben Milliarden Jahresumsatz des Konzerns.

Und wer nun noch immer eine weihnachtliche Konsum-Orgie bei Amazon abhalten will, sollte sich zu­mindest noch der be­sonders neugierigen und datenhung­rigen Methoden des Konzerns bewusst sein. Mitt­lerweile werden nicht mehr nur die Bestelldaten der Kun­den für eigene Mar­ke­tingzwecke genutzt, sondern ein gigantischer Datendeal mit Face­book wurde geschlossen. Bestellvorlieben, Freun­des­netzwerke, Grup­pen, Mitglied­schaften und gefällt-mir-Buttons – alles kommt in einen Topf. Schade nur, dass diese Transparenz WikiLeaks nicht zu Gute kam, sondern Ama­zon hier den Server abschaltete.

Naja, wohl dem, der ger­ne super günstig knisternde Synthetikjacken online bestellt. Es gibt NICHTS, was sich nicht bei Amazon kaufen lässt. Merry X-MAS!

mona d.

Schlandort