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Tipps zum Umgang mit Strafbefehlen

Wie verhalte ich mich, wenn ich einen Strafbefehl bekommen habe?

Normalerweise folgt nach der von Euch selbstverständlich nicht wahrgenommenen Beschuldigtenvernehmung und der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft die Prozesseröffnung. Es gibt aber auch die Möglichkeit, einen Prozess zu umgehen und der/dem Beschuldigten einen Strafbefehl zuzustellen. Das ist quasi ein Urteil ohne eine vorhergehende Verhandlung, dss heißt, der Strafbefehl legt die Rechtsfolgen der Euch vorgeworfenen Tat fest, also beispielsweise, dass ihr 30 Tagessätze à 10 Euro zahlen sollt.

Dies wird in letzter Zeit häufiger praktiziert, da die Staatsanwaltschaft darauf hoffen kann, dass mensch sich nicht dagegen wehrt – entweder aus Unwissenheit oder aus Fristversäumnis.

Allerdings wird Euch auf diesem Wege die Möglichkeit eines „fairen“ Verfahrens genommen, Ihr könnt bestimmte Entlastungszeugen nicht präsentieren, seid der Möglichkeit beraubt, mit einem/einer Anwalt/ Anwältin Eurer Wahl eine Prozessstrategie zu besprechen und vergeigt im Zweifel einen eventuellen Freispruch oder eine geringere Strafe.

Aus diesem Grund solltet Ihr Euch immer (erst einmal) gegen einen Strafbefehl wehren!

In jedem Fall solltet Ihr innerhalb von zwei Wochen (nach Zugang des Strafbefehls) zunächst einen formlosen Einspruch gegen den Strafbefehl bei dem dort bezeichneten Amtsgericht unter Nennung des Aktenzeichens einlegen Das steht auch alles in der Belehrung, die Ihr mit einem Strafbefehl, quasi als Beipackzettel, erhaltet. Dabei müsst und solltet Ihr auch nicht begründen, warum Ihr euren Einspruch einlegt.

Der Einspruch kann auch nur auf den Strafausspruch, also die Höhe der Strafe, beschränkt werden. Eine solche Beschränkung des Einspruchs auf die Höhe des Strafmaßes solltet Ihr aber wirklich erst nach Absprache vornehmen beziehungsweise, wenn Ihr selber Ahnung davon habt. Da Ihr bis in die Hauptverhandlung hinein die Möglichkeit habt, von einem „Teil“-einspruch Gebrauch zu machen, solltet Ihr also grundsätzlich immer einen vollumfänglichen Einspruch einlegen. Nach Rücksprache mit einem/einer Anwalt/Anwältin, einer Rechtshilfeor­ga­ni­sation etc. könnt Ihr diesen dann ja immer noch in der Verhandlung begrenzen.

Ihr könnt bei­spiels­­weise schreiben: „Hier­mit lege ich Ein­spruch gegen den Straf­befehl des Amts­­­­gerichts … mit dem Aktenzeichen … ein.“

Wichtig ist aber wirklich, dass dies innerhalb der zwei Wochen passiert, ansonsten könnt Ihr nicht mehr gegen den Inhalt des Strafbefehls vorgehen, da dieser dann rechtskräftig wird! Entscheidend ist der Posteingang bei Gericht!!! Also: Wenn Ihr einen Strafbefehl am Mittwoch bekommt (entscheidend ist das Zustellungsdatum auf dem Umschlag!), dann endet die Frist zwei Wochen später am Mittwoch um 24.00 Uhr. Dabei sind die Postlauf­zei­ten von bis zu drei Tagen unbedingt zu beachten.

Am sichersten ist, den Einspruch in den (Nacht-)Briefkasten des jeweiligen Amtsgerichts einzuwerfen oder das Ganze gegen Empfangsbe­kenntnis beim Pförtner/bei der Pförtnerin oder in der Poststelle des Gerichts abzugeben.

Nachdem also ein Einspruch eingelegt ist, habt Ihr erst einmal Zeit gewonnen, die Ihr nun nutzen solltet, Euch im Hinblick auf die weitere Vorgehensweise zu beraten und zu informieren.

Ihr könnt dies bei Eurer örtlichen Ortsgruppe der Roten Hilfe, Eurem Ermitt­lungs­ausschuss oder als Anfrage bei der Adresse: info@rote-hilfe.de machen. Gemeinsam könnt Ihr dann überlegen, ob in Eurem Fall ein/eine Anwalt/Anwältin zu Rate gezogen werden sollte oder ob dies nicht nötig ist.

Was Ihr noch wissen solltet: Einen Einspruch kann mensch jederzeit, das heißt auch noch während der Verhandlung bis zur Urteils­ver­kün­dung, zurücknehmen. Dann entstehen auch keine weiteren Kosten. In dem Fall, wo er nicht zurückgenommen wird, kommt es zu einem ganz normalen Prozess, bei welchem der Strafbefehl die Anklageschrift ersetzen wird. Solltet ihr verurteilt werden, müsst Ihr dann auch die Gerichtskosten tragen.

Rote Hilfe Leipzig

Die Rote Hilfe ist eine Solidaritätsorganisation, die politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum unterstützt, die z.B. wegen presserechtlicher Verantwortlichkeit für staatsverunglimpfende Schriften, wegen Teilnahme an spontanen Streiks oder wegen Widerstand gegen polizeiliche Übergriffe vor Gericht gestellt werden. Ebenso denen, die in einem anderen Staat verfolgt werden und denen hier politisches Asyl verweigert wird. Zusammen mit dem Angeklagten bereiten sie den Prozeß vor und machen besonders seinen/ihren politischen Hintergrund in der Öffentlichkeit bekannt. Die Rote Hilfe engagiert sich gegen die Verschärfung der Staatsschutzgesetze, gegen weiteren Abbau von Rechten der Verteidigung, gegen Isolationshaft, gegen weitere Beschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Ihr gehören nur Einzelpersonen als Mitglieder an.

www.rote-hilfe.de

Das kleine Spontandemo-ABC

In den letzten Monaten kam es bundes­­­weit immer wieder zu zahl­reichen „Spontandemos“. In Leipzig demonstrierten Menschen aus verschiedenen Spektren u.a. ge­gen Nazi­über­­­grif­fe, die Räu­­m­ung des Kopen­­hagen­er „Ungdoms­huset“ und die Re­­pres­­sions­­­flut ge­gen ver­meintliche „ge­­walttätige Glo­bali­sierungs­­kri­tikerInnen“ sowie jegliche Form der Repression.

Bei diesen Demos ging die Initiative spontan von losen Zusammen­hängen und Einzel­personen aus. Es gab keine Vor­bereitung sowie keine planen­den und koordinierenden Gruppen. Es lohnt also, sich mal ein wenig Zeit zu nehmen und sich mit den Besonder­heiten von „Spontandemos“ aus­einander­zusetzen, denn auch spontane Demos sind „richtige“ Demos, weisen aber ein paar nicht un­wichtige Besonder­heiten auf, die es zu beachten gilt, um unsere Sache auch spontan auf der Strasse vertreten zu können. Dies soll keine Ab­schreckung sein, sondern Euch vielmehr er­mutigen, auch spontan Eure Meinung, Eure Wut oder auch mal Eure Freude auf die Strasse zu tragen. Ihr solltet Euch nur im Vor­feld fragen, ob ihr in der Lage seid, die Situation zu überblicken und vielleicht den einen oder anderen Punkt dieses Textes berücksichtigen.

Juristisch gibt es die Unterscheidung in „normale“ Demonstra­tionen, Eil­demos und Spontan­demos. Generell besteht immer die Pflicht bis spätes­tens 48 Stunden vor Ver­öffent­lichung der Aufrufe (und nicht erst vor Beginn der Demo) eine Demo an­zumelden.

Bei Eildemos kann diese Frist der 48 Stunden nicht ein­ge­halten werden. Trotz­dem müssen Eil­demos beim Ordnungs­amt (z.B. auch tele­fon­isch) an­ge­meldet werden.

Der Unter­schied zwischen „normaler“ und Eil­demo einer­seits und Spontan­demo anderer­seits ist nun, dass letztere sich wegen des aktuellen An­­lasses sofort bildet, keinen ver­­antwort­lichen Ver­­an­stalter und -jeden­­falls erstmal- auch keineN (ver­ant­wort­­­­licheN) Lei­ter­­­In be­nötigt. Spon­tan­demo heißt also, dass die Demo wegen des aktuellen Anlasses so dringend ist, dass keine Zeit für eine An­meldung bleibt bzw. das Ordnungs­amt schon geschlossen hat.

Wichtig ist es noch zu be­achten, wer der Polizei eigentlich als Ver­anstalterIn einer Demo gilt: Sobald eine Gruppe oder eine Person im Vor­feld er­kenn­bar die Ver­antwortung für eine Demo übernimmt („deutlich hervorgehobene vorbereitende organisatorische Funktion“), gilt sie als Ver­anstalterIn und ist damit prinzipiell anmelde­pflichtig. EinE feststell­bareR Ver­anstalterIn macht sich durch Unter­lassen der An­meldung grund­sätzlich straf­bar.

Eine Demo, die trotz mehr­stündiger Mobilisier­ung nicht an­gemeldet wurde, kann – muß aber nicht – von der Polizei auf­ge­löst werden. Gegen diese Auf­lösung kann natürlich sofort eine Spontan­demo durchgesetzt / versucht werden…

Bei Nicht­auflösung kann die Polizei gegen­über der Menge oder Delegierten oder ei­ner spontan gewählten, leitenden Person Auf­­lagen bestim­men bezüg­lich Route, Dauer, Transpis usw. Da hier­gegen schnell ge­nug kein Rechts­schutz mög­lich ist, kommt es dabei ausschließ­lich auf die Verhand­lungen vor Ort und v.a. eine realis­tische Ein­schätzung der Kräfte­ver­hältnisse an. Es ist also wichtig für euch ein­zu­schätzen, welche Forderung­en Sinn machen und diese gegen­über den Bullen auch zu ver­treten. Dafür können die Teil­nehmer­Innen einer Spontan­demo einE Lei­terIn „wählen“, die dann als Ver­ant­wort­­licheR mit der Polizei, z.B. über die Route usw. ver­handelt. Wichtig ist, dass dieseR LeiterIn die Demo nicht als Ver­an­stalterIn an­melden/sich ver­ant­wort­­­lich er­­klären muss, da es bei einer Spon­tan­demo ja gerade keineN Ver­anstalter­In gibt. Ebenso spontan können sich auch Ordner­Innen finden.

Es kann also unter be­stimmten Um­ständen sinnvoll sein, einE Lei­ter­In der Demo zu wählen um die Ver­handlung­en mit den Bullen zu ver­ein­fachen. Lasst euch aber nicht ver­un­­sichern und lehnt jede Ver­­ant­­wor­t­ung als Ver­an­stalterIn ge­gen­­­über den Bul­len ab. So kann die Ver­ant­wort­ung, die sich aus dem Ver­samm­lungs­gesetz für die ein­zelne Person er­geben würde, ab­ge­wendet werden und es er­scheint niemand nament­lich als Ver­anstalter­In bei den Bullen.

Außer­dem gibt es noch ein paar Sachen, die mensch be­achten sollte, um den Bullen die Auf­lösung der Ver­anstaltung nicht zu ein­fach zu machen. Eine spontane Demo ohne Ver­anstalter liegt näm­lich definitiv nicht vor, wenn z.B.

– aufwendig neu gemalte Transpis,

– Aufrufe mit ViSdP (Verantwortlich im Sinne des Presserechtes),

– lange und des­halb nachweis­bar vor­ge­fertigte Rede­beiträge usw. vor­handen sind.

Nicht gegen eine spontan durch­geführte Demo sprechen da­gegen alle Dinge, die ent­weder schon vor­handen sind (Megaphone, alte Transpis, Fahnen, evtl. auch ein Lauti) oder die sehr schnell her­gestellt werden kön­nen (z.B. Hand­zettel, nicht ab­ge­lesene Rede­beiträge usw.).

Ent­scheidend für die Durch­führung einer Spontan­demo ist die Dauer der Mobi­lisier­ung. Wenn Ihr z.B. ein Posting auf Indy­media stellt und das Stun­den bevor es eigent­lich los­gehen soll, könnt Ihr ziemlich sicher sein, dass die Polizei das mittler­weile auch weiß und unter diesem Argument die Demo unter Um­ständen auf­lö­sen kann. Weniger sicher weiß die Polizei bei SMS-Ketten im Vor­feld Be­scheid und möglicher­weise keinen blassen Dunst hat sie bei der alten Taktik der Mund-zu-Mund-Propaganda.

Nicht zuletzt weiß mensch nie ge­nau, was auf dem wei­ter­­en Ver­­lauf der Demo so pas­sier­en wird, des­halb gilt auch und be­son­ders bei Spon­tan­demos das kleine Demo-­­Einmaleins! (1)

Eine ganze Menge also, was man im Kopf be­hal­ten soll­te für die nächste Spontandemo! Und zu alle­dem be­sonders eins: Lasst euch nicht ein­schüch­tern von den Tricks der Polizei!

(EA Leipzig)

(1) ein beständiger Link zum Demo-1×1: xttp://www.nadir.­org/­nadir/­archiv/PolitischeStroemungen­/antirepression/rechtshilfe/hilfe2.htm oder in jedem „WasTunWennsBrennt“

Präventiverfassung von politischen AktivistInnen – Ein deutscher Exportschlager

Seit den Gipfelprotesten von 2001 in Genua und Göteborg sind Polizei und Strafverfolgung auf der Hut vor „schwerbewaffneten Gipfelgegnern“. Über etliche bilaterale Zusammenarbeit wurden und werden Informationen auf europäischer Ebene ausgetauscht, ausgewertet und gespeichert. Diesen EU-Flickenteppich will das „Stockholmer Programm“ in den nächsten Jahren zusammenfügen – und Deutschland will sich seine Vorreiterrolle in Sachen Überwachung von AktivistInnen dabei nicht streitig machen lassen.

Vor dem EU-Innenministertreffen Ende April 2010 hat die EU-Kommission einen umfangreichen Vorschlag zur Ausgestaltung des „Stockholmer Programms“ vorlegt. Dieser Vorschlag zielt in den nächsten fünf Jahren auf eine weitreichende Reform verschiedener Bereiche ab, angefangen beim VerbraucherInnenschutz über die gegenseitige Anerkennung rechtsverbindlicher Dokumente bis hin zur stärkeren Zusammenarbeit von Polizei und Strafverfolgungsbehörden zur Bewältigung „gestiegener grenzüberschreitender Herausforderungen“.

Dabei wird von der Kommission ein generalisiertes System zum Datenaustausch zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten angestrebt, welches als grundlegende Priorität „Anti-Terror-Maßnahmen“ besitzen soll. Begleitend soll dazu der Datenaustausch der bereits bestehenden Agenturen Europol, Eurojust und Frontex verstärkt werden. Zwar stockt die technische Umsetzung bestimmter Informationssysteme für den angestrebten Datenaustausch, so steht das Großprojekt SIS II (Schengener Informationssystem) mehr oder weniger kurz vor dem Scheitern, allerdings werden Alternativprojekte weiterhin parallel verfolgt.

Im Kontext der gesammelten Erfahrungen der meist bilateralen Zusammenarbeit bei Großereignissen wie Fußballwelt- und Europameisterschaften sowie internationalen Politik- oder Wirtschaftsgipfeln, fordert Deutschland dabei die Einrichtung einer europäischen Datei für GipfeldemonstrantInnen. Damit will es seine bisher nur auf nationaler Ebene gepflegte Datei „IgaSt“ (International agierende gewaltbereite Störer) auf die europäische Bühne hieven – neben Deutschland führt bisher nur Dänemark eine vergleichbare Datei von politischen AktivistInnen.

Die Inhalte der „IgaSt“-Datei werden dabei auf äußerst willkürliche Weise gesammelt. Um als potentiell gewaltbereiteR StörerIn an der Ausreise gehindert zu werden, können schon die häufige Teilnahme an Gipfelprotesten, das Besuchen von Info-Veranstaltungen oder intensive politische Betätigung in den entsprechenden Kreisen genügen – lieber zu viel als zu wenig Daten ist, wie auch bei anderen Sammeldateien [z.B. der „LiMo“ (linksmotivierte Gewalt) oder der „Gewalttäter Sport“], die Devise. Eine Löschung aus diesen Dateien ist meist nur sehr schwer zu bewerkstelligen, meistens wissen die Betroffenen nichts über ihre Erfassung.

Bei entsprechenden Großereignissen werden die gespeicherten Informationen dann im Zusammenspiel etwa mit dem Aussetzen des Schengener Abkommens (und damit dem zeitweiligen Wiedereinführen von Grenzkontrollen) genutzt, um politische AktivistInnen an der Ausreise in Richtung Gipfel zu hindern. Desweiteren gehören Meldeauflagen und sogenannte Gefährderansprachen im Vorfeld zum repressiven Repertoire von Polizei und Justiz.

Ein Hoffnungsschimmer bezüglich der Datensammelwut stellten im Verlauf des Jahres 2009 Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg sowie des Verwaltungsgerichts Karlsruhe dar, die eine Speicherung von persönlichen Daten in der bundesweiten Datei „Gewalttäter Sport“ als rechtswidrig angesehen haben. Da viele andere Dateien nach dem gleichen Muster gestrickt sind, bestand die Hoffnung, dass auch diese auf den Prüfstand kommen. Im Vorfeld der Fußball-WM 2010 in Südafrika sowie des heimischen „Public Viewings“ drückte das Bundesinnenministerium jedoch am 04.06.2010 per Eilverfahren einen Entwurf durch den Bundesrat, welches Sammeldateien wie „Gewalttäter Sport“ oder „IgaSt“ auf eine rechtliche Grundlage stellten. Laut des verabschiedeten Entwurfs können somit eine ganze Palette von personenbezogenen Daten, angefangen von Namen und Geburtsort bis hin zu Stimm- und Sprachmerkmalen, in Dateien gespeichert und von Polizeistellen abgerufen werden. Den Schritt zur verstärkten Repression auf europäischem Level stellen die ebenfalls durch den Entwurf des Bundesinnenministeriums abgedeckten Anpassungen bezüglich des SIS II-Projekts dar – die aufgebaute Vorreiterrolle will man sich schließlich nicht streitig machen lassen.

Eure Rote Hilfe
OG Leipzig

weitere Texte und Infos:
Antwort zur Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zu vom BKA geführten Dateien: dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/135/1613563.pdf

Entwurf des BI zur neuen Rechtsgrundlage:
www.bundesrat.de/cln_161/SharedDocs/Drucksachen/2010/0301-400/329-10,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/329-10.pdf

Das Handy als Wanze

Mythen und Realitäten der Telefonüberwachung

Zurzeit überschlagen sich die Spekulationen zur Handyüberwachung, speziell die Manipulationsmöglichkeiten der Handys be­treffend und die Angst geht um, dass sie als „Wanze“ benutzt werden können. Ent­sprechende Gerüchte gibt es schon seit dem Aufkommen von Mobilfunk. Die Über­wachung von Telefonen ist so alt wie das Telefon selbst. Was anfangs durch einfaches Aufklem­men auf die Te­le­fon­leitung passierte läuft heute digital. Es knackt nichts mehr, es rauscht auch nicht und es gibt kein Echo, kurz gesagt ist es unmöglich für einen Telefonbenutzer, sicher festzustellen, ob jemand in der Leitung hängt. Beim heutigen digitalen Te­le­fonnetz lassen sich die Datenströme nach Belieben manipulieren, ebenso Anrufbeantworter abhören, wie auch SMS und Datenver­bin­dungen. Vor allem kann es nicht nur von „berechtigten“ Stellen wie der Polizei abgehört werden, sondern im Prinzip von jedem ambi­tio­nierten Amateur und erst recht von Pro­fis. Davor schützen kann man sich nur durch starke Verschlüsselung, was für den/die Otto-Normalverbraucher/in kaum er­schwing­lich ist.

Handy-Überwachung

Eine recht gängige „Wanzen“theorie besagt, dass sich alle Handys aus der Ferne ein­schalten und zur „Wanze“ umbauen ließen. Dem muss klipp und klar entge­gen­gesetzt werden, dass es weltweit keinen einzigen öffentlich dokumentierten Fall gibt, bei dem ein Handy aus der Ferne eingeschaltet wurde. Das GSM-Protokoll – das Verfahren, mit dem Handys funk­tionieren – bietet rein technisch be­trach­tet keine Hintertür. Das bedeutet aber nicht, dass Handys nicht überwachbar sind. Die Polizei oder andere „Späher­Innen“ benutzen dafür die Up­date­funktion des Handys, über die sich neue Software installieren lässt. So konnten und können Trojaner auf das Han­dy ge­spielt und die komplette Kontrolle über das Gerät erlangt werden. Die Funk­tion zum Online­up­date der Software kam mit im­mer leistungsfähigeren Handys auf, deren Software der eines Compu­ters ähnlicher ist als der Firmware von Han­dys aus der Anfangszeit. Diese Mani­pu­lation er­mög­licht es den Angreifern aller­dings nicht, das Handy aus der Ferne ein­zu­schalten, aber es kann zum Beispiel so manipuliert werden, dass es sich nicht mehr ausschalten lässt. Display und Tasta­tur werden abgeschaltet, so dass es aussieht wie ausgeschaltet, aber es bleibt trotzdem im Netz eingebucht und könnte zur Raum­­über­wachung wie auch zur Posi­tions­be­stim­mung benutzt werden. Außerdem können so alle Daten, die auf dem Han­dy gespeichert wurden, heimlich ein­ge­sehen werden, seien es Fotos oder auch das Telefonbuch und natürlich gespeicherte SMS. Sol­che rein technisch möglichen Mani­pu­la­tionen sind so gut wie nicht zu ent­decken, denn Handys bestehen aus pro­prie­tärer Soft- und Hardware (1). Dies macht es dem/ der UserIn schwer bis un­mög­­lich, die Funk­tions­weise der Geräte zu durchschauen.

Bekanntlich lassen sich mit Handys auch Po­sitionen der Träger bestimmen. Das ist aller­dings nur dann möglich, wenn es eine Ver­bindung zwischen Handy und Handynetz gibt, zum Beispiel beim telefonieren. Des­halb werden solche Verbindungen vom Überwacher eher provoziert. Eine be­lieb­te Praxis ist dabei die der „stillen“ SMS, mit denen im Falle der Handy-Überwachung die Position des/der Ge­räte­­in­ha­ber­In bestimmt werden kann, ohne dass ein visuell erkennbarer Nachrichteneingang bemerkbar ist. Um diese Kon­taktauf­nahmen zum eigenen Handy zu erkennen, gibt es aber auch Anrufmel­der, die eingehende Handyanrufe anzeigen. Erhältlich sind sie ab 10 Euro im Tele­fon­laden oder bei Internethändlern. Diese Warngeräte lassen sich unkompliziert ans Handy hängen. Baut ein Handy im aus­geschalteten Zustand eine Verbindung auf oder wird bei eingeschaltetem Gerät dau­ernd eine Verbindung angezeigt, obwohl damit weder telefoniert wird, noch eine SMS eingeht, dann ist etwas faul.

Die eigentliche Gefahr im Zusammenhang mit Handy-Überwachung sind aller­dings weniger das mögliche Mithören von Te­le­fonaten oder manipulierte Geräte. We­sentlich wichtiger ist die Positionsbe­stimmung, die im Prinzip laufend statt­findet und seit dem 01.01.2008 auch für sechs Monate gespeichert werden darf, es sei denn, das Bundesverfassungsgericht (BVG) stoppt das Gesetz, das die Tele­kom­muni­ka­tionsdaten-Vorratsdatenspeich­erung er­laubt, endgültig. Was das für unsere Kommunikation bedeutet, dürfte inzwischen be­kannt sein: jeder individuelle Telefon- oder E-Mail-Verkehr, Informationen über Zeit, Häufigkeit, Standort und Kom­muni­kationspartner/in kann auf sechs Monate nachvollzogen werden. Tele­kom­muni­kationsanbieter müssen demnach die Ver­kehrsdaten ihrer Kunden speichern und an Polizei und Geheimdienste heraus­geben. Mit Urteil des BVG vom 19.03.2008 dürfen die Daten aller­dings nur mit Genehmigung einer/s Er­mit­tlungsrichter/in und im Zu­samm­en­hang mit schweren Straftaten eingesehen wer­den. Wie erfreulich diese Eilent­schei­dung auch ist, muss einerseits die laxe Praxis von Ermittlungsrichter­Innen, anderer­seits die Handhabe der Definition schwerer Straf­taten gerade in Zeiten der Terror­hys­­terie kritisch betrachtet werden.

Auswege?

Zum Glück gibt es Hoffnung in zweierlei Hinsicht. Mit VoIP (Internettelefonie) gibt es eine Trennung der Telefondienste von den klassischen Vermittlungsstellen und somit auch von den Abhörvorrich­tungen. Dazu wurden inzwischen auch Ver­schlüsselungs­programme entwickelt, mit denen man sich gegen Mithören, auch auf der Internet­leitung, schützen kann. Die spannendste Geschichte ist derzeit aber das OpenMoko-Projekt. Dessen Ziel ist es, eine offene Handyplattform zu entwickeln. Diese Geräte werden unter Linux laufen und die Hardware ist vollständig offen gelegt, so dass es dem/der ambitionierten UserIn möglich sein wird, das Handy an die eigenen Bedürfnisse anzupassen, zum Beispiel Ver­schlüsselungs­­mög­lichkeiten einzurichten oder auch Manipulationen zu erkennen. Das Projekt ist schon sehr weit fortgeschritten. Damit würde zwar nicht das Problem der Positionsbestimmung gelöst, aber eine Im­plementation zur Warnung vor „stillen SMS“ sowie das sichere Abschalten des GSM-Teils werden kein großer Aufwand mehr sein und sofern nicht im Grundsystem bereits vorgesehen, wird es bald entsprechende – freie – Lösungen geben.

alex@blacksec.org

Bearbeitet von Rote Hilfe OG Leipzig

Der Text steht unter Creative-Commons-Lizenz

(1) „proprietäre Software ist jegliche Software, die keine „freie Software ist, da ihre Pro­gramm­co­dierungen geheim gehalten werden.

Zensus 2011

Die Erschaffung eines deutschen Datenpools

Dieses Jahr sollen laut dem Willen der Bundesregierung die Datensätze des deutschen Inventars aktualisiert werden. Lest nach, wie das geschieht und was man unternehmen kann.

Am 09. Mai 2011 ist Stichtag für das Statistische Bundesamt: ein Zensus soll durchgeführt werden und die freiwilligen Volks­zählerInnen beginnen, das Bundesgebiet systematisch zu durchkämmen. In der Umgangssprache ist mit dem Begriff Zensus eine Volkszählung gemeint, der jedoch die immense Datenerhebung, die damit verbunden ist, verklärt.

2008 hat sich die EU dazu entschlossen, eine Verordnung zu verabschieden, die jedem Mitgliedsstaat vorschreibt, bis 2011 einen Zensus durchzuführen. Die deutsche Bundesregierung hat aufgrund dessen 2009 das Zensusgesetz verabschiedet, welches eine registergestützte Datenerhebung vorsieht. Während die EU an die Basis-Daten der EU-EinwohnerInnen gelangen will, um sie der europäischen Behörde für Statistik (EUROSTAT) zur Verfügung zu stellen, nutzt die Bundesregierung gleich die Möglichkeit, noch eine Menge anderer Daten zu erfassen. Das erklärte Ziel des Statistischen Bundesamts ist die Erzeugung einer nahezu vollständigen Adress-, Wohnungs- und Gebäudedatenbank, um die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts zu aktualisieren, um zu ermitteln, wie viele Kindergartenplätze, Schulen oder Altersheime benötigt werden, um die Arbeitslosenzahlen auf einen genaueren Stand zu heben oder um die Anzahl verfügbarer Wohnungen in der BRD inklusive ihrer Ausstattung zu wissen.

In der Vergangenheit kam es häufiger zu solchen Zählungen von EinwohnerInnen und Erhebungen von Gebäuden. Schließlich möchte eine Regierung ja wissen, über wen sie regiert und was sie ihr Eigen nennt. Der letzte große Zensus in der BRD fand in den 80er Jahren statt und wurde von einer großen Boykottwelle begleitet. Von den GegnerInnen wurde oft darauf hingewiesen, dass die umfangreichen Volkszählungen in den 30er Jahren eine wichtige Grundlage für die Deportation der Juden und Jüdinnen in die Konzentrationslager gewesen sind.

Diesmal wird die Datenerhebung in große Bereiche gegliedert: bereits jetzt werden die existenten Datensammlungen der Meldebehörde und der Bundesagentur für Arbeit zusammengeführt. Über eine Ordnungsnummer werden die Datensätze miteinander verknüpft. Diese Daten und auch die Daten jeder anderen auskunftspflichtigen Behörde werden nun mit den Daten des neu erstellten Wohnungsregisters zusammengeführt.

Als nächstes werden 100% der Eigentümer­Innen von Gebäuden und Wohnräumen zu den Eigentumsverhältnissen, der Größe, der Ausstattung und den eventuellen Mieter­Innen befragt. Dabei wird kein Unterschied zwischen rechtlichen und natürlichen Personen gemacht.

Daraufhin werden 10% aller ansässigen EinwohnerInnen der BRD mit einem ausführlichen Fragebogen zu jeglichen Details ihrer Lebensverhältnisse befragt. Dies diene zur Kontrolle der bereits erfassten und zusammengeführten Daten und nimmt noch einen großen Schwapp neuer Daten hinzu.

Separat zur Gebäude- und Menschenzählung werden sämtliche sogenannte Sonderbereiche wie Gefängnisse, psychiatrische Anstalten oder auch Wohnheime jedweder Art befragt. Sind Personen nicht dazu in der Lage, die Fragen der ZählerInnen zu beantworten, übernehmen die LeiterInnen vor Ort diesen Job.

Im Anschluss an diese Befragungswellen werden zur „Qualitätssicherung“ 5-10% der befragten Haushalte noch­mals befragt.

Das Versenden der Fragebögen funktioniert entweder über die Post, die direkte Abgabe beim befragenden „Volks­zähler“ oder per bereit gestellter Software im Internet.

Die Fragen für Eigen­tümer­Innen, Stichproben und Sonderbereiche unterscheiden sich etwas: Name; Ge­burtsdatum; Geburtsort; Geschlecht; Art, Alter und Zustand der Immobilie; Aufenthaltsort; Staatsangehörigkeiten; Familienstand; Beruf; Arbeitgeber; Ausbildung; Schulabschluss; Migrationshinter­grund; Reli­gions­zu­ge­hörig­keit und genaue Art des Glaubensbekenntnisses.

Die Datenzusammenführung der Behörden beinhaltet noch andere Daten, wie etwa den Arbeitsort, den Arbeitslosenstatus, beantragte Auskunftssperren inkl. des Grundes und natürlich die berüchtigte Ordnungsnummer.

Da man sich der Befragung nicht entziehen darf, werden die persönlichen Daten der oder des Betroffenen ohne Einwilligung eingesammelt. Alle Befragungswellen einbezogen, werden insgesamt ein Viertel bis ein Drittel aller in Deutschland ansässigen Personen direkt ausgehorcht. Durch die Ordnungsnummer soll eine Pseudo-Anonymität vermittelt werden, eigentlich stellt sie jedoch genau die Kennziffer dar, über die sämtliche Daten einer Person abgerufen werden können. Eine eindeutige, gemeinsame Personenkennziffer hatte das Bundesverfassungsgericht (BDV) 1983 ausdrücklich verboten; im Herbst 2010 schmetterte dasselbe Gericht die Verfassungsklage des AK Zensus aus formalen Gründen ab und die Bundesregierung setzt sich nun unbemerkt über das Urteil von 1983 hinweg.

Technisch gesehen entsteht ein zentral verfügbares Personenprofil aller in Deutschland ansässigen Personen und schafft somit eine weitere Grundlage für den Überwachungsstaat. Es bedarf einer gehörigen Portion Vertrauen in die staatlichen Institutionen, dass diese die zur Verfügung gestellten Daten nicht zweckentfremden. Hinzu kommt, dass sich Angriffe Interner wie Externer auf große Datensammlungen in den letzten Jahren bekanntlich drastisch erhöht haben. Es gibt keine Sicherheit, dass mit diesen Daten nicht noch mehr Unfug als ohnehin schon getrieben wird.

Die im Zuge der Datenbank vereinfachte Datenanalyse erhöht zudem die Gefahr der Wiedereinführung einer schleichenden Rasterfahndung. Die Bindung der personenbezogenen Daten (Name; Geburtsdatum; etc.) an die restlichen gegebenen Antworten per Ordnungsnummer soll aufgetrennt werden, aber es ist keinesfalls geregelt, wann und wie das passiert.

Wahrscheinlich werdet ihr hauptsächlich von der zweiten Befragungswelle, die auf 10% aller EinwohnerInnen zukommt, betroffen sein. Widerspruch und Verweigerung der Antworten sowie Falschangaben sind untersagt. Falschangaben sind deshalb nicht zu empfehlen, weil sie mit den bereits vorhandenen Daten abgeglichen werden.

Die Verweigerung der Befragung macht dennoch Sinn. Es wird ein Bußgeld mit dem fröhlichen Namen „Zwangsgeld“ von maximal 5.000 € verhängt. Es ist aber zu erwarten, dass die Strafen geringer ausfallen. Darum bildet Banden und richtet einen Solitopf ein. Wenn sich zehn Menschen zusammentun und einer ist betroffen, so ist die Geldstrafe nur ein Zehntel so hart. Des Weiteren ist die Verweigerung der Befragung keine Straftat, sondern eine Ordnungswidrigkeit, wird euch also keinen Eintrag im Führungszeugnis bescheren.

Mit etwas Engagement kann eure Bande auch eine alternative Sammelstelle einrichten und die Befragten in eurem Kiez auffordern, die Fragebögen bei euch abzugeben. Lasst euch ruhig von den alternativen Sammelstellen der 80er Jahre inspirieren. Eine Gruppe verklebte beispielsweise alle bei ihnen abgegebenen Fragebögen an der Berliner Mauer, andere behielten die gesammelten Werke als politisches Druckmittel.

Generell gibt es keinen allgemeingültigen Kniff, um der Zählung zu entgehen. Dennoch findet ihr vielseitige Tipps in der Volks­zählungsfibel. Sie ist auf www.vobo11.de verfügbar oder liegt vielleicht auch an einem Ort eures Vertrauens in gedruckter Form aus.

(Rote Hilfe Leipzig)

www.zensus11.de

www.vobo11.de

Politische Betätigung im Schatten des Ausländerrechtes

In Grimma im Landkreis Leipzig besetzten vier Familien – 18 Personen, darunter 10 Kinder – am 23. Juni 2009 eine Kirche, um auf die schlechten Bedingungen im Asylbewerberheim Bahren aufmerksam zu machen. Sie forderten die Möglichkeit in eigenen Wohnungen unterzukommen und verweigerten die Rück­kehr ins Heim. Sie nahmen dafür einen unbeheizten Kirchenraum, harte und schmale Kirchenbänke, Verzicht auf warmes Essen und Dusche, böse Blicke, fremdenfeindliche Parolen und die ständige Angst geräumt zu werden in Kauf.

Der öffentliche Druck und der Unwillen der Kirche die ungewollten Gäste zu dulden oder die Aussagen politischer Verantwortungsträger, sich nicht erpressen lassen zu wollen, führten nach zwei Wochen zur Beendigung der Aktion. Drei der Familien kehrten ins AsylbewerberInnenheim in Bahren bei Grimma zurück. Mitt­ler­weile hat die Ausländerbehörde die Anträge auf dezentrale Unterbringung von zwei der beteiligten Familien bewilligt. Für die vierte Familie allerdings, deren Vater als „Rädels- und Wortführer“ für die Besetzungsaktion ausgemacht und mehrfach in der Presse so tituliert wurde, stand weder die Rückkehr nach Bahren, noch eine eigene Wohnung zur Debatte. In Form einer Zuweisungsentscheidung wurde ihnen am 06.07.2009 mitgeteilt, dass sie sich im Asylbewerberheim Plauen einzufinden haben, andernfalls könnten sie mit Freiheits- oder Geldstrafen rechnen. Mittlerweile wurde der Asylantrag der nun in Plauen lebenden Familie abgelehnt. Ihnen droht die Abschiebung.

Bei der Grimmaer Kirchenbesetzung handelte es sich formal nicht um Kirchenasyl, da keinem/r der Besetzenden – zum damaligen Zeitpunkt – eine Abschiebung drohte. Die MigrantInnen, die aus Palästina, dem Libanon und vermutlich Afghanistan und Russland stammen, betätigten sich politisch. Zwei Familien konnten so ihr Ziel erreichen. Ob die Verlegung und nun drohende Abschie­bung der vierten Familie mit der ihnen zugeschriebenen „Rädels­führ­erschaft“ zusammenhängt, bleibt eine Mutmaßung. Zu­min­dest dürften die Schritte vor diesem Hintergrund schneller eingeleitet worden sein als im normal-bürokratischen Regelfall.

Die Rote Hilfe Leipzig nimmt den kurz angerissenen Fall zum Anlass, um zu schauen, wie es um die politischen Rechte von Menschen ohne deutschen Pass steht. Die Hannoveraner Ortsgruppe der Roten Hilfe hat sich auf Basis der bestehenden Gesetze mit eben jener Frage auseinandergesetzt:

 

Für Menschen ohne deutschen Pass gelten Son­dergesetze wie das Aufenthaltsge­setz. Ihre politische Betätigung wird da­durch ein­ge­schränkt. Die Rote Hilfe OG Han­nover hat sich aufgrund der Repression gegen türkische und kurdische Ge­noss­Innen und ver­mehr­ten Anfragen von ju­gendlichen Mi­grant­Innen aufgrund ihrer politischen Arbeit mit den geltenden Rechtsgrundlagen aus­einandergesetzt. Dieser Text ist eine erste Zusammenfassung dieser Recherche. Interessant wäre, konkrete Fälle und Grund­satz­urteile zu analysieren und daraus eine Hand­lungs­empfehlung für den Umgang mit politischen Prozessen und Vor­gehens­weisen gegen die Repression der Ge­noss­­Innen ohne deutschen Pass zu entwickeln.

Allgemeingültige Vorschriften bei Strafverfahren wegen politischer Betätigung

Bei Verfahren wegen politischer Betätigung gelten Rechtsgebiete wie das Strafrecht (festgelegt im StGB) und die Straf­prozess­ordnung (StPO), das Versamm­lungs­recht oder das Ordnungs­widrig­keitengesetz für MigrantInnen ebenso wie für Menschen mit deutschem Pass. In den jeweiligen Gesetzen sind die Strafen für Vergehen gegen definierte Tatbestände festgelegt – sie gelten für alle Betroffenen.

Im Strafgesetzbuch sind Tatbestände definiert, die unter Strafe stehen. Die §§ 80 bis 130 bezeichnen Straftaten von Landesverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates über Straftaten gegen ausländische Staaten oder die Landesverteidigung oder die öffentliche Ordnung, Widerstand gegen die Staatsgewalt etc., die Grundlage für viele politisch motivierte Strafverfahren sind.

Die Strafprozessordnung regelt, wie der Ablauf von Strafverfahren aussieht. Dieser ist auch für alle Betroffenen gleich, egal welchen aufenthaltsrechtlichen Status sie haben. Das bedeutet, dass die dringende Empfehlung, nicht zu polizeilichen Vorladungen zu erscheinen, niemals und unter keinen Umständen Aussagen bei Polizei und Staatsanwaltschaft zu machen unabhängig vom Aufenthaltsstatus gilt. Ebenso die Pflicht, bei Vorladungen durch Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter sowie zum eigenen Prozesstermin zu erscheinen. Beschuldigte haben prinzipiell das Recht, die Aussage zu verweigern.

Ausländerrecht und politische Betätigung

MigrantInnen, die sich politisch betätigen und insbesondere an Demonstrationen teilnehmen, gehen ein doppeltes Risiko ein. Ihnen drohen im Zweifel nicht nur eine strafrechtliche Verurteilung, sondern auch aufenthaltsrechtliche Konsequenzen von Ablehnung einer späteren Einbürgerung bis hin zu einer Ausweisung.

Für Menschen ohne deutschen Pass gelten neben den allgemeingültigen Regelungen wie dem Straf- oder Versammlungsrecht Sondergesetze wie das Aufenthalts­ge­­setz (AufenthG) oder das Asylver­fahrens­ge­setz (AsylVfG). Ihre politische Betätigung wird durch Vorschriften wie § 47 des AufenthG und die Residenzpflicht als Fol­ge der §§ 56 ff. des AsylVfG eingeschränkt.

Ausweisung

Besonders bedrohlich für politisch Aktive ohne deutschen Pass ist die Mög­lichkeit der Ausländerbehörden, zusätzlich zu Strafen nach allgemeingültigem Recht aufenthaltsrechtliche Sanktionen zu ergreifen.

Im AufenthG sind Gründe für Zwingende Ausweisung, Regelausweisung und Ermessensausweisung definiert. Am schwierigsten ist es, gegen Begründungen für eine Zwingende Ausweisung nach § 53 Auf­enthG vorzugehen. Dies trifft z.B. Menschen, die wegen Landfriedensbruchs zu Strafen ohne Bewährung verurteilt wurden. Am größten ist die Gefahr einer Ausweisung / Abschiebung nach einer Ver­ur­teilung. Auch ohne dass eine Frei­heits­strafe von bestimmter Dauer verhängt wor­den sein muss, gelten Aus­län­der­Innen als „besonders gefährlich“, wenn sie ohne Be­währung wegen Landfriedensbruchs im Rahmen einer verbotenen öf­fent­lichen Versammlung verurteilt wurden.

Die Ausländerbehörde kann aber schon während eines Ermittlungsverfahrens (also vor der Verurteilung) versuchen, politisch aktive MigrantInnen unter dem Vorwurf einer „schweren“ Straftat, z.B. schweren Landfriedensbruchs auszuweisen.

Eine Regelausweisung nach § 54 wird verfügt, wenn sich der/die Betreffende an „Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen“ aus einer Menschenmenge heraus im Rahmen einer verbotenen oder aufgelösten öffentlichen Versammlung beteiligt hat. Eine strafrechtliche Verurteilung ist nicht Bedingung der Ausweisung.

Einbürgerung

Bei dem Antrag auf Einbürgerung werden Behörden und Polizei standardmäßig nach Einwendungen gegen die Einbürgerung gefragt. Auch eine Anfrage beim Verfassungsschutz wird als Regel durchgeführt. Da alle Verfahren an die Ausländerbehörde weitergeleitet und gespeichert werden, besteht hier die Gefahr, dass bekannte politische Betätigung als Hinderungsgrund bei einem Antrag auf Einbürgerung geltend gemacht wird.

Es ist ebenfalls möglich, dass Menschen, deren Einbürgerung noch nicht 3-5 Jahre zurückliegt Schwierigkeiten aufgrund politischer Strafverfahren bekommen und ein Widerrufsverfahren eingeleitet wird.

Was tun?

Bei politischen Prozessen gegen Mi­grant­Innen ist die Unterstützung durch So­li­da­ri­tätsgruppen und AnwältInnen be­son­ders wichtig. Die Frage, wie Prozesse ge­führt werden sollen, ist gut zu überlegen. Es ist unbedingt notwendig, auf Wi­der­spruchsfristen bei aufenthaltsrecht­lichen Fragen zu achten, Verfahren genau zu dokumentieren und rechtzeitig juristisch gegen die Ausweisung / Abschiebung oder sonstige Einschränkungen wie Ab­leh­nung eines Einbürgerungsantrages un­ter Einschaltung einer AnwältIn vorzugehen.

Der Rechtsweg läuft bei Fragen des Aufenthaltsgesetzes über das Verwaltungsrecht und die Verwaltungsgerichte.

Flüchtlinge, deren Asylantrag anerkannt ist oder die eine Duldung wegen drohender Folter oder drohender Todesstrafe haben, werden durch die Europäische Menschen­rechts­- und die Genfer Flücht­lings­kon­ven­tion vor Abschiebung geschützt. Aber: Die politische Zusammenarbeit, z.B. zwischen BRD und Türkischer Republik, führt zu prak­tischen und juristischen Auf­weich­ungen.

Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis sind generell stark bedroht! Deshalb: Sofort nach einer Verhaftung durch die Polizei mit anwaltlicher Hilfe einen (zweiten) Asylantrag stellen, um eine drohende Abschiebung zu verzögern und Zeit für weitere Schritte zu gewinnen.

(Rote Hilfe)

Ziviler Ungehorsam als politische Praxis

Im Zusammenhang mit Neonaziaufmärschen, Gipfelprotesten oder Atommülltransporten kommen immer wieder Praxen zivilen Ungehorsams zum Zuge. Auch in Leipzig wurde der Aufmarsch von „Nationalen Sozialisten“ am 17.10. auf diese Weise verhindert (siehe S. 5). Damit wurde an die erfolgreiche Praxis der Vergangenheit angeknüpft. Immer wieder kam es in Leipzig zu breiten Sitzblockaden, einer beliebten Form zivilen Ungehorsams, gegen die regelmäßigen Aufmärsche des Neonazis Christian Worch. Nachdem die Polizei anfangs rabiat gegen diese spontanen und gewaltfreien Aktionsformen vorging, veränderte sich die Einsatzstrategie der staatlichen Repressionsorgane aufgrund von Interventionen auf politischer Ebene und der Entschlossenheit einer wachsenden Zahl von Protestierenden. Die Blockade einiger weniger Aufmärsche konnte so gelingen.

Basisdemokratie versus Systemüberwindung

Ziviler Ungehorsam meint bewusste Regelverstöße zur Beseitigung einer gefühlten Unrechtssituation. Wenn bei­spielsweise das Versammlungsrecht im Umfeld von geschlossenen Tagungen von führenden PolitikerInnen ausgehöhlt wird oder Nazis das Versammlungsrecht in Anspruch nehmen, dann müssen die Grenzen der Legalität überschritten werden, um die eigene Meinung wirkungsvoll kundzutun.

Ziviler Ungehorsam gilt als legitimes Mittel, weil er im Kern auf den Schutz der Menschenwürde zielt, den Recht und Gesetz qua Neutralität nicht gewährleisten können bzw. wollen – im Falle von Neonazidemos eben die Wahrung des Versammlungsrechtes für legale politische Gruppen/Parteien. Die bewusste Störung von angemeldeten Demonstrationen wird damit zur Gesetzesverletzung. Nichts desto trotz verfolgt die Praxis des zivilen Ungehorsams die Durchsetzung von Bürger- und Menschenrechten innerhalb der bestehenden Ordnung und explizit nicht die Ablösung einer bestehenden Herr­schaftsstruktur. Dies gilt auch für offensiven zivilen Ungehorsam, wie die Weigerung sich erniedrigenden Gesetzen zu unterwerfen (z.B. das kollektive Widersetzen gegen US-amerikanische Rassengesetze in den 1950er Jahren, der Boykott der Volkszählung in den 1980er Jahren oder das kollektive Schwarz-Fahren in Bus und Bahn). Systemimmanent Veränderungen anzustreben, ohne das System im Kern anzutasten, markiert die Differenz zwischen zivilem Ungehorsam und Widerstand. Widerstand befindet sich in der Regel außerhalb der gesetzten Ordnung und beschreibt aktive Bestrebungen und Verweigerung gegen Herrschaftsakteure oder -strukturen. Die Gewaltfrage ist zudem eine Demarkationslinie zwischen zivilem Ungehorsam, der eher zum Repertoire von sich als gewaltfrei verstehenden Bewegungen gehört, und Widerstand.

Die fein-säuberliche Trennung erodiert nicht nur durch die Definitionshoheit des Staates (so kann eine entschlossene Blockade, die auch nach Räumungsaufforderungen der Polizei nicht aufgelöst wird, mit dem Vorwurf des Landfriedensbruchs belegt werden). Das Widerstandsrecht im Grundgesetz (Artikel 20 Absatz 4) garantiert zudem jedem und jeder StaatsbürgerIn das Recht gegen jedermann Widerstand zu leisten, der die im Grundgesetz verankerte freiheitliche demokratische Grundordnung außer Kraft setzt. Dieses Recht ließe sich durchaus auch gegen Nazis und deren demokratiefeind­liche, menschenverachtende Ideologien und Aktionen in Anspruch nehmen.

Auch in politischen Zusammenhängen wird konstatiert, dass die Trennlinien verwirren. So geht mit der Praxis zivilen Ungehorsams nicht selten eine grundsätzliche Kritik des kapitalistischen oder rassistischen Normalzustandes einher. Ist das Plündern von Supermärkten zum Zwecke der Vergesellschaftung von Lebensmitteln ziviler Ungehorsam oder ein fundamentaler Angriff gegen das Privateigentum? Setzen sich Ärzte, die Illegalisierte unentgeltlich behandeln, nicht bewusst und gezielt Gesetzen entgegen?

Ziviler Ungehorsam in der Praxis

Blockaden, wie sie in Leipzig schon öfter zum Zuge kamen, sind die wohl geläufigste Form zivilen Ungehorsams. Sie gehören zur Praxis von friedenspolitischen Bewegungen (Blockaden von Militärstützpunkten, militärisch genutzten Flughäfen etc), antifaschistischen Akteuren oder UmweltaktivistInnen (Blockade von Kohlekraftwerken, Atommülltrans­por­ten). Sitzblockaden bieten – schon wegen ihres wahrgenommen passiven Charakters – eine breit anschlussfähige Form des zivilen Ungehorsams. Sitzblockaden können dabei durchaus auch auf Ordnungs­hüterInnen eine hemmende Wirkung haben. Wer räumt schon gerne friedlich dasitzende Menschen?

Verfassungsrechtlich gilt eine Blockade als Versammlung nach Artikel 8 des Grundgesetzes. Natürlich können solche Versammlungen im Vorhinein oder während ihres Stattfindens verboten werden. Wer sich nichts desto trotz beteiligt, praktiziert zivilen Ungehorsam und begeht eine Ordnungswidrigkeit (Nichtentfernen von einer verbotenen Versammlung, § 29 Versammlungsgesetz).

Bis 1995 galten Sitzblockaden strafrechtlich als Nötigung nach § 240 StGb (d.h. einem anderen durch die Anwendung von Gewalt oder durch Drohung ein diesem widerstrebendes Verhalten aufzuzwingen), also als psychische Gewaltausübung. Das so genannte Sitzblockade-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes 1995 beendete diese Auslegung. Demnach können Sitzblockaden zwar psychisch gewaltvoll wirken, die Gewaltwirkung muss allerdings nicht im Kalkül der Blockierenden liegen. Die Ausweitung des Gewaltbegriffes auf psychische Wirkungsweisen sei ausufernd und nicht zulässig. Die reine physische Anwesenheit, beispielsweise das Sitzen vor einem Kasernentor, stellt in diesem Sinne noch keine Gewalt dar. Viele Verfahren wurden infolge des Urteils wieder aufgenommen und die Strafkosten zurückerstattet.

Der Bundesgerichtshof höhlte die Argumentation des Bundesverfassungsgerichtes im selben Jahr allerdings wieder aus. Wenn eine Sitzblockade zum Anhalten von Fahrzeugen führt, wäre demnach zwar nicht der oder die Fahrer des ersten Fahrzeugs Nötigungsopfer, allerdings die der nachfolgenden Fahrzeuge. Während auf den oder die FahrerIn des ersten Fahrzeuges nur psychische Gewalt wirke, seien die der folgenden körperlichem Zwang ausgesetzt.

Auch im Jahr 2001 beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht mit Blockaden. Laut Beschluss könnten Blockaden als Nötigung geahndet werden, wenn sie „über die durch ihre körperliche Anwesenheit verursachte psychische Einwirkung hinaus eine physische Barriere errichten“. Das bedeutet, dass eine Sitzblockade verbunden mit Anketten, Einhaken oder aktivem Widerstand gegen das Wegtragen als Nötigung entsprechend § 240 StGb betrachtet werden kann.

Das Blockieren von Naziaufmärschen hat nicht selten zum Erfolg geführt. Mal mit politischer Schirmherrschaft, mal durch die Wirkungsmacht vieler aktivierter Menschen konnten ganz konkrete Aufmärsche von Nazis auf diese Art und Weise verhindert werden. Auch die Gipfel politischer Eliten oder Atommülltransporte wurden schon des Öfteren wirksam gestört, wenn auch nicht verhindert. Blockaden können den kapitalistischen Normalbetrieb temporär beeinträchtigen. Sie sind darüber hinaus symbolische Demonstrationen von Gegenmacht. Durch ihre öffentliche Propagierung und flankierende Debatten um die Notwendigkeit von Regelver­letzungen, um zu einem bestimmten Ziel zu kommen, unterscheiden sie sich grundlegend von den typischen klandestinen Aktionen linker Kleinst­gruppen. Das ist ihre Stärke. Ihr subversiver Charakter kann allerdings durch die Nähe zur Staatsmacht unterhöhlt werden. Sowohl am 17.10. in Leipzig als auch bei entsprechenden Blockade-Aktionen gegen das Fest der Völker in Thüringen verhandelten die jeweiligen Bündnisse mit der Polizei. Hier müssen die Trennlinien scharf bleiben und der Charakter des Ungehorsams gewahrt werden.

Rote Hilfe Leipzig

angeführte Paragraphen:

Grundgesetz Artikel 8:

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Strafgesetzbuch 240. Nötigung

(1) Wer einen anderen rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, in besonders schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, bestraft.

Versammlungsgesetz 29

(1) Ordnungswidrig handelt, wer

1. an einer Versammlung oder einem Aufzug teilnimmt, deren Durchführung durch vollziehbares Verbot untersagt ist,

2. sich trotz Auflösung einer öffentlichen Versammlung oder eines Aufzuges durch die zuständige Behörde nicht unverzüglich entfernt,…

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 5 mit einer Geldbuße bis tausend Deutsche Mark … geahndet werden.

Wissenswerte rechtliche Infos für Blockierende:

Wie erwähnt sind Blockaden grundsätzlich durch das Grundgesetz – Artikel 5 Meinungsfreiheit und Artikel 8 Versammlungsfreiheit – gedeckt. Im Falle des Verbots kann die Polizei die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Beendigung der Versammlung androhen. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung polizeilicher Anordnungen sowie die möglicherweise zum Einsatz kommenden Zwangsmittel müssen von der Polizei genannt werden. Dies geschieht in der Regel durch Räumungsaufforderungen, die wie am 17.10.2009 in Leipzig geschehen, auch lautstärkebedingt überhört werden können.

Kommt es zur Räumung von Blockaden nimmt die Polizei erfahrungsgemäß keine Rücksicht auf Alter und Zustand der Sitz-Blockierenden. Jede und jeder, der/ die sich für die Blockade-Form entscheidet, sollte mit sich und der eigenen Bezugsgruppe abwägen, wie weit er/sie gehen möchte, ein Ausstieg aus der Blockade muss immer möglich sein. Der körperliche Zugriff durch die Polizei bedeutet eine nicht zu unterschätzende psychische Belastung. Der Räumung einer Blockade können Platzverweise und im äußersten Fall auch Ingewahrsamnahmen folgen.

TeilnehmerInnen einer Sitzblockade müssen mit einem Bußgeld von 25 bis 50 Euro rechnen. Es handelt sich, wie erwähnt, um eine Ordnungswidrigkeit, nicht aber um eine Straftat. Grundsätzlich sollten alle, die in irgendeiner Weise nach einer Aktion zivilen Ungehorsams mit Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeit oder mit Strafbefehlen wegen Nötigung überzogen werden, Widerspruch gegen jede dieser Maßnahmen einlegen. Unmittelbar nach der Aktion sollte unbedingt ein Gedächtnisprotokoll angefertigt werden, das Angaben über Zeit, Verlauf, ggf. Informationen zur Polizeieinheit (Dienstnummer, KFZ-Kennzeichen) und Zeugen enthält.

Empfehlenswert ist in jedem Fall, sich gemeinsam mit Bezugsgruppe oder anderen vertrauten Zusammenhängen über Eindrücke, Ängste und Erlebnisse auszutauschen, zum Einen zur Verarbeitung, zum Anderen, um Fehler oder auch Positives herauszuarbeiten und diese Erkenntnisse in die Vorbereitung kommender Aktionen einfließen zu lassen.

Für Rechtshilfe oder Unterstützung bei der Deckung von Kosten sollten Bündnisse oder Soli-Gruppen angesprochen werden. (Rote Hilfe: leipzig@rote-hilfe.de oder Ermittlungsausschuss: ea-leipzig@gmx.de)

www.leipzig-nimmt-platz.de

www.aktionsnetzwerk.de

kreativerstrassenprotest.twoday.net

„Alles zu ihrer Sicherheit“

Rezension: „Kontrollverluste – Interventionen gegen Überwachung“

Die Leipziger Kamera (1), eine Initiative die sich seit 2003 intensiv gegen Überwachung engagiert, hat pünktlich zur diesjährigen Buchmesse eine Aufsatzsammlung zu Alltag, Theorie und Praxis des Kampfes gegen Überwachung vorgestellt. Dafür hat die Gruppe eine ganze Reihe, zum Teil sehr unterschiedlicher Beiträge, aus verschiedenen Spektren zusammengetragen und präsentiert einen recht umfassenden Einblick in das weite Feld der Überwachung und ihrer Kritik.

Während das erste Kapitel „Was geht?“ einen eher theoretisch-analytischen Überblick über den gesellschaftlichen Kontext, die Entwicklung und die politische Bedeutung von Überwachung gibt, beschäftigen sich die folgenden Kapitel mit den Möglichkeiten und Grenzen der juristischen Mittel. So etwa mit der zunehmenden Repression unter dem Label §129a, der Situation von besonders durch Repression Betroffenen (wie z.B. Migrant/-innen, Arbeitnehmer/-innen und Jugendlichen) und schlussendlich mit möglichen Interventionen und den Erfahrungen, die verschiedene Gruppen mit ihren unterschiedlichen Aktionsformen gesammelt haben.

Die inhaltliche Klammer dieser 33 Beiträge – oder wie Wolf-Dieter Narr es in seinem Vorwort nennt: „33 kritische Bespic­kun­gen des verrotteten, in Private-Public-Partnership gegrillten Sicherheitsbratens“ – bildet die Frage nach Ursachen, Notwendigkeiten und Nutzen von Überwachung für einen flexiblen, post­fordistischen (2) Kapitalismus. Im ersten Kapitel wird speziell unter dem Gesichtspunkt der Erzeugung von Gouverne­mentalität (3) in einer scheinbar individualisierten, „freien“ Gesellschaft nach einer Antwort gesucht.

Im Kapitel „Was geht nicht?“ finden sich Auseinandersetzungen mit der „neuen bürgerrechtlichen Bewegung“ à la „AK Vorratsdatenspeicherung“, wobei der Frage nach Möglichkeiten, aber vor allem Grenzen juristischer Mittel gegen die neuen Sicherheitsgesetze nachgegangen wird. Hier bekommt der Band – wobei das Thema differenziert dargestellt wird und auch juristische Mittel nicht negiert werden – doch einen Geschmack fundamentaler Staatskritik, der, besonders in Zeiten auch linken Jubels für das Verfassungsgericht als schützende, gute und absolute Instanz, erholsam ist.

Im Kapitel „Sind wir alle 129a?“ kommen Aktivist/-innen zu Wort, die vom Verfahren um die so genannte Militante Gruppe (siehe auch FA! #27) betroffen sind. Sie berichten, wie die umfassende Überwachung ihr persönliches Leben beeinflusst und analysieren die Strategie des Bündnisses, das sich für die Einstellung des 129a-Verfahrens einsetzt. Auch Menschen, die sich schon intensiv mit diesem Thema beschäftigt haben, finden mit dem Bei­trag zu dem Verfahren gegen das „Critical Art Ensemble“ (4) noch ein paar neue Informationen über staatliche Repression gegen Systemkritiker/innen in Zeiten des Terrorwahns in den USA.

Weiter geht’s im Kapitel „Was noch?“ mit Berichten über spezifische Repression gegen Migrant/-innen und Flüchtlinge, gegen Arbeitnehmer/-innen sowie dem bisher recht wenig beachteten Bereich der Be­fugnisse und (fehlenden) Kontrolle der immer weiter in die Sicherheitsarchitektur in­tegrierten privaten und freiwilligen Sicherheitsdienste und deren Bedeutung für die Formung des öffentlichen Raums sowie über Zwangsbeschäftigte in Hartz-4-Programmen. Auch hier wird der Blick, durch einen Beitrag zu den so genannten „ASBOS“ (5) in Großbritannien, über den nationalstaatlichen Tellerrand gelenkt und man lernt, wie schnell bei unseren europäischen Nachbarn skurrile Ordnungswidrigkeiten zu Straftaten werden können.

Die letzten beiden Kapitel „Was sagen?“ und „Was tun?“ sind praxisorientiert und thematisieren die „Rhetorik und Realität von Überwachung“, die möglichen Konsequenzen daraus sowie die Praxis verschiedener überwachungskritischer Gruppen. Dabei reicht das Spektrum von Tipps zur Computer- und Kommunikationssicherheit bis hin zu Gruppen, die versuchen, im überwachten öffentlichen Raum zu intervenieren, wie die „Surveillance Camera Players“ (6) oder „LIGNA“ (7). Auch „gipfelsoli“ (8) liefert einen, nicht zuletzt in Hinblick auf den kommenden G8-Gipfel in Italien, praxisrelevanten Artikel zur europäischen Sicherheitsarchitektur.

Alles in allem ein lohnenswertes Buch, dem es gelingt das umfangreiche Feld der Überwachung und ihrer Kritik von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten, ohne dabei in das häufig inhaltsleere Gezeter über den „totalitären Überwachungs- und Sicher­heits­staat“ zu verfallen. Vielmehr schafft es der Band praxisnah zu bleiben ohne aber eine tiefere Analyse der sozialen Folgen, Bedingungen und Ursachen von Überwachung zu vernachlässigen.

Rote Hilfe OG Leipzig

Kontrollverluste – Interventionen gegen Überwachung, Leipzig Kamera (Hrsg.), Unrast Verlag, Münster, 2009 – ISBN 978-3-89771-491-5, S. 256 mit Abbildungen, 18 €

(1) leipzigerkamera.twoday.net

„Die „Leipziger Kamera. Initiative gegen Überwachung“ ist seit 2003 in der Stadt des bundesdeutschen Pilotprojektes zur Videoüberwachung öffentlicher Plätze aktiv. Zu ihren Projekten zählen überwachungskritische Stadtrundgänge, das Festival „DEL+CTRL“, die Veranstaltungsreihe „Salon Surveillance“ und Aktionen wie die Verleihung des „Erich Mielke Gedächtnispreises“ und das „Making-Trouble“-Wochenende zusammen mit den Space Hijackers aus London.“

(2) Postfordismus: seit den 1970ern dominierende Wirtschaftsform gekennzeichnet durch Flexibilisierung der Produktion, Entbürokratisierung der Verwaltung, Wegfall/Privatisierung staatlicher Sicherungssysteme, Individualisierung aller Bereiche der Lebensorganisation.

(3) Gouvernementalität meint hier einfach die Produktion normen-konformen Verhaltens durch Internalisierung (Anm. der Redaktion)

(4) critical-art.net, caedefensefund.org

(5) ASBO heißt „Anti-Social-Behavior-Order“. Das sind konkrete Verbote, die von Polizei und kommunalen Verwaltungen beantragt und von Gerichten ausgesprochen werden. Sie richten sich gegen „unangemessen“ empfundenes Verhalten, was allerdings keine Straftaten sein müssen. Verstöße gegen ASBOS sind jedoch Straftaten. „Oft werden Fotos der Beschuldigten (mit Namen und Adresse) sowie den Auflagen in Schaukästen, auf Plakaten an Bussen oder im Internet veröffentlicht.“

(6) notbored.org/the-scp.html

(7) www.ok-centrum.at/ausstellungen/open_house/ligna.html

(8) gipfelsoli.org, euro-police.noblogs.org

Stein auf Stein – sicher soll es sein

Das neue BundesKriminalAmt-Gesetz

Allein in den letzten sieben Jahren hat der Bundestag über 50 Gesetze ver­ab­schiedet, die tiefer in unser aller Leben ein­greifen, als es den meisten bewusst ist: Von der Registrierung der Konten- und Reise­bewegungen, über die Speicherung bio­metrischer Daten, bis zur Überwachung der Kommunikation durch die Vorratsdatenspeicherung, das staatliche Wissen über uns alle wird zunehmend umfassend. Der neueste Clou ist der „Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt“ (BKA-Gesetz) vom 17.6.2008, momentan in erster Lesung. Dieser Entwurf sieht diverse Änderungen des bisherigen BKA-Gesetzes vor, also des Gesetzes, das die Befugnisse des Bundeskriminalamtes bestimmt (1).

Terror? Sicher!

In der Geschichte der BRD gab es die verschiedensten Begründungen für die Verschärfung von Sicherheitsgesetzen: vom KPD-Verbot 1956 gegen Kom­mu­nist_in­nen über die Notstandsgesetze Ende der 60er Jahre gegen die Student_innen­bewegung, die zahllosen Maßnahmen im Kampf gegen die RAF, bis hin zur – dem zunehmenden gesellschaftlichen Rassismus entsprechenden – Figur der „Ausländerkriminalität“ in den 90er Jahren. Nun ist es der in seiner tatsächlichen Be­droh­lichkeit geradezu schwindelerregend über­höhte „internationale Terrorismus“, der als Erklärungsmuster herhalten muss. Diese politischen Begründungen scheinen be­liebig austauschbar, sind es aber letztlich nicht. Grund dafür ist, dass der Begriff des „Terrorismus“ noch diffuser und vager ist, als die bisher vorgebrachten Argumente für den Ausbau staatlicher Macht. Was ist Terrorismus? Die Antwort gibt die Exekutive: Entzündete Militärfahr­zeuge sind nicht mehr ein Sachschaden, sondern eine terroristische Attacke; die Fähigkeit eines Soziologen, soziologische Texte zu formulieren, stellte ihn unter Terror­verdacht. Ziviler Ungehorsam und sozialer Protest werden so je nach politischer Interessenslage als terroristische oder terrorähnliche Bedrohung inszeniert, diskreditiert und zunehmend kriminalisiert.

Unheimlich heimlich

Die Bedeutung der einzelnen Änderungen des BKA-Gesetzes wird letztlich erst dann richtig deutlich, wenn man sie vor dem Hintergrund der gesamten Sicher­heitsarchitektur betrachtet. Die erste Tendenz ist rein faktischer Art: Durch zunehmende technische Möglichkeiten kann der Staat weitgehend unbemerkt auch intime Daten erlangen. Wie das Bundesverfassungsgericht im Februar 2008 festgestellt hat, darf der Staat grundsätzlich auch mit Spionagesoftware in privaten Festplatten forschen („Online-Durchsuchung“). Nach dem BKA-Gesetz soll Artikel 13 des Grundgesetzes, in dem die Unverletzlichkeit der Wohnung verbrieft ist, bald noch weiter eingeschränkt werden, so dass in Wohnungen auch mit versteckten Kameras geforscht werden darf („Großer Spähangriff“). Zwar waren auch früher schon Hausdurchsuchungen bittere Erfahrung nicht nur mancher G8-Kritiker_innen, aber die nun vorgesehenen Maßnahmen beinhalten eine neue Heimlichkeit – anders als die „klassische“ Durchsuchung bekommt man sie schlicht nicht mit.

Leere Lehren aus der Geschichte

Die zweite Tendenz wurde noch nie so deutlich wie durch das BKA-Gesetz: Die unterschiedlichen Sicherheitsinstitutionen in der Bundesrepublik werden konzentriert und zwar gleich doppelt. Einerseits werden Kompetenzen von den Ländern auf den Bund übertragen und machtbegrenzende föderalistische Strukturen somit aufgegeben. So darf das BKA laut Entwurf von sich aus Ermittlungen beginnen, wenn Verdächtige in verschiedenen Bundesländern wohnhaft sind. Damit werden die Landespolizeien umgangen. Bisher musste das BKA von der Bundes­anwaltschaft oder einer Landespolizei beauftragt werden.

Andererseits wird eine funktionale Kooperation forciert, indem die verschiedenen Sicherheitsorgane nicht mehr nur Daten austauschen, sondern zunehmend auch ihre Aufgabentrennung verwischt wird. Es ist eine der Lehren aus dem deutschen Faschismus, dass Polizei und Geheimdienst getrennt zu arbeiten haben. Zwischen 1936 und 1939 wurden unter Himmler die Gestapo und die Kriminalpolizei zur Sicherheitspolizei zusammengeschlossen. 1939 folgte der Zusammenschluss der Sicherheitspolizei mit dem Sicherheitsdienst der SS zum Reichssicherheitshauptamt, das das Hauptamt der SS war. Die Gestapo arbeitete als Inlands- und Auslandsgeheimdienst, der nicht nur überwachte, sondern auch polizeilich verfolgte, folterte, Verhaftungen und Exekutionen vornahm. Um eine solche Machtballung mit all ihren Risiken zu verhindern, legten die Militärgouver­neure der Westalliierten 1949 im so genannten Polizeibrief das Trennungsgebot fest, das heute in Art. 87 Grundgesetz und § 8 Bundesverfassungsschutzgesetz verbrieft ist. Die Idee dahinter ist folgende:

Die Institution, die vieles kann, soll nicht alles wissen, und die Institution, die alles wissen kann, soll nicht alles können dürfen. Deswegen dürfen nur Polizeibe­hörden Straftaten verfolgen. Sie benötigen für ihre Ermittlungen einen konkreten Verdacht einer konkreten Straftat gegen eine konkrete Person. Geheimdienste hingegen besitzen keine polizeilichen Handlungs- und Vollzugsbefugnisse. Stattdessen konzentrieren sie sich auf das Sammeln und Auswerten von Informationen. Dafür sind sie bei ihren Ermittlungen aber nicht an einen konkreten Tatverdacht gebunden, schließlich ist der Sinn ihrer Tätigkeit das Schnüffeln und Anhäufen von Daten in alle Richtungen. Mit schöner Regelmäßigkeit vermerkt der Gesetzgeber in seinen Ausführungen, dass dieses Trennungsgebot gewahrt worden sei. Und mit ebensolcher Regelmäßigkeit kann davon keine Rede sein: Die Trennung von Polizei und Geheimdienst steht schon seit Jahren zur Disposition. Spätestens mit der Verabschiedung des „Gesetzes zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder“ im Jahr 2006 wurde das Trennungsgebot faktisch aufgehoben. In der alltäglichen Praxis arbeiten Polizei, Geheimdienst, Militär und diverse Behörden bereits seit einigen Jahren in verschiedenen Zentren, wie dem „Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum“ (GTAZ) oder dem „Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration“ (GASiM) Hand in Hand. Das BKA ist eine Polizei. Mit dem neuen BKA-Gesetz werden der Polizeibehörde jedoch neben polizeilichen auch geheimdienstliche Befugnisse zugestanden. Sie soll demnächst auch im Bereich der Vorfeldermittlung aktiv werden, also ohne jeden konkreten Verdacht ermitteln dürfen. Das bedeutet, dass die Polizei nun nicht nur mit dem Geheimdienst faktisch kooperiert, sondern selbst und ganz offiziell mit nachrichtendienstlichen Ermächtigungen ausgestattet wird. Von der Überzeugung bei Verabschiedung des Grundgesetzes, dass staatliches Eingreifen nie wieder geheim sein soll, ist im Jahr 2008 nicht mehr viel übrig geblieben. Das Resultat: Noch nie seit Bestehen des Grundgesetzes waren staatliche Machtbefugnisse so weit reichend, so zentralisiert – und dabei so unkontrollierbar.

Politische Trüffelschweine

Die dritte Tendenz ist eine Aushöhlung der rechtlichen Grenzen, die dieser Macht­fülle entgegenstehen könnten. Am deutlichsten wurde dies bislang am schärf­sten Schwert des Staates, dem Strafrecht. Die mit dem Strafrecht verbundenen Eingriffe sind so einschneidend, dass ur­sprüng­lich grundsätzlich eine begangene Straftat Voraussetzung dafür war, dass der Staat sich dieser Waffe bedienen durfte. Die­se Schwelle unterläuft bereits der stetige Ausbau des Präventionsstrafrechts seit den 70er Jahren: Mittels der §§ 129, 129a und b Strafgesetzbuch (StGB), die die „Bil­dung einer kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung“ unter Strafe stellen, wer­den extrem weit reichende Eingriffe des Staates unter extrem unklaren Voraussetzungen möglich – das Schutzgut und die Voraussetzungen der Normen sind schlicht so vage, dass bei der Konkre­ti­sie­rung im Einzelfall der Willkür Tür und Tor geöffnet ist. (2) Eine konkrete Tat muss der verdächtigten Person jedenfalls nicht vorgeworfen werden.

Dennoch kommt es fast nie zur Anklage: In den neunziger Jahren standen Ermitt­lun­gen gegen 1.362 Personen lediglich 38 Verurteilungen gegenüber. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich: Die §§ 129, 129a, b – und vielleicht bald wie geplant c und d – sind die politischen Trüffel­schwei­ne des StGB. Diese Paragraphen sind darauf ausgelegt, weit reichende Er­mitt­lungsbefugnisse zu ermöglichen, die nach den Polizeigesetzen so nicht möglich wären, und werden in der Praxis genau so verwandt. Diese Tendenz wird durch das BKA-Gesetz noch vertieft und perfektioniert. Für eine Anwendung der §§ 129 ff be­darf es zumindest (sic!) noch irgendwel­cher bereits begangener Straftaten einer ver­meintlich bestehenden Organisation. Das BKA-Gesetz hingegen erlaubt ähnlich ausufernde Ermittlungen selbst ohne das Erfordernis jeglicher konkreten Straftat. Die Logik die­ses Gesetzes beruht vielmehr darauf, dass es für einen Eingriff bereits ausreichen soll, wenn nach Ansicht des BKA die Gefahr bestehe, dass irgendeine imaginäre Gruppe in Zukunft Straftaten des inter­na­tionalen Terrorismus begehen könnte und die von dem Eingriff betroffene Person vielleicht irgendwie mit einer Person Kontakt hat, die in Zukunft vielleicht planen könnte, derartige Straftaten zu begehen – ein Konjunktiv jagt den nächsten.

So wird jetzt in Gesetz gegossen, was seit Jahren von der Polizei bereits praktiziert wird, zuletzt bei den § 129a-Verfahren im Zu­ge des G8-Gipfels zur Anwendung kam und von einem Ermittler bei den auf § 129a StGB gestützten Hausdurchsuchungen in bemerkenswerter Of­fenheit kommentiert wurde: “Wir haben in den Busch geschossen, nun sehen wir weiter, was und wer sich dort bewegt.” (3) […]

Keine Angst

Wir erleben im Resultat den Ausbau einer „Sicherheitspolitik“, deren „Sicherheit“ nicht die unsere ist. Denn „Sicherheit“ im Sinne der europäischen Staatengemeinde meint eben nicht nur die Sicherheit vor der Bedrohung etwa eines Anschlags wie in Madrid 2004 oder London 2005. „Sicherheit“ in ihrem Sinne bedeutet eine Festung Europa, die das Menschenrecht auf Asyl mit Füßen tritt und täglich Menschenleben fordert, „Sicherheit“ in ihrem Sinne bedeutet in anderen Ländern Krieg zu führen, um geopolitische Interessen durchzusetzen und das globale Nord-Süd-Gefälle aufrecht zu erhalten und ihre „Sicherheit” bedeutet, die so genannte Wohlstandsschere ungehemmt weiter öffnen zu können, die Verarmung großer Teile der Bevölkerung voranzutreiben und Spaltung und Konkurrenzdenken zu schüren. Kurz: die „Sicherheit der Herrschenden“, ihr dickes Stück vom Kuchen nicht mit jenen teilen zu müssen, für die in den herrschenden Verhältnissen eben nicht so viel vorgesehen ist – und sich zu schützen vor Bewegungen, die hieran etwas ändern wollen.

(Rote Hilfe e.V. – Ortsgruppe Hamburg)
hamburg@rote-hilfe.de

 

(1) Der Entwurf ist unter dip21. bundestag.de/dip21/btd/16/095/1609588.pdf abrufbar, das bisherige BKA-Gesetz unter www.gesetze-iminternet.de/bkag_1997

(2) Eine aufschlussreiche Beschreibung der Lebensrealität eines nach § 129a Observierten findet sich unter:

www.zeit.de/online/2007/44/Militante-Gruppe-Ueberwachung?from=24hNL

(3) Vgl. www.welt.de/politik/deutschland/article868812/Wie_militant_sind_die_Gipfel-Gegner.html

Extrem_________Silvester

Der Silvesterfeier am Connewitzer Kreuz im Süden wird jedes Jahr mit Spannung ent­­gegengesehen. Ein Grund ist der Ort selbst – als eine Art „melting point“ in dem als links-alternativ geltenden, dorf­ähn­lichen Stadt­teil Connewitz. Bunt- und Ver­trautheit zei­gen sich auch in den feucht-fröh­lichen Sil­vester-Nächten. Ein zweiter Grund ist die „La­geeinschätzung“ der Staatsmacht, die dort ein besonderes „linksautonomes“ Ge­fähr­dungspotential aus­macht und den Platz da­rum seit 1999 per Kamera überwacht. Auch wenn dies die traditionellen Schnee­ball­­schlachten oder politischen Spontanzu­sam­­menkünfte bis­her weder ver­­­­­­hin­dert, noch ein­­ge­schüch­­tert hat, bleibt das Con­ne­­­witzer Kreuz ein „neu­­ral­gischer Punkt“. Nach­­dem es in den letz­ten Jah­ren eher ru­hig zu­ging, kam es zum Jahres­wechsel 2007/2008 zu hef­tigen Aus­ein­an­der­setz­un­gen zwi­schen Po­li­zei und zu­meist jungen Leu­­­ten. Ver­letzte gab es auf beiden Sei­ten – darunter viele Un­be­teiligte, die Be­kannt­schaft mit Schlag­stöcken und Pfef­ferspray ma­chen muss­ten. 35 Men­schen wurden fest­ge­nom­men. Im April schickte die Po­li­zei­­direk­tion Leipzig kon­zertiert Vor­la­dun­gen an ver­meintliche „Ran­­dalie­rer“. Der Vor­­wurf lautet zu­meist Land­frie­dens­­­bruch. Der Hin­weis, dass po­­li­­zei­­lichen Vor­­ladungen nicht Fol­­ge ge­leistet werden muss, gilt auch hier. Den Be­trof­fe­nen sollte zu­dem be­wusst sein, dass in die­sem Fall be­son­dere Sorgfalt an­gebracht ist.

Schaut man sich nämlich die po­li­tischen De­batten an, die derzeit in Leipzig geführt werden, ahnt man schnell, dass hier ein Exem­pel statuiert werden soll. So ist ein besonders vehemen­tes Vorgehen der Er­mittlungsorgane zu er­warten, verknüpft mit einer po­litischen Aufladung des eigentlich un­politischen Sachverhaltes.

Bereits einen Tag nach Neujahr liefen sich in der Lokalpresse sozialdemokratische, kon­­­servative und rechte Kommunal­po­li­ti­ker warm: Ein härteres Vorgehen gegen die Connnewitzer Szene, die Revision der wohl­wollenden städtischen Politik gegen­über alternativen Kultur- und Wohnpro­jek­­ten im Stadtteil und sogar die Verschär­fung des Strafrechtes wurden gefordert. DSU-Stadtrat Obser, der derzeit mit Re­pu­blikanern und ehe­maligen NPD-Ab­ge­or­­dneten an einem Wahl-„Bündnis für Sach­­sen“ bastelt (1), schwadronierte mit Blick auf die „Ran­dalierer“ vom „gewalt­be­­­reiten Wurm­fortsatz“ der Linkspartei.

Die Krönung stellte das kurz darauf von der Leipziger Volkszeitung geführte In­ter­view mit dem so genannten „Ex­tre­mis­mus­forscher“ Eckard Jesse dar. Da wur­den die Silvesterauseinandersetzungen un­miss­­verständlich einem imaginären links­ra­dikalen „schwarzen Block“ zu­ge­schrie­ben. Lokaljournalist Döring und Jesse sti­li­sierten die „Linksextremisten“ zum von der Politik vernachlässigten Ge­fah­ren­potential für die demokratische Mit­te hoch und sprachen der politischen Lin­ken ihre Verdienste im Kampf gegen Na­zis ab (schließlich bräuchten sie „Geg­ner wie etwa Rechtsextremisten, um sich zu pro­filieren“). „Konsequenteres Durch­grei­fen gegen Gewaltbereite, Schnellver­fahren und härtere Gesetze“ – so sah das Er­gebnis der Möchtegern-Politikberatung des Herrn Jesse aus. Erst nachdem die öffentli­che Meinung auf­geheizt war, druck­te die Lo­­kalpresse kritische Stimmen zum Po­li­zeieinsatz und präsentierte von Polizeige­walt Betroffene, die das zuvor eta­blierte Bild störten.

Doch dies war erst der Auftakt der De­nun­ziations-Kampagne gegen links. Im Zu­­ge der Debatte um den so genannten „Dis­­­kokrieg“ (2) richtete der sächsische In­nenminister Albrecht Buttolo ein Schrei­ben an den Leipziger Ober­bür­ger­meis­ter, in dem er die unzureichende Ge­währ­leis­tung der öffentlichen Sicher­heit durch die städtischen Ver­ant­wor­tungsträ­ger anpran­ger­te. Der CDU-Minister sah die Ursache für die auf­ge­heizte Stimmung in der Stadt aber nicht etwa in den Konflikten zwi­schen or­ga­ni­sierten krimi­nel­len Netz­werken, sondern in der „un­zu­reichenden räumlichen und inhaltli­chen Distanzie­rung bestimmter politi­scher Kräfte in der Stadt von extremis­tischen Gewalttaten.“ Seine Hauptthese war, dass „die Gewaltex­zesse beispielsweise der links­ex­tremis­tischen Szene anlässlich rechts­extremis­ti­scher Demonstrationen in engem Zu­sam­men­hang mit der Untätig­keit der Stadt­ver­waltung hin­sicht­lich der Stützpunkte links­ex­tremistischer Gewalt­täter in Con­ne­witz“ stehen.

Ausflug in die Extremismustheorie

Diese Argumentation nimmt die frag­wür­di­­ge Extremismustheorie auf. Nicht Nazis, die gewaltsam ein völkisches, autoritäres Re­­­gime er­richten wollen, gelten als Haupt­­­problem für die Ge­sellschaft und die Unversehrtheit ihrer Mitglieder, son­dern linker Anti­fa­schis­mus, der sich aktiv ge­­­gen diese men­schenverachtenden Ein­stel­lungen und Handlungen richtet.

Die inhaltliche Analyse geht der Ex­tre­mis­mus­theorie ab, und genau das ist das Pro­­blem. Sie ist eine Art zeit­ge­nössische Va­­rian­te der Totalitaris­mus­theorie und kon­­zen­triert sich auf die Be­trach­­tung von Be­wegungen und Par­teien, die „in Oppo­si­­tion zum li­beralen Verfas­sungsstaat“ ste­hen. Genau wie der Tota­litarismus­theorie geht es dem Ex­tre­mismusansatz um den Ver­gleich von Struk­­­turmerkmalen ih­rer Be­­trach­tungs­objek­te/ -sub­jekte, et­wa in Be­zug auf die Mittel zur Durch­setzung der je­weiligen politischen Inhalte.

Aus sozialwissenschaftlicher Pers­pektive wird dieser Ansatz mehr­heitlich abgelehnt, er be­hindere neue wissenschaftliche Er­kennt­nisse sogar. „Dass es sich beim Ex­tre­mis­­mus um Demokra­tie­feindschaft, Ge­walt­­bereitschaft, Rep­ression, Dog­matis­mus etc. handelt, kann nicht einmal als Er­­gebnis der Extremis­musforschung aus­ge­geben werden, denn dabei handelt es sich bereits um ihre Voraussetzung“ (Dr. Gero Neugebauer, Otto-Suhr-Institut für Po­­litikwissen­schaft) (3). Die Ex­tremis­mus­theorie geht von einer „normalen“, ver­fassungstreuen Mitte der Gesellschaft aus. Links und rechts von dieser liegen die be­droh­lichen „extremistischen“ Ränder. Die­­ses Modell ist fragwürdig: Ver­schie­de­ne empirische Studien über chau­vinis­ti­sche, rassistische, antidemokratische Ein­stel­lungen in der Bevölkerung be­weisen, dass eine „lupen­reine“ Mitte, die sich an der Men­schenwürde (Art. 1 GG) oder am no­­minellen Prinzip der De­mo­kratie orien­tiert, nicht existiert. Viele befürwor­ten die Ein­führung einer Dik­tatur oder sind von chau­vinistischen Denkweisen der­art er­füllt, dass sie lauthals nach här­teren Sank­tionen gegen Men­schen nicht-deutscher Her­kunft oder sozial Benachtei­lig­te schrei­en (vgl. Brähler/ Decker 2006 „Vom Rand zur Mitte“, Heitmeyer 2007 „Deut­sche Zu­stände. Folge 6“). Und auch poli­tische Re­präsen­tanten der so genann­ten Mitte fal­len durch anti­semitische oder rassis­ti­sche Äußerungen auf.

Die Verfassung als Orien­tierungspunkt der „Mit­te“ ist zudem selbst politisch um­kämpft. Wie ver­äußerlich ver­­­briefte Grund­­­­rechte sind, zeigt die faktische Ab­schaf­­fung des Grund­­­­rech­tes auf Asyl im Jahr 1993 eben­so wie die der­zeit von In­nen­­mi­ni­ster Schäuble re­gel­mäßig einge­brach­­­ten Vorschläge für Ver­fassungs­än­de­run­gen, um so z.B. Bundes­wehr­einsätze im Inneren oder Online-Durch­suchungen zu ermöglichen.

Die Extremismustheorie kann also nur als in­­teressengeleitetes Kampfinstrument be­zeich­net werden. Die politische Linke und Rech­­te werden gleichgesetzt und damit die grund­­legenden inhaltlichen Differenzen zwi­­schen ihnen ausgeblendet. Jede Kritik am Status quo führt zum Vorwurf des „Extremismus“.

Ob­wohl sie in wissenschaftlichen Kreisen mehr­­­heitlich zurückgewiesen wird, dient die Extremismustheorie besonders in Sach­­­sen als Grundlage von Meinungs­bil­dung und praktischer Politik. Sogar ein ei­­­genes Institut – das Hannah-Arendt-Ins­ti­­tut für Totalitarismusforschung – leistet sich der Freistaat, und mit Eckart Jesse, der als Professor für Politische Systeme und Politische Institutionen an der TU Chem­nitz lehrt, einen wissen­schaftlichen Stich­­wortgeber. Dass Jesse einen Privat­krieg gegen die gesamte politische Linke führt, zeigt die politische Funktion der Ex­tre­­mismustheorie und fügt sich gut in die Stra­­tegie der kon­servativen Staatsregie­rung ein. Der Politikwissenschaftler selbst pflegt enge Kontakte zur Neuen Rechten und tritt als Autor und Herausgeber einschlägiger Publikationen für einen Schluss­strich unter die Aufarbeitung des Na­tional­sozialismus und für das Heraus­tre­ten aus dem „Schatten der Ver­gangen­heit“ (4) ein. Dieser Hang zum Ge­schichts­­re­vi­­­sio­nis­mus, sein Plädoyer für einen „po­si­tiven Nationalismus“ und auch sein La­men­tieren über die „vielfach privilegier­te jü­di­sche Position in der Bundesrepu­blik“ (5) hinderten das Bundes­ver­fassungs­gericht seinerzeit nicht daran, ihn als Gut­achter im NPD-Verbotsverfahren zu bestellen.

Zurück nach Leipzig

Der Tonfall, den die politischen und wis­sen­­schaftlichen Eliten in Sachsen anschla­gen, macht klar: Hier wird mit tatkräftiger Un­terstützung der Presse die gesellschaft­li­che Diskreditierung der politischen Lin­ken, linker Kultur und besonders von An­ti­faschistInnen, denen es nicht reicht, Zi­vilcourage nur zu fordern, vorangetrie­ben. Da­mit geht automatisch die Bagatel­li­sie­rung der sich aktivierenden Naziszene in Leip­zig und den ländlichen Regionen Sachsens einher.

Der Meinungsmainstream folgt dieser Gleich­­macherei. So ru­fen Schlagzeilen wie die der Leip­ziger Volkszeitung nach ei­nem Auf­­marsch der „Freien Kräf­te“ in Leipzig-Grünau im Ap­ril, „Trotz Neo­nazi-Demo und Antifa-Protest gestern Abend keine ernst­­haften Zwi­schen­­fälle“, kaum Wider­spruch hervor. Dass Anti­fa­schistInnen durch das Platten­bauviertel getrieben, mit be­­rittener Polizei bedroht und poli­zei­li­chen Will­kür­maßnahmen ausgesetzt wur­den, während Nazis in Ruhe mar­schieren kon­­n­ten, liegt in der Logik des bür­ger­lichen Rechts­staates und scheint bei der „Zi­­vil­ge­sell­schaft“, die derzeit durch Ak­tions­programme hochgepäppelt wird, nicht sonderlich auf Interesse zu stoßen.

Ob das Ziel des Anti-Extremismus-Kamp­fes allein im Aufheizen der Mehr­heits­mei­nung besteht, ob es sich um par­teipoli­ti­sche Ränkespiele handelt oder ob ein kon­zertierter Schlag gegen linke Pro­jekte zu er­warten ist, ist nicht aus­zu­machen. An­gesichts der Art, wie eine un­politische, aus den Fugen geratene Sil­vesterparty am Conne­witzer Kreuz auf­gebauscht wird, kann allerdings zu Recht von einer po­litischen Kampagne gegen die lin­ke Szene in Leipzig ge­sprochen werden. Als der Leip­ziger Polizeichef Rolf Müller im April 2008 überraschend zurücktrat, wur­de auch auf die Kritik an seiner „De­eska­la­tions­strategie“ bei „Krawallen ge­walt­berei­ter Autonomer, wie zum Jahres­wech­sel am Connewitzer Kreuz“ verwie­sen. Wenn das Vor­gehen von Polizei und Er­­mittlungs­be­hörden als deeskalativ be­zeich­net wird, mag man sich lieber nicht aus­malen, zu wel­chen Mitteln sein Nach­folger Horst Wawrzynski greifen wird. Der säch­sische In­nenminister jedenfalls kün­dig­te bereits ein härteres Vorgehen an.

In diesem Sinne: Lasst euch nicht aus der Fas­sung bringen. Silvester feiern ist kein Ver­brechen. Und vor allem sind „linke, antifaschistische Politik und Kultur […] nicht „extremistisch“, sondern extrem wich­tig!“. (6)

(Rote Hilfe Leipzig)

(1) Der ehemalige NPD-Landtagsabgeordnete Klaus Baier trat mittlerweile der DSU (Deut­sche Soziale Union) bei, während Mirko Schmidt, der im Dezember 2005 als erster die NPD-Landtagsfraktion ver­ließ, mit der „Sächsischen Volkspartei“ recht er­folglos sein Glück versucht und ebenfalls beim „Bündnis für Sachsen“ mitmischt. Dies gilt auch für den Ex-NPD-Fraktionär Jürgen Schön – inzwischen im Schlepptau mit der Kleinst­partei FPD (Freiheitliche Partei Deutsch­lands).

(2) Bei dem auch als „Türsteherstreit“ be­zeichneten Kleinkrieg im Leipziger Sicher­heits­dienst- und Discotheken­milieu war es im März zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Tür­stehern, Polizei und Jugendlichen gekom­men, bei denen ein Mensch zu Tode kam.

(3) Gero Neugebauer: „Extremismus – Rechts­ex­tremismus – Linksextremismus. Einige An­merkungen zu Begriffen, For­schungs­konzep­ten, Forschungsfragen und Forschungs­er­gebnissen“ in: Schubarth/ Stöss (Hrsg.), Rechts­ex­tre­mis­mus in der Bundesrepublik Deutsch­land. Eine Bilanz, Bonn 2000, S. 21f.

(4) Titel eines von Jesse gemeinsam mit Rainer Zitelmann und Uwe Backes herausgegebenen Sammel­bandes, der „Impulse zur Histori­sie­rung des Natio­nalsozialismus“ geben will, Eckhard Jesse, Uwe Backes, Rainer Zitelmann (Hrsg.): „Die Schatten der Ver­gangenheit : Impulse zur Histori­sierung des National­sozialismus“, Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin 1992.

(5) Eckart Jesse: „Philosemitismus, Anti­semitismus und Anti-Antisemitismus“ in: „Die Schatten der Vergangenheit : Impulse zur Historisierung des Nationalsozialismus“.

(6) So lautete das Motto des Offenen Briefes der aus Anlass auf die be­schrie­benen Vorgänge gegründeten „Initiative gegen jeden Extremis­mus­begriff“ (www.inex.blogsport.de).