Tatort München – Die Sicherheitskonferenz

Und wieder eine Stadt im Ausnahmezustand, diesmal ist es München. Kriegsstrategen und Rüstungslobbyisten aller führenden Nationen treffen sich im „Hotel Bayrischer Hof“, um globale Militäreinsätze der nächsten Jahre zu planen und die laufenden irgendwie aus dem Guerilla-Schlamassel zu bringen.

Mehr als genug Gründe also für ein breites Bündnis kriegskritischer Menschen – von Friedensgruppen bis Autonomen – eine internationale Mobilisierung zu starten. Erklärtes Ziel ist die Verhinderung der Konferenz.

Problematisch erweist sich das Vorhaben wie üblich durch die nationale Mobilisierung von Bereitschaftspolizei und Sondereinsatzkommandos. Über 4000 Uniformierte sind angereist um die Sicherheit der Sicherheitsexperten zu gewährleisten. Und so füllen sich die Münchner Gefängnisse bereits am Freitag durch den interessanten Grundsatz der Polizei, ein „freies Vagabundieren potentieller Gewalttäter“ müsse „präventiv verhindert“ werden. Verdächtig aussehende Personen werden also schon vorher festgesetzt, zum Beispiel beim Einkaufen. Um 16 Uhr beginnen die Kundgebungen rund ums Tagungsgelände, allesamt schwer bewacht, praktisch eingekesselt. Einige Entschlossene versuchen trotzdem, Straßen zu blockieren, was von der Polizei als Eskalation bewertet wird. Willkürliche Festnahmen provozieren Gegenwehr und weitere Zugriffe. Besonders Zivilbeamte tun sich durch Hooliganverhalten hervor – viele DemonstrantInnen gehen durch Knüppelschläge zu Boden, werden zusammengetreten und finden sich mit einer Anzeige in der Sammelzelle wieder. „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ und „Eingriff in den Straßenverkehr“ sind von Münchens Polizeichef einfach als „Straftat“ definiert worden. Resultat ist ein Wochenende Knast. Insgesamt werden 266 Leute arrettiert. Bei ihrer Suche nach Rädelsführern hat die Obrigkeit den IMi*-Aktivisten Tobias Pflüger ausgemacht. Der Tübinger wird nach einer Kundgebung angegriffen und am Genick verletzt.

Zweite Runde: Samstag, Großdemonstration. Etwa 10.000 Menschen ziehen mit guter Stimmung durch die Stadt. Es ist laut, die Musik fetzig und es bleibt die Frage offen, ob mehr „Hoch-die-Inter-“ oder „Antinationale“ gebrüllt wird. Die Polizei lässt von Anfang an keinen Zweifel zu, wer das Gewaltmonopol innehat. Mit absurden Auflagen wie „Fahnen müssen parallel zum Zug getragen werden“ und der Forderung nach einer „Teilnehmerliste“ macht sie sich allerdings eher lächerlich, was von den VeranstalterInnen auch so formuliert wird.

Gegen die Übermacht in Grün-Weiß ist allerdings von vornherein nichts auszurichten und so ziehen viele „potentielle Gewalttäter“ in die Fußgängerzone. Auf dem Marienplatz eskaliert die Lage durch eine radikale Polonaise: „Hüpfen für den Frieden.“ Beim Zugriff der Polizei ist der Tumult schon lustiger und unkontrollierter. Auch PassantInnen missfällt denn auch die offen zuschlagende Obrigkeit, viele solidarisieren sich verbal mit den Protesten. Gegen Abend ist es dann wieder ruhig in München. Abgesehen von einigen Schaufensterscheiben erholen sich alle Beteiligten.

soja

* IMi = Informationsstelle Militarisierung

Deutsche Interessen werden auch am Hindukusch verteidigt.“ Struck

Wenn es einen Konsens der Veranstaltung gibt, dann den, dass weiter angegriffen werden muss. Ohne dauernde militärische Interventionen sind Renditen immer weniger zu haben. Besonders in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation gilt: Krieg ist Geld. Und auf Geld kommt es schließlich an. Wo die nächsten Bomben fallen und wer wie an welchem Konflikt verdient, darum geht es in München.

Was das Weltwirtschaftsforum in Davos für die Spitzenvertreter der internationalen Wirtschaft ist, ist die Sicherheitskonferenz (…) für die Repräsentanten der strategischen Gemeinschaft.“

Horst Teltschik, Organisator

Eine Konferenz, die sich mit den Attributen „Frieden“ und „Sicherheit“ schmückt und bei der gleichzeitig eine klare Kontinuität zum altdeutschen Militarismus besteht. Wurde sie doch 1962 von ehemaligen Nazi-Generälen zusammen mit den NATO-Staaten als „Wehrkundetagung“ ins Leben gerufen. Von Anfang an ging es um strategische Aufrüstung und die Verankerung des Militärs in den westlichen Gesellschaften. Nur einige der dort diskutierten und beschlossenen Themen sind etwa die Neutronenbombe, die „Nachrüstung“, der atomare Erstschlag und, als aktuellste Erfindung, der Präventivkrieg. Ebenso zeitgemäß präsentieren sich auch die Organisatoren: Seit 1998 ist es die Quandt-Stiftung von BMW, einem direkt in Kriege involviertem Rüstungskonzern, die die Konferenz des weltweiten Durchgriffs moderiert. Überall sollen Ordnung, Frieden und vor allem Sicherheit herrschen. Vielen Dank.

Antimilitarismus

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