Unter dem Deckmantel des Friedens

Das Doppeljubiläum zu Völkerschlacht und Denkmal

„Der Oktober 2013 steht in Leipzig und der Region ganz im Zeichen des Gedenkens, Feierns und Erlebens.“ (1) Ein sogenanntes Doppeljubiläum. 200 Jahre Völkerschlacht. 100 Jahre Völkerschlachtdenkmal. Die Frage, was es denn in diesem Kontext genau zu feiern gäbe, beantwortet der Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums und Leiter der Organisation des Doppeljubiläums, Dr. Volker Rodekamp, unterschiedlich. Bei einem Gesprächsabend in der evangelischen Thomasgemeinde sagte er: „Da gibt es eigentlich gar nichts zu feiern, aber es gibt viel zu erinnern, was uns nachdenklich stimmen sollte“ (2). Auf dem offiziellen Jubiläums-Internetauftritt spricht er dann aber doch wieder vom Anspruch, „ein großes europäisches Fest zu feiern“ (3).

Also feiern ja, aber doch auch Gedenken, Krieg ja, aber doch auch Versöhnung und Frieden, deutscher Nationalismus ja, aber doch auch europäische Geschichte. Wie das zusammengeht, bleibt unklar. Wie genau spannt man denn den Bogen von der bis dahin größten kriegerischen Auseinandersetzung mit 110.000 Toten in vier Tagen im Jahr 1813 über das Völkerschlachtdenkmal als „volkserzieherisches“ Nationaldenkmal zur Einschwörung auf die „vorbehaltlose Unterstützung deutscher Weltmachtpolitik“ (4) im Vorjahr des Ersten Weltkriegs 1913 zum Doppeljubiläum 2013 mit dem Motto „1813-1913-2013: Eine europäische Geschichte“?

Was sofort ins Auge sticht, ist das markentaugliche Branding, welches dem Völkerschlachtdenkmal widerfahren ist. Bunte Farben, klare Formen. Auch zum Ausmalen für Kinder, „wenn die Sonne mal nicht scheint“ – der „Kreativität freien Lauf lassen“(5). Das Denkmal wird zum „Völki“, zum Touristenmagnet Leipzigs. Mehr als 5.000 Besucher haben sich aus der ganzen Welt angemeldet, um die Völkerschlacht nachzustellen. Reenactment – um Geschichte erlebbar zu machen. Aber warum Kriege erlebbar machen? Um das Ausmaß von Kriegen zu zeigen, muss man nur täglich Nachrichten lesen oder schauen. Um den Opfern von 1813 zu gedenken, muss man nicht deren Todesumstände nachstellen. Um Freundschaften zu schließen, muss man nicht mit Uniform und Waffen aufeinander losgehen.

Das Kriegs-Reenactment als „Völkerverständigung“ zu definieren, ist ebenso verzerrend, wie das Völkerschlachtdenkmal als „Mahnmal des Friedens“ zu deuten oder das Doppeljubiläum als „Friedensfeuer 2013“ zu bezeichnen. Das meinen wohl im Grunde auch die Veranstalter. Im offiziellen Rahmenprogramm ist jedenfalls wenig zum Thema Frieden zu finden. Waffen, Steine, Helden, Gefechtsorte und Kriegsalltag stehen eindeutig im Vordergrund. Es gibt die Friedensgebete der Kirchen, europäische Friedensmusik, die Friedensbäume an Orten der Erinnerung zur Völkerschlacht und die Gedenkmedaille aus dem originalen Waffenschrott der Völkerschlacht. Diese mahnt uns zu „Frieden und Freiheit“, geziert mit dem Schriftzug: „Aus Eisen des Schlachtfeldes von Leipzig – das rechteckige Liebhaberstück”(6).

Friedens- und Erinnerungsarbeit auf Kriegsgräbern ist nicht neu. Eine konstruktive und kritische Auseinandersetzung mit der gewaltvollen Vergangenheit, aber auch mit den aktuellen Kriegen, in die europäische Staaten involviert sind, sieht jedoch anders aus. Was macht denn das Denkmal zum Symbol des Friedens? Weil einige Akteure es so sehen wollen? Weil Menschen aus ganz Europa für das Jubiläum zusammenkommen? Weil es als Negativbeispiel der Geschichte positive Impulse für eine friedliche Zukunft sendet? Weil Europa, damals im Krieg, heute friedlich ist? Ist es das? Der Vorrang von militärischen vor zivilen Konfliktinterventionen zeichnet ein anderes Bild. Den Bogen „1813-1913-2013“ als „eine europäische Geschichte“ zu spannen, als eine Geschichte vom Krieg zum Frieden, bleibt ohne die inhaltliche Auseinandersetzung leer. Das ist keine Erinnerungskultur im Zeichen des Friedens, sondern unter dem Deckmantel des Friedens.

tung

(1) www.voelkerschlacht-jubilaeum.de/jubilaeum-17/items/intro-jubilaeum.html
(2) www.l-iz.de/Leben/Gesellschaft/2013/01/Leipziger-Voelkerschlacht-Doppeljubilaeum-2013-45886.html
(3) www.voelkerschlacht-jubilaeum.de/jubilaeum-17/items/wir-wollen-ein-grosses-europaeisches-fest-feiern-dr-volker-rodekamp-im-gespraech-ueber-das-doppeljubilaeum-im-oktober-2013.html
(4) strassedermonumente.de/voelkerschlachtdenkmal.html
(5) www.voelkerschlacht-jubilaeum.de/denkmal-20/items/test.html
(6) www.l-iz.de/Leben/Gesellschaft/2012/04/Voelkerschlacht-Waffenschrott-wird-zu-Medaillen-41044.html

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