Vorbei der Mai

„Auge um Auge macht alle blind“

Aber was war da eigentlich los am ersten Sonntag in der vermeint­lichen „Krawall­hauptstadt“ ? (1)

2500 z.T. gewalt­bereite Po­li­zis­tInnen gingen schi­ka­nös gegen 4000 Anti­faschistInnen vor, um ei­nem kleinen Wanderzirkus von offiziell ge­schätzten 800 Na­zis einen 6h kurzen Spaziergang von 500 Metern zu er­mög­lichen.

Menschen gegen Faschismus

Unausgeschlafen, aber z.T. gestärkt durch ei­nen dynamischen linken Block (bis zu 800 Teilnehmende) auf der traditionellen 1.Mai-Demo hatten sich Tausende ab um 12 am Hauptbahnhof eingefunden, den Na­zis keinen Fußbreit zu lassen. Wer Erfahrungen hat mit dem „nor­malen“ Ablauf einer „notwendig“ brutalen Räu­mungs­­aktion, kann vielleicht auch nach­voll­ziehen, wenn ir­gend­­wer dem nach 3h zuvor­kommen wollte. Die „Reaktion“ der Po­lizei auf die ersten Flaschenwürfe ist jedoch durch nichts zu rechtfertigen: Die Bloc­kade am Bahnhof wurde binnen Se­kun­den mit Tränengasgranaten und prü­gelnden Hundertschaften in panische Flucht verwandelt. Am Augustus­platz waren es die Entschlossenen, die dann die entscheidende Straßenseite bloc­kierten. Die angemeldete Sitzblockade der selbst­ernannten Friedlichen löste sich hin­ge­gen freiwillig auf, nachdem sie dazu auf­ge­fordert wurden. Nur Gesicht zeigen reicht aber nicht, es sei denn, mensch will sich das „Spektakel“ von weitem angucken. Bei großen Kon­zer­ten, wie am Vorabend unterm Völ­ker­schlacht­denk­­mal, passiert so was doch auch nicht. Dort ste­hen tausende Men­schen dicht an dicht, verzichten auf ihre Pri­vatsphä­re, damit alle sehen und hören. Das Risiko einer Massenpanik macht solche Zusam­men­­künf­te dann näm­lich auch nur sehr schwer angreifbar…

Exekutive

Noch am Bahnhof, bei einem anfäng­lichen Durchbruchversuch der Nazis, bzw. des nationalen, vermeintlich autonomen Schlägerblocks aus Berlin, wurde dieser le­dig­lich zurückgedrängt, obwohl dies nach po­lizeilicher Logik schon Grund genug war, die Nazis wieder nach Hause zu­schicken. Nein, am Augustusplatz wurde zwei mal hintereinander die eine Stras­senhälfte mit Wasserwerfern „gesäubert“, mit Pferden in Sitzende hin­ein­ge­ritten, wobei mehrere verletzt wur­den; ebenso, als viele Courage-Prakti­zie­rende (2) von der Strasse geprügelt wurden. Auch in der Süd­vor­stadt war ein massives, mobiles Polizei­auf­gebot in Habachtstellung, nicht aus­zu­den­ken, was passiert wäre, wenn Zeit und Kraft der Widerstehenden nicht aus­ge­reicht hätten – das antifaschistische Ziel des „kein Fußbreit“ sieht trotzdem anders aus. Warum dies nicht gelingen konnte? Der „Befehl von oben“ lautete, es den „linken Chaoten“ mal so richtig zu zeigen an diesem wie gesagt repräsentativen, also auch nationalen Feiertag, wie es der 3. Ok­tober ja auch ist, an dem im ver­gangenen Herbst eine überforderte Polizei und dezentrale Aktionen Unzähliger einen Nazi­mob von 300 Personen den ganzen Tag am Leuschnerplatz festhielten. Dazu ka­men und kommen die Spaltungs­ver­suche der antifaschistisch motivierten Men­schen in „militante“ und „friedliche“, durch Polizei (3), staatliche Öffentlichkeits­arbeit und andere oberflächliche Mei­nungs­macher­Innen. Im Kontext einer Po­li­tik der Ignoranz, Toleranz und sogar Ver­teidigung von gewalttätigen Nazis muss je­doch das situationsbedingte Abwägen zwischen Zwecken und Mitteln als un­trenn­bar von den Handlungsperspektiven kon­se­quenter Menschen gesehen wer­den, die ihre eigene Vorstellung von Gerech­tig­keit hier bewußt und zu Recht über die des Staates stellen. Auch mit Blick auf Ber­lin, wo hingegen am 8.Mai die NPD-Demo von der Polizei sehr schnell abge­blasen worden ist, drängt sich die Frage nach den Ursachen von Gewalt und Ausschrei­tungen erneut auf. Die ver­schie­de­nen Wi­der­standsformen, ob nun Sitz­bloc­kaden oder geworfene Steine, bleiben je­den­falls hauptsächlich in ihrer Symbolik wirk­sam, langfristige Chancen in diesem Kampf hat keine dieser Taktiken sondern nur Auf­klärung und Eman­zipation in der Ge­sellschaft. Die Sicherheit kann nicht ge­währ­leistet sein, solange Nazis marschieren und Bürger­Innen selbst die deutsche Ordnung illusionieren. Nie und nimmer.

clara

(1) titulierte die Bild am 2.05.2005.
(2) die sich z.T. mit Oberkörper und Kopf auf den Asphalt gelegt hatten.
(3) Das kurze Ablenkungsmanöver zur Nürn­ber­ger Strasse z.B. sollte zeigen, wer bereit ist, sich den Nazis überall und nicht bloß auf einer angemeldeten Veranstaltung ent­gegen­zu­stellen.

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