WEITER so? – Bitte nicht!

Am 30. Oktober erschien in Leipzig eine neue Wochenzeitung namens weiter, mit einer Startauflage von 1.500 Exemplaren zum Preis von je einem Euro, gefördert von der Jugendpresse Sachsen. Im Format und Layout stark an Kreuzer und ähnliche Magazine angelehnt, bietet die Erstausgabe sechzehn Seiten Geschichten aus Leipzig, also abzüglich Titel und Anzeigen ganze 12 Seiten Text.

Kommen wir zum Inhalt, der nach eigenem Bekunden der Redaktion explizit po­li­tisch sein möchte, ohne sich in einer bestimmten Ecke zu positionieren. „Aufmischen und Aufreger bringen“ wollen die ausnahmslos jungen Journalistik-Stu­dent_innen und zugleich die Lücken füllen, die durch die hiesige Zeitungslandschaft nicht gedeckt werden, da es ihrer Ansicht nach noch „kein wirkliches politisches Stadtmagazin“ gibt. Da fängt es schon an und hört bei der Lektüre leider auch nicht mehr auf, das bedrängende Gefühl, dass hier Dilettanten am Werke waren. So sind die beiden Artikel zur Quelle-Pleite wenig informativ, statt Fakten gibt es Mitleid für die kommenden Er­werbs­losen. Auf einem verschwenderisch großen Stadtplan sind gerade mal sechs Adressen von Second-Hand-Läden verzeichnet (geschmackloser Weise ist einer davon das Tierheim). In weiteren „Berichten“ erfahren die geneigten Leser_in­nen, dass es in der Stadt u.a. Füchse und Wasch­­bären gibt, die auch dem Straßen­ver­kehr zum Opfer fallen. Potzblitz – wenn mensch das geahnt hätte! Ebenso, dass manche Menschen verwundert reagieren, wenn sie von Wild­frem­den in der Straba angequatscht werden – das nennt sich wohl Undercover-Reportage und ist daher schon eine Seite wert. Die Satireseite wiederum bemüht sich, aus der pho­netisch­en Nähe von „Nägeln“ und „nageln“ Kapital zu schlagen – Gähnen muss hier schon mit Gewalt unterdrückt werden.

Gekrönt wird die publizistische Bauchlandung aber von der Titelstory, welche mit vier Seiten immerhin ein Drittel des Inhalts ausmacht. Auf entsetzlichem Niveau werden Zusammenhänge, brisante Fakten, Positionen oder gar Erkenntnisse sorgsam vermieden. Der Autor verzettelt sich hilflos zwischen der Tatsache, dass es in Leipzig Drogenkri­mi­nalität gibt und der (zumindest für ihn) unerhörten Ankündigung, dass die Polizei in Sachsen Stellen abbaut. Die Gewerkschaft der Polizei darf sich weitschweifend ausheulen, der Ordnungsbürgermeister Rosenthal gar vergeblich Fixerstuben fordern, ergänzt durch nichtssagende Balkendiagramme, die auch mit dem Inhalt nur entfernt in Verbindung stehen. Das Klagelied „den Polizeibeamten geht´s so schlecht“ findet sein Finale in der Forderung, dass mehr Polizeipräsenz wichtig wäre für die Moral der Polizisten und der Bürger. Würg! Soll weiter wirklich mehr als nur ein kostspieliger Ofenanzünder werden, müssen die Verantwortlichen also noch eine ganze Menge lernen. Wir empfehlen zuvorderst intensive Feierabend!-Lektüre, denn so kann es nicht weiter gehen!

(bonz)

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