Über die Unvereinbarkeit von Kapitalismus und nachhaltiger Entwicklung
Wer heute mit der Zeit gehen will, muss sein Handeln nachhaltig gestalten. Oder es zumindest als solches bezeichnen. Wenn die deutsche Industrie als „Marktführer beim nachhaltigen Wirtschaften“ Preise verliehen bekommt (1), wenn Bundeskanzlerin Merkel sich weltweit als Umweltministerin profiliert und Nachhaltigkeit zum Leitprinzip ihrer Politik erklärt (2), wenn Greenpeace im Rahmen des „Bergwaldprojektes“ zu nachhaltiger Wiederaufforstung hiesiger Wälder mobilisiert (3) und wenn A SEED für nachhaltiges Konsumverhalten eintritt (4), dann scheint zumindest hierzulande die Zukunft – selbst ohne eigenes zutun – schon nachhaltig gesichert zu sein. Fragt sich jetzt, wie diese Zukunft konkret aussehen soll, denn das neue Modewort wird in den verschiedensten Lebensbereichen inflationär und für vielerlei Maßnahmen oder Strategien gebraucht, die anderen verdeutlichen sollen, sie wären langfristig betrachtet eine „gute Sache“. Besonders im Bereich der Entwicklungspolitik ist Nachhaltigkeit bzw. nachhaltige Entwicklung heutzutage aus der Debatte nicht mehr wegzudenken. Der Begriff wird auch hier nicht nur von nichtstaatlichen Organisationen (NGOs), staatlichen und wirtschaftlichen Akteuren äußerst positiv besetzt, sondern zudem als internationaler Konsens weltweit gefeiert. Suggeriert wird eine Einigkeit in entwicklungspolitischen Zielvorstellungen und Handlungsorientierungen, die praktisch jedoch nicht besteht: Denn während die kommerzielle Privatisierung öffentlicher Güter wie bspw. Wasser vom Internationalen Währungsfond (IWF) als „Maßnahme zur nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung“ betrachtet und gefördert wird, klagen kritische NGOs – wie bspw. weed (5) – selbiges als nicht nachhaltig, sondern vielmehr zerstörerisch für Mensch und Umwelt an. Was verbirgt sich also hinter einem Begriff, der grundlegende Orientierungsrahmen nicht zu vereinen mag und dem sich dennoch alle verschreiben? Warum beansprucht die Graswurzelorganisation A SEED ebenso wie die Bundesregierung das Prädikat der Nachhaltigkeit, wenn sie doch beide unterschiedliche Vorstellungen der „guten Sache“ haben? Ist der Begriff zur hohlen Phrase verkommen oder stecken dahinter nicht vielmehr differierende Ideen und Ideologien, um die noch gestritten wird? Was der Begriff inhaltlich impliziert, welche Kontroversen sich bei der Konkretisierung der vermeintlich gemeinsamen Ziele offenbaren und welche Akteure derzeit die Deutungsmacht des Diskurses besitzen, soll hier Thema sein.
Eine zarte Pflanze…
Beginnen wir beim Ursprung des Wortes: Bereits im 18. Jahrhundert wurde Nachhaltigkeit im Kontext der Forstwirtschaft verwendet und bedeutete von den Erträgen einer Substanz selbst zu leben, also von den Zinsen und nicht vom Kapital. Impliziert wurde damit, dass nur soviel abgeholzt wird, wie gleichzeitig wieder angepflanzt werden kann – also ein Verhalten, das nicht nur umweltschonend wirkt, sondern auch Erträge langfristig sichert. Im Zeitalter der Industrialisierung und des aufschwingenden Kapitalismus, wo wirtschaftliches Wachstum Profit und Wohlstand versprachen, spielten diese Aspekte dann erstmal keine Rolle mehr. Die Begrenztheit der Rohstoffe dieser Erde war angesichts zunehmend geweckter Konsumbedürfnisse ein zu vernachlässigender Aspekt. Erst mit der Bewegung der 68er kam auch ein bewusster Umgang mit der Natur auf die politische Agenda der Aktivist/innen. Die damalige Umweltbewegung forderte vor allem eine Abkehr vom wirtschaftlichen Wachstumsparadigma, sprich einen radikalen Systemwechsel, verbunden mit einer Änderung der Lebensstile weg von der nur materiellen Wertorientierung. Die Botschaft war klar: Machen wir weiter wie bisher, werden zukünftige Generationen diese Welt nicht mehr genießen können, da sie schlichtweg verbraucht wäre.
Durch die erste Ölkrise 1973 inspiriert, wurde die Rohstoffverknappung dann auch erstmalig in Wirtschaft und Politik diskutiert und es folgten in den 70ern mehrere internationale Konferenzen, die auch die Forderungen der Umweltbewegung aufgriffen. Die Ergebnisse dieser Konferenzen fanden allerdings später – wahrscheinlich wegen ihrer inhaltlichen Radikalität – kaum Beachtung. Die Umweltproblematik blieb jedoch angesichts zunehmender Ressourcenverknappung und den ersten sichtbaren Auswirkungen des Klimawandels auf dem Tisch und sollte unter dem Schlagwort einer „nachhaltigen Entwicklung“ weltweit in den Griff bekommen werden. Am internationalen runden Tisch der Interessengruppe „Umweltschutz“ versammelten sich deshalb 1987 Vertreter von Staaten, Wirtschaftsunternehmen und NGOs und definierten ihr neues Leitbild als „eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (6). Wie solch eine Entwicklung auszusehen hätte, blieb dabei, aufgrund der inhaltlich kontroversen Vorstellungen, offen und wurde erst später vor allem auf nationaler Ebene konkretisiert.
…beginnt zu wachsen …
Im Zuge der letzten 20 Jahre gewann der Begriff Nachhaltigkeit nicht nur an Popularität, sondern wurde sowohl in weitere Bereiche übertragen und integriert, als auch mit inhaltlichen Konzepten und Strategien gefüllt. So steht eine global nachhaltige Entwicklung heute für einen Umgang mit Natur, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, der langfristig den Erhalt selbiger sichert. Im entwicklungspolitischen Kontext spielen zudem Aspekte der Partizipation und Selbstermächtigung eine Rolle, wenn es um Strategien zur nachhaltigen Entwicklung geht. Dieser breite, mehrere Dimensionen umspannende Rahmen erklärt zum einen die Weitläufigkeit des Diskurses, impliziert aber andererseits auch mögliche und nötige umfangreiche Veränderungen in allen Lebensbereichen.
Die Kunst bei der Etablierung des Leitbildes zur nachhaltigen Entwicklung besteht vor allem in der kohärenten Verbindung der Ziele aus den verschiedenen Dimensionen miteinander, die wiederum zu aufeinander abgestimmten Handlungsstrategien führen sollen. Eine große Herausforderung, die je nach konkretisierter Zielstellung auch an den bestehenden Verhältnissen kräftig zu rütteln vermag, sofern sich die Ausgestalter nachhaltiger Entwicklung einig wären. Doch gerade hier liegt das Problem: Es besteht kein progressiver Konsens darin, wie eine zukunftsfähige Gesellschaft aufgebaut sein müsste, welche Verteilungsmechanismen existieren sollen, nach welchen Prinzipien gewirtschaftet wird, wie politische Einflussmöglichkeiten strukturiert sind und inwieweit natürliche Rohstoffe überhaupt noch angetastet werden dürfen. Die Spannbreite der möglichen Positionen ist breit und spiegelt dabei auch verschiedene (alte) ideologische Kontroversen wider, die allerdings durch die Integration in die Umweltdimension neu an Brisanz gewinnen.
… bis der Rasenmäher kommt.
Die wohl substanziellste Kontroverse des Diskurses besteht dabei zwischen den Erfordernissen, die notwendig sind, um den nächsten Generationen die Natur zu erhalten und den Vorstellungen einer nachhaltigen Wirtschaftsweise, die sich gleichzeitig auf Wachstumsorientierung bzw. Kapitalismus gründet. Mit anderen Worten variieren die Vorstellungen erheblich, inwieweit wir sowohl unseren Lebensstil und die Konsumbedürfnisse, als auch die allgemeine Wirtschaftsweise verändern müssen, um die Umwelt und das menschliche Überleben darin zu sichern. Die radikalen Protagonisten der 70er Jahre waren sich darin einig, dass im Rahmen des kapitalistischen Systems, in dem Wachstum und Gewinnmaximierung die treibenden Faktoren sind, kein nachhaltiger Umweltschutz erreicht werden kann, da ständiges wirtschaftliches Wachstum immer an einen übermäßigen Ressourcenverbrauch gekoppelt sein wird. Oder anders ausgedrückt: „Wenn es alle Länder schaffen würden, dem industriellen Vorbild zu folgen, dann wären 5-6 Planeten vonnöten, um als Bergwerk und Müllhalde für die Wirtschaft herzuhalten“ (Wolfgang Sachs). Statt dessen forderten sie sog. „Nullwachstum“, also eine gesamtgesellschaftliche Abkehr vom hiesigen Wirtschaftssystem, verbunden mit einer Änderung der Lebensstile weg vom stumpfen, unnötigen Konsumismus. Solche Forderungen stießen – welch Wunder – auf wenig Gegenliebe bei Wirtschaftslobbyisten. Dort herrscht – durch derzeitige Erfolge optimistisch gestärkt – bis heute die Überzeugung, dass eine schrittweise Entkopplung des wirtschaftlichen Wachstums vom Ressourcenverbrauch möglich wäre und ausreichen würde, um künftige ökologische Katastrophen zu verhindern. An einer kapitalistischen Wirtschaftsweise bräuchte sich demzufolge nichts zu ändern, da sich Investitionen in ressourcensparende, neue Technologien, wie bspw. das schadstoffarme Auto langfristig für Wirtschaft und Umwelt rentieren würden. Dieser Ansicht sind auch die herrschenden Politiker/innen hierzulande, zumal die deutsche Wirtschaft bereits Erfahrungen mit ressourcensparenden und umweltfreundlichen Technologien hat, und die Regierung weiß, dass diese als Exportschlager auch Geld in die Staatskassen spülen können. So wird auch das Engagement der konservativen Kanzlerin in Bereichen der Umweltpolitik auf internationalen Gipfeln erklärbar. Um den zukünftig boomenden Sektor anzukurbeln, werden dann auch mal neue Richtlinien eingeführt, wie bspw. die kürzlich verabschiedete, die den Kauf schadstoffarmer Automobile mit bis zu zwei Jahren Steuerbefreiung belohnt. Das dies eher ein Konjunkturprogramm für die wachstumsorientierte Wirtschaft angesichts der Finanzkrise ist und weniger mit den eigentlich notwendigen Umweltzielen zu tun hat, wird schon allein daran deutlich, dass diese Autos zwar weniger Kohlenmonoxyd ausstoßen, jedoch weiterhin das Klima mit ihrer hohen CO2-Emission belasten. Nichtsdestotrotz sind sich Wirtschaft und Politik hierzulande einig, dass mit genügend Investitionen in klimafreundliche und ressourcensparende Technologien die schlimmsten Umweltauswirkungen verhindert werden können. Mischt man dazu noch ein paar globale Abkommen, wie das Kyoto-Protokoll, dann wäre das schon machbar und angesichts der Vorreiterrolle Deutschlands in neuen, umweltschonenden Technologien auch wirtschaftlich profitabel. Dagegen wirkmächtig anzukommen und radikalere Schritte einzuleiten ist schwer, denn die Aktivist/innen der Umweltbewegung, die den Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und Kapitalismus thematisieren sind eher Mangelware. Während es in den 70ern noch nahezu unvorstellbar war, dass ressourcensparende Technologien, wie sie heute existieren, überhaupt produzierbar sind, sind die Meisten heute eingelullt vom Technikwahn, der sicher auch in schlimmsten Zeiten das Überleben der Menschheit sichern werde (fragt sich nur wer da überlebt…).
Die Stimmen der Befürworter eines radikalen Wandels sind jedenfalls wieder sehr leise geworden, spätestens seit die Grünen als Partei Karriere zu machen begannen und sich Frau Merkel international als „Umweltministerin“ profiliert und dabei Deutschland zum Vorzeigeland in Sachen Nachhaltigkeit deklariert. Zwar gibt es noch einige Netzwerke, wie bspw. auch A SEED, die unter „nachhaltiger Entwicklung“ eben auch die Abkehr von einer kapitalistischen Wirtschaftsweise verstehen, da permanentes Wirtschaftswachstum nicht ohne Ressourcenverbrauch funktioniert, allerdings versinken sie im internationalen Machtpoker nahezu in der Bedeutungslosigkeit.
Weg mit dem Mäher!
Die progressive Vision einer nachhaltigen Gesellschaftsordnung ist im Gegensatz zur gängigen nicht angebots- sondern nachfrageorientiert, was nicht nur eine Umwälzung der kapitalistischen Wirtschaftsweise impliziert, sondern auch die Herstellung von nutzlosen oder überschüssigen Produkten – die im Bereich der Lebensmittelindustrie bspw. auch zuhauf entsorgt werden und trotzdem für einzelne Unternehmen noch profitabel sind – verhindert. A SEED vernetzt sich z.B. daher, um durch gemeinschaftliche Subversion bzw. direkte Aktionen auf die zerstörerischen Folgen des Kapitalismus aufmerksam zu machen. Allerdings setzen sie auch an der Alltagspraxis im Kleinen an und mobilisieren für einen radikalen Wandel der Lebensstile, der sich nicht in Energiesparlampen oder effizienteren Autos erschöpft, sondern blinden Konsumismus bekämpft. So soll bspw. das Auto nicht Statussymbol, sondern Nutzfahrzeug sein, das nur unter voller Besetzung wirklich annähernd nachhaltig angewendet wird. Auch Fleischkonsum und Flugreisen sind dabei Themen, die von vielem im Alltag verändert werden könnten und der Natur insgesamt helfen. Doch wie bereits beim Auto – das für eine nachhaltige Entwicklung eigentlich abgeschafft werden müsste – bereits deutlich wird, sind solche Vorschläge vielleicht gut gemeint aber oftmals konkret schwierig umsetzbar. Angesichts des desaströsen Zustands öffentlicher Verkehrsmittel bspw. müssten nicht nur Mehdorn und Co abgesetzt werden, sondern vielmehr völlig neue Finanzierungskonzepte erarbeitet, Infrastruktur wieder ausgebaut sowie herrschende Pendlerstrukturen abgeschafft und Arbeitsverhältnisse radikal verändert werden. Daher kann ein progressiver Ansatz auch nur darin bestehen, sowohl die kapitalistischen Verhältnisse anzuklagen und Netzwerke gegen diese zu stärken, als auch Bewusstsein im alltäglichen zu erzeugen. Angesichts unserer hochindividualisierten Gesellschaft, deren Bewohner zudem unter kapitalistischen Verhältnissen sozialisiert wurden, ist klar, dass ein solches Umdenken weder von heute auf morgen geschehen kann, noch jemals als politischer Konsens „von oben“ verabschiedet werden wird. Denn der Konsens zwischen den Lobbyisten in Wirtschaft und Politik besteht im qualitativen Wachstum, das nichts anderes als eine ökologische Modernisierung, sprich Ökokapitalismus, ist. Diejenigen besitzen leider auch die Deutungsmacht über den Begriff der nachhaltigen Entwicklung, der eigentlich auch auf progressive Inhalte rekurrieren könnte. Im Grunde ist Nachhaltigkeit das beste Argument gegen Kapitalismus bzw. die Ausbeutung von Mensch und Natur. Und auch darüber hinaus kann mensch damit für Emanzipation, Dezentralisierung und Selbstbestimmung in weiteren Kontexten argumentieren. Eine nachhaltige Gesellschaftsordnung würde lokale Netzwerke fördern, da sie sich allein schon wegen der Sicherung der Grundversorgung verständigen müssen, um Transportwege gering zu halten. Selbstermächtigungsprozesse, weg von zentralen Regierungen wären ebenso unumgänglich, wie die Abschaffung von lohnarbeitszentrierten Ausbeutungsverhältnissen. Denn eine zukunftsfähige Gesellschaft jetzt und später bedeutet nicht die Konservierung der Natur auf Kosten des Menschen, sondern ein Leben in Einklang mit dieser. Eine Umsetzung dessen bedarf radikaler Veränderungen aller Lebensbereiche, so auch die Diskussion darüber, was unter sozialer Gerechtigkeit verstanden werden soll und wie sich der Reichtum in der Gesellschaft zu verteilen hat. Angesichts der politischen Verhältnisse, in denen bspw. Wettrüsten zum Standardrepertoire gehört, schließt eine Diskussion um nachhaltige Entwicklung auch Antimilitarismus, Bekämpfung von Machtpolitik und ein Konzept des Zusammenlebens jenseits von Staat und Nation ein. So zumindest könnten die Diskussionen verlaufen, die in den 70ern angelegt waren und mit denen sich heute nur vereinzelte Gruppen beschäftigen. Ein Zusammendenken verschiedener Themenbereiche findet dabei selten statt, vielmehr wird vom hiesigen Politnik die ökologische Problematik oftmals als „Nebenwiderspruch“ abgetan. Maximal solidarisiert mensch sich noch mit Anti-Castor-Protesten, überlässt dann jedoch das Feld den „Ökos“, die insgeheim belächelt werden. Diejenigen die sich weniger mit Politik beschäftigen und denen die Umwelt nicht egal ist, geben sich hingegen oftmals der Illusion hin, dass mensch mit Mülltrennung schon den einzig möglichen Beitrag geleistet hätte.
Schluss mit dem Etikettenschwindel!
Die Debatte um eine nachhaltige Entwicklung hat nicht nur die entwicklungspolitischen Zielsetzungen in Bezug auf ärmere Länder verändert, sondern auch die hiesige Entwicklung und Wirtschaftsweise in Frage gestellt. Der Westen hat, durch den zerstörerischen Umgang mit der Natur, seine gewünschte Vorbildfunktion für die Entwicklung anderer Länder verloren. So gesehen, kann ihre Debatte um Nachhaltigkeit auch als ihr Versuch der Imageheilung betrachtet werden, da die neuen effizienten Technologien versprechen, die entstandenen Schäden wieder gut zu machen, würden sie weltweit exportiert werden. Dass einzelne Staaten – und insbesondere die sog. Entwicklungsländer – dabei nur Eigeninteressen der Industrieländer vermuten, da sie bereits Jahrzehnte lang auf Kosten dieser ausgebeutet wurden und zu Rohstofflieferanten für deren Industrialisierung degradiert waren, während ihnen jetzt die eigene Entwicklung bzw. Industrialisierung mit dem Verweis auf die Umwelt verwehrt bleiben soll, ist nachvollziehbar. Daher verbinden sie mit nachhaltiger Entwicklung auch keinen progressiven Diskurs, obgleich sie von den Umweltauswirkungen am stärksten betroffen sind und sein werden. Schon deshalb sollte die Deutungsmacht von Nachhaltigkeit nicht in den Händen hiesiger Machthaber verbleiben, denn sie verstümmeln die progressiven Möglichkeiten einer Veränderung der Gesellschaftsordnung und reduzieren sie auf ihr „business as usual“. Deshalb wäre es zumindest ein Anfang, den Begriff der Nachhaltigkeit wieder mit radikalen Inhalten zu besetzten. Die Etikette „Nachhaltigkeit“ verspricht in ihrer Anwendung derzeit mehr als sie zu halten vermag. Nur weil nicht das drin steckt, was drauf steht, liegt die Lösung allerdings nicht darin das Etikett zu verwerfen. Vielmehr müsste da der Etikettenschwindel endlich auffliegen!
momo
(1) Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) verleiht alljährlich einen Umweltpreis an hiesige Wirtschaftsunternehmen, wie Bayer und Henkel im Jahr 2008, die Technologien entwickeln, die umweltschonender bzw. engergiesparender sind: www.bdi-online.de/de/fachabteilungen/10183.htm
(2) Siehe: www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2007/11/2007-11-27-konsultationen-zur-nachhaltigkeitsstrategie.html
(3) Siehe: www.greenpeace.de/themen/umwelt_wirtschaft/weltgipfel_2002/artikel/nachhaltigkeit_handeln_statt_langer_reden/
(4) A SEED (Action for Solidarity, Equality, Environment, and Diversity Europe) ist ein 1991 gegründetes radikales Netzwerk junger Menschen, die sowohl Aktionen und Kampagnen gegen Umweltzerstörung und für soziale Gerechtigkeit organisieren, als auch Trainings-, Diskurs- und Vernetzungsmöglichkeiten mit sog. Grasrootorganisationen fördern. Mehr unter: www.aseed.net
(5) weed ist eine 1990 gegründete NGO, die sich mit Ursachen der Umwelt und Armutsprobleme beschäftigt, sich in nationalen und internationalen Netzwerken engagiert und v.a. in Deutschland mehr Bewusstsein für einen notwendigen Wandel schaffen will. Siehe auch: www.weed-online.org/themen/finanzen/20815.html
(6) Aus dem Brundtland-Bericht der „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung“ 1987