Auf zur zentralen Einheitsgemeinde!

Klage gegen Gemeindegebietsreform in Sachsen-Anhalt endgültig gescheitert

Dass der deutsche Bundesstaat vom Prinzip des Föderalismus und damit von einer Mitbestimmung durch die Betroffenen nicht viel hält, sieht mensch schon an dem Fakt, dass immer mehr Entscheidungskompetenzen auf die nächst höhere, europapolitische Ebene verschoben werden, anstatt die Autonomie und Selbstbestimmung auf den unteren Ebenen sicherzustellen. In Sachsen-Anhalt geht Staat nun exemplarisch noch einen Schritt weiter. Was hier bisher freiwillige Verhandlungssache zwischen den kommunalen Gemeinden war – der Zusammenschluss in größere Verwaltungseinheiten – wird nun per Dekret durchgesetzt. Die juristische Zwangsmaßnahme heißt Gemeindegebietsreform (2007/08), nach der eine kommunal organisierte Gemeinde mindestens 10.000 EinwohnerInnen (!!!) umfassen muss, um überhaupt so etwas wie Selbstverwaltung ausüben zu können, und wurde maßgeblich von der SPD vorangetrieben. Fast 200 Gemeinden hatten dagegen vor dem Landesgericht Sachsen-Anhalts geklagt. Doch ohne Erfolg. Richter Schubert verkündete am 21.04. 2009, dass der Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit des Landes ausreichend wäre, um so massiv in die Selbstverwaltung der Kommunen einzugreifen. Er berief sich dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1988. Mensch könnte diese einheitliche deutsche Rechtsprechung auch so lesen: Da es billiger ist, wenn weniger mehr entscheiden, darf prinzipiell immer zentralisiert werden. Ob solche Einsparungen dann auch wirklich den Betroffenen dienen, prüft freilich kein Gericht der Welt und darf getrost bezweifelt werden.

Fakt ist: Gemeinden, die sich nun bis Ende Juni keiner größeren Verwaltungseinheit anschließen, werden dann zwangsangegliedert. Schöne neue Welt! Der historische Trend könnte eindeutiger nicht sein. Denn nicht nur in Deutschland wurden seit 1945 tausende von Gemeinden aufgelöst und zentralisiert, die Mitbestimmung von unten beständig beschnitten. Drastischstes Beispiel ist Dänemark. Hier schrumpfte die Anzahl der Gemeinden von 1400 (1950) auf sage und schreibe 98 (2007). Dass solche Zwangsmaßnahmen zur Zentralisierung von Entscheidungen in den Händen weniger mit einer föderal organisierten Mitbestimmung von unten nach oben wenig zu tun haben und letztlich der transparenten Kontrolle von Gemeindebudgets entgegenarbeiten, sollte jedem vernünftigen Mensch einleuchten. Deshalb: Ein Hoch auf die EinwohnerInnen des unterfränkischen Ermershausen, die 1978 Widerstand gegen ihre Auflösung leisteten, das Rathaus besetzten und Barrikaden errichteten. Mehrere Hundertschaften der Bereitschaftspolizei mussten das 800-Seelen-Dorf damals erstürmen, um die Gemeinde zu entmachten. Dass der Mut der Betroffenen in Sachsen-Anhalt ähnlich groß ist, bleibt nur zu hoffen.

(clov)

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