Auftakt der „Freedom of Movement…“:

Aufruf zur Tour gegen Abschiebung und Ausgrenzung

Intro:

Jedes Jahr werden in Deutschland annähernd 50.000 Menschen durch den BGS abgeschoben. Die regressive Asylpolitik wird europaweit angeglichen. Europa ist schon jetzt eine Festung, deren Außengrenzen für Flüchtlinge immer schwerer zu überwinden sind. Menschen sterben beim Versuch, diese Grenzen zu überwinden und schaffen sie es doch, so droht ihnen in den Staaten der Europäischen Union und somit auch in der BRD, ein langjähriger Aufenthalt in Ungewissheit um die Zukunft, immer häufiger werden Flüchtlinge dazu in Abschiebelagern interniert.

Ursachen:

Die Wurzel dieses staatlichen Rassismus liegt in der kapitalistischen Verwertungslogik. Menschen werden in erster Linie nach ihrem kapitalistischen Nutzen beurteilt. Während z.B. hochqualifizierte IT-Spezia­list­Innen willkommen sind, sind nicht so gut ausgebildete Menschen in der Regel unerwünscht. Eine wesentliche Ursache für das Elend in den Heimatländern vieler Flüchtlinge stellen die Machenschaften der Industrienationen dar. Die Wirtschaftspolitik der führenden Wirtschaftsmächte ist es, welche Armut forciert. Und Armut ist es, welche als Krisenpotential Nummer Eins einen ganzen Rattenschwanz negativer Folgewirkungen hinter sich herzieht (Hunger, militärische Konflikte, mangelnde Bildung, Krankheiten, Vertreibung, etc.).

Globale Wirtschaftspolitik verläuft nach einseitigem Interesse. In Europa z.B. werden Agrarmärkte milliardenschwer subventioniert, damit diesbezügliche Produkte auf dem Weltmarkt einen Vorteil gegenüber Waren aus der „3. Welt“ haben. Gegenüber bestimmten Gütern (z.B. Textilien) werden von den Industrienationen so horrende Zölle erhoben, dass eine Einfuhr aus den „3. Welt-Ländern“ kaum möglich ist. Im Gegenzug jedoch werden Trikont­ländern­ harte Strafen und Kreditkürzungen angedroht, öffnen sie ihre Grenzen nicht für Waren bzw. Konzerne aus den Industrienationen.

Wenn Menschen unter diesen Zuständen leiden und ihr natürliches Recht in Anspruch nehmen und der Misere entfliehen wollen, sind die Außengrenzen Europas dicht. Ausbeutung ja, Einreise nein, lautet das Motto, und es ist Teil der ungerechten Weltwirtschaftsordnung. Stattdessen müssen globale Lebensbedingungen entwickelt werden, die einen gerecht verteilten Wohlstand überall auf der Welt schaffen. Nur dann wird es keine Grenzen mehr geben, die den reichen Teil der Welt gegen den armen Teil abschotten.

Es gibt keine Flucht aus wirtschaftlichen Gründen

Dass Menschen aus Gründen politischer oder religiöser Verfolgung bzw. aufgrund militärischer Konflikte fliehen, ist auf den ersten Blick auch nach deutschem Asylrecht selbstverständlich. Aber auch jede Flucht, die wegen fehlender Lebensperspektive aufgrund von Armut und Hunger geschieht, ist aus den vorgenannten Gründen politisch. Armut offenbart keine Perspektiven, Armut tötet, und doch werden diese Menschen abgewiesen, es wird das Scheinargument der Flucht aus „wirtschaftlichen Gründen“ geschaffen, mit dem die Flüchtlinge in Europa und somit auch in der BRD kein Recht auf Asyl erlangen.

Die Schwächsten der Schwachen werden als „Schmarotzer“ tituliert, welche unsere Gesellschaft ausnutzen wollen. Vor dem Hintergrund des tagtäglichen Gejammers über die Zukunfts- und Konkurrenzfähigkeit des Standorts Deutschland erscheint es vielen Menschen als ganz normal, ja sogar als positiv, wenn restriktive Regelungen für Menschen nicht-deutscher Herkunft verabschiedet werden. Diese Politik ist in hohem Maße rassistisch, sie entsolidarisiert die Menschen verschiedener Nationen. Sie führt dazu, dass Menschen ausländischer Herkunft als „gesellschaftsschädlich“ bezeichnet werden können, als Menschen, die den eigenen Wohlstand gefährden.

Situation

Nur die wenigsten Flüchtlinge erreichen überhaupt die Außengrenzen Europas. Die meisten Flüchtlinge weltweit bewegen sich in den armen Ländern der Welt. Es sind die ärmsten Länder, die die meisten Flüchtlinge aufgenommen haben. Vor allem Frauen mit Kindern haben kaum eine Chance, die reichen Länder zu erreichen. Niemand begibt sich freiwillig auf die Flucht. Jedem Menschen fällt es schwer, die angestammte Heimat, die Familien, die eigene Kultur zu verlassen. Aber auch die wenigen, die es tatsächlich schaffen, die Außengrenzen Europas zu überwinden, haben es nicht leicht. Sie leiden unter staatlich unterstützter gesellschaftlicher Frem­den­feindlichkeit und haben, solange über ihren Asylantrag beschieden wird (was schon mal einige Jahre bis Jahrzehnte dauern kann), kein Recht auf Arbeit oder auf Bewegungsfreiheit. Durch die sogenannte Residenz­pflicht der BRD, welche einzigartig in Europa ist, müssen Flüchtlinge, deren Asylantrag läuft, eine Genehmigung beantragen, wenn sie ihren Landkreis verlassen wollen. Diese Genehmigung wird oftmals nicht erteilt. Wird gegen diese Residenzpflicht verstoßen, drohen Geld- oder Gefängnisstrafen, bis hin zur Ausweisung. Die Flüchtlinge hierzulande sehen sich rassistischen Verfolgungen der Behörden ausgesetzt. Die BRD wurde bereits mehrere Male vom Europarat und den Vereinten Nationen wegen Polizeibrutalität kritisiert. Rassistische Polizeigewalt ist hierzulande alles andere als eine Ausnahme. Die bekannten Übergriffe haben zu unterschiedlich schweren Verletzungen bis hin zu Todesfällen geführt. Am bekanntesten ist in der Öffentlichkeit der Fall von Aamir Ageeb, der bei seiner Abschiebung durch BGS-Beamte zu Tode kam.

Die materiellen Möglichkeiten der Flüchtlinge in der BRD sind minimal. Das den Flüchtlingen zur Verfügung stehende Geld liegt weit unter dem Sozialhilfesatz. Oftmals erfolgt eine Auszahlung sogar nur in Form von Gutscheinen oder Naturalien (bis auf ein sehr geringes „Taschengeld“), was den Flüchtlingen sogar die Autonomie nimmt, ihre Lebensmittel selber auszusuchen.

Sich einen Anwalt zu nehmen, ist aus Kostengründen für AsylbewerberInnen auf herkömmlichem Wege unmöglich, der dringend benötigte Rechtsbeistand kann somit in der Regel nicht erfolgen.

Die Unterkunftsmöglichkeiten in den Flüchtlingslagern sind katastrophal, nicht selten teilen sich sechs oder mehr Leute über Jahre ein Zimmer. Noch wird von der Möglichkeit der dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen in den Städten und Gemeinden Gebrauch gemacht, allerdings immer weniger, obwohl diese Art der Unterbringung kostengünstiger ist, als der Betrieb von Lagern. In Niedersachsen z.B. ist angestrebt, Flüchtlinge nur noch in Lager unterzubringen. Und das hat einen politischen Hintergrund: Die Lager werden bewusst weit von der einheimischen Bevölkerung eingerichtet, ein Kontakt soll nicht stattfinden, Flüchtlinge sollen am Leben hier nicht teilhaben können. Und zu oft haben solche Kontakte zu Bleiberechtskampagnen geführt, denn auch hier gibt es immer noch genug Menschen, die, wenn sie erst mal die Geschichte der Flucht gehört haben, nicht einsehen können, warum ihre Nachbarn in Hunger, Folter oder Tod abgeschoben werden sollen.

Ja … und wenn dann, wie in den meisten Fällen üblich, negativ über den Asylantrag beschieden wird, droht die sofortige Zwangsausreise oder bis zu deren Vollstreckung die Haftunterbringung in einem Abschiebeknast. Diese „Sicherungshaft“ kann sich über ein halbes Jahr hinziehen. Der psychische Druck, welcher auf den Flüchtlingen lastet, ist enorm, drohen doch in ihren Heimatländern oftmals Folter, Tod oder Krieg, mit Sicherheit aber Perspektivlosigkeit. Die katastrophale menschenunwürdige Situation der Flüchtlinge führt immer wieder zu Suizidversuchen.

Aber nicht alle Flüchtlinge können trotz nicht gewährtem Asyl abgeschoben werden und müssen aus den verschiedensten Gründen „geduldet“ werden. Gerade diese Menschen sollen mehr und mehr in Deutschland und in ganz Europa in Abschiebelagern interniert werden. Damit schließt sich die Lücke im System von nicht gewährter Einreise und Abschiebung. In Deutschland erhalten diese Lager ihre gesetzliche Grundlage als sog. „Ausreiseeinrichtungen“ im neuen „Zuwanderungsgesetz“. Anders als in den Abschiebeknästen kann die Aufenthaltsdauer in den Lagern unbegrenzt sein. Die Flüchtlinge werden massiv unter Druck gesetzt, aktiv bei ihrer Deportation mitzuhelfen (z.B. durch Beschaffung von Ausreiseunterlagen). Tun sie das nicht, werden ihnen auch noch die letzten Rechte verweigert, sie haben nur noch die Wahl zwischen einem unbegrenzten Aufenthalt im Lager mit nur drei Mahlzeiten am Tag oder der Ausreise. Immer mehr Flüchtlinge begegnen dem, indem sie in die Illegalität untertauchen, was durchaus auch politisch gewollt ist.

Situation im Abschiebelager Bramsche-Hesepe

Das Abschiebelager in Bramsche-Hesepe ist, im westlichen Niedersachsen liegend, nicht nur ein Eckpfeiler dieser Politik, es hat darüber hinaus Modellcharakter für das, was an menschunwürdiger Unterbringung möglich ist. Die Situation in Bramsche-Hesepe ist, wie in vielen anderen Lagern auch, miserabel. Das Lager befindet sich gänzlich abgelegen von der einheimischen Bevölkerung, zu der ein Kontakt kaum möglich und nicht erwünscht ist. Auch die ca. 50 Kinder, die in dem Lager untergebracht sind, sollen das Lager noch nicht einmal für den Schulbesuch verlassen, dafür wurde nun eine Lagerschule eingerichtet. Die medizinische Versorgung der MigrantInnen ist mangelhaft. Die oftmals durch Folter und Krieg stark traumatisierten Flüchtlinge erhalten in der Regel keine psychologische Betreuung, und auch andere Facharztbesuche sind erst nach langen Auseinandersetzungen möglich.

Bei der Verpflegung wird kaum Rücksicht auf kulturelle Vorlieben bzw. Abneigungen genommen. Die Unterbringung ist katastrophal, ein 16 qm Zimmer müssen sich bis zu vier Personen oder ganze Familien teilen, eine Privatsphäre ist somit nicht möglich.

Eine Rechtsberatung sieht das Konzept des Lagers nicht vor. Stattdessen gibt es die sog. „Rückkehrberatung“. Entscheidend dabei ist, daß es sich bei den in Bramsche-Hesepe untergebrachten Flüchtlingen keineswegs um abgelehnte AsylbewerberInnen handelt, die „ausreisepflichtig“ sind. Fast alle Flüchtlinge haben erst kurz vor der Einweisung in das Lager ihren Asylantrag gestellt. Die Einweisung findet ausschließlich aufgrund der „Prognoseaussage des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge“ statt, die allein aufgrund der Herkunftsländer „keine Perspektive für einen dauerhaften Aufenthalt“ erkennt. Mit dieser Praxis wird selbst der letzte Rest des deutschen Asylrechts ausgehebelt, das immerhin nach seinem Text eine individuelle Prüfung der Asylgründe vorsieht.

Mit 550 Insassen als größtes Abschiebelager Europas ist dieses Lager ein zentraler Baustein in der rassistischen und repressiven Ausländerpolitik der BRD. Deshalb ist es besonders wichtig auch in der Abgelegenheit des ländlichen Raumes gegen diese Politik vorzugehen und sich zahlreich an der Auftaktdemonstration und den Camps – besonders auch in Bramsche-Hesepe – der „Anti-Lager-Action– Tour“ zu beteiligen.

Wir wenden uns entschieden gegen das Universum der Lager und Knäste in der BRD und in Europa, das Ausdruck einer Politik sozialer Ausgrenzung ist.

Abschaffung der rassistischen Sondergesetze, wie z.B. der Residenzpflicht!

Schließung der Lager und Abschiebeknäste und selbstbestimmte, menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge!

Uneingeschränktes Recht auf Asyl und Teilnahme am Leben in Deutschland, dazu gehört neben dem Recht auf Arbeit auch das Recht auf Bildung!

(…)

Für Freizügigkeit und Selbstbestimmung überall!

Hoch die internationale Solidarität!

Avanti! e.V. Osnabrück, Karawanegruppe Osnabrück, LiVe (Linkes Vechta) im Juni 2004

Daten: Widerstandscamp bei Bramsche-Hesepe im Rahmen der Anti-Lager-Action-Tour Bundesweite Auftaktdemo: 21.8.2004, 12.00 Uhr , Bahnhof Bramsche-Hesepe

Internet: www.camp-bramsche.de.vu

Bewegung

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