Bitte nicht kritisieren!

NS-Symbolik beim Wave-Gotik-Treffen

Kritik an der Programmpolitik des Wave-Gotik-Treffens hat es immer wieder einmal gegeben (siehe FA! # 33). Derzeit schlagen die Wellen aber ein wenig höher als gewöhnlich. Unmittelbarer Anlass ist die Gestaltung der sogenannten Obsorgekarte, die zur Nutzung des Zeltplatzes auf dem AGRA-Gelände berechtigt. Auf dieser war in diesem Jahr u.a. eine „Schwarze Sonne“ abgebildet. Dieses an das Hakenkreuz angelehnte Symbol erfreut sich in rechten Teilen der Schwarzen Szene großer Beliebtheit. Die auf der Karte verwendete, aus 12 Sig-Runen bestehende Variante des Symbols geht auf ein Bodenornament im SS-Schulungszentrum Wewelsburg zurück.

Die Verwendung dieses Symbols sorgt also nicht umsonst für Kritik. Eine öffentliche Stellungnahme zu den Gründen für die Verwendung der „Schwarzen Sonne“ forderte u.a. die Band ASP in einem Brief an die für die Organisation des WGT zuständige Treffen & Festspielgesellschaft für Mitteldeutschland mbH. Statt der eigentlichen Adressaten antworteten die beiden Geschäftsführer der Chemnitzer Veran­staltungsagentur In Move. Auf die klar formulierte Frage gaben auch diese nur eine ausweichende Antwort: Bei der Gestaltung der Karte hätte es einen historischen Bezug zum 2000jährigen Jubiläum der Schlacht im Teuto­burger Wald gegeben, die „Symbolstrukturen, gespiegelt in der Iris des Auges“ würden ein „uraltes Symbol der Sonnenfinsternis“ reflektieren, welches „von den Germanen als ´Inneres Licht´“ verehrt worden sei.

Mit diesen nebulösen Ausführungen gab sich die Band zu Recht nicht zufrieden und erklärte: „Unsere Frage, warum das – unserer Meinung nach hochpolitisch belastete – Symbol der ´Schwarzen Sonne´ benutzt wurde, wurde leider nicht beantwortet.“ Eine Verbindung zwischen der erwähnten „Hermannsschlacht“ und dem Symbol sei leider nur darin zu erkennen, „dass beide Themen in neofaschistischen Gruppen einen hohen Stellenwert einnehmen.“ Die Band schloss: „Wir hatten eine klare Stellungnahme der Treffen & Festspielgesellschaft für Mitteldeutschland mbH erwartet. Zunächst unabhängig davon, ob die Benutzung des (…) Motivs aus Unkenntnis, mangelnder Recherche, aus Versehen, aus Provokation zu Mar­ketingzwecken, in voller politischer Absicht oder aus einem anderen Grund geschah. Solange wir von den Verantwortlichen darüber keine klare Aussage erhalten, müssen wir Euch mit Bedauern mitteilen, dass wir in Zukunft weder als Besucher auf dem Wave-Gotik-Treffen zu Gast sein werden, noch als Teil des Musikprogramms dort zur Verfügung stehen werden“ (1).

Auch einige Besucher_innen des Festivals zeigten sich beunruhigt und veröffentlichten im Internet-Forum des WGT einen offenem Brief (2), in dem sie u.a. forderten, auf die Verwendung der „Schwar­­­­zen Sonne“ und ähnlicher Symbole künftig zu verzichten. Auch die Präsenz eines Ver­kaufsstand des VAWS (Verlag und Agentur Werner Symanek) auf dem Festi­val­ge­lände wurde kritisiert.

Der VAWS übernimmt eine Scharnierfunktion zwischen rechtsoffenen Teilen der Schwar­­zen Szene und neo­nazistischen Gruppen. Eine Zeitlang war der VAWS u.a. für Druck und Vertrieb der Unabhängigen Nachrichten zuständig, einer Zeitschrift, die seit 1969 von den Unabhängigen Freundeskreisen (UFK) herausgegeben wird. Diese orientieren sich ideologisch am „nationalrevolutionären“ Flügel der NSDAP und propagieren einen „völkischen Sozialismus“ (siehe auch FA! # 28). Sie waren anfangs im Umfeld der 1952 verbotenen Sozialistischen Reichspartei zugange, später pflegten sie enge Kontakte zu Michael Kühnens FAP und zur NPD. Seit 1986 wirkte Werner Symanek als Autor bei den Unabhängigen Nachrichten mit.

Schon bald nach der Gründung des Verlags im Jahr 1991 versuchte er auch, in der Dark-Wave-Szene Fuß zu fassen. Dafür wurde u.a. das Mailorderprogramm durch Tonträger ergänzt, eine Zeitlang gab der VAWS auch ein eigenes Musikmagazin heraus und versuchte, den Verlag als Musiklabel zu etablieren – so brachte der VAWS u.a. CD-Compilations zu Ehren Leni Riefenstahls und des Nazi-Bildhauers Josef Thoraks heraus. Eine ähnliche Strategie, durch gezielte Pro­pagandaarbeit im „vorpolitischen“ kulturellen Bereich an Boden zu gewinnen, verfolgten zur selben Zeit auch die völkischen Nationalisten der Jungen Freiheit. Für eine solche Unterwanderungsstrategie braucht es aber immer noch Leute, die solcher „Unterwanderung“ aufgeschlossen gegenüberstehen. Schützenhilfe aus der Schwarzen Szene kam vor allem von dem Musiker Josef Klumb, der nicht nur beim VAWS mitarbeitete, sondern auch gute Kontakte zur Jungen Freiheit pflegte.

Mit seiner Band Weissglut schaffte es Klumb 1998 sogar, einen Vertrag mit dem Majorlabel Sony zu ergattern – dieser wurde jedoch wieder aufgelöst, als Klumbs Verbindungen zur rechten Szene öffentlich wurden. Anlass dafür war u.a. ein Interview Klumbs mit dem Szenemagazin Gothic, in dem der Musiker sich positiv auf den Verschwörungstheoretiker Jan Van Helsing (alias Jan Udo Holey) bezog und in antisemitischer Manier gegen „Hochfinanz“ und „Zionismus“ wetterte. Seit dem Scheitern seiner Karrierepläne hat sich Klumb immer mehr in ein Privatuniversum aus verschwörungstheo­retischem Verfolgungswahn, Zahlenmystik und Übermen­schen­phan­tasien zurückgezogen. Er pflegt immer noch gute Kontakte zum VAWS, wo u.a. die Veröffentlichungen seines Projekts Von Thron­stahl erscheinen. Von Thronstahl traten nicht nur 2000 beim WGT auf, auch für die Betreuung des VAWS-Standes auf dem Festivalgelände war Klumb zeitweise zuständig (3).

Dies könnte den WGT-Veranstalter_in­nen durchaus bekannt sein. Nicht um­sonst verweisen die Verfasser_innen des offenen Briefes darauf, dass es bereits seit Jahren Beschwerden von Gästen wegen des VAWS-Verkaufsstandes gab. An einer wirklichen Auseinandersetzung mit sachlicher Kritik scheinen die Verantwortlichen aber leider kein Interesse zu haben. Während sie die kritischen Nachfragen im einen Fall einfach ignorierten, fiel die Reaktion auf den im WGT-Forum veröffentlichten offenen Brief noch etwas deutlicher aus: Die entsprechenden Einträge wurden kurz darauf gelöscht und erklärt, politische Diskussionen seien dort künftig nicht mehr erwünscht.

Auch indem sie in dieser Weise dringend notwendige Debatten zu unterbinden versuchen, unterstützen die Veranstal­ter_innen des WGT Ansätze zu einer politischen Verein­nahmung der Schwarzen Szene von rechts – dass ihnen dies nicht bewusst wäre, erscheint mehr als zweifelhaft. Bleibt nur zu hoffen, dass die Auseinandersetzung nicht so schnell wieder im Sande verläuft. Wenn sachliche Argumente nichts bewirken, dann könnten viel­leicht größere finanzielle Einbußen die Veranstalter_innen dazu bringen, ihre Position noch einmal zu überdenken.

(justus)

(1) www.thetalesofasp.com/de/wgtstate­ment.html

(2) www.labellos.de/forum/viewtopic/wgt-die-politik-und-das-verbot-der-freien-meinung-5.html

(3) einen guten Überblick zum VAWS und zu Klumb liefert z.B. Schobert/Dietzsch/Kellershohn: „Jugend im Visier – Geschichte, Umfeld und Ausstrahlung der Unabhängigen Nachrichten“, DISS, Duisburg 2002.

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