Dem Chef kein’n Cent geschenkt

Viel wird von „direkter Aktion“ gesprochen, für die wir nun ein kleines Beispiel anführen wollen. Denn es sind „kleine Alltagsangelegenheiten“, in denen sich große Konzepte ausdrücken. Organisation von unten lohnt sich in der Tat; denn ein Prozess vor dem Arbeitsgericht hätte nicht nur 100 Euro, sondern wohl ein ganzes Jahr gekostet.

Ende Januar suchte ein junger Mann das libertäre Zentrum „Libelle“ auf, um sich Unterstützung zu holen bei der Freien ArbeiterInnen-Union Leipzig. Denn sein (Ex-)Boss wollte ihn wohl um seinen Lohn prellen … Doch beginnen wir von vorn: Im August 2004 hat sich Bruno im damals neu eröffneten vegetarischen Restaurant ‚Lembas’ in der Beethovenstr. 21 beworben, weil er als Koch bereits Erfahrungen in vegetarischen Restaurants in Portugal und Belgien gesammelt hatte. Schließlich unterzeichneten beide Parteien einen Arbeitsvertrag, von dem Bruno nicht mal eine Kopie erhielt, und einigten sich auf einen Stundenlohn von fünf Euro. Das ist freilich eher ein Aushilfslohn als der eines ausgebildeten Kochs – aber woher hätte er das wissen sollen?

Im September trat Bruno also seine Arbeit als Koch in der „Veg` Cuisine“ von Peter Herden an. Neben den anfallenden Hilfsarbeiten, wie Geschirrspülen und Gemüseholen, die er verrichten musste, sollte er sich auch noch in die Zubereitung einarbeiten – ein Blick auf die Speisekarte sollte dazu nach Meinung des Chefs genügen. Nach vier Tagen Arbeit im Restaurant, die er im Verlauf von drei Wochen ableistete, war Bruno allerdings aufgrund des Arbeitsstresses noch nicht in der Lage, alle Speisen vorzubereiten und wurde noch während der Probezeit entlassen, genauer: nach vier Stunden wurde Bruno am fünften Tag nach Hause geschickt. Das Argument des Inhabers war, Bruno arbeite nicht wie ein ‚richtiger Koch’ – das war im Oktober.

Bruno – der in der Zwischenzeit einen anderen Job gefunden hat und 2005 auch in die anarchosyndikalistische Gewerkschaft eingetreten ist – war danach mehrmals bei Herden, um das „Entgelt“ für 36 Stunden seiner Lebenszeit einzufordern, das sich auf 180 Euro summierte. Im Dezember wurde ihm zum letzten Mal versichert, er werde sein Geld bekommen; davon war aber auch anderthalb Monate später noch nichts zu sehen. Tja, was man allein nicht schafft, geht man zusammen an!

Die ersten Überlegungen gingen dahin, einen Brief mit Zahlungsaufforderung zu schreiben. Man verabredete sich, um die Geschichte zu Papier zu bringen; und entschied sich an diesem Tag, Herrn Herden in seinem „Kowalski“ einen Besuch abzustatten, um den Lohn ein letztes Mal einzufordern – ohne vorher großartig Gesetze gewälzt zu haben. Der Geschäftsmann war wohl einigermaßen überrascht, Bruno – dies­mal nicht allein – wiederzusehen und suchte sich zu rechtfertigen: es sei ja nur Probezeit und er mit der Arbeit eben nicht zufrieden gewesen, daher müsse er auch nichts bezahlen. Trotz seiner herablassenden Art ahnte Herden wohl, dass die Drei um seinen „juristischen Irrtum“ wussten – und ließ sich also darauf ein, das Geld am nächsten Tag auszuzahlen.

Doch so harmonisch ging es freilich nicht zu Ende, denn am folgenden Tag konnten nur gut 140 Euro entgegengenommen werden – und Herden verweigerte jedes weitere Gespräch. Im Gegenzug verweigerte Bruno die Unterschrift unter eine der beiden vorgelegten Quittungen und machte sich mit der FAUL daran, das ausstehende Geld schriftlich einzufordern.

Nachdem der Brief abgeschickt war, stellten die jungen Syndikalisten noch ein paar Berechnungen an und kamen zu der Vermutung, dass Herden wohl 20 Prozent Lohnsteuer abgeführt habe – die sich Bruno vom Finanzamt zurückholen muss.

Dieses Beispiel aus der Praxis zeigt, dass es sich lohnt, hartnäckig zu bleiben, und sich auch als „unwissender Jobber“ nicht abwimmeln zu lassen. In den folgenden Wochen, als die Geschichte die Runde machte, stellte sich im übrigen heraus, dass Bruno kein Einzelfall ist und sich der vorenthaltene Lohn teilweise auf mehrere hundert Euro belief. Dagegen gilt es vorzugehen, als erste Schritte zu einer kämpferische Gewerkschaft.

A.E.

Lokales

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