… den Gegenstand verkürzen!

Antifaschistische Arbeit, ob nun aus der Mitte der Gesellschaft oder von derem linksradikalen Rand, ist heutzutage und hierzulande abgesehen von einigen wenigen guten Aufklärungs- und Bildungsinitiativen reiner Selbstzweck am Gängelband einer Identitätspolitik. Entgegen den Haltlosigkeiten einer plural gewordenen Welt wird dabei ein Schild dogmatischer Abgrenzungen errichtet, der den als zugehörig identifizierten In-Sidern eine sichere Basis bietet, die Ausgegrenzten dagegen dem Verdacht latenter und offen faschistischer Umtriebe aussetzt. Beispielhaft war dies noch 2005 in Leipzig anhand der Entwicklung des BgR (Bündnis gegen Rechts und später dann Bündnis gegen die Realität) zu beobachten, in deren Theoriebild letztlich ein Verhältnis von „Nazis“, „Nazinazis“ (sic!!!) und „radikaler Linker“ übrig blieb, deren einziger Differenzpunkt um die (Nicht-)Solidarität mit Israel kreiste. Konsequenterweise erfolgte wenig später die Auflösung.

Dieser Drift von kritischer Analyse hin zu einer identitären Politik entspricht letztlich einem Mangel an gesellschaftlich zur Verfügung gestellten, überzeugenden Identitäten, deren Spannweiten eine individuelle Lebensperspektive erfassen könnten, und ist darin Ausdruck eines flexibilisierten Wirtschaftssystems, das den Individuen ständige Identitätswechsel bzw. neue Anpassungsleistungen abverlangt und kaum noch Nischen bietet. Kein Wunder, dass angesichts solcher Tendenzen die Identität „AntifaschistIn“ wieder boomt, denn was gibt es offensichtlicheres und leichteres, als gegen die Dummheit und Verrohung, gegen die Geschichtslosigkeit und die Relativierung der Naziverbrechen zu sein.

Wie wenig politische Substanz aber letztlich hinter solchen Positionierungen steckt, sieht mensch allein schon an der Hilflosigkeit gegenüber Dresscode-Wechseln und Standpunktverschiebungen des ausgemachten politischen Gegners. Anstelle dass konkrete Handlungen bzw. Organisationsformen zur Identifizierung von richtig und falsch dienen, reichen Klamotten oder abweichende Parolen, um von einer Gesprächshaltung zu einer Haltung überzugehen, die den Out-Sidern gleich mal die eigenen Stiefel schmecken lässt. Aber im Kern hat der gemeine Antifaschist auch nicht viel mehr zu bieten. Die einen üben ihre ohnehin delegierte Selbstbestimmung, indem sie sich als die besseren Demokraten wähnen und während langweiliger Straßenfeste bloß „Gesicht zeigen“, die anderen, indem sie den Status quo für einen visionären Kommunismus offen zu halten glauben, während kaum eineR darüber nachzudenken scheint, was das überhaupt bedeuten könnte.

Dramatischer aber als diese Regression im Geiste sind die Folgen in der jeweiligen Politik. Während die „sauberen“ Demokraten sich an eine gottesdienstartige Anbetung staatlicher Gewaltstrukturen klammern, gehen die fetischisierten „Radikal@s“ auf eigene Faust und dabei völlig kopflos vor. Was davon bleibt, ist die Erkenntnis, dass antifaschistische Aktion entweder in Überflüssigkeit und Staatsaffirmation oder zwangsläufig in sinnloser Gewalttätigkeit und deren Verherrlichung endet. So die bürgerliche Kampagne der Leipziger Courage-Konzerte, die anfänglich noch mitten auf dem Kundgebungsplatz der Neonazis um Christian Worch stattfand; so die „Schöner Leben ohne Naziläden“-Kampagne der radikalen Linken, deren am Anfang noch progressiver Kern, antifaschistische Arbeit auch außerhalb der sächsischen Großstädte zu fördern und zu unterstützen, angesichts des Umstandes, dass es nun solche Läden auch in Leipzig gibt, dazu umzuschlagen droht, die eigene Stadt, den eigenen Kiez nur noch „sauber“ zu halten. Über die Wahl der Mittel wird dabei hüben wie drüben kaum einmal nachgedacht. Wie auch, wenn diese Symptombekämpfungen nur den unreflektierten Selbstzwecken einer möglichst geschlossenen Identitätspolitik folgen. Derweil gluckt die Nation auf ihrer braunen Brut und diese kann beinahe ungestört gedeihen.

Anstelle von Eventmanagement und Demotourismus also ist es Zeit für eine Politik, die den Faschismus mitsamt dem nationalsozialistischen Wahnsinn an den Wurzeln packt, indem sie den Zusammenhang von Armut und Bildung, von Nationalismus und Militarismus, Kapitalismus und Moderne erkennt. Es muß endlich klar werden, dass ein substantieller und wirksamer Antifaschismus seine Basis in einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive findet, die nichts anderes als revolutionär sein kann, wenn es ihr anstehen soll, die Verhältnisse zum Besseren zu wenden.

clov

NazisNixHier

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