Der Alptraum ist aus

Kleine Hommage an die Anti-Olympische Bewegung

Mittwoch, 18.05. 13.30 Uhr, Leipzig – Gleichzeitig mit der Verkündung der Frohen Botschaft vom Ausscheiden der „Heldenstadt“, gibt das Antiolym­pische Komittee Leipzig (AOK) seine Auflösung bekannt. Die Story einer kleinen aber feinen Bewegung, die im Laufe ihrer kurzen Geschichte nicht nur von Seiten der Obrigkeit ignoriert und ab und zu bekämpft wurde, geht zu Ende.

Olympia war kein eingrenzbares „Böses“, gegen das sich eine Bewegung mit Hilfe liberaler Öffentlichkeit hätte wenden können, wie etwa Nazis oder Atomkraft. Olympia war ein tausendfach definiertes Ziel der bürgerlichen Gesellschaft selbst. Der „Leipziger“ im Besonderen und der „Deutschen“ im Allgemeinen.

Spätestens nach der Pro-Olym­pia-Demo des Herrn Führer und der bitteren Erkenntnis, wirklich die komplette selbsternannte „fa­mi­ly“ gegen sich zu haben, lag es nahe, das „Volk“ seiner eigenen Dummheit zu überlassen und sich um anderes als Sport- und Standortkritik zu küm­mern.

Die glor­rei­che Selbst­sicht des AOK-Plakats zur bun­des­wei­ten De­mo am 15. Ma­i, wo ein tri­umphaler Anti-Olympia-Drache den bösen Leip­zig2012-Wurm bezwingt, lag jedenfalls daneben. Passender wäre ein AOK – Don Quijote im heldenhaften aber aussichtslosen Kampf gegen die Leipziger Windmühlen gewesen.

Viele kritische Menschen gelangten während der langen Leipzig-Jubel-Kam­pagne zur makaberen Einsicht, dass sich eine lokalpatriotische Öffentlichkeit nicht überzeugen, aber provozieren lässt. Deshalb gab es während der „heißen Phase“ unmittelbar vor der Entscheidung kei­nen Anti-Olympia-Info­stand im Zentrum, dafür aber nächtliche Aktiv-Spa­ziergänge, um die Stand­ort­politiker mit „Na­del­stichen“ (AOK) zu traktieren.

Durch die sportliche Grund­stim­mung in der Stadt lag es nahe, den anti-olympischen Aktivismus als sportlichen Wettkampf („wir gegen die“) zu begreifen. Die Stadt nahm die Herausforderung an und schickte täglich früh am Morgen ein Sonderkommando der „Blau-Gelben Engel“ zum Übermalen entsprechender Graffiti los. Etwas anderes als blaue one-family-Fahnen sollte nicht zu sehen sein. Andere Leute verlegten sich auf den „Laufe für Leipzig“-Staffellauf, um den Olympia-Stab zu entführen. Nächtelanges Auf-der-Lauer-Liegen und die dauernde Frage, ob es politisch korrekt ist, im Park Leute zu überfallen, führten dann aller­dings doch nicht zum Erfolg.

Was dann folgte, war die bundesweite Demo. Mit Spannung erwarteten viele einen Krawall im Connewitzer Silvester-Stil, oder befürchteten Polizeiübergriffe, was dann aber komplett ausblieb. Im Anschluss ließ sich sogar noch die Pro-Olym­pia-Bühne am Augustusplatz be­setzen, wo laut LVZ „Tausende Leipziger“ gegen „ca. 300 Kritiker“ demonstrierten. Quoten wie in alten Zeiten.

Wenn die Anti-Olympische Bewegung auch klein war – eine große Tragikomik hatte sie auf jeden Fall. Und einen grandiosen Abschluss. – Während sich die Vorzeige-LeipzigerInnen am 18. Mai weinend in den Armen lagen (möglicher­weise um aufs LVZ-Titelbild zu kommen), ließen andere die Sektkorken knallen. Abends sammelte sich am Connewitzer Kreuz eine spontane Party, die sich später an den Südplatz verlagerte, um bis tief in die Nacht mehr oder weniger sportlich die Kreuzung zu besetzen.

Wenn es auch nicht die großartige Bewegung war, die uns das Happy End schenkte, sondern fehlende Leip­­ziger Ho­tel­betten – gewonnen haben am Ende WIR. Es war eine gran­diose Party.

soja

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