„Der FC Bayern und seine Juden“

Subjektive Erlebnisse zum Buch

Bayern München ist für fast jede Person ein Begriff, unabhängig ob diese Interesse für Fußball hat oder nicht. Bei Gesprächen mit Leuten, die sich selber als Fußballfans definieren, kristallisieren sich häufig zwei Positionen heraus: „Das sind die reichen Typen, die alles und jeden aufkaufen“ (Ich hasse Bayern) oder „Ich find die super, die spielen einen tollen und attraktiven Fußball“ (Ich bin Bayern-Fan). Unabhängig davon, dass es anscheinend nur wenige Menschen gibt, die eine gemäßigte Meinung zu diesem Verein haben, hat man das Gefühl, dass die Themen „Reichtum“ und „attraktiver Fußball“ die einzigen sind, die den Hass bzw. das Bayern-Fan-Sein definieren. Dass Bayern viele Erfolgsfans hat, dürfte wohl jedem bewusst sein. Darum überrascht es auch nicht, wenn diese sich selber als Fans eines Vereins bezeichnen, aber nichts über dessen Geschichte wissen. Da die Welt aber nicht nur Schwarz-Weiß ist, gibt es natürlich auch sympathische Bayern-Fans. Als erstes fällt mir da die Schickeria München (Ultrà-Gruppierung) ein, die seit Jahren durch ihr antirassistisches Engagement im Stadion auffällt und die mit dem FCB wahrscheinlich sogar bis in die Regionalliga und noch viel weiter gehen würde. Das sympathische Auftreten der Schickeria und deren Glaube daran, dass hinter Bayern München mehr steckt als nur Geld, veranlasste mich also dieses Buch zu kaufen.

Inhaltlich befasst sich der Autor, ­Dietrich Schulze-Marmeling, mit der Geschichte des FC Bayern München kurz vor der Vereinsgründung (1897) bis heute. Das Hauptaugenmerk liegt natürlich auf dem Einfluss jüdischer Spieler und Funktionäre auf den Verein selber. Aber auch der Einfluss des FCB auf den gesamten Fußball in Deutschland ist Themenschwerpunkt.

Das Buch umfasst zwölf Kapitel mit 287 Seiten. Für mich persönlich war es bis zum siebten Kapitel etwas schwer, in das Buch hinein zu kommen. Das lag vor allem am Aufbau des Buches und daran, dass meine Erwartungshaltung eine andere war. Nach meinem Gefühl beschreibt der Autor immer nur kurz die jüdischen Personen und ihre Funktion im Verein, um dann in den restlichen 2/3 des Kapitels ihre Biographien unabhängig vom Verein zu erzählen. Wie bereits erwähnt entsprach dies nicht meiner Erwartung, da ich mir erhofft hatte, konkretere Informationen zum Wirken der jeweiligen Person im Verein und vor allem genauere Angaben zur Positionierung des Vereins an sich zu erhalten. Ab dem siebten Kapitel („Neuordnung in Politik und Fußball“), das 1933 beginnt, erfüllt der Autor genau diese Erwartungen. Er spricht über die Positionierung und das Wirken des FCB in der Nazizeit. Im Vergleich zu vielen anderen Vereinen, die sich sofort und bereitwillig dem NS-Regime beugten, leistete dieser Verein wenigstens passiven Widerstand. So waren z.B. viele jüdische Personen noch im Umfeld der Bayern aktiv, obwohl sie keine Vereinsmitglieder mehr sein durften. Außerdem war Bayern München einer der letzten Vereine, der eine regimetreue Person zum Vorsitzenden bekam. Der Autor stellt in diesem Kapitel gut dar, dass der FCB, solange es ihm möglich war, auf kleiner Ebene Widerstand leistete, wogegen viele andere Vereine sich nur zu gerne dem Naziregime unterordneten. Schulze-Marmeling arbeitet die Positionierung des Vereins in der NS-Zeit gut heraus.

Den vorher von mir so erwünschten Stil behält er auch zur Aufarbeitung der Nachkriegszeit bei. Ein positives Resümee in Bezug auf die Geschichtsauf­arbeitung des FCB zieht Schulze-­Marmeling allerdings nur bis Ende der 60er Jahre, danach geriete das Thema in Vergessenheit, so der Autor. Er kommt in seiner Untersuchung dahin, dass die Geschichte willentlich nicht aufgearbeitet wird, um „unangenehm zu verarbeitende“ Kapitel der Vereinshistorie auszublenden. Was mich dann wirklich überraschte, war sein Lob für die Schickeria München, da Schulze-Marmeling nicht gerade als Sympathisant der Ultrà-Bewegung bekannt ist. Laut ihm hat die Gruppierung einen großen Anteil daran, dass Anfang des Jahrtausends ein Umdenken im Umgang mit der eigenen Vereinshistorie stattfindet. Die Aktionen der Schickeria, z.B. deren Choreographien zum Auswärtsspiel in Stuttgart für Richard Dombi (1), oder zum jährlich stattfindenden antirassistischen Kurt-Landauer-Turnier (2), sieht er als Fundament für das neue Geschichtsbewusstsein im Verein. Seiner Argumentation nach war dies auch der Auslöser dafür, dass der FC Bayern dem neugegründeten Verein Maccabi München eine Spende über 20.000 Euro übergab und ein Freundschaftsspiel zur Einweihung von dessen Sportstätte absolvierte. Am Ende zieht Schulze-Marmeling dann doch eher eine positive Bilanz zur Geschichtsaufarbeitung – auch wenn er betont, dass es noch viele Mängel gibt.

Somit habe auch ich am Ende eher einen positiven Eindruck von diesem Buch erhalten. Auch wenn der Anfang etwas holprig war, war ich dann doch damit zufrieden, dass mein Beweggrund, das Buch zu kaufen, sich auch im Inhalt bestätigte. Für mich festigte sich das Bild, dass hinter dem FC Bayern mehr steckt als Erfolgsfans und Geld. Der Schickeria München wünsche ich weiterhin viel Erfolg.

Klaus C.

(1) Dombi war der erste Meistertrainer des FCB mit jüdischen Wurzeln.
(2) Kurt Landauer war der jüdische Präsident des FCB, der den Verein sehr prägte.

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