Der Schah, das Öl, Studenten und Khomeini

Die iranische Studentenbewegung zwischen 1950 und 1980

Die StudentenInnenbewegung im Iran steht aufgrund ihrer Vorge­schichte für den Kampf für verbesserte Studienbe­din­gun­gen, gegen die Zensur von Fachliteratur, sowie für die Selbst­organi­sie­rung und gesel­l­schaft­­­­liche Freiheiten.

In den Jahren 1950 -‘53 en­ga­gier­ten sich viele Studier­ende ge­gen die Ver­staat­lichung der von bri­­­­tischen Kon­­­­­­zer­nen beher­rsch­ten Erd­­öl­in­dus­trie, die dem Iran die Kontrolle über die iranischen Bo­den­­schät­­ze entzogen hät­te. Die Stu­­dent­­Innen­be­we­gung spielte eine we­sent­­liche Rolle bei der Auf­klärung der Be­­­völkerung zu diesem Thema.

Die britische und amerikanische Regierung, die die Interessen ihrer Konzerne vertraten, welche ein Auge auf die Öl­reserven des Iran geworfen hatten, einigten sich und inszenierten im September 1953 einen Putsch. Die gewählte Re­gierung von Mohamad Mos­sadegh wurde gestürzt und der zuvor ins Ausland geflüchtete Schah konnte sich wieder auf den Thron setzen.

Wenige Monate nach seiner Machtergreifung schickte der Schah den Studierenden seine Spezialgarde „Garde shahanshahi“ auf den Hals, die Mitte Dezember `53 die technische Hochschule stürmte, zahlreiche Studenten verhaftete und verletzte und drei Hochschüler erschoss. Aufgrund der einsetzenden polizeilichen Repression waren die Student­Innen gezwungen, ihre Aktivitäten im Untergrund fortzusetzen. Im Rahmen dessen bildeten sie sich in verschiedenen Richtungen theoretisch fort, pflegten Sportarten und gemeinsame Unternehmungen, um ihre Widerstandskraft zu festigen und so z.B. im Fall von Festnahmen dem Druck der Verhörmethoden widerstehen zu können. Mit Hilfe von heimlich gedruckten und verteilten Zeitungen und Flugblättern versuchten sie, vom Regime unterdrückte Nachrichten in der Bevölkerung zu verbreiten.

Wenige Jahre später schlossen sich die StudentInnen einer allgemeinen Protestbewegung an, die von den Teheraner Ziegelbrennern ausgegangen war. Sie stellten sich öffentlich hinter die Forderungen der Arbeiter, die sich auf eine Verbesserung der Arbeitsbe­dingungen und Lohner­hö­hun­gen bezogen. Mit Hilfe von Militär und Polizei schlug die Regierung die­­se fried­liche Pro­test­­be­we­gung nieder. Hun­­derte Men­schen wur­den ge­tö­tet, Tau­sen­de ver­­haf­tet. Dies hielt die Stu­­dent­­In­nen nicht ab, sich weiter­hin mit Streiks zu soli­dari­sieren – so bspw. mit den Teheraner Ta­xi­fahrern oder Lehr­ern im lan­des­wei­ten Streik.

Infolge der bis 1962 herrschenden vor­­kapi­ta­lis­­tischen Gesellschaftsordnung geriet das Land nun in eine wirt­schaft­liche, gesellschaftliche und politische Krise – die Un­zufrieden­heit der ein­fachen Bevölkerung griff im­mer weiter um sich. Großgrundbesitzer, die bis zu 500 Ortschaften ihr Eigen nannten, benötigten aufgrund importierter Technologie und neuer Maschinen immer weniger Arbeitskräfte. Der damalige Be­völ­kerungs­anstieg, sowie der Fakt, dass die Mehrheit der Bevölkerung in Dörfern lebte, sorgten für eine massive Landflucht und Ar­beits­losen­heere in den Städten.

Das System der asiatischen Produktionsweise (siehe Kasten) und der Schah standen einer tief greifenden Veränderung im Wege und erst eine Beseitigung dieses Systems und der Sturz des Schahs versprachen Besserung. Diverse Gruppen marxistischer und religiöser Ausrichtung versuchten da­mals an allen Hochschulen Anhänger zu werben und zu organisieren. Die Krise ließ den Thron des Schahs wackeln.

Unter diesen Umständen und dem Druck des US-Präsidenten Kennedy wil­­ligte der Schah schließ­lich in eine Ag­rar­reform ein. Das Land wur­de direkt an die Bauern verkauft. Um auch die Arbeiter auf seine Seite zu bringen, beteiligte das Regime sie zu einem gewissen Prozentsatz am Gewinn und an Fabrikaktien.

Den StudentInnen und Intellektuellen reichten diese Reformen nicht aus, da sie nichts Grundlegendes an den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen änderten. Sie forderten eine Neugestaltung, zu der der Schah weder in der Lage noch Willens war. Daher wurden sie, wie schon 1953, von Polizei und Militär attackiert, diesmal unter dem teilweisen Beifall der Bauern und Arbeiter. Massenver­haf­tungen, Folter und Hinrichtungen der politisch Aktiven, sowie der StudentInnen waren die Folge.

Da bis 1978, jegliche oppositionellen politischen Parteien und Organisationen verboten waren und kein legaler politischer Freiraum existierte, verwandelten sich die Hochschulen, be­son­ders in den großen Stä­d­ten, in wichtige Zen­t­ren, in denen Dichterle­sungen, Vor­­träge, Theater- und Filmvorführungen ver­­­an­staltet und verbotene Bücher, Zeitungen sowie Flugblätter verteilt wurden. So spürte man den politischen Kampf gegen den Schah vor allem an den Universitäten, in diesen Kreisen wurden auch die Methoden des Kam­p­fes festgelegt. Die Unis waren ein Ort öffentlicher Treffen, Versammlungen, Kundgebungen und Demos, ein Treffpunkt der politischen Kräfte und der Student­Innenbewegung, die sich in Dutzende marxistischer und religiöser (nicht Kho­meini Anhänger) Gruppierungen aufsplitterten.

Es gab zwei Grundpositionen, die in damaligen Diskussionen zutage traten: Die Anhänger der einen Richtung wurden als „die Militärischen“ ,„nezamiyoon“ bezeichnet; die anderen als „die Politischen“, „siasiyoon“. Jede Richtung war wiederum in eine marxistische und eine religiöse Fraktion gespalten.

Die marxistischen Kräfte, die behaupteten, sie würden die unteren Klassen vertreten, übersahen dabei, dass politische Ideen und Theorien ihren Ursprung in der politischen Praxis haben. Sie hatten nur Theorien, Ideologien und Programme mit denen sie die StudentInnen und Intellektuellen um sich scharen wollten. Sie machten keine Anstrengungen, die unteren Klassen bei deren Selbstorganisation zu unterstützen. Diese Linken Kräfte waren vor allem an den Universitäten und in der gebildeten Schicht präsent. Damit überließen sie das Feld den Islamisten, die durch die Moscheen als Versammlungsorte mehr Möglichkeiten hatten, die Menschen an sich zu binden.

Im Zuge der iranischen Revolution 1979 kehrte u.a auch der Schiitenführer Khomeini aus dem fünfzehn jährigen Exil in Frankreich in den Iran zurück. (siehe Kasten) Bei seinem ersten Besuch im Zentrum Teherans ging er in eine halbreligiöse Schule und forderte seine Anhänger auf, ihn dort aufzusuchen. Khomeinis Hintergedanke war, das Zentrum des Kampfes von der gegenüberliegenden Uni zu sich herüberzuziehen. Seine Rechnung ging nicht auf. Die Bewegung versuchte weiterhin, demokratische Rechte zu etablieren und trat für die Freiheit der religiösen Minderheiten, der politischen Organisationen und Parteien, der Zeitungen und für freie Meinungsäußerung ein. Das war für Khomeini unakzeptabel, er wollte eine Islamische Republik – kein Wörtchen mehr und keins weniger!

Im Mai 1980 gab der Führer der Revolution, Khomeini, den Befehl zum Angriff. Mit Knüppeln bewaffnete Anhänger der Gottespartei, der Hes­bol­lah, stürmten die Unis und schlossen sie. Zwei Jahre lang blieben die Hoch­schulen ge­schlos­­sen, wur­den Tausende von StudentInnen und Lehr­kräften ver­haftet, gefoltert, ins Gefängnis gebracht und hingerichtet.

1982 wurden die Unis wieder geöffnet, tat­säch­­lich offen standen sie aber nur den Anhängern des Regimes und denen, die Beziehungen hatten. Nach der Wiedereröffnung gab es an jeder Uni, jedem Institut, jeder Akademie, sogar in jeder Klasse einen Islamischen Verein, der unter der Aufsicht eines direkt von Chomeini ernannten Vertreters stand.

worujdschak

Fortsetzung folgt…

Khomeini (1900-1989):

… gilt als der Gründer der Islamischen Republik im Iran, er regierte diese bis zu seinem Tod. 1964 aus dem Iran aufgrund seiner Beteiligung am Aufstand von 1963 gezwungen, das Land zu verlassen, lebte er im Irak, den er wiederum wegen seiner Tätigkeit als religiöser schiitischer Führer verlassen musste.

Er ging ins türkische Exil von wo er 1965 in den Irak floh, bis er von Saddam Hussein nach Frankreich exiliert wurde.

In Frankreich avancierte er für die französischen Medien zum „Spezialisten“ in Sachen Iran und erlangte weltweite Bekanntheit. 1979 kehrte er während der Iranischen Revolution wieder in seine Heimat zurück. Diese bedeutete u.a. den Sturz der Monarchie, die Gründung von Arbeiterräten und die massenhafte Befreiung von Gefangenen.

Am 11. Februar desselben Jahres kam Khomeini im Rahmen eines Referendums an die Macht. Es sollte darüber abgestimmt werden, ob der Iran ein islamischer Staat sein soll. Da ein Nein mit Zustimmung zur gerade gestürzten Monarchie verbunden wurde, „stimmte“ die überwiegende Mehrheit für eine islamische Republik.

1979 gründete Khomeini die „Islamische Republik Iran“, eine auf dem Prinzip der Statthalterschaft der Rechtsgelehrten (Velayate-Faqih) beruhende Herrschaft der islamischen Geistlichkeit. Er ernannte sich selbst zum Staatsoberhaupt auf Lebenszeit, Führer der Revolution und Obersten Geistlichen Führer in einem. Innerhalb der ersten Jahre etablierte er ein streng religiöses System. Im Zuge dessen wurden neben linken und monarchistischen Oppositionsgruppen auch die meisten seiner Wegbegleiter aus seiner Pariser Exilzeit hingerichtet bzw. zur Flucht gezwungen und schließlich selbst religiös-liberale Kräfte verfolgt. Wichtiger Pfeiler bei der Festigung seiner Herrschaft über den Iran war die Etablierung verschiedener paramilitärischer Gruppen und so genannter „Komitees“, die das Verhalten der Nachbarn untereinander überwachten.

Asiatische Produktionsweise:

Der Terminus stammt von Karl Marx und bezieht sich auf die Eigentümlichkeit asiatischer Hochkulturen, die sich aufgrund ihrer spezifischen Organisation von Gemeinschaftsarbeit für die Bewäs­serungs­aufgaben nicht kapitalistisch entwickelten. Zwar ergaben sich Ansätze einer industriellen Entwicklung, doch schöpfte der Staat die Gewinne so rasch wieder ab, dass sich aufgrund der fehlenden privaten Reinvestitionen keine Dynamik der industriellen Entwicklung ergab, die der europäischen vergleichbar wäre.

Nur Japan bildete eine Ausnahme, da es als einziges Land außerhalb Europas eine ähnliche geschicht­liche Entwicklung durchmachte und schließ­lich Ende des 19. Jahrhunderts eine industriell-kapitalistische Gesellschaft aufbaute, die mit den europäischen Großmächten konkurrierte.

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