Ab dem kommenden Jahr will die Stadtverwaltung Leipzig AsylbewerberInnen den „selbstständigen“ Einkauf in ausgewählten Supermärkten gestatten. Statt der bisherigen Gutscheine, mit denen aus einem begrenzten Angebot zu festgesetzten Preisen Essen, Körperpflegemittel und Kleidung sieben Tage im Voraus bestellt werden konnte, soll es nun Chipkarten geben. Bürgermeister Fabian (Beigeordneter für Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule) preist dies als „erheblichen Zuwachs an Lebensqualität für die Asylbewerber“, wobei er zu vergessen scheint, dass die Stadt bereits vor einigen Jahren viel weiter war und die Auszahlung von Bargeld vorschlug. Dieser Vorstoß wurde aber von der Dresdner Landesregierung damals abgeblockt. Bis 2007 gab es auch in Dresden Kataloggutscheine, seit einigen Monaten wird aber endlich Bargeld ausgezahlt. Statt dass die Stadt Leipzig nun in die geschlagene Bresche springt und ebenfalls zur kostengünstigsten Variante Bargeld greift, soll hier nun das Chipkartensystem eingeführt werden… einen Schritt vor und zwei zurück…
Was ist denn nun das Problematische an den Chipkarten?
Zum ersten die Entmündigung: AsylbewerberInnen mit Chipkarte dürfen zwar einkaufen, aber sie können nicht wählen, wo. Also: keine Wahlfreiheit und lange Anfahrtswege mit den damit verbundenen Kosten für den ÖPNV!
Zum zweiten die Diskriminierung: Wenn an der Kasse der Verkäufer umständlich die Chipkarte auf Guthaben und Gültigkeit prüft, ist für alle Anwesenden klar: Hier kauft ein Asylbewerber ein. Zum dritten die Kontrolle: Jeden Monat müssen die AsylbewerberInnen zum Aufladen ihrer Karte zum Sozialamt fahren. Einige, denen die Bearbeiterin im Sozialamt den Umgang mit Geld nicht zutraut, werden sich ihre jeweiligen Beträge einmal pro Woche abholen müssen. Außerdem wird gespeichert, wann, wo und wie viel die AsylbewerberInnen einkaufen und von MitarbeiterInnen des Sozialamtes kontrolliert. Und schließlich: die AsylbewerberInnen erhalten ohnehin nur Leistungen unter der Hartz-IV-Grenze (ca. 80%) der Sozialhilfe). Mit den Chipkarten kontrolliert die Stadt zudem, dass AsylbewerberInnen bestimmte Produkte nicht kaufen können. Zigaretten und Alkohol zum Beispiel. Dahinter steht die Vorstellung, AsylbewerberInnen könnten nicht mit Geld umgehen.
Damit bleibt mit Katalogen, wie mit Chipkarten kein Geld für öffentliche Verkehrsmittel, Sprachkurse, dringend benötigte Anwälte, Kindergärten und Schulkosten, Telefon etc. Reinhard Boos (Sächsisches Innenministerium) drückte dies so aus: „eine gewollte Einschränkung in der freien Gestaltung des Lebens“. Auch wenn ein Einkauf per Chipkarte tendenziell weniger Isolierung und mehr (aber keine freie) Auswahl ermöglicht geht es immer noch um eine rassistische Praxis, die sich fortschreibt. Das zu ändern, hat sich die Umtauschinitiative „Anders einkaufen“ auf die Fahne geschrieben. Darum: Kaufen wir ein, damit andere einkaufen können!
Tauschen wir mit den AsylbewerberInnen ihre Gutscheine/Chipkarten gegen Bargeld, damit sie wenigstens ein bißchen mehr Geld zur Verfügung haben, als die 40 € „Taschengeld“ im Monat!
Infos unter: www.anders-einkaufen.de