„Leipzig sagt nein!“ So steht es auf den Schildern. An die hundert Bürgerinnen und Bürger haben sich trotz des nasskalten Novemberwetters eingefunden. Dicht gedrängt stehen sie auf dem Parkplatz vor dem Neuen Rathaus, halten Fackeln, Transparente, Mistgabeln. Ab und an branden Sprechchöre auf: „Die Kirche muss weg! Wir sind das Volk!“
Die Menschen sind wütend, das ist deutlich zu spüren. Denn hier am Innenstadtring soll in naher Zukunft ein katholisches Gotteshaus stehen. Der Rohbau steht bereits, in klotzigem Beton zeichnet er sich grau vor dem abendlichen Himmel ab. 600 Plätze soll das Gebäude am Ende fassen, der größte Kirchenbau im Osten seit der Wiedervereinigung.
Doch nun sehen viele Anwohnerinnen und Anwohner sich und die heimische Kultur bedroht. Seit Wochen laufen sie Sturm gegen das Bauvorhaben. Renate R.* lässt ihrem Zorn freien Lauf, als wir sie ansprechen: „Dafür sind wir 1989 nicht auf die Straße gegangen! Da ging es um Freiheit und Demokratie. Katholischen Hasspredigern den Raum für ihre Propaganda zu geben, das war nicht der Sinn der Sache.“ Ein älterer Mitdemonstrant empört sich: „Warum treten die hier lebenden Katholiken nicht zum evangelischen Glauben über? Das würde in der Bevölkerung wirklich gut ankommen und einen echten Beitrag zur Integration leisten!“
Nahezu täglich finden Protestkundgebungen statt, fast 2000 Menschen haben die Onlinepetition bereits unterschrieben. Initiiert wurde die Unterschriftensammlung von Rolf-Dieter Pfost, der für die DSU im sächsischen Landtag sitzt. Seit über zwanzig Jahren wohnt Pfost bereits in Leipzig. Ein katholisches Gebetshaus an diesem zentralen Standort sei eine Provokation, sagt er und fügt kopfschüttelnd hinzu: „Hier in unmittelbarer Nähe gibt es auch eine Schule und einen Kindergarten. Ich weiß wirklich nicht, was die Stadtoberen sich dabei gedacht haben.“
Dagegen mahnte der Leipziger Polizeipräsident Bernd Merbitz zur Besonnenheit. Etwaige Befürchtungen vor einem möglichen Anstieg der Kriminalität seien unbegründet: „Aus den Statistiken, die wir haben, lässt sich das nicht ablesen. Die meisten Katholiken halten sich an die Gesetze. Aber wenn es konkrete Hinweise oder Beschwerden aus der Bevölkerung gibt, werden wir diesen natürlich nachgehen.“
Die Katholiken sind eine Minderheit in Leipzig. Nur 4% der Bevölkerung hängen dieser Glaubensrichtung an, die meisten hier sind Lutheraner. Auch Bert Kühne, Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der Stadt, zeigt sich entsprechend „befremdet“. Der katholische Glaube erscheine „vielen als sehr intolerant, wenig aufgeklärt und protestantenfeindlich“.
Rolf-Dieter Pfost dagegen spricht geradezu von einer „Unterwanderungsstrategie“ der katholischen Kirche. Seiner Meinung nach ist es kein Zufall, dass der Katholikentag 2016 ausgerechnet in Leipzig stattfinden soll. Rund 100.000 Katholiken sollen dann die Straßen der Stadt bevölkern. „Die katholische Kirche tritt offensiv missionarisch auf”, sagt Pfost. Solch schleichende Katholisierung löse bei vielen Menschen Ängste aus. Die müsse man ernst nehmen und dürfe die Leute nicht in die rechte Ecke stellen.
Protest kommt auch von der Jugendorganisation der FDP. Die hat eine eigene Kampagne „Vorfahrt für Autos!“ gestartet. Ihr Sprecher Lutz Fadquasel erklärt auf unsere Anfrage hin: „Die Wirtschaftsregion Leipzig lebt vom Verkehr. Angesichts des Parkplatzmangels in der Leipziger Innenstadt ist es geradezu unverantwortlich, wie hier weitere wichtige Flächen für ein dubioses Bauvorhaben geopfert werden!“ Zwar sei die Religionsfreiheit ein schützenswertes Gut, erklärt Fadquasel: „Aber um Leipzig nach vorne zu bringen, brauchen wir zukunftsweisende Konzepte, keinen Ökosozialismus oder Multikulti-Luftschlösser!“ Auch der Wurstverband Leipzig e.V. unterstützt die Kampagne.
(justus)
*Name von der Redaktion geändert.