„Eigentum ist Diebstahl“

Von Umsonst-Kampagnen und Pinken Punkten

„Eigentum ist Diebstahl“(1) ist nicht nur phi­losophisch dahingesagt. Diese Ansicht ist auch ein Ausgangspunkt für die „Um­so­nst-Kampagnen“ oder auch „An­eig­nung­s­­bewegungen“ der letzen Jahre in der BRD und auf aller Welt, ob Spa­nien, Süd­af­rika, Polen, Argentinien (Feier­­abend! #2). In ihr ver­leihen Menschen der recht pau­scha­len For­derung „Alles für Alle – und Zwar Um­­sonst“ Aus­druck. Diese For­de­rung lässt sich ei­nerseits aus der Fest­stellung ab­lei­ten, „dass bestimmte men­sch­liche Be­dürf­nisse zum Le­ben da­zugehören und da­her für jeden erfüllbar sein müs­sen.“(2). An­der­­erseits lässt sich fest­halten, dass „es fak­tisch un­möglich ist, den Anteil zu be­stim­men, der in der ge­genwärtigen Pro­duk­tion ei­­nem jeden zu­fallen könn­te“(3). Wer will sich anmaßen, angesichts der mo­dernen Ar­­beitsteilung, die nicht zuletzt ein Er­ge­bnis ge­sell­schaft­licher Prozesse ist, die also ge­rade nicht in­dividuell zuschreib­bar sind, zu berechnen, wel­cher Teil vom ge­sell­schaft­lich ange­häuften Reich­tum der/m Ein­zelnen zu­steht?

Bei der „Umsonst-Kam­pag­ne“ geht es nicht um die gewalttätige Aneig­nung aller Gü­­ter, die mensch begehrt. Nein. Viel­mehr ist es ein Versuch, mit praktischen Ak­­tionen wie „Frei­­schwim­men“ oder frei­er Bahnfahrt, Räume in der Gesellschaft zu­­rückzu­erobern, die durch Privatisier­ung, Aus­grenzung oder dras­tische Preis­er­­höhungen für viele zu verbotenem Ter­rain oder uner­schwinglich geworden sind.

In dem Maße wie die Preise stiegen, schei­nen die finanziellen Mittel Vieler ge­sun­ken zu sein. Sei es der Ver­lust des Arbeits­platzes, die Strei­ch­ung von So­zial­leis­tun­gen (Hartz IV) oder leere Lan­des­kas­sen, die Sub­ven­­­­tio­nen für Schwimm­­­­­bäder und an­dere öffent­liche Ein­rich­tungen nicht mehr mö­g­lich ma­chen.

Um aus dieser Misere zu ent­kom­men, raten die von Oben: WIR sol­len alle mehr konsumieren, um die Wir­t­schaft an­zu­kurbeln und gleichzeitig müs­sen WIR sparen (d.h. weniger Lohn, Ren­­te,..), um das Staats­­säckel wieder zu fül­­l­en. Und dann wird all­es schon wieder gut… irgendwann… später.

Die­­se Argumentation mutet sicher nicht nur den „Umsonst-Kampagnieros“ ab­­surd an, die sich deshalb nicht da­rauf be­schränken vom Staat zu fordern, er solle es den „Bedürftigen“ ermöglichen auch teil zu haben am öffentlichen Leben, son­­­dern eher auf die ‚direkte Aktion‘ bauen. Die können sowohl symbolischen, als auch konkret verändernden Charakters sein.

Schon im Sommer 2002 fand daher eine eh­­er symbolische Aneignungsaktion, der „Sturm aufs Prinzenbad“, in Berlin statt. Hier haben die „autonomen Frei­schwim­mer­Innen gegen exorbitante Ein­tritts­prei­se in den Berliner Bäderbetrieben pro­tes­tiert. Prinzenbad umsonst lautete die Pa­role“ (www.berlin-umsonst.tk). Die Ant­wort der Staats- und Senatsgewalt da­rauf hieß, wie nicht anders zu erwarten: Re­pres­sion, was in drei Verhandlungen mün­­dete. Die letzte endete am 11.5.2005 mit der Einstellung des Ver­fahr­ens gegen 600 Eu­ro Strafe und der Fest­stellung, dass es sich beim Sturm aufs Prin­zenbad nicht um schwe­ren Land­frie­dens­­bruch handelte. Ein Bade­be­triebs­lei­ter fasste vor Gericht das Anliegen der Frei­schwimmerInnen noch einmal passend zusammen: „die woll­ten alles, BVG (Berliner Verkehrs Ge­sell­schaft), Strom, Freibad, alles umsonst, bloß nicht ar­bei­ten“ (taz 12.5.2005).

Im Mai 2003 wurde dann die Kam­pagne „Ber­­linUmsonst“ ins Leben gerufen, um im konkreten Alltag gegen aus­schlies­sen­de, re­­pressive und diskriminierende Struk­­tu­ren anzugehen. Aktions­mög­lich­kei­ten gibt es in diesem Rahmen viele. Ob der kos­ten­lose Schwimmbadbesuch, die freie Fahrt mit öffentlichen Ver­kehrs­mitteln, die Rückeroberung öffentlicher Plätze mit dem „Reclaim The Streets“-Mo­dell („Die Stras­­se zurückerobern“-Stras­senfest, na­türlich nicht genehmigt vom Ordnungs­amt) oder gar Hausbesetzungen.

Die aktuellste Aktion, die im April 2005 für alle KostenlosFahrer im Berliner Stadt­verkehr (und überall) startete, ist der „Pin­ke Punkt“. Sie interveniert konkret im All­­tag eines jeden mobilen Menschen und bie­­tet die Möglichkeit vor Ort, in der Bahn, Widerstand gegen ausgrenzende Preis­politik und die damit verbundene Re­pression und Kontrolle zu leisten. Der „Pin­ke Punkt“ bedarf und bewirkt, auf­grund des kontinuierlichen Charakters, zu­­dem die Vernetzung der Beteiligten und kann so Raum für gemeinsame Politik auch in anderen Bereichen des Alltags schaff­en, am Arbeitsplatz, auf dem Amt oder im Einkaufszentrum. Bereichert wur­de der „Pinke Punkt“ durch eine Plakat­ak­­tion Ende April diesen Jahres, die einige der 225 Berliner Kontrolleure im Fahn­dungsfotostil der Öffentlichkeit bekannt machte. Was die BVG Sprecherin „Einfach ge­­schmacklos“ fand, diente laut Aussage der PlakatMacher der Verhinderung von „Fahr­schein-Kontrollen, indem ihr euch Kon­­trolleure merkt und sie wieder er­kennt. Sie beim Umsteigen begleitet. An­de­re Fahrgäste frühzeitig auf sie auf­merk­sam macht.“ (BZ, 27.04.05).

Es ist egal, ob die Aktionen tatsächlich in den Alltag eingreifen, oder zunächst sym­­bo­lisch bleiben. Was zählt, ist in allen Le­­bens­lagen an den vermeintlich natur­ge­­ge­ben­en Verhältnissen des Kapitalismus und spe­ziell seinen neoliberalen Aus­wir­kungen, zu rütteln und sich mit Un­ge­hor­sam die ‚Räu­me´, die allen gehören wieder an­­zu­eig­nen. Gegen Verschärfung der Le­bens­­be­dingungen, Ausgrenzung und un­be­­zahl­ba­re Fahr­karten! Solidarität von un­ten!

wanst

Nachsatz:
Nachdem die Deutsche Bahn En­de Ap­ril 2005 den Anbieter des Web­raumes der Kampagne drängte, die alte Sei­te www.myblog.de/berlin-umsonst vom Netz zu nehmen, ist sie jetzt wieder on­line unter *www.berlin-umsonst.tk.
Hier fin­den sich auch Informationen zur recht­lichen Seite des „Schwarz Fahrens“: *www.nulltarif.tk

(1) in: Pierre Joseph Proudhon: Was ist Eigentum? 1840)
(2) aus: „Dresden. Umsonst“ in Beilage zu Contraste April 2004 (www.dresden-post­platz.de)
(3) in: Kropotkin „Der Wohlstand für Alle“

*How to think pink…

Der Pinke Punkt soll an Bahnsteigen als Treff­punkt und an Kleidung als Er­kennungs­zeichen die­­nen, für alle, die umsonst ans Ziel wollen. Und das ohne Angst vor Kontrolleuren.

Ge­meinsam gegen Einschränkungen der Mo­bi­li­tät vorzugehen ist immer besser. Men­sch kann sich zum einen eher über­win­den etwas „Verbo­te­nes“ zu tun, zum anderen fällt es in der Grup­pe viel leic­h­ter, den Kontrolleuren zu er­klären, dass sie jetzt Pause haben. Aber auch allei­ne kön­nen Kontrollen durch einen wach­samen Blick, Warnungen an andere oder Ver­zö­gerungs­tak­tiken (lange nach dem Fahr­schein suchen) so­li­darisch verhindert und so die „freie Fahrt“ ge­sichert werden. „Pink“-Bekenner fordern aber auch das En­de diskriminierender Praktiken ge­gen Flücht­linge und MigrantInnen, die von der „Resi­denzpflicht“ in ihrer Beweg­ungs­frei­heit ein­ge­schränkt werden. Ein Ausflug vor die Stadt kann da schnell im „Ab­schie­be­lager“ enden.

MOBILITÄT FÜR ALLE!

Wo es Einschränkungen der Be­wegungs­frei­heit gibt, gibt es Strategien, trotzdem in Bewegung zu bleiben.

THINK PINK!

Bewegung

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