Freie Kulturszene Leipzig: Schützen & Fördern

Schon lange hatten die Vertreter_innen der Freien Kulturszene in Leipzig eine Er­höhung der Fördergelder von Seiten der Stadt gefordert. Mittlerweile wurden diese Be­strebungen von Erfolg gekrönt: Am 17. Sep­tember beschloss der Stadtrat, die Zu­schüsse für freie Kultureinrichtungen bis 2013 etappenweise auf 5% des städtischen Kul­turetats anzuheben. Der angespannten Haus­haltslage wegen ist es freilich noch un­klar, ob dies schon für das Jahr 2009 Aus­wirkungen haben wird.

Welche Interessen diese Ent­schei­­dung motivierten, mach­te CDU-Frak­­­tion­s­chef Alexan­­der Achminow deut­lich: „Auch die freie Kultur ist ein harter Wirt­schafts­­faktor für Leip­zig“ (*). Falk Elstermann, Ge­schäfts­führer der NaTo und Sprecher der 2001 gegründe­ten Initiative Leipzig Plus Kultur, argumen­tiert in einem In­ter­view mit der Leipziger Volks­zeitung ähnlich: „Kultur ist für Leipzig das Iden­tifi­kations­merkmal schlechthin (…) Das macht die An­ziehung der Stadt aus, auch für die Wirtschaft“ (*).

Bei genauerem Hinsehen könnte einem auf­fallen, wie schwach dieses Argument ist. Denn gerade weil Kultur (auch) ein Wirt­schaftsfaktor ist, werden bestimmte Be­reiche überproportional gefördert: Die Ma­nager großer Unternehmen werden mit ihren Geschäftspartnern eben eher in die Oper gehen als in die Ilses Erika, und ja­panische Touristen werden sich eher von Jo­hann Sebastian Bach nach Leipzig locken lassen als von der NaTo.

Es wäre leicht, den Vertreter_innen der Freien Szene Opportunismus vorzuwer­fen. Aber wenn man an die großen För­der­töpfe rankommen will, muss man den Entscheidungsträgern eben das erzählen, was sie hören wollen. Viel entscheidender als die Frage, zu welchen Mitteln mensch greift, um an Geld zu kommen, ist in die­sem Fall die Frage, was anschlie­ßend mit die­sem Geld passiert. Von einer Erhöhung des Etats könnten durchaus auch unter­stüt­zenswerte Projekte profitie­ren, die Kul­tur auch für „soziale Rand­gruppen“ zugänglich machen und sich dementspre­chend eben nicht rentieren.

Auf der anderen Seite fragt sich, was das gan­ze Getöse überhaupt soll. Dass die Distillery (ein Projekt, dass immerhin mal aus der Leipziger Hausbesetzerszene her­vor­­ge­gangen ist) künftig ihre Eintritts- und Getränkepreise auf ein auch für Hartz-IV-Empfänger erschwingliches Maß senken wird, ist sicher nicht zu er­warten. Und dass die NaTo in ernsthaften Finanznöten stecken sollte, erscheint an­ge­sichts ihres gut laufenden Kneipenbe­triebs auch als unwahrscheinlich. Selbst wenn eine Erhöhung des Etats nicht das schlechteste Ergebnis ist: Praktische Soli­da­­rität untereinander wäre wohl hilfrei­cher als der Ruf nach Fördergeldern.

Denn immerhin müssen andere Kultur­pro­jekte schließen oder haben mit ernst­haften Schwierigkeiten zu kämp­fen. So muss­te im Juni das Kulturbund­haus den Be­trieb auf unbestimmte Zeit ein­stellen. Of­fiziell werden bauliche Män­gel, vor al­lem in Hinblick auf Brand­schutz­be­stim­mun­gen, als Ursache angege­ben – ganz in­of­fiziell dürften aber auch An­wohner­be­schwer­den wegen Lärmbe­lästi­gung durch vor dem Haus herum­ste­hende Partygäste eine Rolle gespielt ha­ben. Die Zukunft ist je­denfalls ungewiss, die Kosten für eine Sa­nierung des Altbaus könnten sich auf bis zu 1,5 Mio. Euro belaufen. Wenn sich kein Investor findet, der bereit ist, einen Teil der Kosten zu übernehmen, dürfte dies das endgültige Aus bedeuten.

Mit ähnlichen (wenn auch nicht ganz so dra­­­matischen) Problemen hat auch das FrühAuf zu kämpfen. Nach Anwohner­beschwerden anlässlich einer Veranstal­tung Anfang Oktober erhielt man dort Be­such von Ordnungsamt. Um weiteren Prob­lemen aus dem Weg zu gehen, wur­den alle bis zum Ende des Jahres geplanten Ver­anstaltungen abgesagt.

Ob wir auch in Zukunft noch eine rege Kul­turszene in Leipzig haben werden, hängt sicher nicht nur vom Etat ab, son­dern davon, ob die einzelnen Vereine und Pro­jekte willens sind, über ihren je­wei­ligen Tellerrand zu schauen und sich auch dann wechselseitig zu unter­stüt­zen, wenn es nicht um För­der­­gelder geht. Ob sie sich auf die Rolle von Er­fül­lungsgehilfen der städ­tischen Stand­ort­politik reduzieren las­sen und es sich in dieser Nische gemütlich einrichten, oder ob sie Räume für eine wirklich „al­ter­native“ Kultur schaffen, eine Kultur, deren Inhalt mehr ist als die nächste Party.

justus

(*) siehe www.soziokultur-leipzig.de/fuenf-fuer-leipzig/die-kampagne/pressespiegel/

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