Hand in Hand mit den Bossen

Es war wohl ein schwerer Schlag für die DGB-Vorstände, als das Bundesarbeitsgericht in Erfurt am 23. Juni 2010 sein Urteil verkündete: Das bislang gültige Prinzip der „Tarifeinheit“ widerspricht dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit und muss folglich aufgegeben werden. So könnten in einem Betrieb auch mehrere Tarifverträge gleichzeitig bestehen – entscheidend sei dabei nicht die Betriebs- sondern die Gewerkschaftszugehörigkeit. Bis dato hatten die DGB-Gewerkschaften dank des „Mehrheitsprinzips“ eine fast uneingeschränkte Monopolstellung gegenüber kleineren Gewerkschaften. Denn damit waren die von der mitgliederstärksten Gewerkschaft im Betrieb abgeschlossenen Verträge auch für die Mitglieder anderer Gewerkschaften bindend, ebenso wie die mit dem Tarifvertrag einhergehende Friedenspflicht, also der für einen bestimmten Zeitraum vorgeschriebene Verzicht auf Streiks und sonstige Arbeitskämpfe. Damit ist nun erstmal Schluss, auch kleinere Gewerkschaften können jetzt eigene Tarifverträge abschließen und unabhängig streiken. Von der Neuregelung profitieren z.B. Spartengewerkschaften wie die GdL oder Cockpit, die in den letzten Jahren durch für deutsche Verhältnisse ungewohnt energische Arbeitskämpfe auf sich aufmerksam machten.

Im DGB-Vorstand sieht man nun das althergebrachte Monopol bedroht. Auch die Unternehmer sind unzufrieden, sicherte ihnen die „Tarifeinheit“ und die daran orientierte Rechtsauslegung der Arbeitsgerichte doch jahrzehntelang ein geringes Streikaufkommen, niedrige Löhne und damit handfeste Standortvorteile. Kein Wunder also, dass beide Parteien nun gemeinsame Sache machen. Schon vor dem Urteil präsentierten DGB-Chef Sommer und Arbeitgeberpräsident Hundt am 4. Juni einen gemeinsamen Gesetzesentwurf, mit dem die Tarifeinheit verbindlich festgeschrieben werden soll. Sommer machte dabei unmißverständlich klar, auf welcher Seite er selbst und der DGB stehen: „Die Gewerkschaften und die Arbeitgebervertreter übernehmen Verantwortung in der Krise. Sie arbeiten zusammen, wo dies möglich und nötig ist“. Der Boss und der Genosse zeigten sich zuversichtlich, dass die Regierung ihre Initiative unterstützen würde. Justiz- und Arbeitsministerium wollten sich zwar bislang noch nicht festnageln lassen, wollen den Sachverhalt aber prüfen. Man darf auf das Ergebnis gespannt sein.

Auch ein weiterer Versuch, sich auf juristischem Wege einer unliebsamen Gewerkschaft zu entledigen, ist mittlerweile vor Gericht gescheitert. Am 10. Juni hob das Kammergericht Berlin die von der Geschäftsführung des Kinos Babylon gegen die Freie ArbeiterInnen-Union Berlin angestrengte Einstweilige Verfügung (siehe FA!# 36) auf. Die Berliner FAU darf sich nun offiziell wieder als Gewerkschaft bezeichnen.

(justus)

Schreibe einen Kommentar