Hartz bleibt Hartz

Das zweite Gesetzespaket ist kein Aprilscherz. Und auch wenn sich Dr. Hartz über den Zeitarbeit-Tarifvertrag mokiert, Hartz bleibt Hartz. Warum? Dazu im folgenden.

Die „Arbeitsmarktreform” ist noch nicht komplett, auch nachdem am 1. April das zweite Gesetzespaket in Kraft getreten ist. (Damit werden folgende Maßnahmen eingeführt: PSAen, „Ich-AG“s und „MiniJobs“.) Auf Bundesebene werden neue Vorschläge gemacht, so soll der Bezug des beitragsfinanzierten Arbeitslosengeldes erheblich, nämlich von 32 auf zwölf Monate reduziert werden. Der Gesetzesentwurf war zu Redaktionsschluss zwar noch nicht auf dem Tisch, die Frankfurter Rundschau (30.3.03) berichtete jedoch vorab, die Regelung sei für 2004 vorgesehen und solle nach einer Übergangsfrist ab 2006 volle Wirksamkeit erlangen – das Arbeitsamt will so jährlich mindestens zehn Milliarden Euro einsparen. Da können und wollen die Kommunen nicht hintan stehen. Im Zuge der Gemeindefinanzreform, die noch im ersten Halbjahr 2003 umgesetzt werden soll, stellen sich „Experten“ wie der Staatssekretär Anzinger die Sanktionierung bei einer Weigerung der Arbeitsaufnahme (zur neuen Zumutbarkeit, siehe FA! #5) die Kürzung der Bezüge um 30 (!) Prozent vor. Zugleich sollen „Kommunale Beschäftigungsagenturen“ sicherstellen, dass besonders jugendliche Erwerbslose – 6.500 in Leipzig (Sept. 2002) – einen geregelten Tagesablauf haben. Dies könnte durchaus die Gestalt der „Hamburger Arbeit“ (HAB) annehmen. Dort kann zusätzlich zum Arbeitslosengeld gearbeitet werden, für einen Euro die Stunde! Billiger ist die Arbeitskraft wohl nur noch im Knast zu haben. Allerdings sind deutliche Angleichungstendenzen zu beobachten, ist doch durch das Damoklesschwert der Kürzung, gleichsam durch die Hintertür, ein Arbeitszwang eingeführt – nur eben nicht materieller Gestalt (Gitterstäbe). Daher bleibt auch skeptisch abzuwarten, auf wieviel „Freiwilligkeit“ das Projekt „JobChancen“, eine Kooperation der Stadt Leipzig und unter anderem der Leiharbeitsfirma Randstad, basieren wird Die Andeutungen, dass man „die dort gemachten Erfahrungen für die Umsetzung der PSA nutzen“ wolle, lässt auf nichts Gutes schließen, sind Personal-Service-Agenturen (PSA, siehe FA! #4 & #5) doch „das Herzstück der Reform“. Ebenfalls neu: Arbeitslosen- und Sozialhilfe werden eins (nämlich: Arbeitslosengeld II), der Regelsatz soll bei 292 Euro monatlich liegen. Davon wären, laut Financial Times Deutschland (2.4.03), etwa 2,5 Millionen Erwerbslose betroffen. Bundesbankpräsident Welteke verdeutlichte: „Für Arbeitnehmer muss es wieder attraktiv werden, niedrig entlohnte Jobs anzunehmen.“ Anders formuliert: Finden sich auf dem „freien Markt“ nicht genügend Menschen, die miese Bedingungen akzeptieren, muss der Staat eben nachhelfen, setzt er doch mit Sozialausgaben einen gewissen Mindestlohn fest.

Leipziger Innovationen

Die im September 2001 gegründete städtische Personelle Unterstützung von Unternehmen Leipzig (PUUL) GmbH zielt in die gleiche Richtung. Sie „übernimmt dabei die Aufgabe, Unterschiede zwischen dem Bedarf und Anforderungen von Arbeitgebern an ihre Arbeitskräfte sowie dem Angebot und der Qualifizierung der Arbeitnehmer auszugleichen.“ Dies stellt klar eine indirekte Subventionierung privater Unternehmen dar: die Kosten der Ausbildung sind vergesellschaftet, von einer Gewinnbeteiligung im Gegenzug ist indes noch nichts bekannt geworden.

Dieses Muster der PUUL GmbH wird zu allem Überfluss seit diesem Jahr mit JOBIMPUULS auf Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ausgeweitet. Auch in den Zeilen des Hartz-Kommissionsberichts findet sich – dank Kommissionsmitglied OBM Tiefensee? – dieser Ansatz, den Unternehmen die Kosten der Ausbildung abzunehmen: Ausbildungszeitwertpapier (siehe S. 2). Ganz direkt hingegen agiert das städtische Amt für Wirtschaftsförderung. Ihm stehen für dieses Jahr 200.000 Euro zur „Sicherung strukturbedeutsamer Arbeitsplätze“ und „zur Unterstützung expandierender Unternehmen“ zur Verfügung. Auf diese Weise sollen 40 Arbeitsplätze erhalten oder geschaffen werden – 5000 Euro pro Kopf und Jahr in der Tretmühle. Die neuerlichen Vorschläge aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums und die Praxis der Stadt Leipzig machen deutlich, dass es sich bei der „Arbeitsmarktreform“ nicht um die Bekämpfung der Erwerbslosigkeit handelt, sondern um die Rücknahme bisher gewährter Standards und die finanzielle Unterstützung privater Unternehmen. Deutlich wird damit auch, dass es sich vor allem um ein Problem handelt menschliche Arbeitskraft kann aufgrund der Maschinisierung nicht mehr umfassend ausreichend rentabel in den Produktionsprozess eingebunden werden. So kommt der kapitalistische Wirtschaftskreislauf ins Stocken. Das ist insofern unser Problem als wir die Misere in städtischen Arbeitshäusern ausbaden dürfen.

Dass solche „Neuerungen“ von Parteifreunden wie dem Thüringer Ministerpräsidenten Vogel gleich wieder kassiert werden, zeigt nur, dass sie zwar wissen, was zu tun ist, sich aber nicht trauen – daraus resultiert der vielbeschworene „Reformstau“.

Der einzige Ausweg, der uns von staatlich-städtischer Seite „angeboten“ wird, ist, Marktlücken zu schließen, unsere Kreativität der Ordnung zu widmen, die uns außer schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen nichts zu bieten hat – und noch nie hatte! In Leipzig soll dazu alljährlich ein „Ideen- und Innovationswettbewerb für Projekte zeitweiser Arbeitskräftenachfrage“ veranstaltet werden – Olympia gehört zweifelsfrei zum Kreis dieser Projekte.

A.E.

Hartz-Gesetze

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